Zusendung von Waren trotz Widerruf

Gericht

LG Itzehoe


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

31. 03. 2009


Aktenzeichen

5 O 130/08


Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 27. November 2008 - 5 O 130/08 - wird mit der Maßgabe bestätigt, dass deren Ziffer I. 3., Satz 2 im Wortlaut klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

... ohne sich die Einwilligung gesondert erteilen zu lassen. Dies gilt ausnahmslos, soweit die Klausel die Einwilligung in die Verwendung von Bestandsdaten zur Werbung für nicht eigene Angebote betrifft. ...

Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Beschlussverfügung.

Sie sind Mitbewerber auf dem Markt der Telefondienste. Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden „Beklagte“) ist nach einer am 30. September 2008 auch formal vollzogenen Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der infolge der Verschmelzung erloschenen t... GmbH. Aufgrund der Zusendung eines Mobilfunk-Privatkundenantrags mit zwei Handys der Marke LG KP 130, eines Notebooks Vaio VGN AR88E und eines DVB-T USB Sticks durch die Fa. g... AG als Vertriebspartnerin der t... GmbH am 11. November 2008 als Folge einer Bestellung des Zeugen K. am 31. Oktober 2008 trotz Widerrufes der Bestellung durch den Zeugen am 01. und 10. November 2008 hat die Verfügungsklägerin (im Folgenden „Klägerin“) gegen die Beklagte eine einstweilige Beschlussverfügung der Kammer vom 27. November 2008 erwirkt, mit der der Beklagten sinngemäß untersagt worden ist,

1. Verbrauchern unbestellte Waren zu liefern bzw. liefern zu lassen,

2. im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Mobilfunkverträgen Fernabsatzverträge abzuschließen bzw. abschließen zu lassen, ohne Verbraucher über das ihnen zustehende Widerrufsrecht zu informieren und ohne die gesetzlichen Informationspflichten nach § 312 c Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 240 EGBGB i. V. m. § 1 Abs. 4 BGB InfoV zu erfüllen, und

3. eine bestimmte Klausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen betreffend die Einwilligung in die Übersendung von Angeboten gegenüber Verbrauchern uneingeschränkt zu verwenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des genauen Inhalts der einstweiligen Verfügung und deren rechtlicher Begründung wird auf den Beschluss der Kammer vom 27. November 2008 (Bl. 34 ff d. A.) Bezug genommen, der noch die t... GmbH als Antragsgegnerin ausweist.

Mit Schriftsatz vom 03. Februar 2009 hat die Beklagte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt und begehrt deren Aufhebung hinsichtlich der Ziffern I. 1. und 3.

Zum Vorwurf der Lieferung unbestellter Waren macht sie - unter teilweiser Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts Trier in einem Parallelverfahren zwischen der hiesigen Klägerin und der g... AG zum gleichen Sachverhalt - geltend, dass von einer fehlenden Bestellung nur ausgegangen werden könne, wenn die Ware bzw. Leistung des Anbieters dem Kunden ohne eine jenem zurechenbare Aufforderung zugehe. Davon könne vorliegend angesichts der Bestellung des Zeugen K. vom 31. Oktober 2008 auch angesichts der folgenden Mailverkehrs zwischen ihm und der g... AG gemäß den Anlagen EV 6 und 7 (Bl. 17 ff und 22 d. A.) keine Rede sein. Zur Auslieferung am 11. November 2008 sei es lediglich wegen eines Büroversehens innerhalb der g... AG gekommen. Deren Mail vom 01. November 2008, mit dem sie den Eingang des Widerrufs vom 31. Oktober 2008 bestätigt habe, sei automatisch erstellt worden. Eine tatsächliche Bearbeitung dieser Mail sei nicht erfolgt. Dem Widerruf vom 10. November 2008 komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die Ware zu diesem Zeitpunkt bereits unterwegs zu dem Zeugen K. gewesen sei.

