„Charlotte erobert Paris“ – BUNTE das Bundesverfassungsgericht: Klage der Monegassin abgewiesen

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

01. 02. 2011


Aktenzeichen

27 O 943/07


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin ist die Tochter von … und Nichte des Staatsoberhauptes … .

Die Beklagte verlegt die Zeitschrift …, in deren Ausgabe vom 8. März 2007 unter der Überschrift "… erobert Paris" der nachfolgend in Fotokopie wiedergegebene Artikel über die Pariser Modewoche erschien:

Die Klägerin wendet sich gegen die sie betreffende Textberichterstattung, für die es keinen zeitgeschichtlichen Anlass gebe. Die von ihr besuchte Veranstaltung werde lediglich als Aufhänger benutzt, um sich ausschließlich mit ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beschäftigen. Der inhaltslosen Berichterstattung komme keinerlei Informationswert oder Beitrag zu einer Debatte mit einem Sachgehalt zu; es würden ausschließlich die Unterhaltungsinteressen der Leser und die kommerziellen Verlagsinteressen befriedigt. Die beanstandete Passage enthalte keinen inhaltlichen Bezug zur Modewoche in Paris. Sie müsse sich nicht zum Objekt finanzieller Interessen degradieren lassen. Nicht nur ihre Privat-, sondern auch ihre Sozialsphäre sei zu schützen. Die Beurteilung unterschiedlicher Sphären nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stelle einen klaren Verstoß gegen die EGMRK dar.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
unter Bezugnahme auf sie das Folgende zu verbreiten:

"Bon soir. Wir begrüßen den neuen 1-A-Goldrand-Jetset rund um … . Die kleine … ist auf dem Weg zur Gesellschaftsspitze. Bald wird sie den Thron ihrer Mutter besetzen, wenn die ihn freigibt – oder teilt. Sie zu sehen ist wie der jungen … zu begegnen. Dieselbe Schönheit, Grazie, Faszination. Es war die Modewoche der … . Aufgestiegen wie Phönix von der Côte d'Azur.",

wie in … Nr. 11/07 vom 08.03.2007 geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, keine unwahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt zu haben. Im Übrigen handle es sich bei den von der Klägerin besuchten Veranstaltungen, über die berichtet werde - offizielle Parties im Zusammenhang mit der Pariser Modewoche - um zeitgeschichtliche Ereignisse. Dabei komme der angegriffenen Berichterstattung auch ein überwiegendes Informationsinteresse zu. Der Information daran, wie die Klägerin sich öffentlich gebe und welchen Wandel sie bei diesem Auftreten durchlaufe, sei ein öffentliches Interesse nicht abzusprechen. Die Beeinträchtigung der Klägerin durch die Schilderung öffentlich wahrnehmbarer Gegebenheiten sei praktisch nicht gegeben. Das äußere Erscheinungsbild der Klägerin werde nur insoweit thematisiert, als es ihren öffentlichen Auftritten angemessen sei. Schließlich stelle es eine zulässige Meinungsäußerung dar, wenn sie, die Beklagte, darauf verweise, dass die Bekanntheit und Beliebtheit der Klägerin zunehmen werde, wenn sie den von ihr eingeschlagenen Weg vielfältiger, bewusst öffentlicher Auftritte weiter beschreite; ebenso wenig sei ersichtlich, wieso die Klägerin durch einen Vergleich mit ihrer Mutter in ihren Rechten beeinträchtigt sein könnte. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei die Berichterstattung eindeutig zulässig.

