Ordentliche Kündigung einer Produktionshelferin wegen Diebstahls von Zeitschriften vor dem Erstverkaufstag
Gericht
LAG Baden-Württemberg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
05. 07. 2010
Aktenzeichen
9 Sa 15/10
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg vom 12.01.2010, Az. 5 Ca 143/09 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung über die Berechtigung einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 18.02.2009 zum 30.09.2009, weil die Klägerin bei der Beklagten zehn noch nicht veröffentlichte Zeitschriften entwendet hat.
Die am 25.10.1957 geborene Klägerin ist verheiratet und bei der Beklagten seit dem 09.01.1980 als Maschinenhelferin in der Weiterverarbeitung der Druckerei beschäftigt. Sie arbeitet in Teilzeit im Umfang von 22,5 Wochenstunden. Ihr Stundenlohn betrug zuletzt € 12,72. Die Klägerin ist verheiratet. Ihr Ehemann ist mit einem Grad der Behinderung von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er bezieht eine Erwerbsminderungsrente von monatlich € 1.205,05 netto. Das monatliche Nettoeinkommen der Klägerin betrug im Dezember 2008 € 1.042,11 (AS 38).
Die Klägerin ist darüber hinaus ihrem dreizehnjährigen Sohn gegenüber zum Unterhalt verpflichtet.
Die Klägerin ist seit dem Jahre 2006 wegen chronischer Migräne und Depressionen in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. med. … . Nach dessen Angaben (Attest vom 03.06.2009, AS 92) habe sich die Depression in den letzten Wochen massiv verschlechtert, was in zeitlichem Zusammenhang mit der schwierigen sozialmedizinischen Situation nach der Entlassung am alten Arbeitsplatz stehe. Mit einer Chronifizierung des nervenärztlichen Krankheitsbildes müsse gerechnet werden, wenn es nicht gelinge, die Patientin an ihrem alten Arbeitsplatz wieder zu integrieren und die Entlassung rückgängig zu machen.
Der Kündigung vom 18.02.2009 zum 30.09.2009 liegt folgender Vorfall zugrunde:
Am 10.02.2009 arbeitete die Klägerin ab 06:00 Uhr in der Frühschicht im ersten Obergeschoss des Druckereigebäudes der Beklagten. Sie begab sich etwa um 07:35 Uhr in die Abteilung Packerei im Erdgeschoss. Sie hatte ihren Rucksack, in dem sich nach ihren Angaben ihre persönlichen Gegenstände befunden hatten, bei sich. In der Packerei im Erdgeschoss entnahm sie dort aus der laufenden Produktion zwei Ausgaben der Zeitschrift … und acht identische Ausgaben der Zeitschrift …, die sich in einem Regal als Exemplare für besondere Kunden befanden. Das Erscheinungsdatum war jeweils der 12.02.2009. Sie steckte diese Zeitschriften in den Rucksack. Die Klägerin wurde von einem Herrn … beobachtet und gegen 08:00 Uhr von diesem sowie dem Betriebsleiter … zur Rede gestellt. Die Klägerin räumte sofort ein, in der Packerei diese Zeitschriften eingesteckt zu haben und entschuldigte sich dafür. Der Ladenverkaufspreis der Zeitschriften beträgt € 25,40.
Die Mitarbeiter der Beklagten haben die Möglichkeit, kostenlos Personalstücke der dort hergestellten Zeitschriften, allerdings erst nach deren Erscheinen und jeweils nur ein Exemplar pro Zeitschrift unentgeltlich zu beziehen.
Die Beklagte hörte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu der Kündigung an. Wegen der Einzelheiten wird hier auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 12.01.2010 Bezug genommen.
Am 18.02.2009, der Klägerin am gleichen Tag zugegangen, erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses und stellte die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung frei.
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin vorgetragen, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Die Beklagte hätte vor Ausspruch der Kündigung die Klägerin abmahnen müssen, die seit 29 Jahren beanstandungsfrei und mit großem Engagement selbstständig und äußerst gewissenhaft für die Beklagte gearbeitet habe. Der Raum im Erdgeschoss, in dem die Klägerin die genannten Zeitschriften an sich genommen habe, sei offen und durch keinerlei Türen abgeschlossen, sodass jeder Arbeitnehmer diesen Raum betreten könne. Es sei auch nicht untersagt, diesen Raum zu betreten. Gegen 07:25 Uhr sei die Klägerin in die Pause geschickt worden und da ein angemessener Pausenraum nicht in Reichweite gewesen sei, sei die Klägerin zur Entspannung ein wenig im Gebäude herumgelaufen. Dabei habe sie ihren kleinen Rucksack mitgenommen, in dem sich ihre persönlichen Gegenstände befunden hätten, die sie nicht in den Spind einschließen wolle, weil auch ihr Arbeitgeber darauf hingewiesen habe, dass man in dem Spind keine persönlichen Wertsachen unterbringen solle. Als sie dann im Packereiraum im Erdgeschoss angekommen sei, habe sie festgestellt, dass die aktuell auch unter ihrer Mithilfe produzierten Zeitschriften … und … schon in den Regalen gelegen seien. Sie sei dann aus Neugier an den Regalen herumgegangen und habe ein paar Exemplare dieser Zeitschriften eingepackt und in ihren Rucksack gesteckt. Kurz darauf, gegen 07:35 Uhr sei die Klägerin beobachtet worden. Gegen 08:00 Uhr sei sie dann an ihrem Arbeitsplatz von Herrn … und Herrn … angesprochen worden und sie habe sofort ohne irgendwelche Ausflüchte eingeräumt, dass sie ein paar Zeitschriften aus der Packerei unbefugt aus dem Regal entwendet und eingesteckt zu haben und von sich aus sämtliche von ihr eingesteckten Zeitschriften aus ihrem Rucksack wieder heraus genommen. Sie habe ihr Fehlverhalten sehr bedauert und sich gegenüber
Herrn … entschuldigt. Sie habe entgegen den Spekulationen der Beklagten keinerlei Weiterveräußerungsabsicht bezüglich der Exemplare gehabt und ebenso wenig könne ihr vorgeworfen werden, dass sie planmäßig die Vorgaben des Preisbindungssystems der Beklagten unterlaufe.
Im Übrigen sei die Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam, denn es fehlten Angaben zur Verhältnismäßigkeit der Kündigung und zu den Möglichkeiten anderer Weiterbeschäftigung und zur Interessenabwägung. Zudem sei dem Betriebsrat das Anhörungsschreiben erst am 11.02.2009 zugegangen und vor Ausspruch der Kündigung die Stellungnahmefrist nicht abgewartet worden.
