Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Flugannullierung

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

18. 01. 2011


Aktenzeichen

X ZR 71/10


Leitsatz des Gerichts

  1. Im Gerichtsstand der Niederlassung können nur Ansprüche aus Rechtsgeschäften geltend gemacht werden, die zumindest mit Rücksicht auf die Geschäftstätigkeit der Niederlassung abgeschlossen wurden oder als deren Folge erscheinen.

  2. Soll ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union gegen das Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, ist unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das am 22. April 2010 verkündete Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Umfang der nachfolgenden Änderung des erstinstanzlichen Urteils aufgehoben.

Auf die Berufung der Kläger wird das am 22. April 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 600 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jedoch nicht mehr als sieben Prozent, seit dem 16. August 2008 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Die Kläger beanspruchen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen, das seinen Hauptsitz in A. , Georgia (Vereinigte Staaten von Amerika) hat, u.a. auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 € nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 des Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG Nr. L 46, S. 1); im Folgenden: Verordnung).

Die Kläger buchten bei der Beklagten für den 19. Januar 2008 einen Flug von Frankfurt am Main in die USA. Das Flugzeug sollte um 9.45 Uhr starten. Wegen eines Defekts an der Treibstoffleitung und des Ausfalls des Funkbetriebs des Flugzeugs wurde der Flug jedoch annulliert, was den Klägern mitgeteilt wurde, als sie am geplanten Abflugtag um 7.00 Uhr am Schalter der Beklagten im Flughafengebäude eintrafen. Die Kläger konnten erst am nächsten Tag um 9.45 Uhr in die USA fliegen.

Das Amtsgericht hat die auf Ausgleichszahlung nebst Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte zur Ausgleichszahlung nebst Zahlung von Zinsen verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Kläger entgegentreten, verfolgt die Beklagte ihr auf die Rüge fehlender internationaler Zuständigkeit gestütztes Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision bleibt in der Hauptsache ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich aus § 21 ZPO. Die Beklagte verfüge über eine deutsche Niederlassung, die unter einer über das Internet beworbenen F. Telefonnummer erreichbar sei und unter dieser Num- mer auch die Buchung von Flügen anbiete. Damit erwecke die Beklagte zumindest den Anschein einer selbständigen inländischen Geschäftstätigkeit, die auch den Abschluss von Flugbeförderungsverträgen umfasse. Wenn das der Klage zugrunde liegende Rechtsgeschäft mit Rücksicht auf den Geschäftsbetrieb dieser Niederlassung abgeschlossen sei oder als dessen Folge erscheine, begründe dies die Zuständigkeit nach § 21 ZPO. In diesem Sinne erweise sich auch der Abschluss des streitgegenständlichen Beförderungsvertrags als Folge des werbenden Auftretens und Handelns der Beklagten im Inland, selbst wenn die Kläger ihren Flug nicht unmittelbar bei dieser oder über diese Niederlassung gebucht hätten. Die technischen Defekte des Flugzeugs stünden dem Anspruch der Kläger nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung entgegen, da sich aus dem Vorbringen der Beklagten kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass sie auf außergewöhnlichen, von der Beklagten nicht zu beherrschenden Umständen beruht hätten. Damit stehe den Klägern die beanspruchte Ausgleichszahlung zu, die gemäß §§ 291, 288 BGB auch zu verzinsen sei.

II. Die Entscheidung in der Hauptsache hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Lediglich die zuerkannten Zinsen stehen den Klägern nicht in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe zu.

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht nicht nur den Kläger zu 1, sondern auch die Klägerin zu 2 als Partei des Berufungsverfahrens betrachtet und durfte daher auch ihr gegenüber eine Sachentscheidung treffen. Entgegen der von der Revision erhobenen Rüge wird aus der Berufungsschrift hinreichend deutlich, dass auch die Klägerin zu 2 gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt hat.

a) Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO gehört neben den weiteren, gesetzlich normierten Voraussetzungen die Angabe, für welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungskläger sein soll (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09 Rn. 10). An die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein. Dabei sind, wie allgemein bei der Auslegung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09 Rn. 11).

b) Danach lässt die vorliegende Berufungsschrift eindeutig erkennen, dass auch die Klägerin zu 2 das Urteil des Amtsgerichts mit der Berufung angegriffen hat.

