FOCUS gewinnt gegen ehrabschneidende Behauptung über Ärzteliste
Gericht
OLG München
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
01. 03. 2011
Aktenzeichen
18 U 2992/10
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 23.04.2010, Az. 4 O 159/10, aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten in jedem Fall der Zuwiderhandlung, zu vollziehen an seinem Vorsitzenden, zu unterlassen,
in Bezug auf die im Nachrichtenmagazin … abgedruckte Liste der 115 besten Implantologen (… Nr. 22/2009) zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen:
"Die Redaktion rief wohl im Vorfeld bei vielen Zahnärzten an und bot einen Platz auf dieser Liste - unter welchen Voraussetzungen auch immer - an."
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 6.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil zweifelsfrei nicht gegeben ist.
II.
Die Berufung ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).
Sie erweist sich auch als begründet, denn die Klägerin hat gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog einen Anspruch auf Unterlassung des Aufstellens oder der Verbreitung der angegriffenen Äußerungen.
Die Klägerin ist durch die vom Beklagten in seinem Online-Magazin veröffentlichten Äußerungen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Diese Verletzung ist auch rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei dem Satz: "Die Redaktion rief wohl im Vorfeld bei vielen Zahnärzten an und bot einen Platz auf dieser Liste - unter welchen Voraussetzungen auch immer - an." nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine Tatsachenbehauptung. Eine solche zeichnet sich dadurch aus, dass der Gehalt der Äußerung als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht, während eine Meinungsäußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird (BGH NJW 1978, 751; AfP 2009, 137; BVerfG NJW 1983, 1415). Im vorliegenden Fall werden mit der Aussage, die Redaktion habe im Vorfeld bei vielen Zahnärzten angerufen und einen Platz auf der Liste angeboten, diese Vorgänge als etwas tatsächlich Geschehenes dargestellt, das dem Beweis zugänglich ist. Der relativierende Zusatz "wohl" ändert an dem Tatsachencharakter nichts (vgl. BGH NJW 1986, 2503; OLG Frankfurt NJW 1981, 2707). Der Einschub "unter welchen Voraussetzungen auch immer" besagt, wenn ihm überhaupt ein eigener Aussagegehalt zukommt, nur, dass die Voraussetzungen, mit denen die - angeblichen - Angebote verbunden waren, nicht bekannt sind oder nach dem Beklagtenvorbringen eher wahrscheinlich - nicht mitgeteilt werden sollen.
Die Verbreitung persönlichkeitsrechtsverletzender Tatsachenbehauptungen genießt den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, wenn diese der Meinungsbildung zu dienen geeignet sind. Dies gilt nicht für Tatsachen, deren Unwahrheit erwiesen ist und von deren Unwahrheit der Äußernde bereits im Zeitpunkt der Äußerung Kenntnis hatte. Soweit die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung im Zeitpunkt der Äußerung ungewiss und die Tatsachen ehrenrührig sind, fallen diese Äußerungen nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts heraus, jedoch hat der Äußernde den Wahrheitsbeweis zu führen (Palandt/Sprau BGB, 70. Auflage § 823 Rnr. 101a). Die mögliche Rechtfertigung einer unwahren Behauptung setzt voraus, dass der Äußernde die ihm obliegende Sorgfaltspflicht beachtet hat, die sich nach seinen Aufklärungsmöglichkeiten richtet (Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 6. Kapitel, Rn 73).
