Keine gesonderte Vergütung für e-paper-Ausgabe einer Tageszeitung
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
13. 07. 2010
Aktenzeichen
I-20 U 235/08
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.10.2008 verkündete Schlussurteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit über sie nicht durch das Teilurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 02.05.2007 rechtskräftig entschieden worden ist.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu ½ und die Beklagten zu jeweils ¼. Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Kläger.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A)
Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger ist freier Fotograf. Die Beklagte zu 2) ist Verlegerin unter anderem der Tageszeitungen "R. P." und "B. M.". Die Beklagte zu 2) bietet unter anderem die sog. E-Paper-Ausgaben dieser beiden Zeitungen an. Bei den E-Paper-Ausgaben handelt es sich um mit dem Erscheinungsbild der Printausgaben identische Ausgaben in Dateiform, die gegen Entgelt abgegeben werden. Im streitgegenständlichen Zeitraum der Jahre 2003 bis 2005 erschienen die E-Paper-Ausgaben in einer Auflage von 1.016 Stück, davon 236 Abonnements. In den von ihr veröffentlichten Zeitungen veröffentlichte die Beklagte zu 2) in den Jahren 2002 bis 2005 insgesamt 319 Lichtbilder des Klägers, wofür er eine vereinbarte durchschnittliche Vergütung in Höhe von 48,35 € je Bild erhielt. Mindestens 198 der Lichtbilder fanden sich auch in der E-Paper-Ausgabe.
Der Kläger hält diese Nutzung für unzulässig und verlangt Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie, den er in erster Instanz mit 15.423,65 € beziffert hat. Die Beklagten meinen, die Nutzungsberechtigung für die Printausgabe decke auch die Nutzung im E-Paper ab. Jedenfalls sei es aber nicht üblich, für die Veröffentlichung im E-Paper neben der Printausgabe eine gesonderte Vergütung zu zahlen.
Mit dem angegriffenen Schlussurteil, in dem nur noch über den bezifferten Zahlungsanspruch zu befinden war, hat die Kammer unter Zugrundelegung einer Lizenz von 14,50 € je Lichtbild die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.871,00 € nebst Zinsen verurteilt.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung der Beklagten, der sich der Kläger angeschlossen hat.
Die Beklagten beantragen,
das Schlussurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29.10.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit über sie nicht durch das Teilurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 02.05.2007 rechtskräftig entschieden worden ist.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,
das Schlussurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29.10.2008 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.573,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.09.2006 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen weiter,
die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger hält eine Vergütung in Höhe der vollen für die Printausgabe gezahlten Vergütung für angemessen, die Beklagten bleiben bei ihrer Ansicht, dass eine gesonderte Vergütung nicht geschuldet sei.
Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben auf Grund des Beweisbeschlusses vom 27. April 2010 (Bl. 339 GA) durch Anhörung des Sachverständigen und Vernehmung eines Zeugen. Hinsichtlich der Beweisthemen wird auf den genannten Beweisbeschluss und hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Sitzungsprotokoll vom 1. Juni 2010, Bl. 350 ff. GA, Bezug genommen. Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. S. vom 3. März 2008, Bl. 186 ff. GA, Bezug genommen.
B)
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch der Sache nach Erfolg. Die ebenfalls zulässige Anschlussberufung des Klägers bleibt hingegen ohne Erfolg.
Nach dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzlichen Beweisaufnahme ist die Klage auf Schadensersatz nach der Lizenzanalogie insgesamt unbegründet, ohne dass es auf die zwischen den Parteien streitige Frage ankäme, ob es sich bei der Nutzung in der E-Paper-Ausgabe tatsächlich um eine neue Nutzungsform gegenüber der Verwendung in der Printausgabe handelt oder nicht, denn jedenfalls ist dem Kläger durch die Verwendung der für die Printausgabe lizenzierten Bilder kein im Wege der Lizenzanalogie zu berechnender Schaden entstanden. Vielmehr steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass es jedenfalls gegenüber freien Mitarbeitern üblich war und ist, dass die Vergütung für die Veröffentlichung von Lichtbildern in einem E-Paper neben der Printausgabe nicht gesondert vergütet wird.
Der Kläger hat sich in zulässiger Weise dafür entschieden, seinen Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu berechnen. Unterstellt man zu seinen Gunsten, dass es sich bei der Nutzung in Form eines E-Paper um eine neue Nutzungsart handelt, so dass die Nutzung rechtswidrig erfolgte, ist der Schadensersatz dann nach der angemessenen Vergütung zu berechnen, § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG. Angemessen ist die Lizenzgebühr, die bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97 Rn. 74). Das führt aber dazu, dass dann, wenn wie hier für eine Nutzungsart bereits eine Lizenz gezahlt worden ist und vernünftige Vertragsparteien eines Lizenzvertrages für eine weitere Nutzungsart keine zusätzliche Vergütung zahlen, ein nach der Lizenzanalogie zu berechnender Schaden nicht entstanden ist, weil die angemessen Mehrvergütung der Sache nach 0,00 € beträgt. So ist es hier letztlich schon nach dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten.
