Einlösung eines vom Reiseveranstalter übersendeten Verrechnungsschecks mit Hinweis auf vergleichsweise endgültige Erledigung von Mängelstreitigkeiten

Gericht

AG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 04. 2010


Aktenzeichen

8B C 296/09


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Klägerin zu 1) buchte für sich und ihre Mutter, die Klägerin zu 2), bei der Beklagten eine Flugpauschalreise nach Luxor, Ägypten, für die Zeit vom 7.10.2008 bis 14.10.2008 bei Unterbringung in dem 5-Sterne-Hotel "…" im Doppelzimmer mit Halbpension zum Gesamtpreis von 1.638,- EUR, den die Klägerin zu 1) an die Beklagte zahlte.

Die Klägerinnen verlangen Rückzahlung des Reisepreises, Schadensersatz und Schmerzensgeld. Mit Schreiben vom 2.11. 2008 meldeten sie ihre Ansprüche bei der Beklagten an und verlangten Zahlung von 1.146,60 EUR. Die Beklagte bestritt die Reklamation und übersandte den Klägerinnen aus Kulanz einen Verrechnungsscheck über 100,- EUR zur vergleichsweisen und endgültigen Erledigung der Reklamation bzw. Klaglosstellung. Die Klägerinnen lösten den Scheck am 6.2.2009 ein. Eine erneute Zahlungsaufforderung über den Betrag von 1.988,- EUR erging an die Beklagte durch anwaltliches Schreiben vom 18.2.2009. Dieses Schreiben enthielt auch eine Kostenrechnung der Anwälte der Klägerinnen über 277,03 EUR.

Die Klägerinnen behaupten, ihr Zimmer habe sich sehr weit rechts im Haupthaus befunden. Während ihres gesamten Aufenthaltes hätten im rechten Seitenflügel des Hotels umfangreiche Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten stattgefunden. Insbesondere die Erneuerung der Fenster habe zu Lärmbelästigungen sowohl in ihrem Zimmer als auch am Pool geführt. ... Dies hätten sie am zweiten Tag an der Hotelrezeption gerügt, die ihrer Bitte um ein ruhigeres Zimmer nicht entsprochen habe.

Während des gesamten Aufenthaltes sei die Zimmerreinigung unzureichend und oberflächlich gewesen. Sie habe sich auf die Laufflächen beschränkt. Auch die Reinigung des Bades sei nur oberflächlich erfolgt. Trotz ihrer Rüge an der Hotelrezeption sei keine Abhilfe erfolgt. ...

Der Speiseplan sei sehr eintönig, das Frühstücks- und das Abendbüffet seien nahezu gleich gewesen und hätten sehr geringe Auswahl geboten. Die Speisen seien teils verdorben gewesen. Sie hätten am zweiten Tag der Reise zum Frühstück Eier und Hähnchenfleisch gegessen, was zu Durchfall und Erbrechen für die Dauer von zwei Tagen (vom zweiten bis vierten Tag der Reise) geführt habe. Die angebotenen vier Zeugen sowie weitere sechs Hotelgäste hätten unter denselben Auswirkungen des Essens gelitten. Keine der betroffenen Personen habe neben dem Hotelessen irgendwelche weiteren Speisen außerhalb des Hotels zu sich genommen. Die Reiseleitung sei während der gesamten Reisedauer nicht anwesend und auch telefonisch nicht erreichbar gewesen. Sie hätten hinsichtlich aller geschilderten Mängel ab dem Zeitpunkt, zu welchem diese aufgetreten seien, täglich versucht, die angeblich vor Ort befindliche Reiseleitung zu kontaktieren, um die entsprechenden Mängel zu rügen und Abhilfe zu verlangen. Sie hätten hierbei erfolglos versucht, die Reiseleitung zu verschiedenen Zeiten in dem Büro im Hotel aufzusuchen. Weiterhin hätten sie versucht, diese telefonisch, auch über die Rezeption, zu kontaktieren. Sie hätten bei der Rezeption Nachrichten für die Reiseleitung hinterlassen, dass man sich bei ihnen melden möge. Keine der Bemühungen habe zum Erfolg geführt. Die Reiseleitung vor Ort sei für sie nicht erreichbar gewesen. Auch sämtlichen Mitreisenden aus der Reisegruppe sei es genauso ergangen. Man habe überwiegend gemeinsam versucht, die Reiseleitung vor Ort zu erreichen.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, ein außergerichtlicher Vergleich sei nicht geschlossen worden. Mit Schriftsatz vom 26.8.2009 ließen die Klägerinnen vorsorglich wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins einen außergerichtlich geschlossenen Vergleich gemäß § 119 Abs.1 BGB anfechten. Die Klägerinnen verlangen Minderung des Reisepreises, Entschädigung für entgangene Urlaubszeit von insgesamt 1.638,- EUR, ein Schmerzensgeld in Höhe von je 200,- EUR sowie eine Kostenpauschale von je 25,- EUR abzüglich gezahlter 100,- EUR.