Danach ist die streitgegenständliche Behauptung rechtswidrig, da ihre Wahrheit nicht bewiesen ist. Hierfür trägt der Beklagte die Beweislast entsprechend § 186 StGB, da die Behauptung die …-Redaktion verunglimpft. Die vom Beklagten angebotenen Zeugen …, … und … sind zum Beweis der Tatsache, dass die …-Redaktion bei Zahnärzten angerufen und ihnen einen Platz auf der Implantologen-Liste angeboten habe, nicht geeignet. Der mit diesen Zeugen unter Beweis gestellte Vortrag, die Zeugen seien jeweils von einer Person angerufen worden, die behauptet oder jedenfalls den Eindruck erweckt habe, Mitarbeiter der …-Redaktion zu sein, und erklärt habe, einen "werbenden Eintrag" verkaufen zu wollen, der mit dem Platz auf der …-Implantologen-Liste "verknüpft" worden sei, enthält hinsichtlich der behaupteten Anrufer nur Indiztatsachen, d. h. tatbestandsfremde Tatsachen. Bei ihnen ist vor der Beweiserhebung zu prüfen, ob der Indizienbeweis schlüssig ist, ob also die Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - das Gericht von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde (BGH NJW 1982, 2447; 1993, 1391). Dies ist nicht der Fall bei den im Schriftsatz vom 17.03.2010 auf Seite 3 vorgetragenen Tatsachen. Die Wiedergabe der schriftlichen Mitteilung des Zeugen … über einen "merkwürdigen Anruf in der Praxis, angeblich von der …-Redaktion" und einen "Wiederholungsanruf durch mich" ohne Angabe der angerufenen Nummer oder des Namens der unter dieser Nummer erreichten Person hat angesichts des Vorbehalts zum ersten Gespräch und der ungenauen und lückenhaften Angabe zum zweiten Gespräch so wenig Substanz, dass von einem Indiz kaum die Rede sein kann und jedenfalls ein Schluss auf die Wahrheit der streitgegenständlichen Behauptung nicht möglich ist. Gleiches gilt für die pauschale Angabe, bei den Zeugen … und … sei jeweils ein "nahezu gleichlautender Anruf eingegangen. Daraus ergibt sich nur, dass bei diesen Zeugen ein merkwürdiger Anruf in der Praxis, angeblich von der …-Redaktion, eingegangen ist. Die weiteren Behauptungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2011 zu den Zeugen …, … und … führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Abgesehen davon, dass sie, wie sich aus den Ergänzungen nach den jeweiligen Hinweisen des Senats ergibt, offensichtlich "ins Blaue hinein" aufgestellt wurden, enthalten sie keine weiteren Angaben, die den Senat zu der Annahme gelangen ließen, daraus ergäben sich Anrufe der …-Redaktion. Der Beklagtenvertreter war nämlich weiterhin nur in der Lage, Anrufe einer Person zu behaupten, die erklärt habe, "Mitarbeiter des Nachrichtenmagazins …, der redaktionell für die Implantologenliste recherchiere," zu sein oder "im Auftrag des …" anzurufen und mitzuteilen, es gehe um einen "redaktionellen Beitrag zur …-Implantologenliste".
Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten haben die Recherchen seines Vorsitzenden nicht bestätigt, dass die telefonischen Angebote tatsächlich von der Klägerin ausgingen. Der Beklagte hat nämlich bereits in der Klageerwiderung, auf die er im Berufungsverfahren Bezug genommen hat, vorgetragen, sein Vorsitzender habe ebenfalls ein solches Angebot erhalten und nach intensiver Auseinandersetzung damit festgestellt, dass das Angebot nicht von der Redaktion der Klägerin, sondern von einer beauftragten Vermittlungsagentur stammte. Seine Vermutung, der Klägerin sei bekannt gewesen, dass "hier bewusst mit dem Anschein gearbeitet wurde, dem 'Kunden' eine Präsentation im redaktionellen Teil zu ermöglichen", was einem Handeln durch Mitarbeiter der Klägerin selbst im übrigen nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden könnte, entbehrt ersichtlich jeder tatsächlichen Grundlage. Unter diesen Umständen kann der Beklagte sich auch nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB berufen, da er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht davon ausgehen konnte, dass die Behauptung in seinem Online-Magazin richtig war.
Wiederholungsgefahr ist indiziert, da eine Unterlassungserklärung nicht abgegeben wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Bei der Festsetzung des Streitwerts nach §§ 63, 47, 48 GKG, § 3 ZPO wurde berücksichtigt, dass die streitgegenständlichen Äußerungen in der Publikation eines kleineren Berufsverbandes mit geringem Verbreitungsgrad (nach Beklagtenangaben bis zu 80 Personen) enthalten sind und die Persönlichkeitsrechtsverletzung vom Inhalt her verhältnismäßig geringfügig erscheint.
gez.
Weidenkaff
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
von Geldern-Crispendorf
Richterin
am Oberlandesgericht
Glocker
Richterin
am Oberlandesgericht
Verkündet am 01.03.2011
gez.
Straßer M., JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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