Wegen der erstinstanzlichen Rechtsausführungen der Klägerin wird auf die von ihr vorgelegten Schriftsätze, insbesondere auf den vom 08.07.2009 Bezug genommen.
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin zuletzt beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten weder durch die Kündigung der Beklagten vom 18.02.2009 zum 30.09.2009 noch durch die hilfsweise und rein vorsorglich ausgesprochene Kündigung zum nächstmöglichen Termin aufgelöst wurde.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch einen anderen Beendigungstatbestand aufgelöst wird, sondern zu den bisherigen Bedingungen mit Tätigkeit der Klägerin als Maschinenhelferin in der Weiterverarbeitung mit einer Arbeitszeit von 22,5 Wochenstunden fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 30.09.2009 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits mit der Tätigkeit als Maschinenhelferin in der Weiterverarbeitung mit einer Arbeitszeit von 22,5 Wochenstunden weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt:
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, die Betriebsratsanhörung sei korrekt durchgeführt worden. Der Betriebsrat habe das Anhörungsschreiben bereits am 10.02.2009 erhalten und auf Nachfrage habe die Betriebsratsvorsitzende am 17.02.2009 erklärt, dass die Anhörung abgeschlossen sei und der Betriebsrat keine weitere Stellungnahme abgebe. Die Kündigung sei im Übrigen zu Recht erfolgt, da der Klägerin ein Diebstahl zur Last falle. Der Vertrauensbruch der Klägerin sei sogar besonders verwerflich, da sie gezielt in eine andere fremde Abteilung gegangen sei, um dort Zeitschriften aus aktueller Produktion, die noch nicht erschienen waren, zu entwenden, obwohl alle Mitarbeiter regelmäßig die ihnen zustehenden Zeitschriften-Personalstücke unentgeltlich erhielten. Darüber hinaus habe die Klägerin angesichts der entwendeten Zahl von Zeitschriften ersichtlich einen Fremdbedarf befriedigen wollen. Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin die Hefte möglicherweise weiter veräußern wolle, was für die Beklagte im Hinblick auf die Preisbindung ihrer Produkte besonders problematisch sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 27.05.2009 Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen die Kündigung am 09.03.2009 Kündigungsschutzklage erhoben. Bei der Beklagten findet das Kündigungsschutzgesetz in betrieblicher Hinsicht unstreitig Anwendung.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von vier Zeugen zur Frage des Zugangs der Anhörung beim Betriebsrat. Auf das Protokoll des Sitzungstages vom 12.01.2010 wird Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 12.01.2010 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig bezüglich des Klagantrags Ziffer 2. Im Übrigen sei sie unbegründet, da die Kündigung vom 18.02.2009 sozial gerechtfertigt sei, denn die Klägerin habe einen Diebstahl begangen. Zwar sei zu sehen, dass die Klägerin durch die Kündigung selbst in ihrer Gesundheit wie in ihrer wirtschaftlichen Existenz wie auch ihrer Familie durch die wirtschaftliche Existenzgefährdung hart getroffen sei, ebenso sei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis bereits viele Jahre ohne Beanstandung durchgeführt worden sei. Entscheidend sei jedoch, dass die Klägerin durch den Diebstahl das Vertrauen in ihre Redlichkeit gegenüber der Beklagten zerstört habe und sie trotz der Möglichkeit des kostenlosen Erwerbs von Personalstücken mehrere Zeitschriften bei der Beklagten entwendet habe. Der wirtschaftlichen und persönlichen Situation der Klägerin sei bereits dadurch genügend Rechnung getragen worden, dass die Beklagte keine fristlose Kündigung ausgesprochen habe. Auch scheitere die Kündigung nicht an § 102 Abs. 1 BetrVG, denn das Anhörungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Das Schreiben sei dem Betriebsrat am 10.02.2009 zugegangen. Dadurch sei zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Frist für die Stellungnahme des Betriebsrats abgelaufen gewesen und die Zustimmung habe als erteilt gegolten. Auch enthalte das Anhörungsschreiben vom 10.02.2009 hinreichend die Darstellung der Gründe für die beabsichtigte Kündigung. Die Beklagte habe dem Grundsatz genügt, dass sie die für sie maßgeblichen Kündigungsgründe und Erwägungen gegenüber dem Betriebsrat dargestellt habe. Es sei nicht erforderlich, dass dem Betriebsrat mitgeteilt werde, dass andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht bestünden. Das ergäbe sich bereits mittelbar aus dem Umstand, dass der Betriebsrat zu einer Kündigung angehört werde.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Klägervertreter am 26.01.2010 zugestellt. Hiergegen legte er fristgerecht am 25.02.2010 Berufung ein. Die Frist zur Begründung der Berufung wurde aufgrund des fristgerechten Antrags vom 23.03.2010 bis zum 26.04.2010 verlängert. Die Berufungsbegründung ging fristgerecht beim Landesarbeitsgericht am 26.04.2010 ein. Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor, das Arbeitsgericht habe den Rechtsstreit falsch, insbesondere ohne Berücksichtigung und hinreichende Würdigung der in diesem Fall vorliegenden besonderen tatsächlichen Umstände und in Verkennung der gegebenen rechtlichen Anforderungen entschieden. Zunächst habe das Arbeitsgericht nicht erwähnt, dass die Klägerin nicht nur ihrem 13-jährigen Sohn, sondern auch ihrem schwerbehinderten Ehemann gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sei, da der eine für den Familienunterhalt nicht ausreichende Erwerbsminderungsrente beziehe und ansonsten nichts zum Unterhalt der Familie beitragen könne. Die Familie sei gerade auf das Erwerbseinkommen der Klägerin dringend angewiesen und der Arbeitsplatzverlust sei für die Klägerin und ihre Familie existentiell bedrohlich. Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass die Klägerin als Hilfskraft in der Produktion niemals eine Vertrauensstellung inne gehabt habe, insbesondere nicht für Vermögenswerte der Beklagten. Hervorzuheben sei, dass die Packerei im Erdgeschoss für alle Arbeitnehmer frei zugänglich sei und dass der zuständige Geschäftsführer der … GmbH, Herr … der Klägerin selbst mitgeteilt habe, dass auch er davon ausgehe, dass Arbeitnehmer aus der Packerei schon Zeitschriften entwendet hätten. Darüber hinaus habe die Klägerin den Diebstahl sofort zugegeben und sich dafür unverzüglich entschuldigt. Ein wirtschaftlicher Schaden sei der Beklagten nicht entstanden, zumal auch der materielle Wert der entwendeten Zeitschriften für die Beklagte ausgesprochen gering sei. Bezüglich des kostenlosen Erwerbs von Personalstücken sei darauf hinzuweisen, dass jeweils nur ein Personalstück einige Tage nach dem offiziellen Erscheinungsdatum der Zeitschrift zur Verfügung gestellt werde, nicht jedoch Zeitschriften frisch aus dem Druck an die Mitarbeiter gegeben würden. Zudem enthalte das Urteil keinerlei Ausführungen dazu, wieso im vorliegenden Fall nicht eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre. Bezüglich der Betriebsratsanhörung fehle es an Mitteilungen gegenüber dem Betriebsrat, wieso eine Abmahnung entbehrlich sein solle und wieso auch keine milderen Mittel zur Weiterbeschäftigung in einem anderen Bereich sowie weitere Angaben zur Interessenabwägung unterblieben seien. Das Arbeitsgericht verkenne hier, dass es zur Substantiierungspflicht des Arbeitgebers bei der verhaltensbedingten Kündigung gehöre, Angaben zur Negativprognose zu machen und dies auch gegenüber dem Betriebsrat erforderlich sei.