Die an das Oberlandesgericht gerichtete Berufungsschrift enthält in ihrem Rubrum zwar die grammatikalisch nur für eine Person stehende Eingangsformel "In dem Rechtsstreit des". Hierbei handelt es sich aber offenkundig um eine sprachliche Unrichtigkeit, da in der Berufungsschrift zugleich nicht nur der Kläger zu 1, sondern ausdrücklich auch die Klägerin zu 2 als "Kläger und Berufungskläger" benannt sind. Dies lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass auch die durch das Urteil des Amtsgerichts beschwerte Klägerin zu 2 Rechtsmittelführerin sein soll. Entgegen der Ansicht der Revision steht diesem Verständnis nicht entgegen, dass in der Berufungsschrift durch den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger erklärt worden ist, dass die Berufung "namens des Klägers und Berufungsklägers" eingelegt werde. Mit dieser Formulierung ist ersichtlich an die in der Einzahl formulierte Eingangsbezeichnung der Parteien angeknüpft worden, was aber auch die Klägerin zu 2 umfasst.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte angenommen.

a) Der Bundesgerichtshof hat als Revisionsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu prüfen. Die Vorschrift des § 545 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Diese Regelung bezieht sich ungeachtet ihres weit gefassten Wortlauts nicht auf die internationale Zuständigkeit (BGH, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff.; vom 9. Juli 2009 - Xa ZR 19/08, BGHZ 182, 24 Rn. 9).

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit auf die Regeln der örtlichen Zuständigkeit nach §§ 12 ff. ZPO zurückgegriffen, da eine hiernach gegebene örtliche Zuständigkeit die internationale regelmäßig indiziert (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., vor § 12 Rn. 32). Anzuwenden sind die Regeln des autonomen deutschen Rechts zwar nur, wenn die internationale Zuständigkeit nicht durch vorrangige Bestimmungen in internationalen Vereinbarungen oder im Unionsrecht geregelt wird (Stein/Jonas/Roth, aaO, vor § 12 Rn. 26). Wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, ist dies hier jedoch nicht der Fall:

aa) Zur Bestimmung des zuständigen Gerichts ist Art. 33 des Übereinkommens von Montreal zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, BGBl. 2004 II S. 458 (im Folgenden: MÜ) nicht heranzuziehen.

Art. 7 der Verordnung auf eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung infolge der Annullierung ihres Flugs ist unabhängig von den Schadensersatzansprüchen, die in Art. 17 ff. MÜ geregelt sind. Die Annullierung eines Flugs wird hiervon nicht erfasst und stellt insbesondere keine Verspätung im Sinne des Art. 19 MÜ dar. Für Ansprüche, die auf die Verordnung gestützt sind, und solche, die auf dem Übereinkommen von Montreal beruhen, gelten damit unterschiedliche Regelungsrahmen, was der übergreifenden Anwendung des Übereinkommens von Montreal auf Ansprüche nach der Verordnung entgegen steht (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - Xa ZR 1/09, RRa 2010, 90 Rn. 10; EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 - C-549/07, RRa 2009, 35 Rn. 31 f. - Wallentin-Herrmann/Alitalia und Urteil vom 9. Juli 2009 - C-204/08, RRa 2009, 234 Rn. 27 - Rehder/Air Baltic).

bb) Die internationale Zuständigkeit folgt im Streitfall - jedenfalls unmittelbar - auch nicht aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001, L12, S.1; nachfolgend: EuGVVO).