… Die Beklagte ist der Auffassung, den Klägerinnen stünden keine Ansprüche zu, weil sich die Parteien bereits außergerichtlich über etwaige Ansprüche der Klägerinnen geeinigt hätten. Sie habe nach Absendung des Schreibens vom 19.12.2008 zunächst nichts mehr von den Klägerinnen gehört. Der übersandte Verrechnungsscheck sei dann von den Klägerinnen am 6.2.2009 eingelöst worden. Erst mit anwaltlichem Schreiben vom 18.2. 2009 sei eine erneute Kontaktaufnahme erfolgt.

Die Beklagte behauptet, die Reiseleitung sei erreichbar gewesen. Sie habe Sprechzeiten im Hotel abgehalten. Ferner hätten die Klägerinnen die Telefonnummer der Reiseleitung gehabt und hätten diese telefonisch kontaktieren können. Eine Kontaktaufnahme sei jedoch nicht erfolgt. Sämtliche behaupteten Mängel bestreitet die Beklagte, wie auch die Durchfallerkrankungen und dass diese auf verdorbene Speisen im Hotel zurückzuführen gewesen seien. …

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Den Klägerinnen stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Reisepreisminderung / Schadensersatz / Schmerzensgeld gemäß §§ 651d Abs.1, 651f Abs. 2, 253 Abs.2 BGB nicht zu, weil die Parteien hierüber einen abschließenden Vergleich geschlossen haben, der weitergehende Ansprüche der Klägerinnen wegen Mängel der Reise ausschließt.

Mit Schreiben vom 19.12.2008 unterbreitete die Beklagte nach Ablehnung sämtlicher geltend gemachter Ansprüche der Klägerinnen einen Antrag auf Abschluss eines Vergleiches. Sie schrieb: "Da streitige Auseinandersetzungen jedoch nicht in unsere Geschäftspolitik passen, sind wir gerne bereit, Ihnen aus Kulanzgründen eine Entschädigung zukommen zu lassen, um Ihrer Verärgerung, die aus dem Schreiben deutlich wird, zu begegnen. Zur vergleichsweisen und endgültigen Erledigung Ihrer Reklamation bzw. Klaglosstellung übersenden wir Ihnen beiliegend einen Verrechnungsscheck über 100,- EUR. Weitergehenden Ansprüchen können wir nicht nachkommen und verzichten auf eine Gegenbestätigung unseres Vergleichsangebotes." Am 6.2.2009 lösten die Klägerinnen den Scheck ein. Damit haben die Klägerinnen das Angebot der Beklagten gemäß § 151 BGB angenommen. Denn im Rahmen des § 151 BGB kommt es allein darauf an, ob das Verhalten des Angebotsempfängers objektiv als Annahme zu werten ist. Mangels eines Erklärungsbedürfnisses bezüglich der Annahmeerklärung gegenüber der Beklagten ist nicht auf deren Empfängerhorizont abzustellen, vielmehr kommt es darauf an, ob vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus das Verhalten der Klägerinnen aufgrund aller äußeren Indizien auf einen "Annahmewillen " schließen lässt (vgl. hierzu Führich, Reiserecht [5. Aufl.], Rn. 466 m.w.N.). Die Beklagte hat eindeutig erklärt, dass sie den Verrechnungsscheck "zur vergleichsweisen endgültigen Erledigung der Reklamation" bzw. "zur Klaglosstellung" übersendet. Damit war aus Sicht eines objektiven Dritten klar, dass die Einlösung des Schecks aus Sicht der Beklagten nur als Zustimmung zur vergleichsweisen endgültigen Beilegung der Streitpunkte bewertet werden konnte. Bei der Eindeutigkeit der Formulierung im Schreiben der Beklagten vom 19.12.2008 kann auch nicht von einer sog. "Erlassfalle" gesprochen werden, selbst wenn der Vergleichsbetrag nur knapp 10 % des von den Klägerinnen mit Schreiben vom 2.11.2008 geforderten Betrages ausmacht.

Das Schreiben vom 18.2.2009, mit dem die Klägerinnen durch ihren Rechtsanwalt weitere Ansprüche aufgrund von Reisemängeln geltend machten, erfolgte erst nach Annahme des Vergleichsangebotes. Einer ausdrücklichen Annahme des Vergleichsangebotes bedurfte es nicht, weil die Beklagte hierauf im Schreiben vom 19.12. 2008 verzichtet hatte (§ 151 BGB).

Auf die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen mit Schriftsatz vom 26.8.2009 erklärte Irrtumsanfechtung kommt es nicht an, weil diese entgegen § 121 BGB nicht "ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich)" abgegeben wurde. Sie ist erst mehr als ein halbes Jahr nach der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen bereits am 18.2.2009 spätestens bekannten Scheckeinlösung erklärt worden. Dieses kann nicht mehr als unverzüglich im Sinne des Gesetzes angesehen werden.

