Internet-Abofalle: Rückzahlungsanspruch nach Irrtumsanfechtung
Gericht
AG Hamburg-St. Georg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
04. 02. 2010
Aktenzeichen
922 C 445/09
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.06.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Von der Abfassung eines Tatbestandes wird nach § 313 a I ZPO abgesehen.)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das entscheidende Gericht nach § 171 ZPO örtlich zuständig.
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Dem< Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des für die Anmeldung auf der Internetseite www. … .de gezahlten Entgelts in Höhe von 60,00 EURO aus § 812 I S. 1 1. Alt. BGB zu. Ein Rechtsgrund für die Leistung des Klägers besteht gemäß § 142 I BGB nicht, denn der Kläger hat seine Willenserklärung wirksam nach § 123 I BGB angefochten.
Eine wirksame Anfechtungserklärung nach § 143 BGB liegt jedenfalls in dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8.6.2009. Gemäß § 123 I BGB kann derjenige eine Willenserklärung anfechten, der zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Die Beklagte muss sich insofern das Verhalten ihrer Vertretungsberechtigten nach § 31 bzw. 278 BGB zurechnen lassen.
Die Beklagte hat arglistig gehandelt, denn sie hat durch ihre Vertretungsberechtigten in der Absicht gehandelt, den Kläger über die Entgeltlichkeit ihres Angebotes zu täuschen. Denn nur so ist die Gestaltung ihres Internetauftritts zu erklären, vergleichbare Angebote werden im Internet, was gerichtsbekannt ist, auch kostenlos unterbreitet. Der Durchschnittsverbraucher ist es daher gewohnt, im Internet zahlreiche kostenlose und gleichwohl durchaus nützliche Dienstleistungs- und Downloadsangebote anzutreffen, ohne den Grund für die Unentgeltlichkeit solcher Angebote jeweils zu kennen oder erkennen zu können, vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 4.12.2008, AZ.: 6 U 186/07. Bevor der Nutzer zur Anmeldemaske gelangt, gibt es bei dem Internetauftritt der Beklagten keinen Anhaltspunkt für eine mögliche Kostenpflichtigkeit. Preise, Zahlungsmodalitäten und Angebotsvarianten werden nicht angesprochen. Auch für Verbraucher, die mit einem kostenpflichtigen Angebot grundsätzlich rechnen, liegt die Annahme fern, dass bereits die Betätigung des Eingabebuttons zu einer vertraglichen Bindung führen soll und nicht zunächst zu einer Möglichkeit, das Dienstleistungsangebot näher kennen zu lernen, um dann erst im weiteren Verlauf beispielsweise vor einem gewünschten Download vor die Entscheidung gestellt zu werden, eine Vergütungsverpflichtung einzugehen, vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O. Der Sternchenhinweis auf die Kostenpflichtigkeit ist ebenfalls so angeordnet, dass ein Verbraucher an dieser Stelle nicht mit einem Hinweis auf eine Entgeltlichkeit rechnet. In dem Internetauftritt der Beklagten findet sich über der Eingabemaske die Aufforderung "Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus *". Dem Sternchen wird unterhalb der Eingabemaske und dem nachfolgenden hervorgehobenen Button zur Gedichtedatenbank in normaler Schriftgröße folgender Text zugeordnet "Um Missbrauch und wissentliche Falscheingaben zu vermeiden, wird ihre IP-Adresse … bei der Teilnahme gespeichert. Anhand dieser Adresse sind Sie über ihren Provider: … identifizierbar. Durch Betätigung des Buttons "zur Gedichtedatenbank" beauftrage ich online Gedichtesammlung für mich einen Zugang zur Gedichtedatenbank freizuschalten und mich für das Theatergutschein-Gewinnspiel zu registrieren. Der einmalige Preis für einen 12-Monats-Zugang zu unserer Gedichtedatenbank beträgt 60,00 EURO inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer." Die Angabe 60,00 EURO inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer erscheint nur in Fettschrift. Eine Verbraucher, der das Sternchen bei der Aufforderung "Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus" wahrnimmt, mag erwarten, in einem dem Sternchen zugeordneten Hinweistext darüber informiert zu werden, warum alle Felder vollständig auszufüllen sind und welche Folgen es hat, wenn bestimmte Angaben unterbleiben. Er rechnet jedoch nicht damit, in dem Hinweistext über eine für ihn unerwartete Entgeltlichkeit des Angebots informiert zu werden. Ein erheblicher Anteil der angesprochenen Verbraucher, der kein Problem darin sieht, der Aufforderung "Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus" nachzukommen, wird daher keinen Anlass haben, den Hinweistext zu suchen und zu lesen, vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O. Auch die Gestaltung des Hinweistextes ist nur mit dem Zweck zu erklären, dass ein Irrtum der Verbraucher über die Entgeltlichkeit erweckt werden soll. Die Preisangabe befindet sich am Ende eines längeren Textes. An dieser Stelle tritt sie, auch wenn sie in Fettschrift erscheint, nicht leicht erkennbar hervor. Sie wird von einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher übersehen. Ein Verbraucher, der auf die Existenz von allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wird, wird nicht zugleich darauf aufmerksam gemacht, dass er durch seine Anmeldung einen entgeltlichen Vertrag abschließt. Aus der Sicht eines Verbrauchers, der auf eine Vergütungspflicht nicht gefasst ist, lässt sich das Vorhandensein von allgemeinen Geschäftsbedingungen zwanglos damit erklären, dass in solchen AGB urheberrechtliche Bestimmungen, Regelungen zur Unterbindung von Missbräuchen und Falscheingaben oder auch die Gewinnspielbedingungen enthalten sind, vgl. Urteil des OLG Frankfurt a.M., a.a.O.
Das Gericht ist nach der persönlichen Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger durch die arglistige Täuschung der Beklagten zu der Abgabe der angefochtenen Willenserklärung bestimmt worden ist. Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung glaubhaft erklärt, dass er davon ausgegangen sei, die Nutzung der Gedichtesammlung sei kostenfrei. Er hat angegeben, zum damaligen Zeitpunkt bereits Kunde auf der Seite www. … gewesen zu sein. Dies sei eine Seite, wo kostenfrei Gedichte zur Verfügung gestellt würden. Er selbst schreibe auch Gedichte, die dort veröffentlicht seien. Auf der Seite www. … sei es so, dass man seine Daten genauso angeben müsse, wie auf der Seite der Beklagten, also die Email-Adresse, den Wohnort etc. Er sei deshalb in der Annahme gewesen, dass es bei der Beklagten genauso sei, wie bei dieser Seite. Der Kläger hat den gesamten Vorgang detailreich geschildert und nachvollziehbar erklärt, wie er sich über die Entgeltlichkeit der Seite geirrt hat. Es ist plausibel, dass den Kläger nicht stutzig gemacht hat, dass er seine persönlichen Daten in der Anmeldemaske angeben musste. Dies entspricht nämlich dem Vorgehen auf der Seite www. … die der Kläger nutzt und die unentgeltlich ist. Auch war der Kläger erkennbar um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht. So hat er beispielsweise angegeben, die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vor der Anmeldung überflogen zu haben. Dabei hätte die Behauptung nahe gelegen, dass man den Button, "Ich akzeptiere die AGB" angeklickt habe, ohne diese aufzurufen und zu lesen.
Die Emails des Klägers vom 6. Januar 2009 führen nicht zu einer abweichenden Würdigung seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass der Kläger seine Willenserklärung lediglich widerrufen und nicht angefochten habe, ist dies kein Indiz dafür, dass sich der Kläger nicht über die Entgeltlichkeit geirrt hat, denn der Kläger ist kein Jurist. Einem juristischen Laien sind die Unterschiede zwischen einem Widerruf und einer Anfechtung üblicherweise nicht geläufig. Die Vorgehensweise des Klägers ist auch vor dem Hintergrund plausibel, dass er nach Erhalt der Rechnung die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gelesen hat, in denen sich ein Passus über das Widerrufsrecht befindet. Auch die Ausführungen des Klägers in der zweiten Email vom 6.Januar 2009: "Fakt ist -um eine Ware, im vorliegenden Fall Ihr Angebot zu testen, war es leider unvermeidbar, die Anmeldung zu aktivieren. Ich kaufe keine Katze im Sack" stehen einem Irrtum über die Entgeltlichkeit des Angebots - anders als die Beklagte meint - nicht entgegen. Häufig besteht im Internet die Möglichkeit, an und für sich entgeltliche Selten zunächst kostenfrei zu testen. Nach dem Wortlaut der Email spricht einiges dafür, dass der Kläger auch bei der Internetseite der Beklagten hiervon ausgegangen ist. Auch die Tatsache, dass der Kläger die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten bis zu dem Passus über das Widerrufsrecht gelesen hat, führt nicht zu einer abweichenden Würdigung seiner Angaben In der mündlichen Verhandlung. Zwar legt eine Regelung über ein Widerrufsrecht den Schluss nahe, dass ein verbindlicher Vertrag geschlossen werden soll. Ein Mitverschulden steht der Anfechtung aber nicht entgegen, vgl. Heinrichs/Ellenberger in Palandt, 67.Aufl., §123, Randnr. 24. Auch wird die Glaubhaftigkeit der Aussage des Klägers -anders als die Beklagte meint- nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger nicht unter seinem Namen in der Autorenliste auf der Seite … aufgeführt ist. Der Kläger hatte zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, auf dieser Seite selbst Gedichte zu veröffentlichen, aber es ist durchaus denkbar, dass der Kläger, wie viele andere Autoren auf der Seite, unter einem Pseudonym veröffentlicht.
Die Anfechtungsfrist war bei Abgabe der Anfechtungserklärung nicht abgelaufen. Gemäß § 124 I BGB kann die Anfechtung einer nach § 123 BGB anfechtbaren Willenserklärung binnen Jahresfrist erfolgen.
§ 814 BGB steht einer Rückforderung nicht entgegen, denn der Kläger hat ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt.
Der Kläger hat mit Mail vom 26.1.2009 erklärt, dass die Zahlung soeben unter Vorbehalt auf das genannte Konto erfolgt sei. Die Beklagte dürfe ab jetzt trotz Zahlungseinganges damit rechnen, richtig Ärger zu bekommen.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug (§ 286 I BGB, § 288 I BGB).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
gez.
…
Richterin
Verkündet am 04.02.2010
…
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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