Deren räumlicher Anwendungsbereich ist gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EuGVVO nicht eröffnet, da die Beklagte weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates im Sinne des Art. 1 Abs. 3 EuGVVO hat. Die internationale Zuständigkeit lässt sich daher unmittelbar auch nicht aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b, zweiter Spiegelstrich EuGVVO herleiten.

cc) Gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVVO bestimmt sich die internationale Zuständigkeit mithin nach autonomem nationalem Recht. Das gebietet die Heranziehung der die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit regelnden §§ 12 ff. ZPO auch für die internationale Zuständigkeit.

c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen allerdings nicht dessen Annahme, die deutschen Gerichte seien in Anwendung von § 21 ZPO deshalb international zuständig, weil die Beklagte eine Niederlassung in F. unterhält.

aa) Nach dem Zweck von § 21 ZPO muss sich derjenige, der von einem deutschen Stützpunkt aus planmäßig Geschäftstätigkeiten entfaltet, für die damit in Zusammenhang stehenden Klagen auch in Deutschland verantworten (Stein/Jonas/Roth, aaO, § 21 Rn. 1). Dabei genügt allein der Anschein einer Niederlassung, wenn also im Rechtsverkehr von der beklagten Partei zurechenbar der Rechtsschein erweckt wird, das "Stammhaus" unterhalte eine auf Dauer angelegte, selbständige Außenstelle, die aus eigener Entscheidung Geschäfte abzuschließen berechtigt sei. Wird einem Außenstehenden ein derartiger Eindruck vermittelt, so kann sich die beklagte Partei nicht darauf berufen, es fehle der betreffenden Stelle tatsächlich die Selbständigkeit (Stein/Jonas/Roth, aaO Rn. 11).

bb) Daneben ist für den Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung nach § 21 ZPO erforderlich, dass die Klage auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug hat (BGH, Urteil vom 22. November 1994 - XI ZR 45/91, NJW 1995, 1225, 1226 unter II 4). Dies ist etwa der Fall, wenn der Klage ein Vertrag zugrunde liegt, der im Geschäftsbetrieb der Niederlassung geschlossen worden ist (Stein/Jonas/Roth, aaO Rn. 20).

Dass der Beförderungsvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten unter Inanspruchnahme der F. Niederlassung der Beklagten zu- stande gekommen ist, hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Nach dem Vorbringen der Beklagten hat sie auch die Abwicklung des von den Klägern geltend gemachten Ausgleichsanspruchs nicht von ihrer F. Niederlassung aus betrieben, sondern von einer Niederlassung in Eng- land aus. Dem entgegen stehende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen, so dass hiervon auch für das Revisionsverfahren auszugehen ist.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ergibt sich der erforderliche Bezug auf die Tätigkeit der Niederlassung der Beklagten auch nicht aus deren werbendem Auftreten. Der Bezug zur gewerblichen Niederlassung ist zwar, wie auch das Berufungsgericht erkannt hat, überdies bei allen Rechtsgeschäften gegeben, die zumindest mit Rücksicht auf die Geschäftstätigkeit der Niederlassung abgeschlossen wurden oder als deren Folge erscheinen (MünchKomm/Patzina, ZPO, 3. Aufl., § 21 Rn. 12 mwN). Ob dieses Erfordernis schon dann erfüllt ist, wenn sich der Vertragsschluss als Folge eines werbenden Auftretens und Handelns der beklagten Partei durch ihre Niederlassung darstellt, bedarf indes keiner Entscheidung. Die Annahme, dass das werbende Auftreten Einfluss auf den Vertragsschluss genommen hatte, ist nämlich von den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen, da es nur festgestellt hat, dass die Niederlassung der Beklagten im Inland werbend tätig geworden ist, weil sie über eine Unternehmensauskunft im Internet ihre Erreichbarkeit mittels einer F. Telefonnummer angezeigt hat. Dies allein reicht aber für die Annahme nicht aus, dass sich der von den Parteien geschlossene Vertrag als Folge dieses werbenden Auftretens darstellt. Da ein Vertragsschluss auf einer mit Handlungswillen erfolgten Willensentscheidung der Vertragsschließenden beruht, gehört es zu den Voraussetzungen für einen Ursachenzusammenhang zwischen dem werbenden Auftreten der Niederlassung und dem Vertragsschluss, dass der Vertragspartner auch Kenntnis von der werbenden Tätigkeit der Niederlassung erlangt hat. Denn der Handlungswille eines Vertragspartners kann nur dann durch werbende Maßnahmen (mit-)veranlasst sein, wenn er die Werbung erkannt hat und sie in sein Bewusstsein gelangt ist. Ohne Kenntnisnahme steht der Vertragsschluss nur zufällig neben einem werbenden Auftritt. Dies genügt nicht, um den erforderlichen Bezug der Klage zum Geschäftsbetrieb der Niederlassung zu begründen (vgl. Stein/Jonas/Roth, aaO).