Die angerufene Kammer hat der Klage mit Urteil vom 10.1.2008 stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht zurückgewiesen. Auf ihre Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgerichts beide Urteile aufgehoben und die Sache mit Entscheidung vom 14.9.2010 zur erneuten Entscheidung an die Kammer zurückverwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung für das hiesige Verfahren unmissverständlich klargestellt, dass die die beanstandete Wortberichterstattung betreffende Verfassungsbeschwerde der Beklagten offensichtlich begründet ist, weil die Entscheidungen der Kammer und des Kammergerichts die Beklagten in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzen, und zwar mit folgender Begründung:

Die hier verfahrensgegenständlichen Äußerungen lassen ebenso wenig wie die Berichterstattung der Beschwerdeführerin zu 1) eine Ehrverletzung oder sonstige Herabwürdigung der Klägerin erkennen. Hiervon gehen offenbar auch die angegriffenen Entscheidungen aus. Die Erwägungen, mit denen sie gleichwohl eine Beeinträchtigung dieses Grundrechts bejaht haben, sind aus den bereits zu der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) in dem Verfahren 1 BvR 6/09 genannten Gründen verfassungsrechtlich nicht tragfähig. Dies gilt insbesondere auch für die Aussagen über das Aussehen der Klägerin in dem hier beanstandeten Artikel. Zwar mag es sich bei dem äußeren Erscheinungsbild einer Person insofern um eine "private" Angelegenheit handeln, als die Öffentlichkeit regelmäßig kein anerkennenswertes Interesse an deren Erörterung haben wird. Dies ändert aber nichts daran, dass das Aussehen einer öffentlich auftretenden Person gleichsam in die Öffentlichkeit hineinwirkt und daher regelmäßig nicht als Teil der Privatsphäre beurteilt werden kann.

Entgegen der Auffassung des Kammergerichts ist des Weiteren auch hier ein Selbstbestimmungsrecht der Klägerin über den Adressatenkreis ihrer Selbstdarstellung nicht betroffen. Zwar hat die pressemäßige Verbreitung eine Erweiterung des Publikums bewirkt, das von dem Erscheinungsbild der Klägerin während der Pariser Modewoche Kenntnis nehmen konnte. Indes durfte die Klägerin auch hinsichtlich des hier vorliegenden Berichtsgegenstandes nicht erwarten, von keiner über die anwesenden Personen hinausgehenden Medienöffentlichkeit wahrgenommen und in ihrem äußeren Erscheinungsbild thematisiert zu werden. Denn sie trat nicht nur auf Feiern auf, die wegen ihrer glamourösen Teilnehmerkreise das Interesse eines bestimmten Teils der Öffentlichkeit erwarten ließen und - wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die erwünschte Multiplikatorwirkung bei der Buchpräsentation plausibel geltend macht - hierauf gerade abzielten, sondern sie fand sich hierbei auch bereit, sich von einem Pressefotografen aufnehmen zu lassen.

Bezogen auf das Verfahren 1 BvR 6/09 hatte das Bundesverfassungsgericht zuvor Folgendes ausgeführt:

Die beanstandeten Textteile fallen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Es handelt sich, wie die Gerichte zutreffend angenommen haben, um Werturteile über die Klägerin oder subjektiv geprägte Einschätzungen hinsichtlich deren Zukunft.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist freilich nicht vorbehaltlos gewährt. Vorliegend haben die Gerichte aber bei der Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts verkannt, indem sie ihm im konkreten Fall ein geringeres Gewicht beigemessen haben als den auf Seiten der Klägerin zu berücksichtigenden Persönlichkeitsbelangen. Anders als in dem die Bildberichterstattung betreffenden Verfahren haben die Gerichte hier schon eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht tragfähig begründet.

aa) Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Berichterstattung durch Wortbeiträge andererseits verschieden weit. Während die Veröffentlichung eines Bildes von einer Person grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist (vgl. BVerfGE 97, 228 [268]; 101,361 [381]; 120, 180 [198]), ist dies bei personenbezogenen Wortberichten nicht ohne weiteres der Fall. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet hier nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten. Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insoweit freilich insbesondere auch vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre. Des Weiteren schützt es vor herabsetzenden; vor allem ehrverletzenden Äußerungen oder davor, dass einem Betroffenen Äußerungen unterschoben werden, die er nicht getan hat (vgl. BVerfGE 54, 148 [155]). Ein von dem Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz ist im Bereich der Textberichterstattung hingegen nur unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt, das die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation - etwa über die Herstellung einer Tonbandaufnahme oder die Zulassung eines Dritten zu einem Gespräch - garantiert (vgl. BVerfGE 54, 148 [154 f.]; 106,28 [41]).

