Bahnunternehmen als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters

Gericht

AG Hannover


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

10. 09. 2009


Aktenzeichen

553 C 6845/09


Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 203,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.01.2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Abfassung des Tatbestandes wird nach § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber der Beklagten nach § 280 Abs. 1 BGB in Höhe von 203,00 €. Die Parteien sind durch einen Reisevertrag im Sinne des § 651 a BGB miteinander verbunden. Der Beklagten ist eine Vertragspflichtverletzung anzulasten, die jedoch nicht zur Mangelhaftigkeit der Reise selbst führt.

Die vom Kläger gewählte Zugverbindung von L. nach H. mit dem Ziel, den Flug von H. zum Reiseziel erreichen zu können, konnte vom Kläger nicht wahrgenommen werden. Der für eine Abfahrt in L. um 21.51 Uhr vorgesehene Zug hatte eine Verspätung von ca. 120 Minuten. Am Service-Point des Bahnhofs wurde dem Kläger mitgeteilt, dass keine Züge mehr von L. nach H. fahren würden, mit denen das Erreichen des Flugs sichergestellt werden könne.

Hierin liegt eine Verletzung des Reisevertrags durch die Beklagte. Die dem Reiseveranstalter obliegenden Pflichten ergeben sich aus den angebotenen Leistungen, welche sich aus der Buchungsbestätigung einerseits und dem Reiseprospekt andererseits ergeben. Für die Abgrenzung zu solchen Leistungen, die der Reiseveranstalter nicht in eigener Verantwortung, sondern nur als Vermittler anbietet, kommt es auf die Beurteilung des Verhaltens durch einen durchschnittlichen Reisenden an.

Vorliegend ergeben sich folgende Informationen aus Buchungsbestätigung und Prospekt:

Auf Seite 3 der Buchungsbestätigung heißt es:

„Wegen der Leistungsbeschreibungen sowie der Fristen, Obliegenheiten des Kunden bei Leistungsmängeln und seinen Ansprüchen wird auf die Angaben im Katalog und die Reisebedingungen verwiesen.“

Wegen der Einzelheiten wird auf die Buchungsbestätigung vom 24.11.2008, Bl. 27 f d. A., Anlage 1, Bezug genommen.

Die Beklagte hatte in ihrem Katalog zudem folgende Informationen aufgenommen:

„Zum 40. Geburtstag bei jeder ...-Pauschalreise (incl. Flug) aus diesem Katalog incl: Der Zug zum Flug (...)“

„Sie hätten gerne alles? Kriegen Sie. Im ... Paket ist alles drin - Service und Leistungen ohne Kompromisse (...)

Im ... Paket inklusive

Alle Leistungen, die wir in untenstehender Tabelle für Sie aufgelistet haben, sind Ihnen bei jeder ... Paketreise (inkl. Flug) sicher (...)

> Reisebüro

Hier werden Sie individuell beraten, hier werden Ihre Urlaubsträume wahr (...)

> Zug zum Flug 1. Klasse Ein feiner Zug der ...: Bei jeder Flugreise in diesem Katalog inklusive.

Mehr Infos im Preisteil auf Seite 4 (...)

> Hoteltransfer

Komfortable Busse der World of ... bringen Sie schnell und sicher zu Ihrem Hotel (...)“

Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 2, Bl. 29 d. A., Bezug genommen.

In dem Preisteil heißt es weiter:

„Zug zum Flug/... Paket

Bei jeder ... Paketreise (inkl. Flug) aus diesem Katalog ist bei Abflügen ab innerdeutschen Flughäfen zur An- und Abreise die Fahrkarte 1. Klasse der Deutschen Bahn innerhalb des deutschen Streckennetzes inklusive. Auch die Benutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel von zwölf großen Verkehrsverbünden ist in Deutschland inklusive (...). So kommen sie schnell zum Abflugsort/Flughafen und wieder zurück. Kein Stress, kein Stau, keine Extrakosten (...)“

Wegen des genauen Wortlauts wird auf die Anlage 3, Bl. 30 d. A., verwiesen.

Aus diesen Formulierungen ergibt sich für den Reisenden, dass der „Zug zum Flug“ ein Teil des Gesamtleistungspaketes sein soll. Für den Reisenden ist nicht erkennbar, dass der Zug zum Flug eine andere Qualität haben soll als z. B. der Hoteltransfer. Dieser ist optisch und inhaltlich vergleichbar mit dem Angebot „Zug zum Flug“ aufgelistet. Würde der Hoteltransfer ausfallen und der Reisende einen Ersatztransfer auf eigene Kosten organisieren, würde die Beklagte diese Kosten ohne weiteres ersetzen. Es ist aus dem Empfängerhorizont des Reisenden nicht ersichtlich, warum für eine ausfallende Zugverbindung anderes gelten soll. Insbesondere erschließt sich für den Reisenden nicht, warum dieser Teil der Leistungszusage nur eine Zugabe zum Zweck der Kundenanwerbung sein soll, während für Leistungsbestandteile wie den Hoteltransfer gehaftet werden soll.

Es kann auch nicht damit argumentiert werden, dass nicht die Beklagte, sondern die Deutsche Bahn Vertragspartnerin des Reisenden sei. Denn der Reisende, hier der Kläger, tritt mit der Deutschen Bahn zum Erwerb eines Tickets nicht in Kontakt und schließt mit dieser zwecks Durchführung des Transfers zum Flughafen auch keinen Vertrag ab. Vielmehr nutzt der Kläger die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rail & Fly-Tickets für seine Fahrt mit dem Zug.

Auch die Überlegung, der Reisende könnte bei einer Anfahrt mit dem Auto ebenso gut im Stau stecken und den Flug verpassen, trägt nicht. Denn für die Organisation der Anfahrt mit dem Auto ist allein der Reisende verantwortlich. Er bedient sich hierfür nicht der Unterstützung Dritter. Anders liegt dies bei der Anfahrt mit dem Zug. Dementsprechend wirbt die Beklagte in ihrem Prospekt auch mit der Aussage: „Kein Stress. Kein Stau. Keine Extrakosten.“

Der Einwand der Beklagten, der Kläger sei für die Organisation der Anreise und die Wahl des Zugs allein verantwortlich, verfängt ebenso wenig. Der Reisende kann gemeinhin auch bei dem Speiseangebot in Form eines Buffets zwischen den einzelnen Speisen wählen. Dennoch haftet der Reiseveranstalter, über den Hotelier als Erfüllungsgehilfen, für die Rechtzeitigkeit, die ausreichende Quantität und die angemessene Qualität der gesamten bereitgestellten Speisen.

Die Art und Weise der Leistungserbringung durch die Deutsche Bahn ist der Beklagten auch zurechenbar. Die Deutsche Bahn ist nach § 278 BGB Erfüllungsgehilfin der Beklagten. Diese hat den Transfer zum Flugzeug per Zug in ihr Gesamtleistungspaket aufgenommen, so dass der Transfer zum Pflichtenkreis der Beklagten zählt. In diesem Pflichtenkreis ist die Deutsche Bahn mit dem Willen der Beklagten tätig geworden.

Hierbei ist unerheblich, dass die Deutsche Bahn keinen Weisungen der Beklagten unterliegt und dass letztere weder zur Kontrolle noch zur Überwachung der Deutschen Bahn berechtigt oder in der Lage ist. Im Gegensatz zum Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB ist der Erfüllungsgehilfe gerade nicht in die Organisation des Schuldners eingebunden oder etwa weisungsbefugt. Auch der Hotelier und die Fluggesellschaft, deren sich der Reiseveranstalter als Erfüllungsgehilfe bedient, sind der Einflusssphäre und der Kontrolle des Reiseveranstalters entzogen.

Aufgrund der Mangelhaftigkeit der Reise war der Kläger berechtigt, selbst Abhilfe zu schaffen. Es bedurfte keiner Fristsetzung, da eine Abhilfe durch den Reiseveranstalter rechtzeitig nicht hätte erfolgen können, um ein Erreichen des Fluges durch den Kläger noch zu gewährleisten.

Der Kläger hat danach Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen. Diese setzten sich aus den folgenden Einzelpositionen zusammen:

- Taxifahrt: 10,00 €

- Fahrtkosten: 162,00 €

- Parkgebühren: 31,00 €

Summe 203,00 €.

Seiner Schadensminderungspflicht ist der Kläger hier im Übrigen nachgekommen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Ziff. 3, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.

Die Entscheidung erfolgt gemäß dem Beschluss vom 08.06.2009 ohne Anberaumung eines Verkündungstermins und ohne mündliche Verhandlung.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

BGB §§ 278, 651a, 831