d) Im Ergebnis erweist sich die Annahme eines inländischen Gerichtsstands gleichwohl als richtig, da im Streitfall der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 Abs. 1 ZPO begründet ist.

aa) Der von den Klägern geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 der Verordnung ist aus einem Vertragsverhältnis im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO entstanden.

Das Erfordernis "aus einem Vertragsverhältnis" ist weit auszulegen (Stein/Jonas/Roth, aaO, § 29 Rn. 5) und schon dann erfüllt, wenn die Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Vertrag steht und aus dem Vertragsverhältnis herrührt (MünchKomm/Patzina, aaO, § 29 Rn. 11). Bei den von den Klägern geltend gemachten Mindestrechten im Falle der Annullierung eines Flugs handelt es sich zwar um gesetzliche Ansprüche, die nicht aus dem Beförderungsvertrag folgen, den der Fluggast etwa mit dem Luftfahrtunternehmen abgeschlossen hat. Vielmehr richten sich die dem Fluggast eingeräumten Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen, mit dem vertragliche Beziehungen nicht notwendigerweise bestehen müssen (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 18; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, RRa 2009, 242 Rn. 9; Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 Rn. 13). Dennoch handelt es sich um einen Anspruch auf vertraglicher Grundlage, denn Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung ist gemäß deren Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung verfügen, was regelmäßig das Bestehen eines Beförderungsvertrags voraussetzt - sei es mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, sei es mit einem anderen Unternehmen, für das jenes die Beförderungsleistung erbringt (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - Xa ZR 61/09, RRa 2010, 90 Rn. 22; Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 18).

Die vertragliche Grundlage des Ausgleichsanspruchs nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ist demzufolge zu bejahen. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der - im persönlichen Anwendungsbereich der EuGVVO - die auf den Beförderungsvertrag und die Verordnung gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen der Zuständigkeitsregel von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO unterworfen hat, die ausschließlich für vertragliche Streitigkeiten zur Anwendung gelangt (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - C-204/08, RRa 2009, 234 Rn. 47 - Rehder/Air Baltic).

bb) Der Erfüllungsort für die streitige Verpflichtung liegt (auch) in Deutschland.

(1) Maßgeblich für die Bestimmung der Zuständigkeit ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO grundsätzlich die streitige Verpflichtung, die nicht identisch sein muss mit der klageweise geltend gemachten Verpflichtung. Ausschlaggebend ist vielmehr die zugrunde liegende verletzte Vertragspflicht (Stein/Jonas/Roth, aaO Rn. 19; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 29 Rn. 23). Deren Erfüllungsort wird dabei nach dem materiellen Recht bestimmt, das den Vertrag regiert, was sich nach deutschem Kollisionsrecht bestimmt. Der Erfüllungsort wird daher lege causae qualifiziert, indem er grundsätzlich dem Vertragsstatut entnommen wird (BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - VIII ZR 270/80, NJW 1981, 2642, 2643 unter II 4; Stein/Jonas/Roth, aaO Rn. 52).

(2) Im Streitfall richtet sich der Beförderungsvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten zwar nach dem Recht des Staates Georgia, in dem die Beklagte ihren Sitz hat.

Nach Art. 28 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 EGBGB, die auf den vor dem 17. Dezember 2009 geschlossenen streitgegenständlichen Vertrag noch anzuwenden sind (vgl. Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht - Rom I [ABl. Nr. L 177, S. 6]) unterliegt der Vertrag mangels abweichender Rechtswahl dem Sitzrecht des beklagten Luftfahrtunternehmens. Dass die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ihre Leistungen in Deutschland bewirbt und dass der annullierte Flug von Deutschland aus erfolgen sollte, genügt dagegen nicht, um eine engere Verbindung im Sinne des Art. 28 Abs. 5 EGBGB zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - Xa ZR 19/08, BGHZ 182, 24 Rn. 33 ff.; Urteil vom 25. März 2010 - Xa ZR 96/09, RRa 2010, 221 Rn. 24 und Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 19).

(3) Ungeachtet dessen bestimmt den Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO für die mit der Klage geltend gemachte Verpflichtung aber nicht das Recht des Staates Georgia, sondern der Rechtsgedanke des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO mit der darin zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidung des Unionsrechts.

Denn der geltend gemachte Anspruch findet seine Grundlage nicht unmittelbar in den im Beförderungsvertrag getroffenen vertraglichen Abreden, sondern ist Teil der von der Verordnung zuerkannten gesetzlichen Mindestrechte. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Fluggast und dem Luftbeförderungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen sind nur Voraussetzung dafür, dass der Fluggast überhaupt die Mindestrechte nach der Verordnung beanspruchen kann (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - Xa ZR 61/09, RRa 2010, 90 Rn. 22; Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 18). Diese Mindestrechte werden vom Unionsrecht unabhängig vom Vertragsstatut einheitlich ausgestaltet. Teil dieser Ausgestaltung ist auch die vom nationalen Recht unabhängige Bestimmung des Erfüllungsorts für die Beförderungsverpflichtung in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedenfalls bei vertraglicher Beziehung zwischen den Parteien auch für Ausgleichsansprüche nach der Verordnung gilt.

Ob eine Übernahme der für den europäischen Rechtsraum nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO maßgebenden Wertungen darüber hinaus bereits wegen eines generell erforderlichen Konzeptionswandels im Prozessrecht geboten erscheint, wie dies von Teilen der Literatur vorgeschlagen wird (vgl. Roth, FS Schlosser, S. 773, 780; ders. in Stein/Jonas/ Roth, aaO Rn. 54), und demzufolge auch dann veranlasst wäre, wenn es sich nicht - wie hier - um eine durch das Unionsrecht geprägte Verpflichtung handelt, bedarf hingegen keiner Entscheidung. Jedenfalls für die vorliegend geltend gemachten, vom Unionsrecht einheitlich ausgestalteten Mindestrechte ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes der im Unionsrecht angelegte Rechtsgedanke maßgebend. Eine derartige Anknüpfung führt zugleich zu der von Erwägungsgrund 4 der Verordnung bezweckten Harmonisierung auch hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit, da die Bestimmung unabhängig davon ist, ob der Kunde ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft oder aus einem Drittstaat in Anspruch nimmt (vgl. Staudinger, RRa 2010, 154, 155). Zugleich sichert sie dem Kunden das in Erwägungsgrund 1 der Verordnung angestrebte hohe Schutzniveau auch bei der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche zu und schafft Rechtssicherheit.

(4) Danach ist der im Streitfall vereinbarte Abflugort in Frankfurt am Main auch als der Ort der Erfüllung im Sinne von § 29 ZPO zu betrachten und begründet den dortigen Gerichtsstand für die Klage auf pauschalierten Ausgleich nach der Verordnung. Denn im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr sind sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abfluges als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte anzusehen, an denen die Leistungen, die Gegenstand des Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - C-204/08, RRa 2009, 234 Rn. 43 - Rehder/Air Baltic).