Der Beschlusstenor zu Ziffer I. 3. könne ebenfalls keinen Bestand haben. Die gerügte Klausel stelle lediglich einen Teil einer umfänglicheren Datenschutz- und Einwilligungsklausel dar, die in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden müsse. Die Unterlassungsanordnung gemäß Ziffer I. 3. sei auch in sich widersprüchlich hinsichtlich des genauen Umfangs des Verbotes bzw. der Ausnahme hiervon betreffend das dort angesprochene Werbeverbot. Im Umkehrschluss aus dem Beschlusstenor unter Ziffer I. 3. ergebe sich die Notwendigkeit einer sog. Opt-in Erklärung des Kunden für fremde Werbung per Post, MMS und Fax, ohne dass hierfür eine gesetzliche Verpflichtung bestehe.

Die Beklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 27. November 2008 - 5 O 130/08 - in Ziffer I.1 und Ziffer I.3 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin insoweit zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

den Widerspruch zurückzuweisen.

Zur Begründung dieses - auf Bestätigung der einstweiligen Verfügung gerichteten - Antrags tritt sie den Ausführungen der Beklagten mit eigenen Rechtsausführungen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen. Soweit diese Tatsachenvortrag enthalten, gilt dies nur für die bis zur mündlichen Verhandlung am 17. März 2009 eingereichten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Die Zusendung unbestellter Ware bzw. Erbringung unbestellter Dienstleistungen verstößt gegen § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG, weil eine Werbung, die der angesprochene Marktteilnehmer erkennbar nicht wünscht, eine unzumutbare Belästigung darstellt. Dies galt im Ergebnis schon vor Erlass der Fernabsatzrichtlinie (RL 97/7/EG vom 20. Mai 1997 - dort Art. 9) und vor Inkrafttreten der UWG-Novelle in der Fassung der Bekanntmachung vom 03. Juli 2004. Ein solches Verhalten erfüllte schon nach der vorher geltenden Rechtslage nach jahrzehntelanger Rechtsprechung den Tatbestand einer unzulässigen „anreißerischen“ Werbung (vgl. die Nachweise bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl. 2008, Rdnr. 135 zu § 7 UWG). Daran hat sich im Ergebnis auch durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) Nichts geändert.

Entscheidend ist in beiden Gesetzesfassungen, dass die für den angesprochenen Markteilnehmer unzumutbar belästigende „Werbung“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG a. F.) oder „geschäftliche Handlung, insbesondere Werbung“ (§ 7 Abs. 1 UWG n. F.) erkennbar unerwünscht ist. Für dieses gesetzliche Tatbestandsmerkmal kommt es - entgegen der Auffassung des Landgerichts Trier - nicht darauf an, ob Ware „unbestellt“ oder nach einer zunächst erfolgten, dann aber widerrufenen Bestellung übersandt wird. Entscheidend ist allein, ob dem werbenden Unternehmer erkennbar ist, dass die Übersendung der Ware (oder die Erbringung der Dienstleistung) seitens des empfangenden Marktteilnehmers unerwünscht ist. Das war hier unstreitig der Fall: Der Mail der g... AG vom 01. November 2008 ist zu entnehmen, dass der Widerruf des Zeugen K. bei ihr eingegangen war. Sie konnte also erkennen, dass jener das ihm am 11. November 2008 übersandte Angebot einschließlich der damit verbundenen Warengüter nicht haben wollte.

Die von der Beklagten vorgebrachten Gründe dafür, weshalb es dennoch zur Übersendung gekommen ist, sind unerheblich. Anders als denkbare Schadensersatzansprüche bestehen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche unabhängig von einem etwaigen Verschulden des werbenden Marktteilnehmers. Es kommt also nicht darauf an, ob dem ersten Widerruf des Zeugen K. versehentlich nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Die Tatsache, dass die Mail „automatisch“ bearbeitet worden ist, lässt allerdings die Vermutung zu, dass bei der g... AG, deren Verhalten die hiesige Beklagte sich anrechnen lassen muss, insoweit ein Organisationsfehler vorliegt, als eingehende E-Mails hinsichtlich ihrer rechtlichen Konsequenzen nicht hinreichend überwacht werden. Der unter der Ziffer I. 1. der Beschlussverfügung formulierte Unterlassungsanspruch besteht mithin zu Recht und ist zu bestätigen.

