Unterbringung in nicht gebuchtem Hotel als Reisemangel
Gericht
LG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
28. 03. 2008
Aktenzeichen
2/24 S 139/07
Tatbestand:
Die Kl., die bei der Bekl. für fünf Personen eine Reise nach Mazedonien zu einem Preis von 3727 Euro gebucht hatte, hat Ansprüche wegen Reisemängeln geltend gemacht und eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden gefordert. Sie hat dazu vorgetragen, sie sei in einem anderen als dem gebuchten Hotel untergebracht worden, das wesentlich geringere Leistungen als das gebuchte Hotel geboten habe. Zudem habe man sie von der Verlegung in ein anderes Hotel erst bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen Monastir unterrichtet.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Berufung der Kl. führte insgesamt zu einem Ergebnis der Klage in Höhe von 4099,20 Euro. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
...
II. 1. Die Kl. hat einen Anspruch gegen die Bekl. auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises auf Grund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gem. §§ BGB § 651c BGB § 651C Absatz I, BGB § 651d BGB § 651D Absatz I, BGB § 638 BGB § 638 Absatz III und BGB § 638 Absatz IV BGB in Höhe von insgesamt 2236,20 Euro.
a) Zutreffend hat das AG ausgeführt, dass die Unterbringung der Kl. in dem Hotel S anstatt in dem ursprünglich gebuchten Hotel X einen erheblichen Reisemangel i.S. von § BGB § 651c BGB § 651C Absatz I BGB dargestellt hat. Völlig zu Recht stellt das AG heraus, dass die Parteien einen Reisevertrag mit Unterbringung im Hotel X geschlossen haben und die Bekl. nicht zu einer einseitigen Leistungsänderung befugt gewesen ist.
In diesem Zusammenhang hat das AG weiterhin völlig zutreffend ausgeführt, dass die Bekl. nicht nur die Unterbringung im Hotel X schuldete, sondern auch die in der für dieses Hotel herausgegebenen Prospektbeschreibung aufgeführten weiteren Leistungsmerkmale, da der Inhalt des Reisevertrags durch die Prospektbeschreibung in Verbindung mit der Reisebestätigung bestimmt wird.
Im Folgenden hat das AG auch unter anderem nach durchgeführter Beweisaufnahme in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass das Ersatzhotel bereits in Punkto Lage von dem ursprünglich gebuchten Hotel negativ abgewichen ist, da das Ersatzhotel keinen direkten Strandzugang hatte. Weiterhin verfügte das Ersatzhotel nicht über eine gleichwertige Swimmingpoolanlage wie das ursprünglich gebuchte Hotel. Auf die entsprechenden überzeugenden Ausführungen des AG wird Bezug genommen. Weiterhin hat das AG in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass sowohl das Sport- und Unterhaltungsprogramm als auch eine Animation und Shows als auch eine Diskothek gefehlt hat, was nach der Prospektbeschreibung des Hotels X reisevertraglich geschuldet war. Ebenso wenig gab es die reisevertraglich geschuldeten Mitternachtssnacks. Diese Feststellungen hat die Anschlussberufung nicht angegriffen. Darüber hinaus begegnen diese Feststellungen auch keinen Bedenken.
Aus diesen Feststellungen ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass das ursprünglich gebuchte Hotel und das Ersatzhotel in ihrem konkreten hier maßgeblichen Zuschnitt nicht annähernd gleichwertig waren. Die Kl. hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass sie und ihre Familie das ursprünglich gebuchte Hotel X insbesondere auf Grund der Prospektbeschreibung mit den dort genannten Ausstattungsmerkmalen ausgesucht haben. Dies entspricht auch der Lebenswahrscheinlichkeit.
Zutreffend hat das AG ausgeführt, dass Minderungsansprüche vorliegend nicht gem. § BGB § 651d BGB § 651D Absatz II BGB ausgeschlossen sind.
Ausweislich der Gesprächsnotiz vom 7. 8. 2005 hat die Kl. die Unterbringung in dem Hotel S als von der Buchung abweichende Unterbringung gerügt. Völlig zutreffend hat das AG insoweit ausgeführt, dass von dieser Rüge sämtliche Abweichungen im Zuschnitt und Leistungsangebot bereits enthalten sind, ohne dass der Reisende die Einzelheiten noch gegenüber der Reiseleitung konkret zur Sprache bringen muss.
