„Bestmöglich platziert" war eine Anzeige „am schlechtesten denkbaren Ort innerhalb der Zeitschrift”

Gericht

LG Tübingen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 10. 2010


Aktenzeichen

7 O 115/10


Tenor

  1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 17.850,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 24. Dezember 2009 zu zahlen

  2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 807,80 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 05. Februar 2010 zu zahlen

  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und die der Streithelferin.

  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11/10 des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 17.850,00 EUR

Tatbestand


TATBESTAND

Die Klägerin macht den Anspruch auf Vergütung für eine von ihr in einer TV-Programmzeitschrift geschalteten Werbeanzeige geltend.

Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur. Mit "Buchungsbestätigung" vom 11. Oktober 2009 (Bl. 7 d.A.) war sie von der Beklagten, die ebenfalls eine Werbeagentur betreibt, beauftragt worden, eine Anzeige für ein Gewinnspiel (vgl. Bl. 10 d.A.) in der TV-Programmzeitschrift "TV Spielfilm plus" (TV Spielfilm und TV Today) der Ausgabe 26/09, Erscheinungstermin 11. Dezember 2009, zu veröffentlichen. Die ganzseitige Vierfarbdruck-Anzeige wurde in die bei den von der Streithelferin verlegten weitgehend identischen Zeitschriften unmittelbar nach dem mit dem 01. Januar 2010 schließenden Programmteil eingerückt (vgl. das zu den Gerichtsakten gegebene Exemplar der Zeitschrift TV Spielfilm, Bl. 45 d.A.). Mit Datum vom 23. November 2009 stellte die Klägerin der Beklagten den vereinbarten Preis von 15.000,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung (vgl. Bl. 11 d.A.).

Die Beklagte verweigert eine Bezahlung.

Die Klägerin und die ihr als Streithelferin beigetretene Streitverkündete beantragen,

  1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 17.850,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 24. Dezember 2009 zu zahlen,

  2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 807,80 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 05. Februar 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe den Anzeigenauftrag mit der Platzierung "bestmöglich" erteilt. Stattdessen sei die Anzeige aber "am schlechtesten denkbaren Ort innerhalb der Zeitschrift" erschienen, nämlich nach dem Programm für den 01. Januar 2010, obwohl als Teilnahmeschluss für das Gewinnspiel der 31. Dezember 2009 bestimmt gewesen sei. Dies habe zur Folge gehabt, dass das Gewinnspiel "nahezu überhaupt keine Teilnehmer" gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze und die Ausführungen der Parteien im Verhandlungstermin vom 24. September 2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig und begründet.


I.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch und auch der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens zur Zahlung zu.

1. Der Streit der Parteien geht ausschließlich um die Platzierung der Anzeige in den beiden Programmzeitschriften TV Spielfilm und TV Today. Die Höhe der Vergütungsforderung und die Wiedergabequalität der von der Beklagten gestalteten Anzeige stehen außer Streit.

2. Die Beanstandung der Beklagten richten sich dagegen, dass die Anzeige nicht "bestmöglich" in die Zeitschriften eingerückt worden sei. Bereits dieser Vortrag trägt jedoch nicht den daraus gezogenen Schluss, der Klägerin stehe keine Vergütung zu. Nach den Ausführungen des Geschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2010 sind auf die Anzeige in den beiden Programmzeitschriften insgesamt 100 Anrufe eingegangen, deutlich weniger als an den jeweils besten Tagen auf die Anzeigen in den Zeitschriften Super TV und Bild+Funk. Damit ließe sich jedoch allenfalls über eine Minderung der Vergütung streiten, nicht aber über deren vollständigen Wegfall.

3. Der Klägerin steht jedoch die vereinbarte Vergütung ungekürzt zu. Denn die Parteien haben keine konkrete Vereinbarung über die genaue Platzierung der Anzeige getroffen.

a. "Bestmöglich" bedeutet nicht, wie die Beklagte offenbar meint, dass der Auftragnehmer die Anzeige, entsprechend dem Inhalt der Anzeige, die er nicht entworfen hat und für die er nicht verantwortlich ist, in der Zeitschrift zu platzieren hat. Hierzu müsste er den Inhalt der Anzeige und deren Aussage zunächst analysieren und sodann entscheiden, an welcher Stelle in dem Medium der größte mögliche Erfolg erwartet werden kann. Eine solche vertragliche Verpflichtung besteht nicht, sie ist im Anzeigengeschäft gänzlich undenkbar. Vielmehr ist die Order "bestmöglich" gerichtsbekannt ohne weiteren Inhalt und bedeutet lediglich "an nächster Stelle", vergleichbar der Vereinbarung "an nächst offener Rangstelle" bei der Einräumung einer Grundschuld oder der Order "bestens" beim Aktienverkauf ohne vereinbartes Limit.

b. Überdies ließe sich ungeachtet dessen kein Vertragsverstoß der Beklagten feststellen, hätte die Order "bestmöglich" materiellen Inhalt. Es lassen sich vielfältige Ansichten vertreten an welcher Stelle eine Anzeige die größte Wirkung haben könnte. Sicher hängt der Erfolge einer Anzeige nicht nur von deren Inhalt oder ihrer grafischen Gestaltung ab, sondern auch von der Platzierung innerhalb des Mediums. Aber abgesehen davon, dass die Beklagte die Anzeige sehr spät in Auftrag gegeben hat, keine freie Platzierungsauswahl mehr erwarten durfte und bereits deshalb nur ein Einrücken auf einen noch freien Platz beanspruchen konnte, haben die Klägerin und die Streithelferin mit ihrer Argumentation durchaus Recht. Im Gegensatz zu kostenlosen Programm beilagen in Tageszeitungen oder Werbeblättern ist der Käufer einer Programmzeitschrift auch an den redaktionellen Beiträgen unterschiedlichster Provenienz und Qualität interessiert und wird deshalb die erworbene Zeitschrift in der Regel vollständig durchblättern, und dies bekanntermaßen häufig auch von hinten, die letzte Seite zuerst, und nicht nur den jeweiligen Programmteil an den jeweiligen Programmtagen. Er kann sich auch Tage vorher sein individuelles Tages- und Abendprogramm zusammenstellen. Der Schluss der Beklagten, das Einrücken unmittelbar nach dem Programmteil, also nach dem 01. Januar 2010 bei einem Teilnahmeschluss am 31. Dezember 2009, sei der schlechteste Platz für die Anzeige, lässt sich somit nicht zwingend nachvollziehen. Hingegen ist die Einschätzung der Klägerin und der Streithelferin, die erste Seite nach dem Programmteil, gewissermaßen die Frontseite des Anzeigenabschnitts nach dem Programmteil, sei eine der besten Platzierungen innerhalb der Zeitschrift, zumindest durchaus vertretbar. Die geringe, die Beklagte enttäuschende Resonanz auf die Anzeige muss andere Gründe gehabt haben.

c. Jedenfalls fehlt es an einer exakten Vereinbarung der Parteien, an welcher möglichst prominenten Stelle die Anzeige hätte platziert werden sollen, an welcher Stelle also nach der Einschätzung der Beklagten die Anzeige den größtmöglichen Erfolg gehabt hätte. Dies bleibt in der Verantwortung der Beklagten und in deren Zuständigkeit.


II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.


Gruber
Richter am Landgericht

Rechtsgebiete

Werberecht