Die Kündigung sei unwirksam, weil im vorliegenden Fall es ausreichend gewesen wäre, die Klägerin abzumahnen. Aufgrund der konkreten Umstände sei nicht davon auszugehen, dass eine negative Prognose des Inhaltes bestehe, dass die Klägerin nochmals eine ähnliche Verfehlung begehen würde. Zudem handle es sich um den Diebstahl geringwertiger Sachen. Das Arbeitsgericht verkenne weiter, dass das gesamte Kündigungsrecht vom Prognoseprinzip bestimmt sei. Eine negative Prognose lasse sich hier nicht erstellen. Zudem habe die Klägerin keinerlei Vertrauensstellung im Hinblick auf das Vermögen und das Eigentum der Beklagten. Der Beklagten sei vorzuwerfen, dass von ihr, obwohl sie zumindest die Vermutung gehabt habe, dass in der Packerei Zeitschriften gestohlen würden, keinerlei Maßnahmen ergriffen worden seien, das Risiko von Entwendungen einzudämmen. Das Arbeitsgericht hatte zudem im Rahmen der Interessenabwägung die persönliche und wirtschaftliche Situation der Klägerin und ihrer Familie berücksichtigten müssen und dies hätte im Rahmen der Interessenabwägung den Ausschlag geben müssen, dass selbst bei einer entbehrlichen Abmahnung die Kündigung im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin habe mit keiner besonderen "kriminellen Energie" gehandelt. Die Mutmaßungen der Beklagten, die Klägerin habe mit drittnütziger Zielrichtung, vielleicht sogar um Handel zu treiben, die Zeitschriften gestohlen, entbehrten jeder sachlichen Grundlage. Motivation für den Diebstahl der Klägerin sei lediglich die Neugier gewesen, vom Inhalt der von ihr mit produzierten Zeitschrift möglichst schnell Kenntnis zu nehmen. Entgegen der Behauptung der Beklagten gäbe es keinen konkreten oder allgemeinen Hinweis darauf, dass Eigentumsdelikte konsequent mit Kündigung geahndet würden. Es sei auch unzutreffend, dass die Beklagte oder der Betriebsrat sämtliche Beschäftigten immer wieder darauf aufmerksam gemacht hätten. Die Ausführungen der Beklagten zur Gefahr von Vorabinformationen an Konkurrenten seien ebenfalls nicht maßgeblich und lägen neben der Sache.
Wegen der weiteren Rechtsausführungen der Klägerin wird insbesondere auf die Berufungsbegründung sowie auf die ergänzenden Rechtsausführungen im Schriftsatz vom 25.06.2010 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg vom 12.01.2010, 5 Ca 143/09 wird abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten weder durch die Kündigung der Beklagten vom 18.02.2009 zum 30.09.2009 noch durch die hilfsweise und rein vorsorglich ausgesprochene Kündigung zum nächstmöglichen Termin aufgelöst wurde.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 30.09.2009 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits mit der Tätigkeit als Maschinenhelferin in der Weiterverarbeitung mit einer Arbeitszeit von 22,5 Wochenstunden weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, der Klägerin falle unstreitig ein Diebstahl zur Last. Dabei komme es für die Frage des Kündigungsgrundes grundsätzlich nicht auf den Wert entscheidend an, sodass das Fehlverhalten der Klägerin an sich geeignet sei, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zu Lasten der Klägerin käme vorliegend hinzu, dass die Klägerin nicht nur gestohlen habe, um Eigenbedarf zu decken, sondern mit drittnütziger Zielrichtung gehandelt habe. Darüber hinaus erhalte sie von der Beklagten die kostenlosen Personalstücke. Der Umstand, dass sie diese erst nach Erscheinen der Zeitschrift erhalte, lasse den Diebstahl in keinem milderen Licht erscheinen. Im Übrigen sei das dem Preisbindungssystem geschuldet. Zudem gefährde der Diebstahl der Klägerin von Zeitschriften, die sie an Dritte weitergebe, das Preisbindungsrecht und das Preisbindungssystem. Außerdem bestehe die Gefahr, dass bei einem vorab Bekanntwerden des Inhaltes der Zeitschriften im extremsten Falle es möglich wäre, dass Konkurrenten einstweilige Verfügungen erwirken würden, mit denen sie die Auslieferung der entsprechenden Zeitschrift stoppen könnten und damit der Beklagten ein erheblicher Schaden entstünde.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Beklagte auch nicht gehalten, ihre Waren gegen Diebstahl zu schützen, was aus organisatorischen Gründen im Bereich der Packerei auch nicht möglich sei. Die Klägerin habe jedenfalls im Bereich des Erdgeschosses nichts zu suchen gehabt. Auch habe Herr … der Klägerin gegenüber klar geäußert, dass er aufgrund ihres Verhaltens keine andere Wahl habe, als sie zu kündigen. Aus diesem Grunde sei die Kündigung sozial gerechtfertigt und wirksam. Durch den Diebstahl habe die Klägerin das Vertrauen der Beklagten in ihre Redlichkeit vollständig zerstört. Die Entschuldigung der Klägerin ändere daran nichts, da sie erst erfolgt sei, nachdem der Diebstahl bemerkt worden sei. Bezüglich der Anhörung des Betriebsrates werde auf die zutreffenden Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.
I.
Die nach § 64 ArbGG an sich statthafte Berufung ist nach § 66 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Kündigung als ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist und die Kündigungsschutzklage und den Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung daher zu Recht abgewiesen. Die Anhörung des Betriebsrats ist ordnungsgemäß erfolgt.
Im Einzelnen:
1. Die Kündigung vom 18.02.2009 ist sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 KSchG. Es liegen verhaltensbedingte Gründe vor, die dazu führen, dass die Weiterbeschäftigung der Klägerin der Beklagten über das Ende der Kündigungsfrist hinaus nicht zuzumuten ist.
a) Der von der Klägerin begangene Diebstahl von 8 Exemplaren der Zeitschrift … und 2 Exemplaren der Zeitschrift …, die erst 2 Tage später erschienen, aus der Packerei im Erdgeschoß der Räumlichkeiten der Beklagten stellt einen schweren Vertragsverstoß der Klägerin dar. Zu den vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin gehört es (selbstverständlich), keine Diebstähle zu Lasten ihres Arbeitgebers zu begehen. Der Diebstahl als solcher ist unstreitig und von der Klägerin auch eingeräumt worden, ebenso sind die Umstände der Tatbegehung im Wesentlichen unstreitig, sodass sich für den vorliegenden Fall die maßgeblichen Fragestellungen darauf zuspitzen lassen, ob angesichts der Umstände des Einzelfalles eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zulässig ist, weil diese entbehrlich ist und darüber hinaus, ob angesichts der besonderen persönlichen Umstände der Klägerin die Kündigung im Rahmen einer Interessenabwägung ausnahmsweise doch sozial nicht gerechtfertigt ist.
b) Im vorliegenden Fall war eine Abmahnung entgegen der Auffassung der Klägerin entbehrlich. Diese ist weder als milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes noch als Element einer negativen Zukunftsprognose erforderlich.
aa) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das so genannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG 21.11.1996, AP BGB § 626 Nr. 130). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips.
Sie ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 II BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Nach dieser Norm ist eine Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig.
Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (BAG 18. 5. 1994 NZA 1995, 65) oder es sich - wie hier - um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 10. 2. 1999, NZA 1999,708; BAG 21.7. 1999, NZA 1999, 1270). Ähnliches ergibt sich aus § 314 II 2 BGB, nach dem § 323 II BGB entsprechende Anwendung findet. Nach § 323 II BGB ist eine Fristsetzung bzw. damit auch eine Abmahnung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt bzw. eine Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 12. 1. 2006 - 2 AZR 179/05, Rn 55, 56).
bb) Im vorliegenden Fall war eine Abmahnung entbehrlich, denn die Klägerin hat durch den Diebstahl einerseits einen schweren Vertragsverstoß begangen und andererseits musste ihr auch bewusst sein, pass die Beklagte dieses Verhalten nicht hinnehmen werde.
(1) Einem Arbeitnehmer, der aus der laufenden Produktion des Arbeitgebers Zeitschriften entwendet, muss die Rechtswidrigkeit seines Tuns und die Schwere seiner Pflichtverletzung klar sein und es ist ihm ohne weiteres erkennbar sein, dass eine Hinnahme seines Fehlverhaltens durch die Arbeitgeberin ausgeschlossen ist. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Kündigung zukunftsbezogen ist, kann ein solcher Arbeitnehmer ersichtlich nicht davon ausgehen, dass sein Fehlverhalten sich nicht auch in Zukunft auf das Arbeitsverhältnis erheblich belastend auswirken muss (BAG, Beschluss vom 10.02.1999 - 2 ABR 31/98).
Vorliegend kann zwar zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass ihr - was naheliegend ist - die von der Beklagten geschilderten Besonderheiten der Preisbindung und die besondere Gefahr, durch einstweilige Verfügungen Auslieferungsverbote gegen sich verhängt zu bekommen, nicht bekannt sind. Für die Klägerin als Produktionshelferin dürften diese Zusammenhänge, die auch für nicht mit der Materie vertraute Juristen nicht ohne weiteres erkennbar sind, außerhalb ihrer Kenntnisse liegen. Zudem mutet es auch merkwürdig an, dass die Beklagte die Kündigung auch damit rechtfertigen will, dass ihr für den Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die sie durch ihre Berichterstattung begangen haben könnte und wegen deren ein Auslieferungsverbot gerichtlich verfügt werden könnte, ein Schaden entsteht. Das hätte sich die Beklagte wohl selbst zuzuschreiben.
Gleichwohl durfte die Klägerin nicht erwarten, dass die Beklagte den Diebstahl zunächst einmal nur abmahnt. Die Klägerin hat sich nämlich anlässlich ihres Pausenspaziergangs durch den Betrieb dazu hinreißen lassen, in einem Bereich, in dem sie jedenfalls keine Arbeitsaufgaben zu erledigen hatte, Eigentum der Beklagten zu entwenden. Das ist grundsätzlich ein sogar für eine fristlose Kündigung geeigneter Grund, wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung annimmt. Für das Gericht ist dabei vor allem von Bedeutung, dass es die Klägerin nicht dabei belassen hat, zur Befriedigung der persönlichen Neugier jeweils ein von ihr hergestelltes Heft der … und der … einzustecken, sondern dass die Klägerin hier gleich 8 bzw. 2 Exemplare gestohlen hat, sodass die Diebstahlshandlung weit über die Befriedigung der persönlichen Neugier, was noch in gewissem Umfang nachvollziehbar gewesen wäre, hinausgeht. Die Klägerin hat insbesondere von der Zeitschrift … 8 Exemplare gestohlen, was nur damit zu erklären ist, dass sie diese Exemplare zumindest an Freunde und Verwandte verschenken wollte, denn für sich selber wird sie diese Exemplare nicht benötigt haben. Zugunsten der Klägerin wird davon ausgegangen, dass sie für diese Exemplare nichts von den Beschenkten verlangt hat, auf der anderen Seite ist sie durch den Diebstahl von gleich 8 bzw. 2 Exemplaren auch in die für sie vorteilhafte Situation gekommen, sich gegenüber anderen Menschen als großzügiger Schenker zu erweisen, was zumindest einen gewissen immateriellen Vorteil etwa gemäß dem Grundsatz "Wer gibt, dem wird gegeben", für sie darstellt. Bei den entwendeten Zeitschriften relativiert sich der Begriff des Bagatelldiebstahls auch stark. Der Verkaufspreis der Zeitschriften beträgt, wie die Beklagte zu Recht vorträgt, 25,00 €, denn, wie Internetrecherchen des Gerichts ergaben, ist der Verkaufspreis der … pro Heft 2,80 €. Gemessen am Verkaufspreis und gemessen an dem, was die Klägerin gegenüber ihren Freunden und Bekannten als "Schenkerin" hier verteilt hat, handelt es sich bei den gestohlenen Zeitschriften nicht um die typischen Bagatelldiebstähle, welche sich in der Regel im einstelligen Eurobereich bewegen, sondern der materielle Wert gegenüber Außenstehenden der Zeitschriften war nicht mehr völlig geringfügig und vernachlässigbar, wenn er auch die Bagatellgrenze des § 248a StGB nicht überschritten hat. Von einer Bagatelle im Sinne eines wirtschaftlich vernachlässigbaren Wertes kann hier jedenfalls nicht mehr ausgegangen werden. Zwar mögen die gestohlenen Zeitschriften an Materialwert für die Beklagte von außerordentlich geringer Bedeutung gewesen sein, allerdings erschöpft sich der Wert eines solchen Zeitschriftenheftes nicht allein in seinem Materialwert, sondern auch in den gesamten Vorhaltekosten der Produktion und der Redaktion einer solchen Zeitschrift. Maßgeblich ist auch, dass die Klägerin sich durch den Diebstahl dieser Zeitschriften persönlich um den Verkaufswert und nicht nur den Materialwert, den diese Zeitschriften bei der Beklagten haben, bereichert hat, denn der Verkaufswert ist es, den sie letztendlich an die von ihr beschenkten Freunde und Bekannten weitergibt und den sie diesen zuwendet, denn das ist der Preis, den die Beschenkten sonst an dem Kiosk oder anderen Verkaufsstellen für die entsprechenden Zeitschriften zu entrichten hätten. Insoweit ist maßgeblich für die Beurteilung, inwieweit es sich im vorliegenden Fall um den Diebstahl wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallender Waren handelt, der Verkaufspreis und nicht nur der Produktionspreis bei der Beklagten. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von Fällen wie den hinreichend bekannten entwendeten Pfandbons, den gestohlenen, zum Abfall bestimmten Maultaschen, vom Büfett verspeisten Frikadellen, entwendetem Strom zum Handyaufladen oder in den Müll geworfener Kinderreisebetten, bei denen es sich durchwegs um Gegenstände handelt, deren Wert kaum mehr als einen Euro betragen hat. Von einem typischen Bagatelldiebstahl kann daher schon im vorliegenden Fall keine Rede sein, wenn auch der Wert der gestohlenen Sache wirtschaftlich immer noch relativ gering ist.
Hinzu kommt, dass die Klägerin insoweit eine "kriminelle Energie" an den Tag gelegt hat, als sie die gestohlenen Zeitschriften zumindest heimlich entnommen hat, als sie sich jedenfalls wohl unbeobachtet gefühlt hat und diese Zeitschriften dann auch nicht offen an ihren Arbeitsplatz getragen hat, sondern in den - zu ihren Gunsten unterstellt zufällig mitgeführten - Rucksack gepackt hat, wohl damit sie keiner sehen kann. Die Klägerin war sich also der Unrechtmäßigkeit ihres Tuns sehr wohl bewusst und darüber im klaren, dass sie hier einen Diebstahl begangen hat.
(2) Die einmalige Hinnahme dieses Diebstahls durch die Beklagte war bei verständiger Würdigung auch offensichtlich ausgeschlossen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Diebstahl gegenüber der bestohlenen Person immer einen erheblichen Vertrauensbruch darstellt, der die Fortsetzung der Beziehung in Frage stellt. Das spiegelt sich auch darin wieder, dass das Bundesarbeitsgericht den Diebstahl ohne Rücksicht auf den Wert der gestohlenen Sache als an sich zur fristlosen Kündigung geeigneten Grund ansieht. Im vorliegenden Fall gibt es auch keinerlei Besonderheiten, die daran etwas ändern könnten. Es handelte sich nicht um einen wirtschaftlich bedeutungslosen Wert der Sache, die Klägerin hat vor allem mehrere Exemplare der Zeitschriften entwendet und sie ihn ihrem Rucksack versteckt.
(3) Daran ändert auch die von der Klägerin vorgenommene sofortige Entschuldigung nichts, ebenso wenig wie die reumütige Herausgabe der Zeitschriften. In der konkreten Situation blieb der Klägerin nämlich nichts anderes übrig, als erstens die Zeitschriften wieder herauszugeben und sich zweitens sinnvollerweise dafür auch zu entschuldigen. Eine solche Wohlverhaltenserklärung hat deshalb nur einen verhältnismäßig eingeschränkten Erkenntniswert. Zu berücksichtigen ist das Interesse des Arbeitgebers, der aus der Schwere der Pflichtverletzung vernünftigerweise die Schlussfolgerung ziehen muss, ein Arbeitnehmer, der sich einmal vorsätzlich in einer derartigen Weise am Betriebseigenturn vergriffen und seinen Arbeitsplatz leichtfertig aufs Spiel gesetzt habe, biete vernünftigerweise Anlass zu der Befürchtung, dass ähnliche Pflichtverletzungen auch in Zukunft vorkämen und dass das Vertrauen in dessen Redlichkeit so nachhaltig gestört ist, dass der Vertrauensverlust nicht allein dadurch beseitigt werden kann, dass der Arbeitnehmer erklärt, solche Pflichtverstöße würden in Zukunft bei ihm nicht mehr vorkommen. Kein Arbeitnehmer wird nach der Lebenserfahrung, wenn es eine ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung wegen Diebstahls etc. geht, erklären, eine Wiederholungsgefahr sei bei ihm durchaus gegeben (BAG, Beschluss vom 10.2. 1999 - 2 ABR 31/98). Die Entschuldigung lässt ihr Verhalten insoweit in einem milderen Licht erscheinen, als die Klägerin jedenfalls die Unrechtmäßigkeit ihres Tuns wenigstens eingesehen hat. Das mag sie vor einer fristlosen Kündigung bewahrt haben. Die gesamten Umstände des Diebstahls sind jedenfalls so gelagert, dass bei dem Versuch einer objektiven Betrachtung die Klägerin nicht davon ausgehen konnte, dass die Beklagte es bei einer Abmahnung bewenden ließe.
cc) Auch ohne vorherige Abmahnung besteht eine negative Zukunftsprognose, allerdings nicht des Inhaltes, dass die Klägerin erneut stehlen wird, sondern dass die Vertrauensgrundlage für das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft irreparabel erschüttert ist.
Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass das Bundesarbeitsgericht auch bei verhaltensbedingten Kündigungen verlangt, dass bezüglich des Fehlverhaltens der Klägerin eine negative Zukunftsprognose für die Belastung des Arbeitsverhältnisses durch dieses Fehlverhalten zu erstellen ist.
