Kein medien(straf)rechtlicher Anspruch von Peter Alexander in Österreich wegen Berichterstattung über Hochzeit seines Sohnes

Gericht

Landesgericht für Strafsachen Wien


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

28. 09. 2010


Aktenzeichen

113 Hv 111/10m


Tenor

  1. Die medienrechtlichen Anträge werden gemäß § 41 Abs. 1 und 5 MedienG iVm § 485 Abs. 1 Z 3 StPO aus dem Grund des § 212 Z 1 StPO zurückgewiesen und das Verfahren eingestellt.

  2. Gemäß §§ 8a Abs. 1, 41 Abs. 1 MedienG iVm § 390 Abs. 1 StPO hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe


Begründung:

Die Antragsgegnerin ist Medieninhaberin des wöchentlich erscheinenden periodischen Druckwerks "Freizeit Spass", die notorischerweise auch in Österreich verbreitet wird, und hat ihren Sitz in Offenburg (Impressum Beilage . /B). Der Antragsteller ist unter dem Pseudonym … bekannt und hat seinen Wohnsitz in Wien.

Mit Antrag vom 6.9.2010 begehrte der Antragsteller die Zuerkennung einer Entschädigung nach §§ 6 ff MedienG und die Veröffentlichung des Urteils, weil er durch einen in der Ausgabe von "Freizeit Spass" Nr 34/2010 auf Seite 7 veröffentlichten Artikel mit der Überschrift "… - Heimliche Hochzeit! Sein Sohn gab einer jungen Tschechin das Jawort" seinen höchstpersönlichen Lebensbereich iSd § 7 MedienG verletzt sieht.

Nach dem Inhalt des inkriminierten Artikels, der bereits auf der Titelseite unter der bereits zitierten Überschrift und mit einer die halbe Titelseite einnehmenden Fotografie des Antragstellers angekündigt wird, hat der Sohn des Antragstellers, …, anderthalb Jahre nach dem Tod seiner vormaligen Ehefrau eine 23 Jahre alte tschechische Staatsbürgerin namens … geheiratet, wobei die kirchliche Trauung in Sistrans in Tirol stattgefunden und die Hochzeitsgesellschaft aus vorwiegend jungen Freunden und der Familie der Braut bestanden habe. Der Text des Artikels lautet weiters: "Aber warum war sein Vater nicht bei der Trauung? Wie verbittert muss ein Mann sein, der nicht mal seine Freunde zur Hochzeit einlädt. Geschweige denn seinen betagten Papa … ." Genau das solle der Sohn des Antragstellers aber getan habe. Dem Leser wird mitgeteilt, dass ein Freund des Antragstellers behaupte, dass der Grund für das Fehlen der Freunde des Bräutigams und des Antragstellers bei der Hochzeit sei, dass sich der Bräutigam keine Vorhaltungen gefallen lassen wolle, warum er eine so junge Frau heirate. Danach wird spekulativ über das Verhältnis der Brautleute berichtet. Abschließend findet sich folgender Text: "Opa. Was mag Papa … von all dem halten? Er schweigt, wie fast immer. Doch man kann vermuten, dass es ihn schmerzt. Schließlich ist ihm nach dem Unfalltod von Tochter … nur noch … als einziges Kind geblieben. Vielleicht freut ihn ja die Neuigkeit, die … Freund uns mitteilte: 'Es wird gemunkelt, … sei schwanger!' Damit würde der große … zum dritten Mal Opa!".

Oberhalb des Artikeltextes finden sich Fotografien des Brautpaares bei der Hochzeit, rechts daneben ein rund ein Drittel der Seite einnehmendes Porträtfoto des Antragstellers mit dem Begleittext "… lebt zurückgezogen in seiner Villa in Wien. Nur Sohn … ist ihm noch geblieben", links unten zwei Fotografien des Antragstellers samt Familie aus den 1960er bzw 1970er Jahren.

Der Leser aus dem Leserkreis der an oberflächlicher und gefühlsbetonter Berichterstattung über Prominente und deren Leben sowie menschliche Schicksale interessierten Personen versteht den Artikel in Bezug auf den Antragsteller so, dass dieser nicht bei der Hochzeit seines Sohnes gewesen sei. Ihm wird suggeriert, dass der Sohn befürchtet habe, dass ihm (auch) sein Vater Vorhaltungen wegen der Heirat mit einer viel jüngeren Frau machen würde, und er ihn deshalb nicht eingeladen habe. Er versteht den Artikel weiters so, dass der Antragsteller sich zur Heirat seines Sohnes nicht öffentlich geäußert habe. Ihm wird suggeriert, dass es normal wäre, wenn die Liaison seines Sohnes den Antragsteller schmerzen würde, weil seine Tochter bei einem Unfall gestorben und sein Sohn sein einziges noch lebendes Kind sei, sowie, dass es ihn möglicherweise freuen würde, wenn die Braut schwanger wäre, weil er dann zum dritten Mal Großvater werden würde. Ob diese Spekulationen über die inneren Einstellungen des Antragstellers zutreffen, erfährt der Leser nicht.