Der Sachverständige hat nämlich nachvollziehbar ausgeführt, dass nach seinen Nachforschungen gegenüber freien Fotografen Tageszeitungsverlage keine gesonderte Vergütung für die Nutzung in einem E-Paper zahlen. Sein anderweitiges Ergebnis bezieht sich auf ein anders gestaltetes Marktsegment, nämlich dasjenige von Bildagenturen. Er hat dies auch in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat eindeutig bestätigt. So habe eine Umfrage des D. J. ergeben, dass nur ein geringer Bruchteil von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen für elektronische Ausgaben etwas gesondert zahle. Anders sei dies nur bei Bildagenturen, die eine geforderte gesonderte Vergütung auch erhielten. Auch hier habe sich aber die Marktsituation geändert.
Soweit der Sachverständige die Beispiele "Spiegel" und "Stern" angeführt hat, ist zunächst festzuhalten, dass es sich dabei nicht um Tageszeitungen handelt. Hinzu kommt, dass hier der Sachverständige – wie er später erläutert hat – unter elektronischer Ausgabe die online abrufbaren Inhalte insgesamt verstehen wollte. Um so etwas geht es hier aber nicht. Der Kläger hat vielmehr ausschließlich eine Nutzung in der gesondert zu beziehenden E-Paper-Ausgabe dargetan. Diese ist aber gegenüber einer sonstigen Onlinenutzung verschieden. Während Onlineartikel in der Regel noch geraume Zeit nach der Veröffentlichung einer unbestimmten Vielzahl von Nutzern zur Verfügung stehen, erfolgt die Nutzung eines E-Papers durch zahlende Kunden, die die entsprechende Ausgabe herunterladen. Diese Nutzung entspricht damit mehr der einer Printnutzung als einer sonstigen Onlinenutzung.
Bestätigt wird dieser klare Befund des Sachverständigen auch durch den Zeugen S.. Zwar konnte er die eigentliche Beweisfrage nicht beantworten. Er konnte aber aus seiner Verbandstätigkeit jedenfalls bestätigen, dass es bei Tageszeitungen üblich ist, mit freien Mitarbeitern zu vereinbaren, dass für die Nutzung in einer E-Paper-Ausgabe neben der Printausgabe keine gesonderte Vergütung vereinbart wird. Dies bestätigt den an sich schon dem erstinstanzlichen Gutachten zu entnehmenden Befund, dass freie Fotografen von Tageszeitungen keine gesonderte Vergütung erhalten.
Die Praxis war im Übrigen angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der E-Paper-Ausgaben jedenfalls im streitigen Zeitraum auch angemessen und daher für beide Vertragsparteien vernünftig. So verfügen die Beklagten über eine Printauflage von fast einer halben Million Exemplare, für die ihnen die streitgegenständlichen Lichtbilder lizenziert wurden. Die streitige Verwendung in der E-Paper-Ausgabe beläuft sich auf knapp über 1.000 Stück. Angesichts einer derart geringen Auflage im Verhältnis zur Printauflage entspricht es auch dem, was wirtschaftlich angemessen und vernünftig ist, dass die geringfügige Nutzung in der E-Paper-Auflage mit der Zahlung der Lizenz für die Print-Ausgabe mit abgegolten ist. Dabei kann hier offen bleiben, ob dies – was nicht fernliegt – anders zu beurteilen ist, wenn sich die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse ändern, etwa weil der Anteil der E-Paper-Ausgabe an der Gesamtauflage einen bedeutenderen Wert erreicht.
Der Vereinbarung eines Schadensersatzanspruchs nach der Lizenzanalogie stehen weder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers entgegen, noch ergibt sich etwas anderes daraus, dass der Kläger behauptet, die Beklagten hätten seine Rechte vorsätzlich verletzt.
Hinsichtlich der klägerischen AGB nimmt der Senat auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in seinem Teilurteil vom 2.5.2007 (dort S. 9, Bl. 83 GA) Bezug und macht sich diese zu eigen.
Soweit der Kläger auf ein vorsätzliches Verhalten der Beklagten abstellt, ist sehr zweifelhaft, ob ein solches tatsächlich vorliegt. Dies ist aber unerheblich, denn der Schadensersatzanspruch soll einen angemessenen Schadensausgleich schaffen, nicht aber darüber hinaus Unrecht sanktionieren. Der Geschädigte soll weder schlechter, noch besser gestellt werden, als ohne das schädigende Ereignis (v. Wolff a.a.O. Rn. 78 f.; Senat NJW-RR 1999, 194, 195). Umstände, die – wie etwa eine fehlende Urheberbenennung – einen Aufschlag auf die Lizenz rechtfertigen würden (vgl. Senat GRUR-RR 2006, 393, 394), hier also eine gegenüber der Print-Ausgaben-Lizenz ggf. einen erstmaligen Aufschlag, liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 92 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO und für die zweite Instanz auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Ein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Streitwert: 9.373,30 € (Berufung: 2.871,00 €, Anschlussberufung: 6.502,30 €)
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