2. Hinsichtlich des in der Beschlussverfügung unter Ziffer I. 3. formulierten Unterlassungsbegehrens gilt Folgendes:

a) Der Vorwurf der Beklagten, die einstweilige Verfügung befasse sich unzulässigerweise mit einem Einzelbestandteil einer umfassenderen - so auch zu würdigenden - Klausel geht fehl. Der in dem Mobilfunk Privatkundenantragsformular der t... GmbH (Anlage EV 3 - Bl. 14 d. A.) unter „Datenschutz/Einwilligung zur Datennutzung“ der monierten Klausel vorausgehende, von der Beklagten in Ihrer Widerspruchsschrift auf Seite 7 oben zitierte Absatz, befasst sich gegenständlich mit einem anderen Regelungsgehalt, nämlich dem Gebrauch der Bestands- und Verkehrsdaten der angesprochenen Kunden zur eigenen Beratung, Werbung, Marktforschung und Vermarktung, während sich die beanstandete Klausel mit der Weitergabe der Bestandsdaten an Drittunternehmer befasst.

b) Die Unzulässigkeit der beanstandeten Klausel beruht auf § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (a. F.), der durch das Erste UWG-Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2008 lediglich um die Worte „... ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt ...“, ergänzt worden ist, also gegenüber dem früheren Wortlaut noch verschärft worden ist. Schon zu der zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (a. F.) erlassenen Payback-Entscheidung (Urt. v. 16.07.2008 - VIII ZR 348/06 - vielfach veröffentlicht u. a. in NJW 2008, 3055 ff) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt: „Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 Var. 3 UWG stellt Werbung unter Verwendung elektronischer Post, insbesondere E-Mail und SMS, eine unzumutbare Belästigung dar, sofern keine Einwilligung des Adressaten vorliegt. Einwilligungsklauseln, die so gestaltet sind, dass der Kunde tätig werden und ein Kästchen ankreuzen muss, wenn er seine Einwilligung von Werbung unter Verwendung von elektronischer Post nicht erteilen will („Opt-out“-Erklärung), sind von dieser Vorschrift nicht gedeckt. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG verlangt vielmehr, dass die Einwilligung mittels einer gesonderten Erklärung erteilt wird („Opt-in“-Erklärung).“ (BGH Volltext nach lexisnexis Rdnr. 27)

c) Nach dieser Rechtsprechung ist also auf der Ebene der zur Werbung eingesetzten Kommunikationsmittel zu unterscheiden mit der Folge, dass die vom Unternehmer zur Einwilligungsklausel verwendeten AGB einer Inhaltskontrolle nach ... § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhalten, wenn sie dem vorbeschriebenen Erfordernis nicht entsprechen (BGH a. a. O. Rdnr. 33 - zitiert im Schriftsatz der Klägerin vom 09. Februar 2009, Seite 8/9 - Bl. 115, 116 d. A.). Demgegenüber differenziert § 95 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) nach anderen Kategorien: Der Dienstanbieter darf die Bestandsdaten seines Kunden nach dessen Satz 1 für die dort genannten Zwecke nur mit Einwilligung des Kunden, nach dessen Satz 2 allerdings die Rufnummer oder - auch elektronische - Postadresse des Kunden auch ohne Einwilligung des Kunden zu den in Satz 1 genannten Zwecken verwenden.

d) Dieser durchaus verworrenen Rechtslage entspricht Ziffer I. 3. der Beschlussverfügung, deren Wortlaut (gemäß § 938 Abs. 1 ZPO) zur Klarstellung insoweit abgeändert wird, als in Satz 2 der Ziffer 3. das Wort „insbesondere“ durch das Wort „ausnahmslos“ ersetzt wird.

3. Da es sich insoweit um eine lediglich redaktionelle Änderung der Beschlussverfügung handelt, ist der Widerspruch der Beklagten im Ergebnis ohne Erfolg, so dass ihr die weiteren Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind (§ 91 ZPO).

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht