Frist von weniger als zwei Arbeitstagen zur Prüfung von Handlungspflichten bei Fragen des Glückspielrechts nicht ausreichend
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
08. 04. 2009
Aktenzeichen
5 U 169/07
Bereits mit der Vergabe von Werberechten an der Bandenwerbung in Fußballstadien an einen externen Dienstleister nimmt der Berechtigte eine Wettbewerbshandlung bzw. geschäftliche Handlung zu Gunsten derjenigen (ihm möglicherweise noch unbekannten) Unternehmen vor, die später auf diesen Flächen werbend in Erscheinung treten.
Die auf einer Werbefläche herausgestellte isolierte Nennung des Namens eines Unternehmens ist auch dann Werbung im Rechtssinne, wenn dies ohne Anpreisung eines konkreten Angebots geschieht. Dies gilt umso mehr, wenn der Unternehmensname mit dem erweiternden Zusatz einer Top-Level-Domain versehen ist, weil die angesprochenen Verkehrskreise hiermit aufgefordert werden, diese Seite aufzusuchen und sich über das Angebot zu informieren.
Der Verpächter von Werbeflächen ist grundsätzlich für ein rechtsverletzendes Verhalten seines Pächters in Bezug auf diese Fläche rechtlich (mit)verantwortlich. Er ist verpflichtet, einen Rechtsverstoß jedenfalls nach dessen Kenntnis durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. Die vertragliche Verpflichtung des Pächters auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften reicht hierfür nicht.
Ein derartiges Handlungsgebot besteht indes nur dann, wenn aus Sicht des Verpflichteten die Qualität des Handelns als Rechtsverletzung ohne unüberwindbare rechtliche Zweifelsfragen zu beurteilen ist.
Bei einer sowohl national-rechtlich als auch europarechtlich sehr komplexen und rechtlich hoch streitigen Materie (hier: Glücksspielrecht) ist es auch einem großen und einflussreichen Verband nicht zuzumuten, auf eine Abmahnung innerhalb einer Frist von weniger als 2 Arbeitstagen die Rechtslage verbindlich einzuschätzen und die behauptete Rechtsverletzung - z. B. durch außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses - sofort zu unterbinden.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 07.09.2007 abgeändert.
Die Klage wird einschließlich der in zweiter Instanz gestellten Hilfsanträge abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerinnen betreiben sämtliche Spielbanken im Bundesland Schleswig-Holstein. Der Beklagte ist der Verband deutscher Fußballvereine. Er ist ausschließlicher Inhaber der Rechte zur Vergabe der Werbeflächen (unter anderem Bandenwerbung) bzw. sonstigen Werbemöglichkeiten in den jeweiligen Spielstadien u.a. anlässlich von Länderspielen der Deutschen A-Nationalmannschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Das Recht zur Vergabe bzw. Verpachtung u.a. der Werbeflächen bei den von ihm veranstalteten Spielen hat der Beklagte vertraglich ausschließlich und vollständig an die I. AG (Schweiz) übertragen (Anlage B 1).
Der Beklagte veranstaltete am 07.02.2007 in Düsseldorf ein Fußball-Länderspiel zwischen den Auswahl-Mannschaften Deutschlands und der Schweiz. Auf dieser Veranstaltung wurde großflächig Bandenwerbung für den Wettanbieter und Online-Casino-Betreiber „ bwin .com“ betrieben. Gemäß § 42 der Spielordnung des Deutschen Fußball-Bundes (Anlage K 6) werden sowohl Fußball-Länderspiele als auch DFB-Pokalspiele von dem Beklagten veranstaltet.
Der Anbieter „ bwin .com“ offeriert - neben Sportwetten - insbesondere entgeltliche deutschsprachige Glückspielangebote wie Poker sowie weitere Glücksspiele im Casinospielsegment (Anlage K 1). Betreiber von „ bwin .com“ ist die bwin International Ltd. Diese veranstaltet die Glückspiele mit einer von der Regierung von Gibraltar ausgestellten Lizenz (Anlage K 2). Eine deutsche Spielbanklizenz ist für die Casinoangebote nicht erteilt.
Dieses Verhalten beanstanden die Klägerinnen als wettbewerbswidrig. Sie mahnten den Beklagten mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.02.2007 ab und forderten diesen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage K 3).
Am 27.02.2007 wurde im Rahmen des von dem Beklagten veranstalteten DFB-Pokalspiels Eintracht Frankfurt - Kickers Offenbach nochmals per Bandenwerbung werbend auf „ bwin .com“ hingewiesen. Wegen dieser erneuten Werbung wandten sich die Klägerinnen mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.2 2007 wiederum an den Beklagten (Anlage K 4). Dieses Schreiben ließ der Beklagte mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 02.03.2007 zurückweisen (Anlage K 5).
Die Klägerinnen sind der Auffassung,
durch die Bandenwerbung werde in strafbarer Weise entgegen § 284 Abs. 1 + 4 StGB ein in Deutschland nicht konzessioniertes Glücksspiel beworben. Das Online-Casino von bwin .com wende sich mit einem deutschsprachigen Angebot zumindest auch an inländische Interessenten. Hierfür besitze es jedoch keine Lizenz. In der Ankündigung im Rahmen der Bandenwerbung liege bereits eine unzulässige Werbung. Hierfür reiche die bloß informative Ankündigung einer Gelegenheit zum Glücksspiel. Die der bwin International Ltd. erteilte ausländische Lizenz sei hierfür nicht ausreichend.
Für die wettbewerbswidrige Werbung zu Gunsten der bwin .com sei der Beklagte als Störer mit verantwortlich. Denn er sei Veranstalter sowohl der Fußball-Länderspiele als auch der DFB-Pokalspiele. Den Beklagten treffe eine Pflicht zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Werbung. Dies gelte auch dann, wenn er die konkrete Durchführung der Werbung an Dritte lizenziert habe.
Für die Abmahnung vom 23.02.2007 schulde ihnen der Beklagte zudem die Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung in der geltend gemachten Höhe.
Die Klägerinnen haben in erster Instanz beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen ,
auf Fußball-Sportveranstaltungen mit Bandenwerbung für den Glücksspielanbieter bwin .com zu werben und/oder bewerben zulassen, wie insbesondere nachstehend abgebildet:
[es folgen die in das landgerichtliche Urteil eingeblendeten Abbildungen]
solange auf der Website www. bwin .com erlaubnispflichtige Glücksspiele, insbesondere Casino-Spiele, deutschen Spielern ohne das Vorliegen der erforderlichen Erlaubnis angeboten werden;
den Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang Handlungen der in Ziffer 1 genannten Art seit dem 07.02. 2007 begangen wurden, und zwar über
- an bwin .com vergebene Werbeträger
- Anzahl der Gäste vor Ort
- Vergabe von Rundfunk-Übertragungsrechten an inländische Rundfunkveranstalter unter Benennung der Sender, aufgeschlüsselt nach Veranstaltungen;
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus Handlungen der in Ziffer 1 bezeichneten Art entstanden ist und künftig noch entstehen wird,
den Beklagte zu verurteilen, € 1.955,10 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2007 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen,
zwischen ihm und den Klägerinnen fehle es bereits an einer relevanten Wettbewerbsbeziehung. Er selbst habe nicht in unzulässiger Weise für ein verbotenes Glücksspiel geworben. Er habe auch nicht an einer entsprechenden Handlung Dritter teilgenommen. Ein etwaiges Verhalten selbständig handelnder Dritter könne ihm nicht zugerechnet werden. Dies auch schon deshalb nicht, weil er seinen Vertragspartner in den Pachtverträgen ausdrücklich und unmissverständlich auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet habe (Ziff. 6.3 der Anlage B 2).
Das Landgericht Hamburg hat den Beklagten mit dem angegriffenen Urteil vom 07.09.2007 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Der Beklagte verfolgt in zweiter Instanz sein Klagabweisungsbegehren unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags weiter.
Der Beklagte beantragt nunmehr,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.09.2007 abzuändern und die Klage einschließlich der in zweiter Instanz gestellten Hilfsanträge abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verfolgen ihren Klageantrag zu 1. in zweiter Instanz mit 2 zusätzlichen Hilfsanträgen,
hilfsweise (1. Hilfsantrag),
[…..], solange auf der Website www. bwin .com erlaubnispflichtige Glücksspiele, ausgenommen Wetten und Lotterien, deutschen Spielern ohne das Vorliegen der erforderlichen Erlaubnis angeboten werden;
hilfsweise (2. Hilfsantrag),
[…..], solange auf der Website www. bwin .com erlaubnispflichtige Glücksspiele, Poker, Roulette, Black Jack, Baccara und Super Seven deutschen Spielern ohne das Vorliegen der erforderlichen Erlaubnis angeboten werden;
Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge.
Beide Parteien haben in zweiter Instanz umfassend ergänzend zur Rechtslage auf dem Glücksspielmarkt vorgetragen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Den Klägerinnen steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts vermag der Senat nicht zu teilen.
1. Der Beklagte ist passivlegitimiert , wenn tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 284 Abs. 4 StGB stattgefunden hat, den der Beklagte zu verhindern hatte. Diese Frage ist jedenfalls auf Grund der Besonderheiten der konkreten Fallgestaltung im Ergebnis zu verneinen.
a. Mit der Vergabe der Werberechte an der Bandenwerbung in Fußballstadien unternimmt der Beklagte allerdings eine „Wettbewerbshandlung“ bzw. „geschäftliche Handlung“ i.S.v. § 2 Nr. 1 UWG n.F., die sich zu Gunsten der bwin International Ltd. auswirkt.
aa. „Wettbewerbshandlung“ auf der Grundlage des UWG in der zum Zeitpunkt der Tathandlung geltenden Fassung war jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern. Zwischen den Klägerinnen und der bwin International Ltd. besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann (BGH WRP 07, 1334, 1335 - Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; BGH GRUR 06, 1042, 1043 - Kontaktanzeigen; BGH GRUR 01, 260 – Vielfachabmahner).
bb. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Hieran hat sich auch durch die Novellierung des UWG nichts geändert, da die gesetzlichen Vorschriften insoweit zumindest nicht enger geworden sind. Im Gegenteil: Die Definition der „geschäftlichen Handlung“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. stellt allein auf den objektiven Förderungszusammenhang ohne Rücksicht auf die Motive und Zielsetzung des Handelnden ab.
aaa. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beklagte durch die Vermietung der Banden in Fußballstadien an seinen Vertragspartner I. AG (Schweiz) nicht seinen eigenen, sondern dessen sowie objektiv zugleich denjenigen (fremden) Wettbewerb derjenigen Unternehmen fördert, denen sein Vertragspartner die Werbeflächen zur Verfügung stellt. Denn die zu vermietenden Werbeflächen dienen ausschließlich dem Zweck, den Wettbewerb des werbenden Unternehmens zu fördern, indem eine große Öffentlichkeit hierauf aufmerksam gemacht wird. Dies weiß auch der Beklagte. Eines Vorsatzes in Bezug auf das konkrete Werbeangebot bedarf es darüber hinaus nicht. Der Beklagte hat seinem Vertragspartner in Ziff. 6.1. des geschlossenen Vertrages das Recht eingeräumt, „sämtliche Werberechte an Dritte ihrer Wahl und zu von I. festgelegten Bedingungen zu vergeben.“ Damit hat sich der Beklagte in weitestmöglichem Umfang (mit Ausnahme der in Ziff. 6.3. genannten Fälle) mit jeder Art von (fremdfördernder) Werbung einverstanden erklärt und willentlich auf jede inhaltliche Kontroll- oder Einflussmöglichkeit verzichtet. Dementsprechend kommt es für die Absicht der Fremdförderung nicht darauf an, welcher Art die beanstandete Werbung ist. Denn der Beklagte will ersichtlich im Rahmen seiner Möglichkeiten so umfassend wie möglich fremden Wettbewerb fördern. Diese Feststellungen ergeben sich aus der Natur der Sache zu Werbezwecken vermieteter Bandenflächen sowie den von dem Beklagten selbst vorgelegten Verträgen. Dementsprechend bedurfte es hierzu keiner vertieften tatsächlichen Ausführungen der Klägerinnen.
bbb. Steht eine Förderung fremden Wettbewerbs in Rede, setzt das Merkmal eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb des Dritten zum Nachteil eines Mitbewerbers dieses Dritten zu fördern. Dabei muss zwischen den Vorteilen, die der in Anspruch Genommene für das Unternehmen des Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die der - als unmittelbar Betroffener klagende - Mitbewerber durch dieses Verhalten erleidet, eine Wechselbeziehung und damit ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Dritten und dem klagenden Mitbewerber bestehen (BGH GRUR 97, 907, 908 - Emil-Grünbär-Club; BGH GRUR 1990, 375, 376 - Steuersparmodell). Zwischen dem Angebot stationärer Glückspiel-Casinos und Online-Spielcasinos besteht eine derartige Konkurrenzsituation. Beide richten sich an denselben Personenkreis. Es liegt nahe, dass Personen, die die Spielstätten der Klägerinnen aufsuchen, auch für die Angebote unter www. bwin .com empfänglich sind. Die gegenteilige Auffassung, die der Beklagte erst zum Ende der zweiten Instanz vertritt, ist erfahrungswidrig. Personen, die für Glücksspiel empfänglich sind, suchen diese Gelegenheit erfahrungsgemäß in unterschiedlicher Weise. Der „elitäre“ Anstrich oder der „Dresscode“ von lokalen Spielbanken ist hierfür zwar für manche Besucher besonders reizvoll oder gar eine notwendige Voraussetzung, aber gleichwohl kein allein maßgebliches Kriterium in Bezug auf die Gesamtheit der angesprochenen Verkehrskreise. Im Übrigen werden gerade Personen, für die eine lokale Spielbank räumlich nicht (komfortabel) erreichbar ist oder die z.B. in einer Spielbank wegen übermäßiger Spielleidenschaft o.ä. Hausverbot erhalten haben, geneigt sein, statt dessen Dienste von Online-Casinos in Anspruch zu nehmen, um ihrer Spielneigung gleichwohl nachgehen zu können. Die bestrittenen Ausführungen des Beklagten sind insoweit im Übrigen gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet und deshalb von der Berücksichtigung ausgeschlossen. Zudem sind die Klägerinnen über die Domain www….-sh.de ebenfalls im Internet vertreten.
b. Gem. § 284 Abs. 4 StGB steht das Werben für ein verbotenes öffentliches Glücksspiel unter Strafe. Ein solches Glücksspiel ist gem. § 284 Abs. 1 StGB dann verboten, wenn es ohne „behördliche Erlaubnis“ betrieben wird. Eine solche Erlaubnis einer deutschen Behörde besitzt die bwin International Ltd. unstreitig nicht, so dass ihr Verhalten strafbar wäre, wenn es einer solchen bedürfte und die in der europäischen Gemeinschaft durch den Staat Gibraltar erteilte Erlaubnis nicht ausreichende wäre (dazu noch später).
aa. Der von dem Beklagten in zweiter Instanz unter Berufung auf das Gutachten Prof. S. (Anlage BB 6) vertretenen Meinung, allein die Nennung eines Namens ( bwin .com) ohne Anpreisung eines konkreten Angebots stelle sich schon nicht als Werbung im Sinne dieser Vorschrift dar, vermag der Senat allerdings schon im Ausgangspunkt nicht zuzustimmen. Diese Auffassung ist erfahrungswidrig. So wäre z.B. allein die Nennung der Marke/Unternehmensbezeichnung „Coca Cola“, „BMW“ oder „Mercedes Benz“ in den Augen des Verkehrs ohne Zweifel geeignet, auf die Produkte dieser Unternehmen hinzuweisen und als positive „Imagewerbung“ zu gelten, selbst wenn hierbei kein konkretes Produkt genannt wird. Andernfalls wäre eine derartige Maßnahme der Öffentlichkeitsdarstellung mit den damit verbundenen erheblichen Kosten für das Unternehmen auch erkennbar sinnlos. Hiervon wird nicht ernsthaft ausgegangen werden können. Dies umso weniger als die Werbung mit einer Internet-Adresse erkennbar Neugier schaffen und den Interessenten auffordern soll, die in der Werbung kommentarlos prominent herausgestellte Internet-Seite aufzusuchen, um dort zu erfahren, worum es eigentlich exakt geht und die gewünschten Produktinformationen im Detail zu erhalten. Dieser Hinweis ist damit integraler Teil der Produktwerbung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die bwin .com unter ihrer Domain nicht nur in Deutschland u.U. unzulässiges Glücksspiel, sondern auch andere (legale) Angebote unterhält. Der Hinweis auf ein „auch“ rechtsverletzendes Angebot reicht insoweit aus.
bb. Ein Verstoß gegen § 284 Abs. 4 StGB wäre auch wettbewerbswidrig. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Norm, die (zumindest auch) das Marktverhalten (von Anbietern von Glücksspielen) regeln soll. Denn diese sollen für ihre (unzulässigen) Produkte nicht werbend am Markt auftreten. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt derjenige unlauter i.S. des § 3 UWG, der einer gesetzlichen Bestimmung zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zu diesen Vorschriften gehören auch solche, die im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, auch das Verhalten von Unternehmen bestimmen (BGH GRUR 05, 355, 356 – Testamentsvollstreckung durch Steuerberater). § 284 Abs. 4 StGB dient auch dem Schutz der Verbraucher (BGH GRUR 04, 693, 695 - Schöner Wetten).
Die Klägerinnen weisen zutreffend darauf hin, dass die Wettbewerbswidrigkeit im Rahmen von § 4 Nr. 11 UWG demgegenüber nicht voraussetzt, dass der Verletzer willentlich oder gar vorsätzlich gegen die Marktverhaltensvorschrift verstoßen hat. Eine nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlautere Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung knüpft allein an ein objektiv rechtswidriges Verhalten an. Die Frage, ob der Verletzer nicht schuldhaft gehandelt hat, weil er sich zum Beispiel auf amtliche Auskünfte verlassen hat, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle (BGH GRUR 05, 778, 779 - Atemtest). Deshalb bedarf die Frage keiner Vertiefung, welchen Erkenntnisstand z.B. die bwin International Ltd. insoweit hatte. Auf den erforderlichen Wissensstand des Beklagten wird später noch einzugehen sein.
c. Der Beklagte ist grundsätzlich auch für einrechtsverletzendes Verhalten seines Pächters rechtlich (mit-)verantwortlich. Der Umstand, dass der Beklagte die mit der Gestaltung der Werbeflächen zusammenhängenden Aktivitäten vollständig einem Dritten überlassen hat, entbindet ihn - jedenfalls nach Kenntnis eines Rechtsverstoßes - nicht von der Pflicht, diesen Verstoß entweder unmittelbar zu unterbinden oder im Rahmen seiner vertraglichen Möglichkeiten - notfalls durch außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung - ein rechtskonformes Verhalten durchzusetzen bzw. wiederherzustellen. Allein die Tatsache, dass der Beklagte seine Pächterin vertraglich darauf verpflichtet hat, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu beachten, lässt seine eigene unmittelbare Handlungsverpflichtung nicht entfallen. Der Beklagte hat die Kontrolle über die Bandenwerbung in den Stadien in seinem eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse an Dritte übertragen. Für die Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften im Rahmen der von ihm veranstalteten Fußballspiele bleibt er ungeachtet dieser Tatsache selbst unmittelbar verantwortlich. Diese Grundsätze entsprechen ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, u.a. des Senats. Der Umstand, dass der Beklagte die Pächterin in den geschlossenen Pachtverträgen auf die Einhaltung rechtlicher Vorschriften verpflichtet hat (z.B. Ziff. 6.3 der Anlage B 1), ist eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für die Erfüllung seiner Pflicht zur Verhinderung von Rechtsverletzungen. Eine derartige Vertragsklausel entbindet den Beklagten insbesondere nicht von seiner Verpflichtung, aktiv einzugreifen, wenn er davon Kenntnis erlangt, dass sein Vertragspartner gleichwohl rechtswidrig wirbt.
d. Die Verantwortlichkeit eines Dritten wie des Beklagten bestimmt sich in derartigen Fällen einer nur mittelbaren Beteiligung in der Regel nach den im Zusammenhang mit der Störerhaftung entwickelten Rechtsgrundsätzen. Allerdings weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Störerhaftung entwickelten Grundsätze nicht in gleicher Weise bei Wettbewerbsverstößen gelten. Dies ändert jedoch an der dem Grunde nach bestehenden Verantwortlichkeit des Beklagten nichts. Denn insoweit gelten auf der Grundlage der BGH-Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ entsprechende Überlegungen im Rahmen einer täterschaftlichen Verletzung von Verkehrspflichten im Rahmen von § 3 UWG.
aa. Richtet sich ein gesetzliches Handlungsge- bzw. -verbot z. B. an den Anbieter bestimmter Produkte, so verstößt der Betreiber eines Internetdienstes nicht selbst dadurch gegen das Verbot, dass er den Anbietern seine Plattform zur Verfügung stellt und dort rechtsverletzende Produkten veröffentlicht werden können. Der Betreiber bietet diese Produkte nicht selbst an (BGH WRP 07, 1173, 1175 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Eine Haftung als Teilnehmer scheidet ebenfalls aus. Die allein in Betracht zu ziehende Hilfestellung setzt zumindest einen bedingten Vorsatz voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließt muss. Nimmt der Betreiber die Angebote vor Veröffentlichung nicht zur Kenntnis, scheidet eine vorsätzliche Teilnahme des Betreibers aus. Der Betreiber hat keine Kenntnis von konkret drohenden Haupttaten, sodass es an dem erforderlichen Gehilfenvorsatz fehlt (BGH WRP 07, 1173, 1175 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH WRP 04, 1287, 1291 – Internet-Versteigerung I). Ähnlich verhält es sich auch im vorliegenden Fall.
bb. Die zu der Frage der Gehilfenhaftung vertretene Auffassung der Klägerinnen, der Beklagte sei bereits deshalb verantwortlich, weil er vorsätzlich an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Zuwiderhandlung mitgewirkt habe, teilt der Senat nicht. Diese Auffassung ist auch mit den anerkannten Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Verantwortung Dritter z.B. im Rahmen der Störerhaftung nicht in Einklang zu bringen.
aaa. In diesen - wie auch der vorliegenden - Fallgestaltungen ist stets zwischen dem unmittelbar handelnden Verletzer ( bwin International Ltd.) und Dritten (I. AG (Schweiz)) sowie dem Beklagten zu unterscheiden, die die Zuwiderhandlung nur ermöglichen oder hieran kausal mitwirken. Bei letzteren kann allein die objektive Mitwirkung unabhängig von Erkenntnisstand und Zielrichtung der Tätigkeit nicht ausreichend sein. Andernfalls würde die wettbewerbsrechtliche Haftung in einem Umfang konturenlos auf Dritte erstreckt, der der Eigenverantwortung des Verletzers und den eingeschränkten Erkenntnis- und Untersagungsmöglichkeiten des Dritten nicht gerecht wird. Bei Verstößen gegen Verbotsnormen, denen der Störer nicht selbst unterworfen ist, ist die wettbewerbsrechtliche Störerhaftung dadurch begrenzt, dass die Erfüllung der in einem solchen Fall vorausgesetzten Prüfungspflichten dem als Störer in Anspruch genommenen zumutbar sein muss (BGH WRP 02, 1050, 1052 – Vanity-Nummer; BGH WRP 97, 325 – Architektenwettbewerb), um die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben (BGH WRP 01, 1305, 1307 – ambiente.de).
bbb. Dafür, dass der Beklagte - wie die Klägerinnen zweitinstanzlich vortragen - die Werbung für bwin .com am 27.02.2007 vorab „in positiver Kenntnis billigte“, haben sie keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Im Übrigen war es auch - unstreitig - nicht der Beklagte, der diese Werbung geschaltet/veranlasst hat, sondern der mit ihm vertraglich verbundene Pächter der Werbeflächen, die I. AG (Schweiz). Der Beklagte hat in Abrede genommen, inhaltlich in das Werbeverhalten seines Vertragspartners steuernd eingegriffen zu haben. Gegenteiliges haben auch die Klägerinnen nicht darlegen können. Der Umstand, dass der Beklagte unstreitig der Veranstalter des DFB-Pokalspiels am 27.02.2007 war, führt nicht dazu, dass ihm jedwede Handlung derjenigen Unternehmen, die in eigener Verantwortung die Bandenwerbung betreiben, wie eigenes Verhalten „voll zuzurechnen“ ist, wie dies die Klägerinnen sehen. Der Beklagte bedient sich der I. AG (Schweiz) nicht zur Erfüllung einer Verbindlichkeit i.S.v. § 278 BGB. Sie ist auch weder sein Organ (§ 31 BGB) noch Verrichtungsgehilfin (§ 831 BGB). Abseits dieser Rechtsfiguren kann das Fehlverhalten eines Vertragspartners nur im Rahmen eines konkreten Zurechnungstatbestandes berücksichtigt werden, der hier (wie ausgeführt) nicht an der objektiven Verwirklichung, sondern an der klaren Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes anknüpft.
cc. Deshalb sind die von der Rechtsprechung insoweit in Bezug auf einen Online-Marktplatz entwickelten Grundsätze der Störerhaftung bzw. der Verantwortlichkeit für Gefahrenquellen unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrspflicht in gleicher Weise auf das Verhalten des Beklagten anzuwenden. Derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in zurechenbarer Weise die Gefahr eröffnet, dass Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, kann ebenfalls eine unlautere Wettbewerbshandlung begehen, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt (BGH WRP 07, 1173, 1175 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Auch der Beklagte eröffnet - bzw. unterhält - mit den für die Bandenwerbung in Fußballstadien eröffneten Flächen bei Länderspielen bzw. DFB-Pokalspielen in zurechenbarer Weise eine derartige Gefahrenquelle, deren Auswirkungen er in zumutbarer Weise zu beherrschen und zu begrenzen hat.
aaa. Die Klägerinnen haben zutreffend darauf hingewiesen, dass die Möglichkeiten einer öffentlichkeitswirksamen, aber zugleich klar rechtwidrigen Werbung vielfältig sind. Zu nennen sind neben gewaltverherrlichenden, antisemitischen, rechtsradikalen Inhalten u.a. auch Werbung für pornographische, sittenwidrige oder sonstwie gesetzeswidrige Maßnahmen (z.B. für Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug usw.). Es bedarf keiner Erwähnung, dass entsprechende Maßnahmen für bestimmte Zielgruppen an bestimmten Orten (dazu gehören auch Fußballstadien) einen hohen Aufmerksamkeits- und Werbewert haben können und deshalb durchaus auch wirtschaftlich attraktiv sind. Gleichwohl werden sie in der Regel unterlassen, weil der Verantwortliche derartige Werbemaßnahmen zu Recht nicht zulässt.
bbb. Eine entsprechende Verantwortung trifft insoweit aber stets - neben dem unmittelbar Handelnden - auch den Eigentümer oder sonstwie Berechtigten der potentiellen Werbeflächen, selbst wenn er diese vertraglich vollständig an Dritte überlassen hat. Sofern z.B. eine Fluggesellschaft die äußere Gestaltung ihrer Linienmaschinen mit Werbebotschaften einem dritten Unternehmen zur Verfügung stellt, stünde es nicht im Zweifel, dass bei eindeutig volksverhetzender Werbung nicht nur der Vertragspartner, sondern auch die Fluggesellschaft selbst in der Pflicht zur Unterlassung/Unterbindung stünde. Gleiches würde gelten, wenn ein Wohnungsmieter auf seinem Balkon den Holocaust leugnende Aussagen öffentlich zeigen würde. Auch in einem derartigen Fall trifft zumindest auch den Vermieter des Hauses - schon wegen seiner fortbestehenden Sachherrschaft kraft mittelbaren Eigenbesitzes an der Mietsache - eine Unterlassungspflicht. Nichts anderes gilt für den Beklagten im vorliegenden Fall.
cc. Die maßgebliche Wettbewerbshandlung des Beklagten liegt hier auf der Grundlage der von dem BGH entwickelten Grundsätze in dem Bereitstellen der Flächen für die Bandenwerbung in den Stadien bei Länderspielen und DFB-Pokalspielen. Denn er erhält hierfür unmittelbar eine Vergütung von demjenigen Unternehmen, das diese entweder unmittelbar für werbliche Zwecke nutzt oder Dritten hierfür zur Verfügung stell (vgl. BGH WRP 07, 1173, 1175 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützter Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzen (BGH WRP 07, 1173, 1177 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Insoweit kommt eine Haftung nach § 3 UWG unter dem Aspekt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Betracht (BGH WRP 07, 1173, 1177 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Im Bereich deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB sind Verkehrspflichten als Verkehrssicherungspflichten in ständiger Rechtsprechung anerkannt. Verkehrspflichten hat der Bundesgerichtshof auch bereits im Immaterialgüterrechten sowie der Sache nach dem Wettbewerbsrecht angenommen (vgl. BGH GRUR 84, 54, 55 - Kopierläden, für das Urheberrecht; BGH GRUR 95, 601 - Bahnhofs-Verkaufsstellen, für das Wettbewerbsrecht). Dieser Rechtsprechung aus unterschiedlichen Rechtsbereichen ist der allgemeine Rechtsgrundsatz gemeinsam, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind (BGH WRP 07, 1173, 1177 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Wer gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung (BGH WRP 07, 1173, 1177 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Der Annahme wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten steht nicht entgegen, dass diese auf die Abwehr der Beeinträchtigung wettbewerbsrechtlich geschützter Interessen von Marktteilnehmern gerichtet sind und damit auf die Abwendung eines Verhaltens. Die Verkehrspflichten wurden zwar im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB zur Abwendung eines Erfolgsunrechts, nämlich einer Rechtsverletzung entwickelt. Der Rechtsgedanke der Verkehrspflichten, dass der Verantwortung für eine Gefahrenquelle in den Grenzen der Zumutbarkeit eine Pflicht zu gefahrverhütenden Maßnahmen entspricht, gilt aber unabhängig davon, ob sich die Gefahr in einem Erfolgs- oder in einem Handlungsunrecht realisiert (BGH WRP 07, 1173, 1177 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).
d. Ist dem Betreiber bekannt, dass Anbieter unter Nutzung seiner Plattform mit konkreten Angeboten Rechtsverletzungen begehen, ist sein Verhalten wettbewerbswidrig, wenn er es unterlässt, im Hinblick auf die ihm konkret bekannt gewordenen Verstöße zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um derartige Rechtsverletzungen künftig so weit wie möglich zu verhindern und es infolge dieses Unterlassens entweder zu weiteren derartigen Verstößen von Anbietern kommt oder derartige Verstöße ernsthaft zu besorgen sind (BGH WRP 07, 1173, 1175 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).
e. Übertragen auf den vorliegenden Fall ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:
aa. Die Klägerinnen haben nicht substantiiert vorgetragen bzw. vortragen können, dass der Beklagte bereits vor ihrer ersten Abmahnung Kenntnis davon hatte, dass sein Vertragspartner I. AG (Schweiz) (z.B. am 07.02.2007) in wettbewerbswidriger Weise Bandenwerbung für ein (möglicherweise) verbotenes Glückspielangebot betrieben hat bzw. betreibt. Diese Kenntnis hat der Beklagte jedoch durch die Abmahnung der Klägerinnen vom 23.02.2007 (Anlage K 2) erhalten. Im Hinblick hierauf musste der Beklagte nunmehr unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um seinen Prüfungspflichten gerecht zu werden, die geeignet waren, eine erneute (möglicherweise) unzulässige Werbung desselben Anbieters zu verhindern. Die „Abmahnung“ der Klägerinnen hatte der Sache nach damit lediglich die Funktion einer haftungsbegründenden Erstinformation.
bb. Hieraus sowie aus den bisherigen Ausführungen folgt indes nicht ohne Weiteres die von den Klägerinnen mit der Klage verfolgte Unterlassungsverpflichtung des Beklagten. Denn es oblag dem Beklagten bei der gegebenen Sachlage auch als Täter im Rahmen der Verantwortung zur Verhinderung von Gefahren der von ihm eröffneten Gefahrenquellen nicht die Pflicht, jedwede Rechtsverletzung durch Dritte zu verhindern. Nur bzw. immer dann, wenn der Betreiber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, besteht für ihn ein Handlungsgebot (BGH WRP 07, 1173, 1178 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Dieses Kriterium entspricht den allgemeinen Grundsätzen der Störerhaftung, bei denen einen Handlungspflicht immer auch nur dann besteht, wenn der Rechtsverstoß klar erkennbar ist BGH GRUR 08, 702, 706 - Internet-Versteigerung III; BGH WRP 04, 1287, 1292 - Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 07, 708, 712 – Internet-Versteigerung II).
cc. Zwar kann die im Bereich des presserechtlichen Anzeigengeschäfts und der Domain-Vergabe von Verfassungs wegen gem. Art. 5 GG erforderliche Privilegierung auf „offenkundige, aus seiner Sicht eindeutige und von dem zuständigen Sachbearbeiter unschwer erkennbare Rechtsverstöße“ (BGH WRP 01, 1305, 1308 – ambiente.de) für Fälle der vorliegenden Art nicht interessengerecht sein. Gleichwohl bedarf es auch hier einer Beschränkung dergestalt, dass dem nur - in 3. Stufe handelnden - „mittelbaren“ Täter (Verpächter) hinter einem - selbst nur in 2. Stufe - eigenverantwortlich handelnden Dritten (Pächter) sowie dem eigentlichen Verletzer (Werbender) kein unzumutbaren Verpflichtungen zur Beurteilung komplexer rechtlicher Sachverhalte auferlegt werden dürfen, um sich nicht wegen Verletzung von Prüfungspflichten verantwortlich zu machen. Deshalb ist auch in Fällen der vorliegenden Art Voraussetzung für eine Handlungspflicht des Beklagten der Umstand, dass aus seiner Sicht die Qualität des Handelns als Rechtsverletzung ohne unüberwindbare rechtliche Zweifelsfragen zu beurteilen war.
dd. Die Klägerinnen weisen zwar zutreffend darauf hin, dass nach gegenwärtiger Rechtslage im Rahmen von § 4 Nr. 11 UWG das Bewusstsein der Begehung eines Gesetzesverstoßes keine Tatbestandsvoraussetzung (mehr) ist. Die Beschränkung auf einen rein objektiv zu beurteilenden Verstoß vermag der Senat aus den vorstehend genannten Gründen allerdings gleichwohl nur auf den unmittelbar eigenverantwortlich handelnden Täter, nicht jedoch auf den lediglich aus der Nichtbeachtung einer Verkehrspflicht Verantwortlichen zu beziehen.
ee. Dabei hängt die Verantwortlichkeit des Beklagten weiterhin u.a. entscheidend davon ab, ob eine derart (klar erkennbare) Wettbewerbswidrigkeit nicht nur zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, sondern auch bereits seinerzeit am 26.02.2007, also zu dem Zeitpunkt vorgelegen hat, zu dem nach Auffassung der Klägerinnen die Handlungspflicht bestanden hat. Die Frage, ob die klagende Partei die geltend gemachte Unterlassung beanspruchen kann, ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beurteilen, also nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008. Soweit der Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war (BGH GRUR 2006, 953 - Warnhinweis II; BGH GRUR 08, 438, 439 - ODDSET). Auf diesen Zeitpunkt ist auch die Frage der Beurteilung der Zulässigkeit von Sportwetten abzustellen; auch eine etwaige erst spätere Änderung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen ist dabei zu berücksichtigen (BGH GRUR 08, 438, 439 - ODDSET).
ff. Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation bedeutet dies, dass dem Beklagten der Verstoß gegen Handlungspflichten zur Verkehrssicherung nur dann zur Last gelegt werden kann, wenn sich die Frage, ob sich das Verhalten der bwin .com sowohl nach nationalem als auch nach europäischem Recht als strafbar nach § 284 Abs. 4 StGB und damit als wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG darstellt, nicht nur (rückblickend) heute, sondern auch aus dem Kenntnisstand vom 27.02.2007 als klare Rechtsverletzung beurteilen ließ. Der Senat hat zu einer ähnlichen Sachverhaltsgestaltung in seiner Entscheidung vom 12.08.2004 (Senat CR 05, 298 - Sportwetten in Hamburg) zur Verantwortlichkeit eines Dritten im Rahmen der Veranstaltung eines unerlaubten Glückspiels festgestellt:
„bb) Selbst wenn man aber der Meinung sein sollte, die durch die Stadt Hamburg im Wege von Verträgen erteilten Erlaubnisse an die Hamburgische Landesbank und an den Beklagten seien rechtswidrig und nichtig, handelt der Beklagte nicht wettbewerbswidrig. Denn noch ist Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland, dass der Staat sich das Monopol für Sportwetten vorbehalten darf. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für das Bayerische SportwettenG entschieden (NJW 2001,2648 ). Dabei geht wohl auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass das Staatsmonopol einer gesetzlichen Grundlage bedürfe (s. 2649 rechte Spalte), problematisiert dies aber nicht, weil eine solche im Falle Bayerns vorhanden war. Insbesondere verhält sich die Entscheidung nicht zu der Frage, ob Erlaubnisse ohne entsprechende gesetzliche Grundlage rechtswidrig oder nichtig seien.
Damit stellt sich die Lage aus der Sicht des Beklagten derzeit so dar, dass er die Erlaubnis des originär zuständigen Landes mit einem höchstrichterlich gebilligten Inhalt in Händen hält, dem allerdings deshalb formelle Bedenken entgegenstehen, weil jedenfalls bislang eine ausreichende gesetzliche Grundlage fehlte. Diese formellen Bedenken sind indessen bis heute von keinem Gericht bestätigt worden. Mit dem Landgericht vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen, weshalb sich der Beklagte wettbewerbsrechtlich unlauter verhalten soll, wenn er die ihm möglicherweise formell nicht wirksam erlaubte Tätigkeit nun auch ausübt und diese so lange fortsetzt, bis die vielfältige und hoch streitige juristische Auseinandersetzung um die Sportwetten mit höchstrichterlichen Urteilen abschließend geklärt ist . Der beste Beleg für die Komplexität der rechtlichen Fragen ist das vorliegende Verfahren, in dem eine kaum noch übersehbare Zahl unterschiedlichster Judikate der Verwaltungs-, Straf- und Zivilgerichtsbarkeit aus den letzten Jahren vorgelegt worden ist. Wettbewerbsrechtlich kann die Klägerin von dem Beklagten als kleinem Gewerbetreibenden unter Lauterkeitsgesichtspunkten nicht beanspruchen, dass er das Verhalten der Freien und Hansestadt Hamburg nun daraufhin überprüft, ob es auch formell in jeder Beziehung rechtmäßig ist und im Endeffekt also klüger sein soll als die mit diesen Fragen beschäftigten Juristen, die untereinander ebenfalls nicht einig sind. Vielmehr wäre es in erster Linie Aufgabe der hierzu nach der Hamburgischen Verfassung berechtigten Organe, notfalls durch das Hamburgische Verfassungsgericht zu überprüfen, ob die Stadt von ihrer Glückspielhoheit in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch macht und ob eine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht (Art. 65 HambVerfG).“
Zwar können diese Erwägungen nicht ohne Modifikationen auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Denn bei dem Beklagten handelt es sich nicht um einen kleinen Kiosk-Betreiber, sondern um einen mächtigen Fußball-Verband mit hoher Professionalität und (externer sowie möglicherweise auch interner) Rechtskunde. Gleichwohl ändert dies nichts an der Komplexität und Schwierigkeit der verlässlichen Beurteilung einer Rechtslage, so dass auch hierauf angemessen Rücksicht zu nehmen ist (dazu noch später).
f. Immerhin räumen sogar die Klägerinnen selbst mit der Berufungserwiderung ein, dass die „Zulassung der Veranstaltung von staatlich kontrollierten und konzessionierten Casino-Glücksspielen im Internet rechtlich, politisch und gesellschaftlich hoch umstritten“ ist. Dem ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen. Dafür spricht u.a. auch, dass seit einigen Jahren (und bis heute) mit der „Zeitschrift für Wett- und Glückspielrecht (ZfWG)“ sogar eine alle zwei Monate erscheinende juristische Zeitschrift auf dem Markt ist, die sich ausschließlich mit den auch im vorliegenden Rechtsstreit erörterten Fragen des Glücksspielrechts befasst. Die Existenzberechtigung eines derartigen Presseorgans müsste entfallen, wenn die Rechtslage tatsächlich so geklärt wäre, wie dies die Klägerinnen in anderem Zusammenhang glauben machen wollen.
aa. Die nationale Rechtslage war im Februar 2007 allerdings bezogen auf Sportwetten bereits mehr oder weniger verlässlich geklärt.
aaa. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 28.03.2006 (BVerfG GRUR 06, 688 ff - Oddset) festgestellt, dass die bisherige Handhabung des Glücksspielmonopols in Bayern verfassungsrechtlich zu beanstanden und ein Verstoß gegen den Erlaubnisvorbehalt damit nicht strafbar i.S.v. § 284 Abs. 4 StGB war. Entsprechendes muss auch für die anderen Bundesländer gelten, da die Glücksspielgesetze der Länder in den insoweit maßgeblichen Regelungen weitgehend identisch waren. Dementsprechend fehlte es auch an einem Verstoß gegen eine das Marktverhalten regelnde Vorschrift i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Dem nationalen Gesetzgeber hatte das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2007 für die Neuregelung des Wettmonopols eingeräumt. Dieser Vorgabe ist der Gesetzgeber zwischenzeitlich nachgekommen. Der für alle Bundesländer geltende Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV) ist seit dem 01.01.2008 in Kraft. Der vorliegende Sachverhalt (27.02.2007) fällt in den Zeitraum dieser Umsetzungsfrist. Zu diesem Zeitpunkt waren die nationalen Vorschriften des Glücksspielrechts von dem Bundesverfassungsgericht - trotz ihrer verfassungsrechtlichen Nichtigkeit - für eine Übergangszeit noch für anwendbar erklärt worden. Dementsprechend bedurfte es insoweit nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen einer inländischen Erlaubnis.
bbb. Auch dieser rechtliche Befund ist allerdings für die Frage der Wettbewerbswidrigkeit keineswegs eindeutig. So hatte das OLG München (MD 09, 76 ff - Sportwetten in der Übergangszeit) die Auffassung vertreten, mangels hinreichender Kriterien für die Prüfung der Konsistenz der zum Zwecke der Bekämpfung der Spielsucht ergriffenen Maßnahmen durch staatliche Wettanbieter, die das BVerfG in seiner Entscheidung vom 28.03.06 auch in der Übergangszeit gefordert hatte („Während der Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bleibt die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe anwendbar, dass der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen hat“, BVerfG, a.a.O., Rdn. 157) sei es für den einzelnen Rechtsunterworfenen unzumutbar, derartige Feststellungen zu treffen. Ein unzulässiges Handeln im Wettbewerb liege nicht vor (OLG München MD 09, 76, 80 - Sportwetten in der Übergangszeit). Soweit der Beklagte erst in zweiter Instanz in Zweifel zieht, dass das Land Schleswig-Holstein den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts für eine gesetzeskonforme Ausgestaltung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2007 (Stichwort: „Bekämpfung der Wettsucht“) überhaupt gerecht geworden ist, stellt sich allerdings auch dieser Vortrag als verspätet dar.
ccc. Die Klägerinnen weisen wiederholt darauf hin, dass insoweit zwischen dem Verbot von Sportwetten einerseits und dem Spielbankmonopol andererseits zu unterscheiden sei. Letzteres sei stets als verfassungsgemäß angesehen worden und wurde von einer abweichenden Regelungsmaterie (z.B. Spielbankgesetz des Landes Schleswig-Holstein, SpielbG SH) erfasst. Nationalrechtlich spielt dieser Unterschied indes keine maßgebliche Rolle, zumal das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 26.03.2007 (NVwZ-RR 08, 1 ff) auch die Verfassungsmäßigkeit des Spielbankmonopols festgestellt hat. Europarechtlich (dazu nachfolgend) ist dieser Unterschied ohnehin irrelevant, weil § 284 Abs. 1 StGB von „ Glücksspiel “ spricht. Dieser Begriff umfasst jedenfalls auch das „harte“ Casino-Glücksspiel.
ddd. Die Feststellung dieser nationalen Rechtslage erforderte jedenfalls für den Beklagten keine größeren Schwierigkeiten. Schon gar nicht, weil sich der Beklagte nach eigenen Angaben in den hiermit zusammenhängenden Rechtsfragen bereits kundig gemacht und auch ein Rechtsgutachten eingeholt hatte. Dieses - mit Datum vom 01.02.2007 - lag ihm offenbar bei Erhalt der Abmahnung der Klägerinnen auch bereits vor. Allerdings kommt dieses Gutachten - dessen Gesamtaussage nicht beurteilt werden kann, weil der Beklagte hieraus als Anlage BB 6 nur zusammenhangslose Teile vorgelegt hat - offenbar zu einem für den Beklagten günstigen Ergebnis des Inhalts, dass eine Strafbarkeit gerade nicht gegeben ist, so dass auf dieser Grundlage eine Handlungspflicht nicht bestanden hätte.
eee. Soweit das Gutachten von Prof. S. (Anlage BB 6) allerdings zu dem Ergebnis gelangt, das Glücksspiel werde von der bwin International Ltd. lediglich in Gibraltar „veranstaltet“ und unterfalle schon deshalb nicht dem Verbot des § 284 Abs. 1 StGB, erscheint diese Auffassung nach Einschätzung des Senats erheblich angreifbar zu sein. Denn diese Norm erfasst eine „öffentliche Veranstaltung“. Und die Teilnahme an einem Internet-Glücksspiel, das sich in deutscher Sprache auch an deutsche Interessenten richtet, kann zumindest nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen des IPR nicht davon abhängen, wo das veranstaltende Unternehmen seinen Sitz hat. Ob strafrechtlich insoweit abweichende Grundsätze gelten, bedürfte einer weitergehenden Überprüfung, die indes im vorliegenden Rechtsstreit nicht veranlasst ist, weil eine Verantwortlichkeit des Beklagten (wie noch auszuführen sein wird) aus anderen Gründen ausscheidet. In jedem Fall wird die nationale Rechtslage unter dem Gesichtspunkt der gemeinschaftsweit garantierten Dienstleistungsfreiheit (Art. 46, 49 EGV) von der europarechtlichen Rechtslage mit der Folge überlagert, dass - nach allgemeinen Grundsätzen - nationale Rechtsvorschriften unwirksam sein können, wenn sie ihrerseits gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoßen (Art. 227, 228, 231 EGV).
bb. Dabei war die insoweit gleichermaßen - und unabhängig von der (allein) zu den nationalen Vorschriften ergangenen Rechtsprechung zu beachtende - europarechtliche Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt allerdings wesentlich weniger eindeutig geklärt.
aaa. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich hiermit ausdrücklich nicht auseinander gesetzt, sondern seine Entscheidung auf das inländische Verfassungsrecht beschränkt. Dementsprechend galt insoweit auch die eingeräumte Übergangsfrist bis zum 31.12.2007 nicht. Zwar sind die Entscheidungen des EuGH (EuGH MMR 04, 92 - Gambelli; EuGH MMR 07, 300 - Placanica) zu Rechtsstreitigkeiten ergangen, die in der Republik Italien ihren Ausgangspunkt genommen haben. Dies ändert an der europaweiten Relevanz allgemeiner Feststellungen des Gerichtshofs zu Fragen der Dienstleistungsfreiheit indes nichts. Auch den Klägerinnen ist bekannt, dass den Entscheidungen des EuGH von der Rechtswissenschaft u.a. in Deutschland mit großem Interesse entgegen gesehen worden ist, weil erwartet wurde, dass sich hieraus unmittelbar Schlussfolgerungen für die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der nationalen Regelung in Deutschland ableiten ließen. Der Generalanwalt des EuGH, Damaso Ruiz-Jarabo Colomer, hatte in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache „Placanica“ vom 16.05.2006 in aller wünschenswerten Deutlichkeit u.a. ausgeführt:
„Rien ne va plus. Der Gerichtshof kann sich einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Grundfreiheiten des EG-Vertrags im Glücksspielsektor nicht entziehen.“
Diese Ausführungen belegen ohne Weiteres den Charakter dieser Entscheidung als zu erwartender Grundsatzentscheidung. Der Umstand, dass diese Erwartungen möglicherweise nicht (annähernd, schon gar nicht vollständig) erfüllt worden sind, ändert nichts an der inländischen Relevanz der Entscheidungen des EuGH.
bbb. Die Klägerinnen verkürzen insoweit die Tragweite dieser Entscheidungen unangemessen, wenn sie hervorheben, diese hätten allein die Rechtslage in Italien betroffen. Dem steht schon entgegen, dass sich der EuGH in Erwägungsgründen 45 - 49 der „Placanica“-Entscheidung mit allgemeinen europarechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Angebot von Glücksspielen befasst. Wie wenig haltbar diese Auffassung der Klägerinnen ist, belegt auch der erste Leitsatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.05.2005 (BVerfG WRP 05, 1003 - Vermittlung von Sportwetten), der lautet:
„Angesichts der Entscheidung des EuGH in der Sache „Gambelli“ und ihrer Rezeption durch die Rechtsprechung und Literatur können erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden.“
Das BVerfG führt sodann weiter aus:
„Angesichts dieser Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs könnte im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren die Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht kaum ohne eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof festgestellt werden.“ (BVerfG. a.a.O., S. 1006).
Fritzemeyer/Rinderle (CR 04, 367, 370) kommen deshalb in ihrer Stellungnahme zu der „Gambelli“-Entscheidung nach eingehenden Ausführungen zur Relevanz für die inländische Rechtslage zu Recht zu dem Fazit:
„Nach der Gambelli-Entscheidung steht - vor allem auch im Hinblick auf das Anbieten von Internet-Glücksspielen, - Wetten und -Lotterien - eine erneute rechtliche Beurteilung des geltenden deutschen Glücksspielrechts an.“
ccc. Die Tatsache, dass der gegenteilige Rechtsstandpunkt der Klägerinnen insoweit nicht zutreffend ist, ergibt sich - rückblickend - auch aus dem von dem Beklagten als Anlage BB 5 vorgelegten Aufforderungsschreiben der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an die Bundesrepublik Deutschland vom 31.01.2008. Dieses - nach Inkrafttreten und in Kenntnis der neuen Rechtstage des GlüStV - verfasste Schreiben argumentiert wie selbstverständlich umfassend auf der Grundlage der EuGH-Entscheidungen „Gambelli“ und „Placanica“. Schon dadurch erweist sich die Auffassung der Klägerinnen, diese Entscheidungen seien ohne Relevanz für die Beurteilung der Rechtslage in Deutschland als widerlegt. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung dieser Aufforderung mit ihrem Mitteilungsschreiben (Anlage K 13) nachgekommen ist. Die Ausführungen in diesem 51 Seiten starken Schreiben zu dem Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2007/4866 belegen nur nochmals, wie komplex (und streitig) die Rechtsfragen auch europarechtlich schon seinerzeit waren und (wohl) nach wie vor noch sind.
ddd. Auch die Ausführungen der Klägerinnen dazu, dass eine in Gibraltar erworbene Lizenz noch nicht einmal von einem Mitgliedsstaat der EU erteilt sei, weil Gibraltar nur ein abhängiges Gebiet eines Mitgliedsstaats (Großbritannien) und vom Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeschlossen sei, so dass die relevanten europarechtlichen Normen keine Anwendung fänden, belegt einmal mehr die Reichweite der in diesem Zusammenhang zu beantwortenden streitigen Rechtsfragen. Im Übrigen wäre selbst im Anschluss an die EuGH-Entscheidung „Kommission ./. Vereinigtes Königreich“ in der Rechtssache C-30/01 verbindlich lediglich über die Freiheit des Warenverkehrs, nicht über die Dienstleistungsfreiheit entschieden. Es ist aus Sicht des Senats jedenfalls nicht selbsterklärend, dass die für grenzüberschreitende Dienstleistungen geltenden Grundsätze stets den Rechtsregeln in Bezug auf eine (in erster Linie warenbezogenen) Zollunion folgen müssen, von der das Gebiet Gibraltars ausgenommen ist. Auch die Behauptung der Klägerinnen, im Gegensatz zum Bereich der Sportwetten, sei das Spielbank- bzw. Glücksspielrecht auch europarechtlich hinreichend eindeutig geklärt, vermag der Senat vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nicht zu teilen.
eee. Im Übrigen: Ob und inwieweit eine derartige Entscheidung wie die „Placanica“-Entscheidung des EuGH vollständig oder entsprechend für den deutschen Rechtsraum anwendbar ist, dürfte selbst unter deutschen Rechtsgelehrten umstritten sein, so dass dem Beklagten als nur mittelbar für eine Gefahrenquelle Verantwortlichen die Beurteilung der Rechtslage zumindest erheblich erschwert war, wenn man denn überhaupt noch von einer hinreichend „klaren Rechtsverletzung“ ausgehen konnte.
(1) In diesem Zusammenhang kann die Behauptung der Klägerinnen, dass der Beklagte den „grundsätzlich problematischen Charakter staatlich in Deutschland nach geltendem Recht nicht lizenziertem Internet-Glücksspiel“ kannte, für seine Verantwortlichkeit nicht ausreichen. Es genügt nicht, dass ihm die (wie auch immer geartete) „Möglichkeit“ einer Rechtsverletzung zum Zeitpunkt der Abmahnung bewusst war. Denn eine derartige Möglichkeit besteht letztlich immer schon dann, wenn eine solche auch nur von einer (möglicherweise interessengeleiteten) Meinung in Literatur oder Rechtsprechung geäußert wird. Erforderlich ist in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation vielmehr weiterhin eine zumindest hinreichend klare Rechtsverletzung.
(2) Die Parteien machen insbesondere in der zweiten Instanz ausholende grundsätzliche Ausführungen zur Rechtmäßigkeit von Glücksspielen und der dazu ergangenen Rechtsprechung, die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits letztlich ohne Bedeutung sind. Insbesondere die von den Klägerinnen für ihren Rechtsstandpunkt angeführten Entscheidungen des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 09.03.2007 (NVwZ 07,725) und des Bundesverfassungsgerichts vom 26.03.2007 (BeckRS 07, 22765) vermögen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits schon deshalb nichts beizutragen, weil diese Entscheidungen erst nach der Tathandlung ergangen sind und dem Beklagten - selbst wenn er sie gekannt hätte - für die Feststellung einer hinreichend „klaren Rechtsverletzung“ zu dem für ihn maßgeblichen Zeitpunkt deshalb nicht dienen konnten. Es ist auf den Kenntnisstand der Beklagten am 27.02.2007 abzustellen.
g. In Bezug auf diesem Zeitpunkt ist dem Beklagten indes - entgegen der Auffassung der Klägerinnen - ein Verstoß gegen ihm obliegende Prüfungs- und Handlungspflichten nicht vorzuwerfen. Dies ergibt sich unabhängig von dem Ergebnis der zu beantwortenden Rechtsfragen bereits aus dem zeitlichen Ablauf der Vorgänge. Deshalb muss der Senat zu der vorstehend skizzierten materiellen Rechtslage - insbesondere auch zu der hinreichenden „Klarheit“ einer Rechtsverletzung - im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht abschließend und verbindlich Stellung nehmen.
aa. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass ihm die Abmahnung der Klägerinnen vom 23.02.2007 zwar noch am selben Tag (Freitag), allerdings erst außerhalb der üblichen Geschäftszeiten, nämlich per Telefax erst gegen 20.00 Uhr übermittelt worden ist. Dies ergibt sich auch aus der von den Klägerinnen als Anlage K 9 eingereichten Sendebestätigung (Ende der Übermittlung: 20:08 Uhr). Ein rechtswirksamer Zugang dieses Schreibens, welches eine Prüfungspflichten auslösende Kenntnis begründet hat, konnte damit nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu diesem Zeitpunkt i.S.v. § 130 Abs. 1 BGB nicht mehr erfolgen (vgl. zu einem Telefax-Eingang am Freitag um 16.13 Uhr: OLG Rostock NJW-RR 98, 526). Das am 23.02.2007 übermittelte Schreiben ist deshalb rechtsverbindlich erst am folgenden Montag (26.02.2007) bei Geschäftsbeginn (i.d.R.: 9.00 Uhr) zugegangen. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass das Büro der Beklagten am Freitagabend nach 20:08 Uhr nicht nur mit (irgendwelchen) Personen besetzt war, sondern dass diese Uhrzeit an diesem Wochentag bei der Beklagten zu den bei ihr allgemein üblichen „Geschäftszeiten“ gehörte, zu denen mit der Anwesenheit der maßgeblichen Repräsentanten und für die Entgegennahme der Abmahnung zuständigen Mitarbeiter des Beklagten gerechnet werden konnte, haben die Klägerinnen nicht vorgetragen. Allenfalls in diesem Fall wäre zu erwägen gewesen, dass nach der Verkehrssitte noch zu diesem Zeitpunkt ein rechtswirksamer Zugang hätte erfolgen können.
bb. Das DFB-Pokalspiel fand bereits am Folgetag, dem 27.02.2007, statt. Dementsprechend standen dem Beklagten im vorliegenden Fall noch nicht einmal zwei volle Arbeitstage zur Verfügung, um die sich für ihn aus der Erstabmahnung der Klägerinnen ergebenden, weit reichenden Konsequenzen zu ziehen. Hierzu musste der Beklagte zunächst entscheiden, ob bzw. welche Prüfungspflichten für ihn aufgrund der ihm übermittelten Informationen erwachsen waren. Er musste sodann die materielle Rechtslage daraufhin überprüfen, ob der von den Klägerinnen behauptete Verstoß zutreffend war. Weiterhin musste der Beklagte - sofern seine Prüfung einen Rechtsverstoß ergeben hatte - an seinen Vertragspartner herantreten und diesen in geeigneter Form unmissverständlich und wirksam veranlassen, einen befürchteten Rechtsverstoß des unmittelbar Werbenden ( bwin ) zu verhindern. Hierzu musste die vorgesehene Bandenwerbung im Stadion noch vor Spielbeginn verändert werden. Unabhängig davon, ob bzw. die die materielle Rechtslage im Hinblick auf einen Wettbewerbsverstoß aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 284 Abs. 4 StGB im konkreten Fall zu beantworten war, stellte sich jedenfalls der hierfür dem Beklagten zur Verfügung stehende Zeitraum als zu kurz dar, so dass dem Beklagten im Ergebnis nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn er bis zum Beginn des DFB-Pokalspiels am 27.02.2007 etwa bestehenden Handlungspflichten nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen ist. Eine täterschaftliche Verantwortlichkeit wegen der Verletzung von Verkehrspflichten scheidet deshalb aus.
aaa Die Handlungspflichten des Beklagten sind mit dem Zugang der Erstinformation (Abmahnung) entstanden. Auf die Frage, ob dem Schreiben der Klägerinnen eine Vollmacht beigefügt war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Für den in diesem Rechtsstreit relevanten Zweck ist es unerheblich, ob die Klägerinnen-Vertreter rechtlich befugt waren, im Namen der Klägerinnen tätig zu werden. Allein entscheidend ist, dass der Beklagte auf Grund dieses Schreibens hinreichende tatsächliche Kenntnis erhalten hatte, die ihm in eigener Verantwortung Anlass geben musste, seinen Prüfungspflichten nachzukommen.
bbb. Eine verlässliche Überprüfung und Einschätzung der Rechtslage zur Bestimmung der konkreten Handlungsnotwendigkeit im Einzelfall war für die Beklagte mit erheblichem Aufwand verbunden. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die obigen Ausführungen zur nationalen bzw. europarechtlichen Rechtslage. Für eine verbindliche Bewertung bedurfte es im Zweifel der Hinzuziehung externen Sachverstandes. Für den Beklagten bedurfte es zudem u.a. der sofortigen Kontaktaufnahme mit seinem Vertragspartner (I. AG (Schweiz)), der Klärung, ob eine vergleichbare Werbung für den Anbieter bwin .com erneut beabsichtigt war und einer unmissverständlichen, mit der Androhung konkreter vertraglicher Rechtsfolgen verbundenen Aufforderung diese Werbung zu unterlassen.
ccc. Allerdings wird der Beklagte kaum bestreiten können, dass er bei Zugang der Abmahnung bereits seinerseits die hier streitgegenständliche rechtliche Problematik jedenfalls dem Grunde nach kannte. Dementsprechend hatte sich der Beklagte auch in der Presseverlautbarung vom 22.02.2007 (Anlage K 11) - also noch vor dem Verletzungsfall - geäußert. Ebenso eindeutig hatte der Beklagte in dieser - von den Klägerinnen selbst vorgelegten - Presseerklärung im Anschluss an ein vom ihm eingeholtes Gutachten aber auch ausdrücklich erklärt, dass dieses Gutachten ergeben habe, dass die u.a. in Bezug auf die bwin .com auferlegten Werbebeschränkungen europarechtswidrig seien. Es ist für den Senat nach wie vor nicht ersichtlich - und von den Klägerinnen auch nicht substantiiert dargelegt -, dass der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt nicht mit guten Gründen von der Richtigkeit dieser Rechtsauffassung ausgehen konnte. Aufgrund dieser "Vorbefassung" des Beklagten mit den rechtlichen Fragestellungen kann jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass der Beklagte bei Zugang der Abmahnung keiner weiteren angemessenen Frist mehr bedurfte.
(4) Jedenfalls dann, wenn es sich nicht um ein unmittelbar täterschaftliches Verletzerverhalten (dieser muss sich stets vorab über die Rechtmäßigkeit seines konkreten Tuns vergewissern), sondern nur um den Verstoß gegen Verkehrspflichten handelt, muss auch einem einflussreichen Verband wie dem Beklagten ausreichend Gelegenheit gegeben werden, zu klären, ob die glücksspielrechtliche Rechtslage hinreichend im Sinne der klägerischen Beanstandung rechtlich geklärt war, so dass der Beklagte von einem klaren Rechtsverstoß seiner Pächterin ausgehen konnte und musste. Auf schwierige, rechtlich nicht überschaubare Zweifelsfragen musste sich der Beklagte in diesem Fall jedenfalls nicht vorschnell einlassen. Dies insbesondere deshalb nicht, weil er sich bei einem Vorgehen gegen die konkrete Art der Werbung selbst nicht unerheblichen Schadensersatzforderungen aussetzte. Sofern der Beklagte seiner Pächterin eine weitere Bandenwerbung für das Unternehmen bwin .com ohne ausreichende rechtliche Absicherung untersagt hätte, wäre er Schadensersatzansprüchen in möglicherweise sehr erheblicher Höhe ausgesetzt gewesen, da ein DFB-Pokalspiel einen hohen öffentlichen Aufmerksamkeitswert beansprucht und besonders werbewirksam ist. Dementsprechend war die ernsthafte und nachdrückliche (aber möglicherweise rechtlich nicht hinreichend gesicherte oder gar unbegründete) Beanstandung durch den Beklagten gegenüber seiner Pächterin (z.B. mit Kündigungsandrohung) oder gar eine Maßnahme des Hausrechts, mit der er das Anbringen von Bandenwerbung für bwin .com verhindern oder bereits angebrachte Werbung entfernen wollte, für ihn mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbunden. Diese waren dem Beklagten als nicht unmittelbar an der Verletzungshandlung beteiligtem Dritten nur dann zuzumuten, wenn die wettbewerbsrechtliche (und damit auch die strafrechtliche) Lage für ihn einigermaßen verlässlich zu überblicken war.