Für die abweichende Unterbringung hat das AG eine Minderungsquote von insgesamt 38% für angemessen angesehen. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das BerGer. es angesichts der erheblich abweichenden Unterbringung und der dadurch bedingten Änderung des Reisezuschnitts für angezeigt, die Minderungsquote etwas zu erhöhen. Insoweit hält das BerGer. für die abweichende Unterbringung eine Minderungsquote von 45% für angemessen.
b) Nach Auffassung des BerGer. hat ein weiterer Reisemangel i.S. von § BGB § 651c BGB § 651C Absatz I BGB nämlich in Form der Verletzung der Informationspflichten eines Reiseveranstalters durch die Bekl. vorgelegen. Diesen Reisemangel hat die Kl. auch sowohl erstinstanzlich als auch zweitinstanzlich geltend gemacht. Die vom Reiseveranstalter geschuldete Gesamtheit von Reiseleistungen umfasst auch die Beseitigung aller denkbaren Reisehindernisse. Deshalb hat der Reiseveranstalter den Reisenden grundsätzlich ungefragt über alle für eine ordnungsgemäße Durchführung der Reise erforderlichen Umstände zu informieren. Er muss den Reisenden über alle wesentlichen Veränderungen zwischen Buchung und Reiseantritt im Zielgebiet informieren (vgl. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 21. 6. 2007 – LGFRANKFURTAM 21.06.2007 Aktenzeichen 2/24 S 236/06 u. LGFRANKFURTAM 21.06.2007 Aktenzeichen 2-24 S 36/06; Führich, ReiseR, 5. Aufl. [2005], Rdnr. 140 m.w. Nachw., Rdnr. 313 m.w. Nachw.; Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651a Rdnr. 123 m.w. Nachw.).
Der Reisende darf nämlich darauf vertrauen, dass der Reiseveranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt und ihn demgemäß auch nachträglich auf jede nachteilige Veränderung seiner Reiseleistung, die die gebuchte Reise zu beeinträchtigen geeignet ist, rechtzeitig hinweist (vgl. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 21. 6. 2007 – LGFRANKFURTAM 21.06.2007 Aktenzeichen 2/24 S 236/06 u. LGFRANKFURTAM 21.06.2007 Aktenzeichen 2/24 S 36/06; LG Düsseldorf, NJW-RR 1987, NJW-RR Jahr 1987 Seite 176).
Ihren Informationspflichten ist die Bekl. als Reiseveranstalterin der durchgeführten Reise nicht nachgekommen. Insoweit hat die Kl. substanziiert vorgetragen, dass sie im Vorfeld der Reise nicht seitens der Bekl. über den Umstand der Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels X und einer Ersatzunterbringung informiert worden sei. Vielmehr sei sie mit diesen Tatsachen erst am Flughafen in M. konfrontiert worden.
Die bloße Behauptung der Bekl., dass vor Reiseantritt eine Information erfolgt sei, war sowohl erstinstanzlich als auch zweitinstanzlich unsubstanziiert. Nähere Umstände einer Information, insbesondere Zeitpunkt und konkreter Inhalt, sind seitens der Bekl. nicht annähernd vorgetragen worden. Warum ein Nachweis einer Informationserteilung – wie von der Bekl. behauptet – schlechterdings nicht möglich sei, ist für das BerGer. jedenfalls nicht nachvollziehbar. Insoweit wäre zu erwarten gewesen, dass eine solche äußerst wichtige Information dem Reisenden schriftlich mitgeteilt wird. Warum ausgerechnet die als Zeugen benannte Reiseleitung etwas zu einer behaupteten Informationserteilung seitens der Bekl. vor Reisebeginn sagen könnte, ist für das BerGer. ebenfalls nicht nachvollziehbar. Alles in allem ist der Vortrag der Bekl. zu einer Informationserteilung unsubstanziiert. Aus dem Vortrag der Bekl. ergibt sich auch, dass der Bekl. die Überbuchung vor Reisebeginn bereits bekannt war.
Die Bekl. war auch verpflichtet, über den Umstand der Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels aufzuklären.
Dieser unterlassene Hinweis auf die Überbuchung seitens der Bekl. stellt eine Informationspflichtverletzung dar. Durch die unterlassene Information nahm die Bekl. der Kl. die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie trotz der Überbuchung reisen will oder von der Reise Abstand nehmen will. Es ist vorliegend offensichtlich, dass nach der Rechtsprechung der Kammer die Voraussetzungen für die Kündigung des Reisevertrages gem. § BGB § 651e BGB vorgelegen hätten.
Bei der Verletzung von Informationspflichten handelt es sich um die Verletzung einer Hauptpflicht des Reiseveranstalters, welche verschuldensunabhängig Gewährleistungsansprüche begründet wie Minderung nach § BGB § 651d BGB, wenn die tatsächliche Reiseleistung von der versprochenen abweicht und Schadensersatz nach § BGB § 651f BGB § 651F Absatz I BGB (vgl. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 21. 6. 2007 – LGFRANKFURTAM 21.06.2007 Aktenzeichen 2/24 S 236/06 u. LGFRANKFURTAM 21.06.2007 Aktenzeichen 2/24 S 36/06; Führich, Rdnr. 237 m.w.Nachw., Rdnr. 313 m.w. Nachw.; Staudinger/Eckert, § 651a Rdnr. 123 m.w.Nachw.). Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das BerGer. für den Reisemangel „Verletzung der Informationspflicht” vorliegend eine Minderungsquote von 15% für angemessen und ausreichend.
Vorliegend ist auch davon auszugehen, dass hinsichtlich des Reisemangels „Verletzung der Informationspflicht” eine Mängelrüge gem. § BGB § 651d BGB § 651D Absatz II BGB vorgelegen hat. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Mängelrüge bezüglich der abweichenden Unterbringung inzident auch die Rüge umfasst, dass man im Vorfeld der Reise nicht über diese abweichende Unterbringung infolge einer Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels informiert worden ist.
Der Minderungsanspruch ist auch nicht gem. § BGB § 651g BGB § 651G Absatz I BGB ausgeschlossen. In dem Anspruchsschreiben vom 18. 8. 2005 wird die mangelnde Information über die Überbuchung und Ersatzunterbringung ausdrücklich gerügt und zum Gegenstand von Ersatzansprüchen gemacht. Dies ist insgesamt ausreichend für eine wirksame Anspruchsanmeldung gem. § BGB § 651g BGB § 651G Absatz I BGB.
c) Nach dem oben Ausgeführten ergibt sich für die gesamte Reisezeit eine Minderungsquote von insgesamt 60%. Bei einem Gesamtreisepreis ohne Versicherungsleistungen von 3727 Euro beläuft sich der Minderungsbetrag bei einer 60%-igen Minderungsquote für die gesamte Reisezeit auf 2236,20 Euro. Da die Kl. insgesamt nur eine Minderungsquote von 60% für alle von ihr geltend gemachten Mängel begehrt und diese Minderungsquote bereits auf Grund der oben festgestellten Mängel erreicht wird, kommt es auf die weiteren Mängel nicht mehr an.
2. Die Kl. hat einen Anspruch gegen die Bekl. aus eigenem und aus abgetretenem Recht auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gem. § BGB § 651f BGB § 651F Absatz II BGB in Höhe von insgesamt 1863 Euro. Gemäß § BGB § 651f BGB § 651F Absatz II BGB kann der Reisende wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine Entschädigung verlangen, wenn die Reise vereitelt wurde oder erheblich beeinträchtigt war. Vorliegend ist die Reise erhebliche beeinträchtigt gewesen. Nach der Rechtsprechung der Kammer und der wohl noch herrschenden Meinung liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise i.S. von § BGB § 651f BGB § 651F Absatz II BGB vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50% gerechtfertigt ist.
Wie oben dargelegt haben Reisemängel vorgelegen, die eine Minderungsquote von 60% rechtfertigen. Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § BGB § 651f BGB § 651F Absatz II BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (vgl. z.B. Kammer, RRa 2006, 264 [266]; RRa 2008, 27 [28]). Der relevante Gesamtreisepreis beläuft sich vorliegend auf 3727,– Euro für fünf Personen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Mängel vorgelegen haben, die eine Minderungsquote von 60% rechtfertigen. Die Kl. begehrt insgesamt eine Entschädigung für alle Reisenden von 1863 Euro, also die Hälfte des Reisepreises. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände ist dieser geforderte Betrag von 1863 Euro mindestens angemessen und war der Kl. insoweit zuzusprechen.
3. Die Anschlussberufung ist im Ergebnis aus den oben genannten Gründen und Ausführungen unbegründet.
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