Ebenso wenig beeinträchtigt die personenbezogene Wortberichterstattung privater Presseorgane ohne weiteres das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet insbesondere nicht, dass der Einzelne nur so dargestellt und nur dann Gegenstand öffentlicher Berichterstattung werden kann, wenn und wie er es wünscht.

Nach diesen Maßstäben haben die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich keinen Bestand.

bb) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt der angegriffenen Entscheidung, dass die Privatsphäre als Teil des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes anerkannt ist (vgl. BVerfGE 35, 202 [220]; 79, 256 [268]; 101, 361 [382]; 120, 274 [311 ]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 2000 -1 BvR 1353/99 -, NJW 2000, S. 2191 [2192]). Nicht hinreichend begründet ist aber die Annahme, dass der fragliche Artikel diese Privatsphäre zum Gegenstand hat. Denn wie im Berufungsurteil selbst ausgeführt ist, beruhen die in dem Artikel geäußerten Wertungen auf Vorgängen aus der Sozialsphäre. Die beanstandeten Textpassagen kommentieren zwar die Lebensführung der Klägerin, dies aber nur im Hinblick auf Verhaltensweisen, die sie auf Veranstaltungen gezeigt hat, welche erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese ausstrahlten.

Angesichts dessen erweist sich auch die Erwägung der Gerichte, dass das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG den Anspruch umfasse, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen, als nicht tragfähig. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Befugnis des Einzelnen gehört, selbst zu entscheiden, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann (vgl. BVerfGE 54, 148 [154]). Die dem Grundrechtsträger hiermit eingeräumte ausschließliche Rechtsmacht erstreckt sich aber allein auf die tatsächlichen Grundlagen seines sozialen Geltungsanspruchs. Ob darüber hinaus aus dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ein Recht darauf hergeleitet werden kann, nicht gegen seinen Willen zum Objekt bestimmter medialer, die selbst gewählte Öffentlichkeit verbreiternder Erörterung gemacht zu werden, ist fraglich, kann im vorliegenden Fall aber offen bleiben. Denn auf ein solches Recht könnte sich jedenfalls derjenige Grundrechtsträger nicht berufen, der sich in freier Entscheidung gerade der Medienöffentlichkeit aussetzt, indem er Veranstaltungen besucht, die - aus welchem Grund auch immer - erkennbar auf ein so großes Interesse von Teilen der Öffentlichkeit stoßen, dass mit einer Berichterstattung durch die Medien gerechnet werden muss. So liegt der Fall hier. Bei den Feiern, die in dem beanstandeten Artikel - als Belege des "süßen Lebens" - in Bezug genommen werden, handelt es sich ersichtlich um Veranstaltungen, die wegen ihres illustren Teilnehmerkreises nicht nur auf großes Interesse eines bestimmten Publikums stoßen mussten, sondern jedenfalls teilweise gerade auf eine Außenwirkung angelegt waren, wie dies bei der Benefiz-Gala zugunsten der AIDS-Hilfe angenommen werden muss. Musste die Klägerin daher die öffentliche Erörterung ihrer Teilnahme an den Feiern und ihres hierbei an den Tag gelegten Verhaltens dulden, so kann sie auch nicht beanspruchen, dass dieses nicht zum Ausgangspunkt kommentierender Bemerkungen der Presse gewählt wird, sofern diese nicht ihrerseits eines der Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere die Ehre oder des Rechts am eigenen Bild verletzen. Denn eine umfassende Verfügungsbefugnis Ober die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 82,2.36 [269]; 101,361 [380]; 120,180 [198]) im Sinne einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers auch Ober den Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen, deren er sich öffentlich entäußert hat, gewährleistet das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht.

Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts an.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.


Mauck
Dr. Hagemeister
Becker

Rechtsgebiete

Presserecht