Gemäß § 7 Abs 1 MedienG hat der Betroffene gegen den Medieninhaber einen Anspruch auf Entschädigung, wenn in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich eines Menschen in einer Weise erörtert oder dargestellt wird, die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Der Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers mit dem des Privat- und Familienlebens im Sinne von Art 8 MRK decken. Zum höchstpersönlichen Bereich gehören jedenfalls die Intimsphäre eines Menschen, das sind seine körperlichen und geistigen Befindlichkeiten, sein Sexualverhalten, seine persönliche Identität, sein Verhalten im engsten Familienkreis. In der Rechtsprechung wurden die frühere Ausübung der Prostitution, ein schwerwiegendes Ereignis im Bereich der familiären Erziehung, intime Details einer qualvollen Kindheit, homosexuelle Neigungen und häusliche Auseinandersetzungen zwischen Ehegatten dem § 7 unterstellt.

"Höchst"-persönliche Angelegenheiten sind nur solche, deren Kenntnisnahme durch Außenstehende die persönliche Integrität in besonderem Maße berührt. Das ist zunächst der engste Bereich der menschlichen Intimsphäre, zu der man die psychischen und körperlichen Befindlichkeiten, das Sexualverhalten und Kontakte mit engsten Vertrauten rechnen kann. Welche weiteren Vorgänge noch zum höchstpersönlichen Lebensbereich gehören, kann nicht absolut festgestellt werden; zu berücksichtigen ist das weitere Tatbestandsmerkmal der "Bloßstellung", das heißt, dass auch die Begleitumstände und Auswirkungen einer Veröffentlichung in Betracht zu ziehen sind. Insofern wirken die beiden Tatbestandsmerkmale (höchstpersönlicher Lebensbereich, Bloßstellung) nach der Art eines beweglichen Systems zusammen; ein genüssliches Ausbreiten privater Details oder die umfassende Enthüllung eines Lebens- oder Charakterbildes kann eine bloßstellende Erörterung des höchstpersönlichen Lebensbereiches sein, und zwar auch dann, wenn die bloße Weitergabe der einzelnen Sachinformation aus diesem Bereich nicht unter § 7 gefallen wäre (vgl Berka in Berka ua MedienG2 § 7 Rz 6 ff).

Die Tatsache, dass der in Wien wohnende Antragsteller im fortgeschrittenen Alter von über 80 Jahren nicht an der Hochzeit seines Sohnes in Tirol teilgenommen hat, betrifft nicht seinen höchstpersönlichen Lebensbereich . Gleiches gilt für die bloßen und offen als solche zum Ausdruck gebrachten Spekulationen ("man kann vermuten", "vielleicht freut ihn ja ") über die Meinung des Antragstellers zur Eheschließung seines Sohnes. Bei der Mitteilung, dass es der 84 Jahre alte Antragsteller als Vater missbilligen könnte, wenn sein 47 Jahre alter Sohn eine 23 Jahre alte Frau heiratet, er aber möglicherweise doch erfreut wäre, wenn diese schwanger wäre und er erneut Großvater würde, handelt es sich um allgemeine Mutmaßungen über innere Einstellungen, die über Allerweltsaussagen, die auf jede beliebige Person mit einem einen jüngeren Partner heiratenden Kind zutreffen könnten, nicht hinausgehen. Dadurch wird bei der gebotenen Abwägung mit Art 10 MRK aber nicht im Sinne des § 7 MedienG in bloßstellender Weise in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Antragstellers eingegriffen. Der Artikel verhandelt nicht breit und detailreiche eine schwere Krankheit oder familiäre Tragödie (vgl Berka in Berka ua MedienG2 § 7 Rz 19). Soweit er kurz auf den Unfalltod der Tochter des Antragstellers hinweist, erfolgt die Berichterstattung darüber in einem Halbsatz ohne ausufernde oder sensationslüsterne Aufmachung, sodass damit keine Bloßstellung des Antragstellers verbunden ist. Dass der Antragsteller nach dem Tod eines seiner beiden Kinder stärker an dem anderen hängen mag, ist eine menschlich normale Reaktion; eine in diese Richtung gehende Spekulation wirkt nicht bloßstellend. Die Mitteilung, dass die Schwiegertochter des Antragstellers erst 23 Jahre alt ist und aus einem anderen EU-Staat als Österreich stammt, betrifft allgemeine Tatsachen und nicht den höchstpersönlichen Lebensbericht des Antragstellers. Dass der Antragsteller seinem Sohn Vorhalte aufgrund des jüngeren Lebensalters seiner Ehefrau machen könnte, betrifft (wie sämtliche übrigen Angaben) nicht den engsten Kreis der Intimsphäre des Antragstellers; die Berichterstattung erfolgte nicht so detailliert, sensationslüstern oder reißerisch, dass dennoch eine Bloßstellung damit verbunden wäre. Wenn der Antrag darauf abstellt, dass es sich um eine private Hochzeit im engsten Kreis gehandelt habe, weshalb nicht einer "unbegrenzten Öffentlichkeit" berichtet werden hätte dürfen, ist dem entgegenzuhalten, dass der Antragsteller gar nicht vor Ort war und daher durch den Bericht über die Hochzeit per se gar nicht betroffen ist, und der Hinweis auf seine bloße Absenz wie ausgeführt nicht seinen höchstpersönlichen Lebensbereich betrifft.

Der Tatbestand des § 7 MedienG wird daher durch die inkriminierte Veröffentlichung nicht hergestellt.

Ein Entschädigungsanspruch nach sonstigen Anspruchsgrundlagen des MedienG kommt nicht in Betracht. Die Anträge waren daher mangels Tatbestandsmäßigkeit der Veröffentlichung zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen.

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde verzichtet (ON 3).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführten Bestimmungen.


Landesgericht für Strafsachen Wien
1082 Wien, Landesgerichtsstraße 11
Abt. 2a, am 28.9.2010

Rechtsgebiete

Presserecht