3. In der Sache steht den Klägern der geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung zu. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu lassen keinen Rechtsfehler erkennen und werden auch von der Revision nicht angegriffen.

a) Der Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet, da die Kläger ihren annullierten Flug auf einem Flughafen in Deutschland antreten wollten. Darauf, dass die Beklagte kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Verordnung ist, kommt es nicht an.

b) Der von den Klägern gebuchte und von der Beklagten auszuführende Flug von mehr als 3500 km in die Vereinigten Staaten von Amerika ist annulliert worden, worüber die Kläger weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit informiert worden sind, ohne dass ihnen ein Angebot zur anderweitigen Beförderung gemacht worden ist, das es ihnen ermöglichte, ihr Endziel nicht mehr als zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

c) Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, beruht die Annullierung wegen technischer Defekte des Flugzeugs nicht auf außergewöhnlichen Umständen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung.

aa) Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien können, bei einer aufgrund des Defekts erforderlichen Annullierung des Fluges die nach Art. 7 der Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 13). Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 - C-597/07, RRa 2009, 35 - Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 26; BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 14).

bb) Aus den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich kein Anhalt dafür, dass der Defekt an der Treibstoffleitung und der Ausfall des Funkbetriebs des für den geplanten Flug vorgesehenen Flugzeugs, der im Streitfall dazu geführt hat, dass der Flug nicht ausgeführt worden ist, auf einem außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruhten. Damit greift der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung hier nicht, unabhängig davon, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung zu vermeiden.

d) Da die Kläger ihr Endziel erst mit einer Verspätung von einem Tag erreicht haben, haben sie Anspruch auf eine ungekürzte Ausgleichszahlung. Gegenüber dem Berufungsurteil, das den Klägern gemeinsam 1.200 € zuerkannt hat, hat der Senat in der Urteilsformel klargestellt, dass jeder der Kläger einen Betrag von 600 € beanspruchen kann.

4. Hingegen können die Kläger die begehrten Verzugszinsen, die als Nebenforderung ebenfalls am Gerichtsstand der Hauptsache geltend gemacht werden können (vgl. Stein/Jonas/Roth, aaO, § 29 Rn. 23), nicht in dem vom Berufungsgericht zuerkannten Umfang beanspruchen.

a) Der Anspruch auf Verzugszinsen für den pauschalen Ausgleichsanspruch nach der Verordnung richtet sich gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB nach dem auf den Beförderungsvertrag anwendbaren Recht (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 17). Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, unterliegt er damit nicht deutschem Recht und bestimmt sich nicht nach §§ 291, 288 BGB, sondern regelt sich nach dem Recht des Staates Georgia als dem für den streitgegenständlichen Beförderungsvertrag maßgeblichen Sachrecht.

b) Der Senat kann das Recht des Staates Georgia selbst auslegen. Dem Senat ist die im Internet veröffentliche Kodifizierung (Official Code of Georgia Annotated (O.C.G.A.), http://www.lexisnexis.com/hottopics/gacode) in englischer Sprache zugänglich. Soweit es um die hier relevanten Vorschriften geht, hat der Senat auch keine Zweifel an deren inhaltlichen Richtigkeit. Nach O.C.G.A. § 13-6-13 sind bei Vertragsverletzungen, worunter auch fällt, wenn eine Partei ihrer Leistungsverpflichtung nicht nachkommt (vgl. Hay, USAmerikanisches Recht, 4. Aufl. Rn. 335), Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Der gesetzliche Zinssatz beträgt gemäß O.C.G.A. § 7-4-2 sieben Prozent im Jahr, so dass dem Klagebegehren nur bis zu dieser Höhe stattgegeben werden kann.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.


Meier-Beck Keukenschrijver Berger
Grabinski Schuster

Vorinstanzen

AG Frankfurt am Main, 29 C 2033/08-73, 22.04.2009; OLG Frankfurt/Main, 16 U 84/09, 22.04.2010

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

ZPO § 21, § 29 Abs. 1; EuGVVO Art. 5 Nr. 1 Buchst. b