Darüber hinaus wären Reisepreisminderungsansprüche der Klägerinnen gemäß § 651d Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerinnen es unterlassen haben, die Mängel während der Reise bei der örtlichen Reiseleitung der Beklagten bzw. der Beklagten anzuzeigen. Dass eine örtliche Reiseleitung existierte und dass den Klägerinnen seitens der Beklagten auch deren Telefonnummer mitgeteilt war, ist unstreitig. Damit wäre eine Mängelanzeige bei der örtlichen Reiseleitung grundsätzlich den Klägerinnen möglich gewesen. In diesem Fall hat der Reisende sein fehlendes Verschulden darzulegen und zu beweisen (s. Palandt/ Sprau, BGB [68. Aufl.], § 651d Rn.7). Die Klägerinnen haben nicht hinreichend dargelegt, dass sie vergeblich versucht haben, die örtliche Reiseleitung zu den angekündigten Sprechstunden bzw. telefonisch zu erreichen.

Zunächst haben sie nur pauschal vorgetragen, die Reiseleitung sei während der gesamten Dauer der Reise nicht anwesend und telefonisch auch nicht erreichbar gewesen. Nach Hinweis des Gerichts, dass dieser Vortrag nicht ausreiche, haben sie dann erklären lassen, sie hätten "hinsichtlich aller geschilderten Mängel ab dem Zeitpunkt, zu welchem diese aufgetreten sind, täglich versucht, die angeblich vor Ort befindliche Reiseleitung zu kontaktieren, um die entsprechenden Mängel zu rügen und Abhilfe zu verlangen. Sie hätten hierbei erfolglos versucht, die Reiseleitung zu verschiedenen Zeiten in dem Büro im Hotel aufzusuchen. Weiterhin hätten sie versucht, diese telefonisch auch über die Rezeption zu kontaktieren. Sie hätten bei der Rezeption Nachrichten für die Reiseleitung hinterlassen, dass man sich bei ihnen melden möge. Keine der Bemühungen habe zum Erfolg geführt, die Reiseleitung vor Ort sei für sie nicht erreichbar gewesen. Das könne von sämtlichen Mitreisenden aus der Reisegruppe bestätigt werden, weil es diesen genauso ergangen sei. Man hätte überwiegend gemeinsam versucht, die Reiseleitung vor Ort zu erreichen." Auch dieser Vortrag ist pauschal, insbesondere fehlen konkrete Angaben zu den Daten und Zeiten. Es lässt sich nicht entnehmen, welcher Zeuge bei welcher Art des Versuches einer Mängelrüge bei der örtlichen Reiseleitung anwesend gewesen sein soll. Wenn tatsächlich die örtliche Reiseleitung nicht erreichbar war, hätten die Klägerinnen sich dieses durch die Hotelrezeption, die sie nach ihrem Vortrag laufend aufgesucht haben und bei der sie Mängel gerügt haben, bestätigen lassen können. Bei einem derart pauschalen Vortrag würde eine Vernehmung der angebotenen Zeugen auf eine Ausforschung hinauslaufen, die unzulässig ist.

Auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 651f Abs. 2 BGB setzt das Vorliegen einer Mängelanzeige bzw. eines Abhilfeverlangens voraus. Daran fehlt es, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.

Ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerinnen wegen der angeblichen Durchfallerkrankung scheitert schon daran, dass die Klägerinnen nicht hinreichend dargelegt haben, dass diese Erkrankung in den hygienischen Verhältnissen bzw. der Verpflegung des Hotels gelegen hätten. Gerade Verpflegungsmängel sind genau zu substantiieren. Bei Lebensmittelvergiftungen oder Bakterien ist das allgemeine Lebensrisiko des Reisenden abzugrenzen. Häufig spielen die klimatischen Verhältnisse oder Ortsüblichkeiten oder der Genuss außerhalb des Hotels eine Rolle. Der Reisende hat darzulegen und zu beweisen, dass die Ursache seiner Erkrankung in den hygienischen Verhältnissen bzw. der Verpflegung seines Hotels liegt. Sind zahlreiche Gäste betroffen, spricht der Anscheinsbeweis, wonach eine Erkrankung auf mangelnde Hygiene oder mangelhafte Verpflegung zurückzuführen ist, für die Zurechenbarkeit zur Risikosphäre des Veranstalters (s. Führich, Reiserecht [5. Aufl.], Rn. 326). Die von den Klägerinnen angegebene Zahl von 10 weiteren Durchfallerkrankungen während ihrer Reisezeit ist im Hinblick darauf, dass das Hotel über 450 Zimmer verfügen soll, als zu gering anzusehen, als dass sich aus ihr darauf schließen ließe im Sinne eines Anscheinsbeweises, dass die Durchfallerkrankungen der Klägerinnen auf die hygienischen Verhältnisse bzw. auf Mängel der Verpflegung des Hotels zurückzuführen waren.

Die Unbegründetheit der Hauptforderung zieht die Unbegründetheit der Nebenforderungen nach sich. …

Rechtsgebiete

Reiserecht