(1) Bezugspunkt dieser negativen Prognose ist allerdings nicht wie von der Klägerin wohl angenommen, inwieweit sich ein vergleichbares Fehlverhalten, nämlich ein Diebstahl nochmals wiederholen wird. Dass sich ein solcher Diebstahl wiederholt, kann in aller Regel ausgeschlossen werden, insbesondere dann, wenn es sich um schwerere Delikte als das von der Klägerin begangene handelt. Derjenige, der einmal "erwischt" worden ist, lässt sich das zur Lehre gereichen. Ein vergleichbares Delikt wird er vor allem dann nicht nochmals begehen, wenn der verursachte Schaden erheblich ist, während bei absoluten Bagatelldelikten schon allein aufgrund des Umstandes, dass es auch im Arbeitsverhältnis "menschelt" eher noch davon auszugehen ist, dass einem Arbeitnehmer, der Diebstahl von absolut geringwertigen Gegenständen des Arbeitgebers im Laufe seines Arbeitslebens noch einmal unterlaufen könnte. Die Prognose wäre also bei schweren Delikten besser als bei Bagatellen. Das zeigt letztendlich, dass bei der Frage der Prognose es nicht darauf ankommen kann, ob eine Prognose des Inhalts zu erstellen ist, der Arbeitnehmer werde noch einmal stehlen oder andere Vermögensdelikte zum Nachteil seines Arbeitgebers begehen, sondern dass Maßstab sein muss, ob das für jedes Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen in die persönliche Integrität des Arbeitnehmers und darin, dass er sich nicht am Eigentum seines Arbeitgebers vergreifen wird, in einem solchen Umfang erschüttert ist, dass ein vernünftiger und sich um objektives Denken bemühter Arbeitgeber dieses Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen kann oder ob das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers nicht so stark erschüttert ist, dass einem objektiv denkenden Arbeitgeber die Fortsetzung nicht doch zumutbar wäre. Dass das Vertrauen in die Redlichkeit und persönliche Integrität des Arbeitnehmers Maßstab ist, ergibt sich auch aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes in dem hinlänglich bekannten "Emmely"-Fall (Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - bisher nur als Pressemitteilung), in dem das Bundesarbeitsgericht auch darauf abstellt, dass das Vertrauen in die Person des Arbeitnehmers das Maßgebliche ist, was durch ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers beschädigt wird.
Gegenstand der Zukunftsprognose muss also die Frage sein, ob noch ein ausreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt, dass er sich nicht Vermögensdelikte zum Nachteil seines Arbeitgebers zuschulden kommen lässt, besteht. Ein solches Vertrauen braucht jedes Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer, gleich in welcher Funktion er tätig ist, kommt immer mit Eigentum des Arbeitgebers in Kontakt. Eine lückenlose Überwachung des Arbeitnehmers ist nicht möglich und auch nicht wünschenswert, sodass ein Arbeitgeber immer in einem gewissen Umfang Vertrauen in den Arbeitnehmer haben muss, dass er sich nicht Vermögensdelikte zu seinem Nachteil zuschulden kommen lässt. Unter Anlegung dieses Prüfungsmaßstabes besteht für das Arbeitsverhältnis auch ohne vorherige Abmahnung eine negative Prognose, denn das Verhalten der Klägerin stellt einen schon so schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, dass trotz ihrer 29-jährigen Betriebszugehörigkeit auch ohne vorherige (erfolgslose) Abmahnung das Vertrauen in einem solchen Umfang in ihre persönliche Integrität beschädigt ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Beklagten nicht zuzumuten ist.
Für die Frage, ob das Vertrauen in die persönliche Integrität des Arbeitnehmers in diesem Maße irreparabel beschädigt ist, sind alle Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, insbesondere die konkreten Umstände der Tatbegehung, der Wert der gestohlenen Sache bzw. der angerichtete Schaden, aber auch, wie das Bundesarbeitsgericht in der "Emmely"-Entscheidung betont hat, das durch langjährige Betriebszugehörigkeit aufgebaute Vertrauen und die Frage, ob dieses vollständig oder nur teilweise beschädigt ist, darüber hinaus auch die Frage, die die Klägerin hervorhebt, ob es zu ihren Hauptpflichten gehört hat, das Vermögen ihres Arbeitgebers zu betreuen oder nicht.
(2) Unter Betrachtung dieser maßgeblichen Kriterien besteht auch ohne Abmahnung eine negative Prognose, weil das Vertrauen in einem zu großen Maße durch die konkreten Umstände der Tatbegehung beschädigt worden ist.
(2.1) Zunächst ist zugunsten der Klägerin zu sehen, dass diese seit 29 Jahren im Betrieb der Beklagten beanstandungsfrei gearbeitet hat. Damit hat sie sich zunächst ein großes Vertrauen in ihre persönliche Redlichkeit aufgebaut.
(2.2) Auch ist zu sehen, dass es jedenfalls nicht zu den Hauptaufgaben der Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses gehört, Vermögensbetreuungspflichten für ihren Arbeitgeber wahrzunehmen. Allerdings teilt das Gericht nicht die Auffassung von Preis ("Minima (non) curat praetor AuR 2010, 186 ff).), der für die Erforderlichkeit einer Abmahnung danach unterscheidet, ob das Vermögensdelikt zugleich eine Verletzung des Kerns der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers darstellt oder nicht. Eine solche Unterscheidung als ausschließliches Kriterium hält das Gericht für nicht angemessen, weil sie den vielfältigen Situationen im Arbeitsleben nicht gerecht wird. Hat ein Arbeitnehmer ein Vermögensdelikt unter Verletzung der Kernpflichten seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit begangen, so wird in diesen Fällen in aller Regel auf eine Abmahnung zu verzichten sein, auch wenn es sich bei dem angerichteten Schaden um einen geringen wirtschaftlichen Wert handelt. Demgegenüber wird aber nicht der Gegenschluss zu ziehen sein, dass ein Diebstahl dann, wenn er jedenfalls keine wesentlichen Vermögenswerte des Arbeitgebers betrifft, der nicht die Kernpflichten des Arbeitsverhältnisses tangiert, in der Regel abzumahnen sein wird. Der Arbeitnehmer kommt im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis ununterbrochen mit Vermögenswerten des Arbeitgebers in Kontakt, seien es Werkzeuge, seien es Rohstoffe, seien es sonstige Betriebsmittel oder seien es wie im vorliegenden Fall die erzeugten Produkte. Auch hier muss sich der Arbeitgeber grundsätzlich darauf verlassen können, dass der Arbeitnehmer sein Eigentum respektiert. Das ist Grundlage für das Arbeitsverhältnis, als Alternative bliebe dem Arbeitgeber sonst nur die fortgesetzte intensive Überwachung des Arbeitnehmers, die bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen (siehe § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG) nicht zulässig wäre. Aus diesem Grunde ist es verfehlt, zu verlangen, dass bei Diebstählen, die keinen erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen und die ohne Verletzung der Kernpflicht der arbeitsvertraglichen Tätigkeiten erfolgen, zunächst eine Abmahnung zu erfolgen hat. Zugunsten der Klägerin ist zwar festzuhalten, dass sie nicht die Kernpflicht ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit verletzt hat, denn die Klägerin war Produktionshelferin. Andererseits aber hat sie ihr Arbeitsverhältnis dazu benutzt, ihren Arbeitgeber zu bestehlen, indem sie das hergestellte Produkt, nämlich die genannten Zeitschriften, in mehrfacher Stückzahl entwendet hat.
