Berechtigte Kündigung wegen Reisemangel - Visumpflicht
Gericht
LG Frankfurt a. M.
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
30. 04. 2009
Aktenzeichen
2 - 24 S 136/08
Gründe:
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO abgesehen.
Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass die Kammer aufgrund des Beweisbeschlusses vom 12.01.2009 (Bl. 314/315 d. A.) die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Mo., Mü. und H. wiederholt hat.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.
1.
Der Kläger hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des restlichen Reisepreises in Höhe von 206,- Euro aufgrund einer Kündigung des Reisevertrages wegen Mängeln gem. § 651 e III 1 BGB.
Die Tochter des Klägers, die Zeugin Mo. schenkte ihrem Vater eine Busreise, die sie bei der Beklagten als Reiseveranstalter gebucht hatte. Die Reise wurde in dem vom Zeugen Mü. betriebenen Reisebüro gebucht, wobei die Zeugin Mo. die Reise in Gegenwart des Klägers buchte.
Insoweit handelte es sich um eine Busreise nach Kroatien für die Zeit vom 04.06.2004 bis zum 13.06.2004 zu einem Reisepreis von 273,- Euro. Auf die Reisebestätigung (Bl. 9 d. A.) wird Bezug genommen.
Der Kläger, ägyptischer Staatsangehöriger und in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt, trat am 04.06.2004 die Busreise an. Die Busreise führte auf dem Weg nach Kroatien auch über Slowenien, wo dem Kläger jedoch von T. kommend wegen eines fehlenden Visums die Einreise nach Slowenien verweigert wurde. Der Kläger musste sodann die Reise abbrechen und zurückfahren.
Die Tochter des Klägers, die Zeugin Mo., trat ihre Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab.
a.
Die Reise des Klägers nach Kroatien war im Sinne von § 651 e I 1 BGB durch einen Reisemangel erheblich beeinträchtigt, da dem Kläger auf dem Weg nach Kroatien die Einreise nach Slowenien wegen eines fehlenden Visums verweigert worden ist.
Dieser Reisemangel beruht auf einer Informationspflichtverletzung der Beklagten selbst bzw. der Mitarbeiter des Reisebüros, in dem die Reise gebucht worden ist, die insoweit nach Auswahl der Reise als Erfüllungsgehilfen der Beklagten (§ 278 BGB) tätig waren.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) eine Informationspflichtverletzung fest.
Die Beklagte bzw. die Reisebüromitarbeiter, die Zeugin H. und der Zeuge Mü., haben den Kläger bzw. die Tochter des Klägers unzureichend über die Pass- und Visumserfordernisse bzgl. der Busreise informiert. Insbesondere hat keine Aufklärung dahingehend stattgefunden, dass der Kläger für die Einreise nach Slowenien ein Visum benötigte.
Vorliegend war die Beweisaufnahme zu wiederholen, da das Amtsgericht das Beweisangebot des Klägers durch Vernehmung der Zeugin H. wohl versehentlich übergangen hat. Insoweit hat das Amtsgericht übersehen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2007 die Zeugin H. erneut als Zeugin benannt hatte (Bl. 239 d. A.). Die Vernehmung der Zeugin H. war nachzuholen, wobei zugleich auch die bereits vom Amtsgericht vernommenen Zeugen nochmals zu vernehmen waren.
Die Zeugin Mo. hat bereits vor dem Amtsgericht und nunmehr auch vor der Kammer konstant ausgesagt, dass nachdem das Reiseziel festgelegt worden sei, sie (die Zeugin Mo.) die Zeugin H. gefragt habe, ob ihr Vater für Kroatien ein Visum benötige. Insoweit hat die Zeugin Mo. überzeugend und glaubhaft mehrfach betont, dass bei der Buchung der Reise der Mitarbeiterin des Reisebüros, der Zeugin H., der Reiseausweis des Klägers im Original vorgelegen habe. Bei dem Ausweis habe es sich um einen Reiseausweis für den Kläger als anerkannten Asylberechtigten gehandelt (vgl. Kopie des Ausweisdokumentes, Bl. 250-253 d. A.).
Zur Einholung weiter Informationen bzgl. des Visumerfordernisses habe die Zeugin H. sodann beim Servicecenter der Beklagten angerufen. Sie habe der Mitarbeiterin der Beklagten auch das vorliegende Ausweisdokument beschrieben, in dem Pass geblättert und auch insbesondere den Aufenthaltsstatus des Klägers mitgeteilt. Weiterhin hat die Zeugin Mo. glaubhaft geschildert, dass die Zeugin H. der Mitarbeiterin der Beklagten im Servicecenter anhand des Reisekatalogs unter Nennung der Katalogseite die genauen Reisedaten, insbesondere Art und Nummer der Reise, mitgeteilt habe. Die Zeugin H. habe sodann erklärt, dass hinsichtlich der Reise und des Passes keine Probleme bestünden. Die Zeugin H. habe das Telefon auf laut gestellt und die Zeugin Mo. habe gehört, dass die Mitarbeiterin des Servicecenters gesagt habe, dass der Kläger kein Visum benötige.
Die Kammer hat auch keinerlei Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugin Mo., auch wenn sie die Tochter des Klägers ist.
Die Kammer folgt der plausiblen, nachvollziehbaren und glaubhaften Aussage der Zeugin Mo.
Die Aussage der Zeugin Mo. wird insbesondere auch durch die Aussage der Zeugin H. gestützt. Die Zeugin H. hat bestätigt, dass ein Anruf beim Servicecenter der Beklagten erfolgt ist. Hintergrund sei gewesen, dass aufgrund der Herkunft des Klägers möglicherweise visa-technische Probleme im Raum standen. An konkrete Einzelheiten konnte sich die Zeugin H. zwar nicht mehr genau erinnern. Jedoch war sie sich sicher, dass bei der Buchung der Reise ein Ausweisdokument des Klägers vorgelegen habe, auch wenn sie nicht mehr konkret sagen konnte, um was für einen Ausweis es sich konkret gehandelt habe. Deshalb sei auch beim Servicecenter angerufen worden. Auf Vorhalt der amtsgerichtlichen Aussage der Zeugin Mo., die auch der Aussage vor der Kammer entsprochen hat, hat die Zeugin H. erklärt, dass diese Aussage bzgl. des Buchungsvorgangs zutreffend sein dürfte.
Nunmehr steht auch die Aussage des Zeugen Mü. der Aussage der Zeugin Mo. nicht mehr zwingend entgegen. Zwar hat der Zeuge Mü. zunächst, wie auch vor dem Amtsgericht, angegeben, dass bei der Buchung kein Ausweisdokument des Klägers vorgelegen habe. Er glaube jedenfalls nicht, dass der Zeugin H. ein Ausweisdokument vorgelegen habe. Auf Nachfragen der Kammer erklärte der Zeuge Mü. aber, dass er sich nicht erinnern könne, ob ein Ausweisdokument vorgelegen habe. Er könne aber nicht sicher ausschließen, dass möglicherweise doch ein Ausweisdokument vorgelegen. Danach könne es durchaus möglich sein, dass ein Ausweisdokument vorgelegen habe, auch wenn der Zeuge Mü. dies weiterhin für unwahrscheinlich hält.
Nach all dem ist die Kammer insbesondere davon überzeugt, dass bei Buchung der Reise der Reiseausweis (Bl. 250-253 d. A.) im Original vorgelegen hat. Danach ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiterin der Beklagten und auch den Reisebüromitarbeitern sowohl die konkret geplante Reise als auch der Dokumentenstatus des Klägers bekannt gewesen sind.
Im Hinblick auf das Vorliegen dieses Reisedokuments und der Nachfrage der Zeugin Mo. bzgl. der Visa-Voraussetzungen war die Auskunft der Beklagten bzw. der Reisebüromitarbeiter unzureichend.
Zwar ist davon auszugehen, dass die §§ 4 und 5 der BGB-InfoV bzgl. der Unterrichtung bzgl. Pass- und Visumspflichten für den Kläger nicht gelten, da dieser weder deutscher Staatsangehöriger noch Angehöriger eines EU-Staates ist.
Jedoch bleibt aber weiterhin die reisevertragliche Pflicht zur Information bei Vertragsschluss des Veranstalters und seines Vermittlers als dessen Erfüllungsgehilfe unberührt, alle nichtdeutsche Reisekunden über Einreisevorschriften bei der Buchung zu informieren, wenn dem Veranstalter bzw. seinem Vermittler die besonderen Umstände des Kunden hinsichtlich einer fremdem Staatsangehörigkeit erkennbar sind (vgl. Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rn. 663).
Selbst wenn vorliegend seitens des Klägers bzw. seiner Tochter nur nach den Einreisebestimmungen nach Kroatien gefragt worden sein sollte und insoweit ein Visum tatsächlich nicht erforderlich sein sollte, war die Auskunft seitens der Beklagten bzw. der Mitarbeiter des Reisebüros dennoch unzureichend. Da der Mitarbeiterin der Beklagten aufgrund der Angaben der Zeugin H. auch der Reiseverlauf durch Slowenien bekannt sein musste, hätte die Mitarbeiterin der Beklagten von sich aus auch ohne konkrete Nachfrage darauf hinweisen müssen, dass für den Kläger für Slowenien ein Visum erforderlich gewesen wäre. Eine entsprechende Auskunftspflicht ergibt sich auch für die Mitarbeiter des Reisebüros als Erfüllungsgehilfen der Beklagten.
Nach all dem liegt eine Informationspflichtverletzung der Beklagten bzgl. der Einreisebestimmungen nach Slowenien vor, die letztlich die Durchführung der Busreise nach Kroatien vereitelt hat.
Dies stellt ohne Frage einen erheblichen Reisemangel im Sinne von § 651 e I 1 BGB dar, der zur Kündigung des Reisevertrags berechtigt.
b.
In der Rückreise des Klägers nach verweigerter Einreise nach Slowenien liegt eine konkludente Kündigung des Reisevertrages. Spätestens in der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen gegenüber der Beklagten ist eine Kündigung gem. § 651 e BGB zu sehen.
Einer Fristsetzung gem. § 651 e II 1 BGB bedurfte es nicht, da zum einen eine Abhilfe unmöglich war und der Kläger aufgrund der Gesamtumstände auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Kündigung des Reisevertrages hatte.
c.
Nach § 651 e III 1 BGB verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Danach hat die Beklagte den Reisepreis von 273,- Euro zurückzuzahlen. Eine Entschädigung für den bereits durchgeführten Transport nach Slowenien ist nicht anzusetzen, da dieser Transport für den Kläger im Sinne von § 651 e III 3 BGB offensichtlich wertlos war.
Abzüglich des bereits von der Beklagten erstatteten Betrages von 67,- Euro verbleibt ein Rückzahlungsbetrag von 206,- Euro.
2.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 132,20 Euro gem. § 651 f I BGB.
Wie oben ausgeführt lag ein Reisemangel vor. Es lag eine Informationspflichtverletzung der Beklagten bzgl. der Einreisebestimmungen nach Slowenien vor, die letztlich die Durchführung der Busreise nach Kroatien vereitelt hat. Ein Verschulden der Beklagten wird gem. § 651 f I BGB vermutet.
Der Kläger hat seine notwendige Rückreise in Eigenregie organisiert und durchgeführt. Die Bahnkosten für die Rückfahrt von T. nach F. betrugen ausweislich des Tickets 143,20 Euro (Bl. 13 d. A.). Von diesem Betrag von 143,20 Euro werden jedoch nur noch 132,20 Euro geltend gemacht.
Ein Ersatz der von der Beklagten bestrittenen Hotel- und Taxikosten kommt nicht in Betracht. Insoweit hat der Kläger diese Kosten nicht ausreichend dargetan. Die vom Kläger vorgelegte Hotelrechnung (Bl. 12 d. A.) betrifft nicht den Kläger, sondern einen anderen Hotelgast, worauf die Kammer hingewiesen hat.
3.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 150,- Euro gem. § 651 f II BGB.
Vorliegend ist von einer Vereitelung der Reise durch die Beklagte auszugehen. Es lag eine Informationspflichtverletzung der Beklagten bzgl. der Einreisebestimmungen nach Slowenien vor, die letztlich die Durchführung der Busreise nach Kroatien vereitelt hat.
Eine Vereitelung der Reise durch den Reiseveranstalter kann auch dann vorliegen, wenn der Reisende den Reisevertrag kurz nach Urlaubsbeginn berechtigt wegen Mängeln gem. § 651 e I BGB kündigt (vgl. Urteil der Kammer v. 31.07.2008, Az. 2-24 S 49/08 u. zusammenfassend Urbach, Die Rechtsprechung der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a. M. seit dem Jahre 2006, RRa 2009, 2, 6).
Ein Verschulden der Beklagten wird gem. § 651 f I, II BGB vermutet.
Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651 f II BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (vgl. z. B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28).
Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände, unter besonderer Berücksichtigung der erschwerten Selbstorganisation der Rückreise, hält die Kammer einen Entschädigungsbetrag von 150,- Euro für angemessen und ausreichend.
4.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 I, II Nr. 3, 288 I, 247 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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