(5) Allerdings kann und muss bei einer für einen bestimmten Bereich des gesellschaftlichen Lebens übergeordneten Vereinigung, wie es der Beklagte ist, erwartet werden, dass diese mit der in ihrem Einflussbereich betriebenen Werbung zusammenhängende rechtliche Zweifelsfragen wesentlich eher in einem angemessenen zeitlichen Rahmen einigermaßen verbindlich zu klären in der Lage ist, als dies von Privatleuten oder Kleingewerbetreibenden zu erwarten wäre. Soweit der Beklagte geltend macht, ihm sei eine „angemessene Prüfungsfrist“ einzuräumen gewesen, die er mit 3 Monaten bemisst, ist diese Auffassung vor diesem Hintergrund offensichtlich unzutreffend. Es mag sein, dass in anderen Bereichen des Wettbewerbsrechts zuweilen auch längere Prüfungsfristen angemessen sind. Diese Grundsätze lassen sich indes nicht auf diejenige Person übertragen, die eine Gefahrenquelle eröffnet, aus der sich Verkehrs(sicherungs)pflichten ergeben. Auch der Betreiber einer gefährlichen Anlage, z.B. eines kontaminierten Brunnens, kann sich im Schadensfall nicht erfolgreich darauf berufen, ihm habe eine mehrmonatige Prüfungsfrist zur Beurteilung der Rechtslage zugebilligt werden müssen, wenn er zuvor von einem bevorstehenden Schadenseintritt hinreichende Kenntnis hatte. Nichts anderes gilt für den Beklagten.
(6) Der Senat muss aus Anlass dieses Rechtsstreits aber nicht verbindlich darüber befinden, wie lang im konkreten Einzelfall die dem Beklagten zu setzende Frist für die Erfüllung seiner Prüfungs- und Handlungspflichten als Inhaber einer Verkehrspflicht zu bemessen gewesen ist. Jedenfalls die hier von den Klägerinnen eingeräumte Frist von noch nicht einmal 2 Arbeitstagen war deutlich zu kurz, um aus der Nichterfüllung von etwaigen Handlungspflichten des Beklagten den rechtlichen Schluss ziehen zu dürfen, die am 27.02.2007 bei den DFB-Pokalspiel gezeigte (erneute) Bandenwerbung des Anbieters die bwin.com begründe in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht Wiederholungsgefahr und rechtfertige nunmehr die Verfolgung der Ansprüche im Klagewege. Letztlich zeigt sogar das eigene vorprozessuale Verhalten der Klägerinnen, dass sie die Sachlage jedenfalls im Februar 2007 selbst nicht anders beurteilt haben. Denn sie haben dem Beklagten mit der Abmahnung vom 23.02.2007 selbst eine Frist zur Abgabe der Unterlassungs-/Verpflichtungserklärung bis zum 02.03.2007 gesetzt. Damit hätten dem Beklagten 3 weitere volle Werktage für eine Reaktion zur Verfügung gestanden. Diese eigene Einschätzung der Klägerinnen war wesentlich eher geeignet, den Umständen der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung gerecht zu werden.
(7) Letztlich beruht es auch auf dem eigenen Verhalten der Klägerinnen, dass es diesen nicht gelungen ist, dem Beklagten rechtzeitig eine angemessene Frist zu setzen. Die Klägerinnen haben das Länderspiel Deutschland - Schweiz, das am 07.02.2007 stattgefunden hat, zum Anlass für ihre rechtlich relevante Erstinformation des Beklagten genommen. Zwischen dem Tag des Länderspiels und der Abmahnung vom 23.02.2007 sind 16 Tage verstrichen. Einen Zeitraum von dieser Länge haben die Klägerinnen - die als Anbieterinnen im Glückspielbereich sogar unmittelbar sachkundig sind - offenbar selbst benötigt, um nach rechtlicher Prüfung des Sachverhalts und Einschaltung ihrer Rechtsanwälte ein Einschreiten gegen den Beklagten in die Wege zu leiten. Es vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen, wenn die Klägerinnen meinen, der Beklagte - der nicht im Bereich des Glücksspiels geschäftlich tätig ist - habe seinerseits bei einer identischen Überprüfungsnotwendigkeit innerhalb von noch nicht einmal 2 Tagen verbindlich reagieren müssen. Hinzu kommt, dass die Länge der bereits im Einflussbereich der Klägerinnen verstrichenen Frist im Ergebnis auch dazu geführt hat, dass eine angemessene Überlegungsfrist für den Beklagten vor dem DFB-Pokalspiel am 27.02.2007 nicht mehr zur Verfügung gestellt bzw. eingehalten werden konnte. Für die Klägerinnen war schon Wochen im Voraus ohne Mühe zu ermitteln - bzw. sogar positiv bekannt -, wann das nächste DFB-Pokalspiel stattfinden würde, bei dem der Beklagte erneut die Verantwortung für die Bandenwerbung trug. Hierauf konnten und mussten sie sich mit dem Zeitpunkt ihrer Erstinformation einstellen, wenn sie erwarteten, dass der Beklagte schon bei dem nächsten Spiel die von ihnen gewünschten rechtlichen Konsequenzen zu ziehen hatte. Vor diesem Hintergrund stellt es sich als Verstoß gegen ihre eigenen wohlverstandenen Interessen dar, wenn sie den Beklagten erst so kurzfristig vor dem nächsten Spiel von dem zu beanstandenden Rechtsverstoß in Kenntnis setzten, dass diesem eine angemessene, zeitnahe Reaktion nicht mehr möglich war. Dementsprechend fehlt es vorliegend an den rechtlichen Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit des Beklagten aus der Nichterfüllung einer Verkehrspflicht bzw. als Störer.
h. Der Senat vermag die Auffassung der Klägerinnen, der Beklagte sei zumindest unter dem Gesichtspunkt einer Erstbegehungsgefahr verantwortlich, ebenfalls nicht zu teilen.
aa. Zwar trifft es zu, dass der Beklagte u.a. mit Schreiben vom 02.03.2007 (Anlage K 5) seinen Rechtsstandpunkt verteidigt hat. Schon dieses Schreiben trägt nicht die Annahme, der Beklagte wolle sich auch für die Zukunft eines entsprechenden Verhaltens berühmen. Die Tatsache allein, dass sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch nicht als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet (BGH WRP 06, 584, 586-Schlank-Kapseln; BGH WRP 03, 1217, 1219 – Buchclub-Kopplungsangebot; BGH WRP 03, 1138, 1139 – Bücherreihen zum Sammeln; BGH WRP 01, 1076, 1078 – Berühmungsaufgabe; BGH GRUR 92, 627, 630 - Pajero; BGH WRP 91, 470 – Telefonwerbung IV). Andernfalls würde der Beklagte in der wirksamen Verteidigung seiner Rechte, zu der auch das Recht gehört, in einem gerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltensweisen klären zu lassen, und in seinem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) beschränkt. Einem Beklagten, der sich gegen einen Anspruch, den er für unbegründet hält, verteidigt, kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, er werde selbst eine gerichtliche Entscheidung, mit der die Rechtslage geklärt worden ist, nicht beachten (BGH WRP 01, 1076, 1078 – Berühmungsaufgabe). Eine Rechtsverteidigung kann aber dann eine Erstbegehungsgefahr begründen, wenn nicht nur der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offen zuhalten, sondern den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (BGH WRP 03, 1217, 1219 – Buchclub-Kopplungsangebot). Dafür ist vorliegend nach Ansicht des Senats auf der Grundlage des Sachvortrags der Klägerinnen nichts ersichtlich.
bb. Im Übrigen muss es dem Beklagten gerade in einer seit Jahren über alle Gerichtsbarkeiten, in allen Instanzen, national und gemeinschaftsrechtlich hochstreitig diskutierten Rechtsfrage möglich sein, pointiert auch gegenüber den Klägerinnen seinen durch ein Rechtsgutachten unterstützten Standpunkt vertreten zu können, ohne dass bereits hieraus der rechtliche Schluss abgeleitet wird, er berühme sich einer konkreten Begehung. Hierfür fehlen auch im Übrigen tragfähige Indizien. Die Klägerinnen haben nichts dafür vorgetragen, dass es in der Folgezeit nach dem Schreiben vom 02.03.2007 zu erneuten Verstößen gekommen ist.
2. Da der geltend gemachte Unterlassungsantrag unbegründet ist, entfallen die hierauf bezogenen Annex-Ansprüche auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht. Gleiches gilt für den Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die im Übrigen für eine die Verantwortlichkeit auslösende Erstinformation ohnehin nicht von dem Verletzer zu tragen sind. Der Senat hat auch keine Veranlassung, zu der Weite und der Bestimmtheit des Unterlassungsantrags sowie der in zweiter Instanz gestellten Hilfsanträge Stellung zu nehmen, da es bereits an einer Rechtsverletzung dem Grunde nach fehlt. Ebenfalls bedarf die von dem Beklagten in der Senatssitzung aufgeworfene Frage keiner verbindlichen Entscheidung, ob Staatsmonopolbetriebe im Bereich des Glückspielsektors überhaupt befugt sind, wettbewerbsrechtliche Ansprüche der vorliegenden Art zu verfolgen oder ob der Staat insoweit auf ordnungsrechtliche Maßnahmen beschränkt ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 100 Abs. 1, 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Die Entscheidung ergeht nicht als Grundsatzentscheidung über die Zulässigkeit von Glücksspielen, sondern beruht im Wesentlichen auf der Länge der dem Beklagten zu setzenden angemessenen Prüfungsfrist. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es deshalb auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
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