(2.3) Das von der Klägerin durch langjährige beanstandungsfreie Tätigkeit aufgebaute Vertrauen in ihre Integrität und der Umstand, dass sie jedenfalls keine Kernpflicht ihres Arbeitsverhältnisses verletzt hat, führen angesichts der konkreten Umstände der Tatbegehung nicht dazu, dass noch ein solches Maß an Vertrauen in die Klägerin vorhanden ist, dass der Beklagten der Ausspruch einer Abmahnung zuzumuten wäre, bevor sie das Arbeitsverhältnis kündigt. Für das Gericht ist hier maßgeblich die bereits oben beschriebene Art der Tatbegehung. Von ganz entscheidender Bedeutung ist, worauf auch das Arbeitsgericht zu Recht abgestellt hat, dass die Klägerin es nicht dabei belassen hat, von jeder der von ihr hergestellten Zeitschriften zur Befriedigung ihrer persönlichen Neugier ein einzelnes Exemplar einzustecken, sondern dass die Klägerin von den beiden Zeitschriften gleich mehrere Exemplare gestohlen hat, um sie auch anderweitig zu verteilen. Die von der Beklagten ins Feld geführten presserechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Argumente können zwar auch hier nicht gegen die Klägerin verwendet werden, weil man nicht davon ausgehen kann, dass der Klägerin als Produktionshelferin derartige Zusammenhänge bekannt sind. Auch hat die Beklagte, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, nicht substantiiert vorgetragen, dass sozusagen im Wege der kollektiven Ermahnung die Belegschaft immer wieder darauf hingewiesen worden wäre, dass solche Diebstähle zur Kündigung führen.
Ein um objektiver Betrachtung bemühter Arbeitgeber wird jedoch in dem Verhalten der Klägerin, gleich mehrere der hergestellten Zeitschriften vor dem Erstverkaufstermin zu entwenden, um diese an dritte Personen zu verschenken und diese Tat zumindest mit einer gewissen Heimlichkeit zu begehen, einen solch schwerwiegenden Vertrauensbruch sehen, dass trotz der 29-jährigen Betriebszugehörigkeit der Klägerin das Vertrauen in ihre persönliche Integrität in einem solchen Maße beschädigt ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mangels Vertrauens nicht mehr zuzumuten ist. Wie oben dargestellt, hat die Klägerin den Diebstahl zumindest mit einer gewissen Heimlichkeit durchgeführt, in dem sie in dem Moment, wo sie sich unbeobachtet wähnte, die gestohlenen Zeitschriften auch in ihren Rucksack gesteckt hat. Von zentraler Bedeutung ist aber der Umstand, dass sie gleich mehrere Exemplare der Zeitschriften gestohlen hat. Sie hat gestohlen, um anderen Leuten Produkte ihres Arbeitgebers zu schenken und damit bewirkt, dass diese Menschen sich die Produkte ihres Arbeitgebers erstens nicht mehr kaufen müssen und damit ihrem Arbeitgeber ein Schaden entsteht und zweitens diese Produkte zudem auch noch vor dem Erstverkaufstag erhalten, was den Beschenkten ansonsten nicht möglich gewesen wäre. Sie hat letztendlich die Diebstähle nicht nur aus der persönlichen Neugier heraus begangen oder um für sich eines der von ihr mit hergestellten Zeitschriftenprodukte vorab zu erhalten, sondern sie hat vorsätzlich ihren Arbeitgeber geschädigt, um sich gegenüber einer Reihe von anderen Menschen als großzügiger Schenker zu erweisen. Ein solches Verhalten stellt schon in einem solch hohen Maß eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den berechtigten Interessen ihres Arbeitgebers dar, dass das langjährig aufgebaute Vertrauen irreparabel beschädigt ist. Das Verhalten der Klägerin stellt nicht nur einen menschlich nachvollziehbares "Augenblicksversagen" dar, indem sie aus menschlicher Neugier heraus eine der Zeitschriften eingesteckt hat, sondern es hat starke Elemente eines systematischen Vorgehens zur Schädigung der Beklagten, um dadurch persönliche Vorteile im Auftreten gegenüber dritten Personen zu erhalten.
Würde die Beklagte die Klägerin weiterbeschäftigen, so würde sie jemanden weiterbeschäftigen, der sich nicht gescheut hat, der Beklagten Schaden zuzufügen, um gegenüber einer Reihe von dritten außenstehenden Personen als jemand da zu stehen, der Zeitschriften verschenkt vor ihrem Erscheinungstag.
(2.4) Auch der Umstand, dass die Beklagte die entsprechenden Räumlichkeiten nicht gegen Diebstahl besonders gesichert hat, kann der Beklagten nicht entgegen gehalten werden. Das mag insoweit von Bedeutung sein, dass man der Klägerin nicht noch zusätzlich eine besondere kriminelle Energie durch die Tatbegehung vorwerfen kann mit Ausnahme der Heimlichkeit, aber auch die Klägerin selber wird wohl der Beklagten nicht vorwerfen wollen, dass sie inkonsequent sei, indem sie ihre Ware nicht vor den Diebstählen durch die eigenen Arbeitnehmer sichere. Darüber hinaus hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass eine solche Sicherung des entsprechenden Lagerbereiches auch gar nicht möglich sei, weil sonst entsprechende massive bauliche Veränderungen durchgeführt werden müssten.
(2.5) Der Umstand, dass die Klägerin die fragliche Zeitschrift zu einem späteren Zeitpunkt auch von der Beklagten kostenlos erhalten hätte, ändert an der Bewertung nichts. Es mag ja noch ihrer Neugier geschuldet sein, dass sie die Zeitung nicht erst dann erhalten wollte, wenn sie im Verkauf erhältlich ist bzw. schon einige Tage alt ist. Das rechtfertigt es aber gerade nicht, dass sie von den verschiedenen Zeitschriften gleich mehrere Exemplare zur Beglückung von Freunden und Bekannten entwendet.
(2.6) Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.2009 (2 AZR 103/08) ergibt sich nichts anderes. Zwar ist das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalles ausnahmsweise eine Abmahnung erforderlich gewesen ist, obwohl auch hier ein Vermögensdelikt zumindest im Raume stand. Jedoch betont es zugleich, was die Klägerin nicht erwähnt, dass selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Eigentums- und Vermögensdelikte kann es danach Fälle geben, in denen eine Abmahnung nicht ohne Weiteres entbehrlich erscheint (vgl. KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264 mwN; Schaub NZA 1997, 1185, 1186). Dies gilt etwa, wenn dem Arbeitnehmer zwar die Verbotswidrigkeit seines Verhaltens hinreichend klar ist, er aber Grund zu der Annahme haben durfte, der Arbeitgeber würde dieses nicht als ein so erhebliches Fehlverhalten werten, dass dadurch der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel stünde," (Rn 33 a.E.) Die Entbehrlichkeit der Abmahnung bei Diebstählen ist danach auf besondere Fallgestaltungen beschränkt.
Zudem ergibt sich aus Rn. 34 dieser Entscheidung, dass es hier besondere Umstände des Einzelfalles gegeben hat, aus denen sich ergab, dass die Beklagte in jenem Fall vergleichbare Umgehungen der dortigen Sachbezugsregelung unter bestimmten Voraussetzungen hingenommen hat. An derartigen Umständen fehlt es gerade im vorliegenden Fall. Vielmehr kann die Klägerin nichts dazu vortragen, dass die Beklagte Diebstähle in der Vergangenheit hingenommen hätte, im Gegenteil spricht das Verhalten des Geschäftsführers Herrn … dafür, dass dieser - trotz allem persönlichen Bedauern - sich gezwungen sah, aufgrund konsequenter Ahndung von Diebstählen eine Kündigung auszusprechen.
Aus diesem Grunde besteht auch ohne erfolglose Abmahnung eine negative Prognose. Durch das Verhalten der Klägerin ist das Vertrauen in ihre persönliche Integrität in einem solchen Ausmaß erschüttert, dass auf die Abmahnung verzichtet werden konnte und auch ohne erfolglose Abmahnung das notwendige Vertrauen für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dauerhaft entfallen ist.
3. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht dazu, dass die Kündigung aufgrund besonderer Umstände der Interessenabwägung im konkreten Fall sozial nicht gerechtfertigt wäre. Zwar ist auf der einen Seite die langjährige Betriebszugehörigkeit der Klägerin zu sehen, nach der das Arbeitsverhältnis seit 29 Jahren ohne Beanstandung besteht. Dem gegenüber fallen aber zugunsten der Beklagten zum einen ins Gewicht, dass die Klägerin Waren im Verkaufswert von rund 25,00 € gestohlen hat, dass sie diese Waren gestohlen hat, um sie an Freunde und Bekannte zu verschenken ohne Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Beklagten und dass sie die Tat jedenfalls nicht spontan im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit begangen hat, sondern den Diebstahl in einem Bereich begangen hat, der jedenfalls nicht ihr eigentlicher Arbeitsbereich ist, sondern von diesem räumlich entfernt gewesen ist. Der von der Klägerin angeführte Umstand ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Sohn und evtl. ihrem Ehemann (wobei darauf hinzuweisen ist, dass das Einkommen des Ehemannes höher ist als ihr eigenes Einkommen, sodass seinerzeit keine familienrechtlichen aktuellen Unterhaltsverpflichtungen bestanden haben dürften) ändert daran auch nichts. Der Arbeitnehmer hat seine Unterhaltsverpflichtungen und seine persönliche gesundheitliche Situation zu bedenken, bevor er eventuelle Diebstähle begeht und diese Umstände können in der Interessenabwägung im Rahmen einer Kündigung wegen Diebstahls im Regelfall nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
4. Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte die Betriebsratsanhörung korrekt durchgeführt hat. Soweit es davon ausgegangen ist, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Frist für die Stellungnahme des Betriebsrats bereits abgelaufen war, wird dies von der Berufung nicht weiter angegriffen. Soweit das Arbeitsgericht davon ausgegangen ist, dass die Beklagte dem Betriebsrat die Kündigungsgründe in ausreichendem Umfang mitgeteilt hat, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Ergänzend ist hinzu zu fügen, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat zwar die für die Kündigung maßgeblichen Gründe auf der Grundlage seiner subjektiven Vorstellungen mitzuteilen hat, nicht jedoch mit dem Betriebsrat bereits einen Kündigungsschutzprozess durchzuführen hat. Der Umstand, dass die Beklagte von keiner Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin ausging und dass sie auch eine Abmahnung für entbehrlich hielt, ergibt sich bereits daraus, dass sie im Rahmen der Betriebsratsanhörung weder eine Abmahnung erwähnt hat noch sich mit einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auseinandergesetzt hat. Für den Betriebsrat war damit ohne weiteres zu erkennen, dass die Beklagte beides für entbehrlich bzw. nicht gegeben hielt. Im Übrigen ist auch die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung im vorliegenden Fall nicht zu erwähnen gewesen, denn wenn das persönliche Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers durch einen Diebstahl soweit erschüttert ist, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten ist, dann betrifft dies in der Regel sämtliche denkbare Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsverhältnis, nicht nur den konkreten Arbeitsplatz, den der Arbeitnehmer bisher inne gehabt hat. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Klägerin nicht an ihrem konkreten Arbeitsplatz, sondern in einem darunter liegenden Erdgeschoss den Diebstahl begangen hat, als sie sich in der Pause befunden hat. Die bloße Erwähnung, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus Sicht der Beklagten nicht besteht, wäre ein bloßer Formalismus. Die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt sich für den Betriebsrat aus dem Kontext der gesamten Darstellung der Kündigungsgründe. Letztendlich verlangt die Klägerin von der Beklagten, dass sie mit dem Betriebsrat bereits Rechtsausführungen zur Frage der Entbehrlichkeit der Abmahnung erörtert, die jedoch erst vor Gericht maßgeblich sind. Die Beklagte hat im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats die Tatsachen für die ausgesprochene Kündigung mitzuteilen. Rechtsfragen über die Frage der Entbehrlichkeit der Abmahnung braucht sie hier nicht mit dem Betriebsrat zu erörtern. Das Arbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, dass nach den Grundsätzen der subjektiven Determination dann, wenn die Beklagte eine Abmahnung für entbehrlich hält, allein der Umstand, dass sie eine solche Abmahnung nicht erwähnt, genügt. Die Entbehrlichkeit der Abmahnung ist eine Rechtsfrage, keine Tatsachenfrage.
Aus den genannten Gründen war die Kündigung sozial gerechtfertigt und die Anhörung des Betriebsrats genügt den gesetzlichen Anforderungen. Die Kündigung ist daher wirksam. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage und den unbedingt gestellten Weiterbeschäftigungsanspruch zu Recht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil hatte daher keinen Erfolg und war zurückzuweisen.
III.
Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die vorliegende Entscheidung ergeht auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es ist in erster Linie Sache der Instanzgerichte, den Wertungsspielraum bezüglich der Frage, inwieweit Diebstähle von geringem wirtschaftlichem Schaden ein Kündigungsgrund sind, zu beurteilen. Daher war entgegen dem Verlangen der Klägerin die Revision nicht zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.
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