Anforderungen an die Unterzeichnung einer Berufungsschrift

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

10. 07. 1997


Aktenzeichen

IX ZR 24/97


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat ausgeführt, der Schriftzug, mit dem Rechtsanwalt K die Berufungsschrift abgezeichnet habe, lasse nicht die Absicht erkennen, eine volle Unterschrift zu leisten. Er sei vielmehr ein abgekürztes Handzeichen, weil er nur aus einem großen “K” bestehe. Der kurze Aufstrich am Ende kennzeichne nicht die weiteren sieben Buchstaben, aus denen sich der Name des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zusammensetze. Dessen sonstige Unterschriften in den Gerichtsakten unterschieden sich deutlich von dem Schriftzug auf der Berufungsschrift.

II. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich, um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (BGHZ 92, 251 (254) = NJW 1985, 328 = LM § 276 (Ci) BGB Nr. 43; BGHZ 97, 251 (253) = NJW 1986, 1760 = LM § 519 ZPO Nr. 83; BGH, NJW 1989, 588 = LM § 130 ZPO Nr. 4; NJW 1994, 55 = LM H. 3/1994 § 130 ZPO Nr. 19; NJW 1996, 997 = LM H. 5/1996 § 130 ZPO Nr. 20). Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Eine Unterschrift setzt danach einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen läßt. Ein Schriftzug, der als bewußte und gewollte Namensabkürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar (BGH, NJW 1967, 2310 = LM § 130 ZPO Nr. 5; NJW 1985, 1227 = LM § 130 ZPO Nr. 11; NJW 1987, 1333 (1334); NJW 1989, 588 = LM § 130 ZPO Nr. 14; NJW 1992, 243 = LM H. 3/1992 § 130 ZPO Nr. 17; NJW 1994, 55 = LM H. 3/1994 § 130 ZPO Nr. 19; NJW 1996, 997 = LM H. 5/1996 § 130 ZPO Nr. 20). Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild (BGH, NJW 1982, 1467 = LM § 130 ZPO Nr. 9; NJW 1987, 957; NJW 1994, 55 = LM H. 3/1994 § 130 ZPO Nr. 19).

Mit Rücksicht darauf, daß das Unterschriftserfordernis bei Benutzung der modernen Kommunikationsmittel zunehmend gelokert wird, ist allerdings gefordert worden, das Problem allgemein neu zu überdenken (vgl. BFH, NJW 1996, 1432 = BB 1996, 520 m. Anm. Woerner; Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl. (1996), § 130 Rdnr. 11). Ob tatsächlich eine “schwer zu rechtfertigende Ungleichbehandlung" zu Lasten derjenigen, die sich der herkömmlichen Briefpost bedienen, vorliegt und wie gegebenenfalls diese Ungleichbehandlung aus der Welt geschafft werden kann, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

2. Der von den Prozeßbevollmächtigten der Kl. bei Einlegung der Berufung geleistete Schriftzug genügt – entgegen der Ansicht des BerGer. – noch den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen.

a) In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist (BGH, NJW 1987, 1333 (1334); vgl. auch BVerfGE 78, 123 (126) = NJW 1988, 2787). Im vorliegenden Fall hat das BerGer. nicht bezweifelt, daß der Schriftzug auf der Berufungsschrift von Rechtsanwalt K selbst hinzugefügt worden ist. Für solche Zweifel gab – und gibt – es auch keinen Anlaß. Die strenge Sichtweise des BerGer. war deshalb unangebracht.

b) Das handschriftliche Gebilde, mit dem Rechtsanwalt K die Berufungsschrift gezeichnet hat, steht – wie auch das BerGer. nicht in Frage stellt – für einen Namen. Es ist von individuellem Gepräge und hat charakteristische Merkmale, welche die Identität dessen, von dem es stammt, ausreichend kennzeichnen. Abgesehen davon, daß das Zeichen aus wenigen Strichen besteht, deutet nichts darauf hin, daß es sich um eine Abkürzung handeln könnte. Es mag angehen, daß das BerGer. die drei steil und gerade verlaufenden Ab– und Aufstriche als ein großes “K” gedeutet hat. Entgegen der Meinung des BerGer. spricht aber alles dafür, daß der kürzere, flacher ansteigende und leicht gekrümmte weitere Aufstrich, mit dem das “K” ausläuft, für den Rest des Namens stehen soll. Für eine andere Bedeutung ist nichts ersichtlich.

c) Ferner hat das BerGer. nicht berücksichtigt, daß der Schriftzug mit dem in Scheibmaschinenschrift eingesetzten vollen Namen “K” des Prozeßbevollmächtigten unterlegt worden ist (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, NJW 1992, 243 = LM H. 3/1992 § 130 ZPO Nr. 17). Dies ist – wie sich aus der Verwendung einer anderen Type und der Paßungenauigkeit der Unterschriftszeile ergibt – nachträglich geschehen, nachdem der Text des Schriftsatzes bereits geschrieben war. Dieser Aufwand wäre unerklärlich, wenn Rechtsanwalt K das Schriftstück nur für den inneren Betrieb mit einer Abkürzung seines Namens (Paraphe) hätte abzeichnen wollen.

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 564 I ZPO), und die Sache ist an das BerGer. zurückzuverweisen (§ 565 I 1 ZPO).

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht; Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht