„Lehrerbewertung“ im Internet kann Verweis rechtfertigen

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

10. 03. 2010


Aktenzeichen

7 B 09.1906


Leitsatz des Gerichts

Orientierungssätze:

  1. Zwar dürfte ein verschärfter Verweis (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayEUG) wegen des damit implizierten Vorwurfs eines erheblichen schuldhaften Fehlverhaltens unmittelbare Außenrechtswirkung entfalten, jedoch fehlt ihm jedenfalls wegen der Beschränkung auf die bloße pädagogische Missbilligung die für einen Verwaltungsakt notwendige Regelungswirkung.

  2. Die Rechtmäßigkeit eines verschärften Verweises als schlicht-hoheitliche Maßnahmekann im Wege der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) überprüft werden. Eine weiterhin fortdauernde diskriminierende Wirkung ist keine zwingende Voraussetzung des Feststellungsinteresses, weil dem Betroffenen wegen des Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, der unmittelbar durch den Zugang des den verschärften Verweis aussprechenden Schreibens bewirkt wird, im Regelfall keine Möglichkeit einstweiligen oder vorbeugenden Rechtsschutzes verbleibt. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ermöglicht ein nachträgliches Klageverfahren.

  3. Das Begründungsgebot des Art. 39 BayVwVfG gilt nicht unmittelbar für den verschärftenVerweis. Eine Begründung dieser Ordnungsmaßnahme ist zumindest dann entbehrlich, wenn dem Betroffenen die Auffassung der Schule über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt war (vgl. Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG); ebenso kann ein etwaiger Begründungsmangel bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden (Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG).

  4. Wenn ein Schüler außerhalb der Schule in einem allgemein zugänglichen Internetforum Mitschüler und andere Besucher auffordert, ihre Zu- oder Abneigung über das dienstliche Verhalten eines namentlich genannten Lehrers seiner Schule zu äußern („Meinungsumfrage“) und damit den Lehrer der Gefahr von anonymen Beleidigungen und Beschimpfungen durch Mitschüler, die das für den Schulunterricht unabdingbare Vertrauensverhältnis zerstören können, aussetzt, kann eine Störung des Schulfriedens angenommen und als Ordnungsmaßnahme ein verschärfter Verweis ausgesprochen werden.

  5. Die „spickmich“-Entscheidung des BGH (BGHZ 181, 328) ist nicht auf Fälle übertragbar, in denen – anders als bei „spickmich“ – der Besucher eines Internetforums eigene Textbeiträge verfassen kann und somit anonyme Beleidigungen eines Lehrers nicht durch den Aufbau des Portals von vornherein technisch ausgeschlossen sind.

Hinweis:

Das Urteil greift wichtige Grundsatzfragen auf, ist aber noch nicht rechtskräftig.


Leitsätze:

  1. Ein verschärfter Verweis durch den Schulleiter nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayEUG ist mangels Regelung kein Verwaltungsakt und daher nur im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage gerichtlich angreifbar.

  2. Eröffnet ein Schüler ein jedermann zugängliches Internet-Forum, in dem über einen bestimmten Lehrer anonyme Kommentare abgegeben werden können, so rechtfertigt dieses außerschulische Verhalten wegen seiner möglichen Auswirkungen auf die Vertrauensbeziehungen innerhalb der Schule den Erlass einer förmlichen Ordnungsmaßnahme.

Tenor

  1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


Tatbestand:

Der am 18. Juni 1994 geborene Kläger, der im Schuljahr 2007/08 die achte Jahrgangsstufe eines Gymnasiums besuchte, wendet sich mit seiner Klage gegen einen vom Schulleiter ausgesprochenen verschärften Verweis.

Während der damaligen Herbstferien eröffnete der Kläger am 31. Oktober 2007 auf dem privat betriebenen regionalen Online-Portal Paf-Net ein Diskussionsforum (sog. Thread) zu dem Thema „wer mag bitteschön herrn ...??“ Unter dem Pseudonym „sagichnich“ beantwortete der Kläger diese Frage mit „wer mag bitteschön herrn ...?? alsoichnich!! Der mit seinem Fenstertick*omg*“. In den nachfolgenden Tagen wurden in dem genannten Internetforum mehrere, zum Teil negative Äußerungen über die Person und den Unterricht des betreffenden Lehrers abgegeben, wobei die jeweiligen Verfasser nicht namentlich in Erscheinung traten.

Nachdem der Schulleiter deswegen den Kläger zunächst mit Bescheid vom 16. November 2007 für vier Tage vom Unterricht ausgeschlossen hatte, hob er diese Maßnahme mit einem an die Eltern des Klägers gerichteten Schreiben vom 4. Dezember 2007 wieder auf und erteilte zugleich dem Kläger einen verschärften Verweis.

Der Kläger erhob dagegen Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,

den Bescheid vom 4. Dezember 2007 aufzuheben, soweit darin ein verschärfter Verweis gegenüber dem Kläger erteilt wird.

Er sei durch die angegriffene Maßnahme rechtlich betroffen, da der zugrunde liegende Vorfall im Zwischenzeugnis der 8. Klasse zu einer negativen Bemerkung geführt habe. Im Bescheid vom 4. Dezember 2007 werde nicht unmittelbar erläutert, aufgrund welchen Fehlverhaltens der verschärfte Verweis erteilt worden sei. Nur aus dem Zusammenhang lasse sich entnehmen, dass die Schule die Ordnungsmaßnahme für erforderlich halte. Im vorliegenden Fall reichten aber andere Erziehungsmaßnahmen aus, nachdem der Kläger sofort bereitwillig und ohne zu zögern an der Wahrheitsfindung mitgearbeitet und sein Verhalten bereut habe. Er habe sowohl eine schriftliche Stellungnahme gegenüber dem Lehrer als auch eine schriftliche Entschuldigung abgegeben. Die Schulleitung sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Fragestellung im Internet als Aufruf zur Beleidigung des betreffenden Lehrers zu verstehen sei. In das Internet-Portal, das in seinem für Schüler zugänglichen Teil eine Art „virtuellen Pausenhof“ bilde, hätten sich Lehrer des Gymnasiums unter einem Code-Namen eingeloggt, um über die dort vertretenen Meinungen Kenntnisse zu erlangen. Der Kläger habe lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Die Frage des Klägers und seine eigene Antwort darauf hätten keinen beleidigenden Charakter gehabt und auch nicht darauf abgezielt, Beleidigungen des Lehrers durch andere Mitschüler zu provozieren. Er habe weder eine Schmähkritik geübt noch seine Mitschüler aufgefordert, eine solche abzugeben. Die Ordnungsmaßnahme sei unverhältnismäßig und überdies von der Schule nicht ermessensfehlerfrei begründet worden.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Eine Anfechtungsklage sei unstatthaft, da es sich bei dem verschärften Verweis um keinen Verwaltungsakt handele. Für eine allgemeine Leistungsklage fehle es an der Klagebefugnis, weil durch den Erziehungscharakter der verhängten Maßnahme keine Rechtsbetroffenheit des Schülers bestehe. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, da der verschärfte Verweis zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule erforderlich gewesen sei. Schüler hätten nach Art. 56 Abs. 4 BayEUG alles zu unterlassen, was den Schulbetrieb oder die Ordnung der von ihnen besuchten Schule stören könnte. Der Kläger habe in das Internetforum einen auf einen seiner Lehrer bezogenen Beitrag eingestellt, der geeignet gewesen sei, den Schulfrieden und den geordneten Schulbetrieb nicht unerheblich zu stören. Schüler seien verpflichtet, die Persönlichkeitsrechte aller im Schulalltag miteinander vereinten Menschen zu beachten. Abwertende oder entwürdigende Schüleräußerungen könnten auch dann zu Ordnungsmaßnahmen führen, wenn die Schwelle der Strafbarkeit noch nicht überschritten sei. Die Verbreitung des Namens eines Lehrers im Internet und die damit verbundene Vermittlung eines abwertenden Persönlichkeitsbilds sei eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung, die Anlass zu einer Ordnungsmaßnahme geben dürfe. Der betroffene Lehrer sei in Folge der Internetpublizität der Gefahr ausgesetzt, durch die abgegebene Bewertung der Lächerlichkeit und dem Gespött weiterer Schüler ausgesetzt zu werden. Die Schüler des Gymnasiums seien hier bereits durch Veröffentlichungen des Schulleiters in der Schülerzeitung sowie im Jahresbericht 2007 auf die von Internetforen ausgehenden Gefahren für den Schulfrieden ausdrücklich hingewiesen worden. Der Kläger habe mit der von ihm gewählten abwertenden Wortwahl die Ebene sachlicher und angemessen artikulierter Kritik verlassen, da mit dem Begriff „Fenstertick“ ein Zwangsverhalten bzw. eine Zwangsstörung und damit eine möglicherweise bereits krankhafte Störung der psychischen Gesundheit des Lehrers angedeutet werde. Eine weitere schriftliche Begründung des verschärften Verweises sei im Hinblick auf die allen Beteiligten umfänglich bekannten Hintergründe des Falles entbehrlich gewesen.

Mit Urteil vom 27. April 2009 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab. Bereits durch die Art der Fragestellung und verstärkt durch die von ihm selbst gegebene Antwort habe der Kläger sein Missfallen und seine Abneigung gegen den Lehrer in nicht unerheblicher Weise bekundet. Es sei ihm erkennbar darauf angekommen, den betroffenen Lehrer negativ darzustellen und andere Schüler dadurch ebenfalls zu negativen Äußerungen zu provozieren. Mit seiner tendenziell negativen Darstellung habe er anderen Schülern die Möglichkeit eröffnet, ebenfalls ähnliche Äußerungen über den betroffenen Lehrer im Internet zu veröffentlichen. Damit habe er dessen Persönlichkeitsrecht verletzt und gegen das Toleranz- und Achtungsgebot verstoßen, auf dessen Einhaltung die Schule auch im Rahmen ihres Erziehungsauftrags zu achten habe. Das ordnungswidrige Verhalten habe aufgrund der großen Publizität des Internetforums ein Maß erreicht, das einen verschärften Verweis rechtfertige und das etwa über eine mehrmalige Unterrichtsstörung, die in der Regel einen Verweis nach sich ziehe, hinausgehe.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 27. April 2009 festzustellen, dass der verschärfte Verweis vom 4. Dezember 2007 rechtswidrig war.

Es werde bestritten, dass die mit Ordnungsmitteln geahndete Äußerung des Klägers einen ehrverletzenden Gehalt aufweise. Der Kontext der Äußerung im Zusammenhang mit der Kritik an der „Fensteröffnungspraxis“ des angegangenen Lehrers spreche dagegen, dass der Kläger diesem die geistige Gesundheit habe absprechen und ihn damit ungeachtet seines Sachanliegens habe denunzieren wollen. Die abfälligen Äußerungen anderer Internetnutzer seien dem Kläger nicht zuzurechnen. Von den insgesamt dreizehn Aussagen seien ohnehin nur vier negativ gewesen. Es handle sich im Übrigen um eine außerschulische Handlung des Klägers, die weder in zeitlichem noch in örtlichem Zusammenhang mit der Schule gestanden habe. Nach den Benutzungsbedingungen von Paf-Net habe der Kläger davon ausgehen können, dass es sich um eine nur eingeschränkt öffentliche Plattform gehandelt habe, bei der die Schüler von Lehrerseite unkontrolliert und unbeobachtet ihre Meinung äußern konnten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bewertung von Lehrern im Internet („spickmich“) liege ein anderer Sachverhalt zugrunde, da sich die Schüler dort nur im Rahmen vorformulierter Bewertungskategorien äußern könnten. Der Kläger habe das Forum zwar außerhalb der Schule eröffnet; auch außerschulisches Verhalten dürfe aber nach Art. 86 Abs. 8 BayEUG Anlass einer Ordnungsmaßnahme sein, soweit es die Verwirklichung der Aufgabe der Schule gefährde. Aus der maßgeblichen ex-ante- Sicht habe die Schule von einer solchen Störung ausgehen können, da nach Eröffnung des Forums in der Schule Flugblätter entdeckt worden seien, die wiederum anonym herabsetzende Äußerungen über den betreffenden Lehrer enthalten hätten. Der Kläger habe das Forum trotz der dort enthaltenen beleidigenden Äußerungen nicht geschlossen, was jederzeit möglich gewesen wäre. Für ein gedeihliches Schüler-Lehrer-Verhältnis sei ein Minimum an gegenseitiger Achtung erforderlich, mit dem eine von vornherein tendenziell pejorative und in der Öffentlichkeit des Internets ausgetragene Auseinandersetzung nicht vereinbar sei. Schon die in der Überschrift des Forums gestellte Suggestivfrage und der einleitende Textbeitrag des Klägers zeigten, dass eine Sammlung herabsetzender Textbeiträge zu dem genannten Lehrer beabsichtigt gewesen sei. Auch wenn man die Tat noch als „Schülerstreich“ werte, sei die getroffene Maßnahme verhältnismäßig. Dabei habe der Schulleiter davon ausgehen können, dass dem Kläger der Charakter seines Forums als öffentliche Plattform und damit die Breitenwirkung der darin getätigten Aussagen bewusst gewesen sei. Die Bezeichnung „Tick“ sei als ehrverletzend anzusehen. Die Meinungsfreiheit sei hier mit der ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten schulischen Aufgabenerfüllung abzuwägen. Der Kläger habe nur seinem privaten Unmut „Luft machen“ und entsprechend negative Äußerungen anderer provozieren wollen, so dass kein Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf vorliege. Es habe sich um kein geschlossenes Forum gehandelt, zu dem Lehrkräfte aufgrund einer verbindlichen Regelung keinen Zugriff gehabt hätten und das daher von Lehrern unzulässigerweise „ausgespäht“ worden sei. Nachdem ein verschärfter Verweis – unbeschadet des Vermerks in der Schülerakte – von der Schule des Klägers nach Ablauf eines Jahres nicht mehr im Rahmen anstehender Ordnungsmaßnahmen berücksichtigt werde, erscheine zum jetzigen Zeitpunkt das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage zweifelhaft.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. April 2009 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den verschärften Verweis vom 4. Dezember 2007 zu Recht abgewiesen. Die genannte Ordnungsmaßnahme war rechtmäßig.

1. Die Klage ist in der Form einer allgemeinen Feststellungsklage zulässig (§ 43 VwGO).

a) Bei der angegriffenen Maßnahme handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, gegen den nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorrangig im Wege einer Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) vorgegangen werden müsste. Verwaltungsakt in diesem (prozessrechtlichen) Sinne ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl. § 35 Satz 1 VwVfG bzw. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG). Einem verschärften Verweis nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayEUG dürfte zwar – anders als einer mündlichen Rüge oder einem Klassenbucheintrag – unmittelbare Außenrechtswirkung zukommen, da die vom zuständigen Schulleiter außerhalb des laufenden Unterrichtsbetriebs vorgenommene disziplinarische Ahndung in Form einer „Schulstrafe“ den Vorwurf eines erheblichen schuldhaften Fehlverhaltens impliziert, so dass damit jedenfalls in das von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Schülers eingegriffen wird (vgl. NdsOVG vom 19.12.1972 DVBl 1973, 280 f.; Niehues/ Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 4. Aufl. 2006, RdNr. 382; offen gelassen in BayVGH vom 23.5.1990 NVwZ-RR 1990, 608/609).

Dennoch liegt kein Verwaltungsakt vor, weil sich der Verweis im Unterschied zu den in Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 10 BayEUG vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen (Versetzung in eine Parallelklasse, Ausschluss vom Unterricht, Zuweisung an eine andere Schule, Entlassung von der Schule oder Androhung derselben, Ausschluss von allen Schulen) auf eine erzieherische Bewertung beschränkt und eine solche bloße Missbilligung eines ordnungswidrigen Verhaltens keine Einzelfallregelung darstellt. Eine „Regelung" ist nur anzunehmen, wenn die behördliche Maßnahme auf eine verbindliche Rechtsfolge gerichtet ist, d. h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (BVerwG vom 20.5.1987 BVerwGE 77, 268/271 m.w.N., zuletzt BVerwG vom 5.11.2009 NVwZ 2010, 133/134). Der verschärfte Verweis löst in diesem Sinne keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus. Er soll dem betreffenden Schüler nur nach Art einer Abmahnung eindringlich vor Augen führen, dass die Schule ein bestimmtes Handeln nicht (mehr) hinnimmt (vgl. Niehues/Rux, a.a.O., RdNr. 392; Kiesl/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Erl. 6,7 zu Art. 86 BayEUG; s. allgemein U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, RdNr. 84 zu § 35).

Dass die Ordnungsmaßnahme auf der „Feststellung“ eines sanktionswürdigen Sachverhalts durch den Schulleiter beruht, deutet nicht auf einen Regelungsgehalt hin, da auch für Realakte rechtliche Vorgaben gelten und die Notwendigkeit einer vorherigen Prüfung der Rechtslage daher noch nichts über die Handlungsform aussagt (BVerwG vom 20.5.1987 a.a.O., S. 274). In der bloßen Erteilung eines verschärften Verweises liegt weder die verbindliche (und damit bestandskraftfähige) Feststellung, Begründung, Änderung, Aufhebung oder Verneinung von Rechten des betroffenen Schülers noch die bescheidsmäßig konkretisierte (und daher ggf. vollstreckbare) Anordnung, das gerügte Verhalten künftig zu unterlassen. Die in dem Verweis enthaltene Beanstandung ist nach geltendem Recht auch keine zwingende Voraussetzung dafür, dass das Fehlverhalten dem Schüler noch in späteren Zeugnissen oder Ordnungsverfahren vorgehalten werden kann (zu einer solchen gesetzlichen Verknüpfung BVerwG vom 25.4.2001 BVerwGE 114, 160/162).

Da die nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Effektivität des Rechtsschutzes angesichts der Generalklausel des § 40 VwGO nicht von der Qualifizierung einer hoheitlichen Maßnahme als Verwaltungsakt abhängt (vgl. BVerwG vom 20.5.1987 BVerwGE 77, 268/ 274 f.), bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, den verschärften Verweis nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayEUG als schlicht-hoheitliche Maßnahme der Schule anzusehen (ebenso i. E. Kiesl/Stahl, a.a.O.; VG München vom 7.1.2002 Az. M 3 K 01.3920 ., a. A. Niehues/Rux, a.a.O., RdNr. 387; Tangermann, BayVBl 2008, 357/362; VG Trier vom 25.9.2008 Az. 5 K 557/08.TR ; offen gelassen in BayVGH vom 26.6.2000 Az. 7 B 99.2731 ). Diese Einordnung dürfte auch der Vorstellung des Gesetzgebers entsprechen, der von der Regelung des Art. 86 Abs. 14 BayEUG, wonach Widerspruch und Klage gegen schulische Ordnungsmaßnahmen keine aufschiebende Wirkung haben, die einfachen und verschärften Verweise nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayEUG ausdrücklich ausgenommen hat, weil dort eine solche Vorschrift „nicht notwendig“ sei (MdL Eisenreich in LT-Plenarprotokolll 15/48 S. 3628).

b) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO sind gegeben. Der Rechtsstreit betrifft ein konkretes (früheres) Rechtsverhältnis zwischen der Schule und dem Kläger, da es um die Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage geht, ob der Schulleiter den verschärften Verweis vom 4. Dezember 2007 unter den damaligen Umständen erlassen durfte. An der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Ordnungsmaßnahme hat der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation nach wie vor ein berechtigtes Interesse.

Es spricht zwar wenig dafür, dass der Kläger durch den verschärften Verweis auch heute noch – mehr als zwei Jahre nach dessen Bekanntgabe – spürbar in seiner emotionalen Integrität oder in seinem sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt ist. Ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung kommt aber nicht nur in Betracht, wenn abträgliche Nachwirkungen einer erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen, sondern im Einzelfall auch dann, wenn die besondere Art des (Grundrechts-) Eingriffs im Hinblick auf den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz eine Anerkennung des Feststellungsinteresses verlangt (BVerwG vom 29.4.1997 BayVBl 1997, 761/762). Hiernach kann dem Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Der mit dem verschärften Verweis verbundene faktische Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht erfolgte unmittelbar mit Zugang des Schreibens der Schule vom 4. Dezember 2007, ohne dass sich der Kläger dagegen im Wege einstweiligen oder vorbeugenden Rechtsschutzes hätte zur Wehr setzen können. Ihm blieb somit von vornherein nur die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Ordnungsmaßnahme in einem nachträglichen Klageverfahren überprüfen zu lassen. Dürfte das dafür notwendige Feststellungsinteresse schon deswegen verneint werden, weil sich aus dem Verweis zum Zeitpunkt des Urteils keine belastenden Wirkungen mehr ergeben, so wäre die Maßnahme nur wegen der – vom Kläger kaum zu beeinflussenden – Verfahrensdauer jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG fordert aber zumindest die Möglichkeit, über die gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine ausdrückliche Genugtuung (Rehabilitation) und damit einen gewissen Ausgleich für eine frühere Persönlichkeitsverletzung zu erlangen (vgl. BVerwG vom 21.11.1980 BVerwGE 61, 164/166; BayVGH vom 19.2.2008 BayVBl 2009, 343). Eine weiterhin fortdauernde diskriminierende Wirkung der behördlichen Maßnahme ist unter diesen Umständen nicht zwingende Voraussetzung eines Feststellungsinteresses.

Der Beklagte ist auch in seinen während des vorliegenden Verfahrens abgegebenen Erklärungen nicht von der Auffassung abgerückt, dass der streitgegenständliche verschärfte Verweis rechtmäßig gewesen sei. Da nur eine gegenteilige Erklärung geeignet gewesen wäre, dem Kläger die angestrebte Genugtuung zu verschaffen, besteht dessen Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit weiter.

2. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, da der verschärfte Verweis vom 4. Dezember 2007 rechtmäßig war.

a) Die auf Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayEUG gestützte Ordnungsmaßnahme ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie wurde vom Schulleiter als dem gesetzlich zuständigen Organ erlassen. Der Kläger erhielt zuvor ausreichend Gelegenheit zur Äußerung, da er laut eigenem Vorbringen am 16. November 2007 vom Schulleiter im Beisein des Vertrauenslehrers zu dem Internetforum befragt und dabei auf mögliche ordnungsrechtliche Folgen seines Verhaltens hingewiesen wurde. Einer Anhörung (auch) der Erziehungsberechtigten des Schülers bedurfte es hier nicht, da Art. 86 Abs. 9 Satz 2 BayEUG dies nur für die weitergehenden Ordnungsmaßnahmen nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 10 BayEUG verlangt.

Der verschärfte Verweis vom 4. Dezember 2007 war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil ihm keine ausdrückliche schriftliche Begründung beigefügt war. Das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz sieht für Ordnungsmaßnahmen keine spezielle Begründungspflicht vor. Auch Art. 39 BayVwVfG findet bei einem verschärften Verweis keine (unmittelbare) Anwendung, da es sich insoweit um keinen Verwaltungsakt handelt. Selbst wenn man die Vorschrift als Ausdruck eines im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden allgemeinen Verfahrensgrundsatzes ansieht, der auch auf bestimmte schlicht-hoheitliche Äußerungen Anwendung finden muss (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, RdNr. 8 ff. zu § 39), wäre im vorliegenden Fall nicht dagegen verstoßen worden. Der Schulleiter hat, wie sich aus den Akten ergibt, den ursprünglich angeordneten viertägigen Unterrichtsausschluss in seinem Schreiben vom 16. November 2007 ausführlich begründet. Nachdem er diesen Bescheid auf den Widerspruch des Klägers hin zurückgenommen und durch die weniger einschneidende Maßnahme eines verschärften Verweises ersetzt hatte, musste er die dem Kläger zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht (nochmals) darlegen, da dem Adressaten der Maßnahme der entsprechende Rechtsstandpunkt der Schule bereits bekannt war und sich daran ersichtlich nichts geändert hatte (vgl. Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG). Die für den Verweis maßgeblichen Gründe hat der Beklagte im Übrigen auch noch im gerichtlichen Verfahren ausführlich erläutert, so dass ein etwaiger Verfahrensverstoß jedenfalls nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG geheilt wäre.

b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist der verschärfte Verweis nicht zu beanstanden. Die Schule durfte das damalige Verhalten des Klägers als gravierende Pflichtverletzung ansehen und darauf mit ordnungsrechtlichen Mitteln reagieren (aa); die gewählte Maßnahme war der Schwere des Verstoßes angemessen (bb).

aa) Zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder zum Schutz von Personen und Sachen können, soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit förmliche Ordnungsmaßnahmen gegenüber einzelnen Schülern getroffen werden (Art. 86 Abs. 1 BayEUG), wobei ein außerschulisches Verhalten dafür nur Anlass sein darf, soweit es die Verwirklichung der Aufgabe der Schule gefährdet (Art. 86 Abs. 8 BayEUG). Im vorliegenden Fall ist der Schulleiter zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger mit der vom häuslichen Computer aus vorgenommenen Eröffnung des Internet-Diskussionsforums über einen seiner Lehrer (auch) die ihm als Schüler obliegenden Verhaltenspflichten in einer Weise verletzt hat, die sich nachteilig auf den Schul- und Unterrichtsbetrieb auswirken konnte.

Nach Art. 56 Abs. 4 BayEUG haben sich alle Schülerinnen und Schüler so zu verhalten, dass die Aufgabe der Schule erfüllt und das Bildungsziel erreicht werden kann (Satz 1); sie haben alles zu unterlassen, was den Schulbetrieb oder die Ordnung der von ihnen besuchten Schule stören könnte (Satz 3). Diese allgemeinen Pflichten, die aus der verfassungsrechtlich geforderten Funktionsfähigkeit des öffentlichen Schulwesens (Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 130 Abs. 1 BV) abzuleiten sind und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV) ebenso wie der grundrechtlich gewährleisteten Meinungsfreiheit der Schüler (Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 110 Abs. 1 BV) rechtliche Schranken setzen (vgl. Niehues/Rux, a.a.O., RdNrn. 499 ff. m.w.N.), können in bestimmten (Ausnahme-) Fällen auch durch ein außerschulisches Verhalten verletzt sein (Kiesl/Stahl, a.a.O., Erl. 6 zu Art. 56). Dies setzt allerdings voraus, dass die betreffenden Handlungen bzw. Meinungsäußerungen sich unmittelbar auf die Schule beziehen und deren Bildungsauftrag ernstlich gefährden (vgl. Niehues/ Rux, a.a.O., RdNr. 509). Beides war hier anzunehmen.

Der Kläger hat auf dem von Schülern seiner Schule häufig genutzten Internetportal während der Ferienzeit ein Forum eröffnet, mit dem, wie bereits der Titel zeigt („wer mag bitteschön herrn ...??“), die von dem erwähnten Lehrer unterrichteten Mitschüler angesprochen wurden. Diese wurden durch die spezielle Art der Fragestellung aufgefordert, ihre Empfindungen und Erfahrungen in Bezug auf die genannte Person zu schildern. Damit wollte der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, eine Diskussion über bestimmte, von ihm als unangemessen erachtete Verhaltensweisen des Lehrers ... anstoßen. Sowohl die Bezeichnung des Themas als auch die einleitende Bemerkung des Klägers („Der mit seinem Fenstertick…“) ließen nach außen hin deutlich erkennen, dass es um Kommentare zur Persönlichkeit und zum Unterrichtsverhalten der namentlich bezeichneten Lehrkraft aus der Sicht von Schülern gehen sollte. Am unmittelbaren schulischen Bezug des Internet-Forums kann demnach kein Zweifel bestehen.

Mit der Gestaltung des Forums und den gewählten Formulierungen hat der Kläger die Erfüllung des schulischen Bildungsauftrags konkret gefährdet, weil damit eine Ursache für mögliche persönliche Spannungen und Konflikte zwischen Schulangehörigen gesetzt wurde. Zwar dürfen Schüler in Ausübung ihrer grundrechtlichen Meinungsfreiheit das in der Schule gezeigte Verhalten ihrer Lehrer grundsätzlich auch im außerschulischen Rahmen diskutieren und negative Werturteile darüber abgeben. Selbst eine scharf formulierte Kritik ist, solange sie die Grenze zur Strafbarkeit oder zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht überschreitet, von der betroffenen Lehrkraft hinzunehmen und kann die Funktionsfähigkeit der Schule nicht beeinträchtigen (vgl. Niehues/Rux, a.a.O., RdNr. 520; VG Hannover vom 30.5.2007 NVwZ-RR 2008, 35/36). Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass der Kläger mit der Eröffnung des Forums über den einzelnen Lehrer nicht lediglich seine Meinung zu dessen Unterricht kundgetan, sondern zugleich die spezifische Gefahr begründet hat, die betreffende Person anonymen Beleidigungen und Beschimpfungen von Mitschülern auszusetzen und so die für den Schulunterricht unabdingbare Vertrauensbasis zu zerstören. Ob die unter der Verfasserangabe „sagichnich“ abgegebene eigene Bemerkung des Klägers über den „Fenstertick“ des Lehrers ihrerseits beleidigend war, kann dahinstehen. Schon die vorherige anonyme Aufforderung an Mitschüler und andere Besucher der Internetseite, ihre Zu- oder Abneigung bezüglich der genannten Person zum Ausdruck zu bringen, war objektiv geeignet, ehrverletzende Äußerungen zu provozieren, zumal mit der tendenziösen Formulierung der Frage („wer mag bitteschön…“) ebenso wie mit dem einleitenden Beitrag („alsoichnich!!“) bereits eine ablehnende Grundtendenz vorgegeben war.

In der Eröffnung des Forums lag ein dem Kläger vorwerfbarer Verstoß gegen schulrechtliche Verhaltenspflichten, weil er damit für seine Mitschüler einen erhöhten Anreiz geschaffen hat, sich in ehrverletzender Weise öffentlich über einen Lehrer zu äußern. Es entspricht allgemeiner Erfahrung und musste auch dem damals dreizehnjährigen Kläger bekannt sein, dass die Hemmschwelle für Beleidigungen deutlich absinkt, wenn der mögliche Täter damit rechnen kann, unerkannt zu bleiben. Bei dem hier zu beurteilenden Internetforum, zu dem sich jedermann unter einem beliebigen Phantasienamen als Teilnehmer anmelden konnte, lag diese Voraussetzung vor. Wie die Gesamtliste der Beiträge zeigt, gab keiner der Diskutanten seine wirkliche Identität zu erkennen. In dieser Atmosphäre allgemeiner Anonymität fiel es den Verfassern der Beiträge besonders leicht, die Grundregeln des sozialen Umgangs zu missachten und sich in persönlich verletzender Form über den genannten Lehrer zu verbreiten. Wie oft es bis zur Schließung des Forums tatsächlich zu solchen Beleidigungen kam, ist für die Bewertung des klägerischen Verhaltens nicht entscheidend.

Ob das Eröffnen eines derartigen Internetforums auch dann Ordnungsmaßnahmen gerechtfertigt hätte, wenn der Zugang dazu etwa mittels eines Passworts auf eine vorher festgelegte Personengruppe, z. B. auf die Schüler einer bestimmten Klasse, beschränkt gewesen wäre, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall spricht nichts dafür, dass es sich um einen vor unbefugten Einblicken abgeschirmten vertraulichen Meinungsaustausch gehandelt haben könnte. Der Kläger wollte zwar mit seinem Forum gezielt nur die Schüler des von ihm besuchten Gymnasiums ansprechen. Andere an dem Thema interessierte Personen wie z. B. Lehrer oder Eltern waren aber rechtlich und faktisch in keiner Weise gehindert, sich dort ebenfalls ohne Offenlegung ihrer Identität anzumelden und anschließend alle Diskussionsbeiträge zur Kenntnis zu nehmen oder sogar eigene Bemerkungen beizusteuern. Insofern kann entgegen der Darstellung des Klägers nicht von einer Art „virtuellem Pausenhof“ gesprochen werden, bei dem die Teilnehmer darauf hätten vertrauen dürfen, dass ihre Äußerungen zu keinem Zeitpunkt an die (Schul-) Öffentlichkeit gelangen würden. Wie aus der durchgehenden Verwendung von Pseudonymen (auch seitens des Klägers) erkennbar wird, war den Verfassern der Beiträge durchaus bewusst, dass ihre Äußerungen über den internen Kreis von Schülern hinaus weiteren Personen bekannt werden konnten. Dass die betroffene Lehrkraft und die Schulleitung sich von den Diskussionsinhalten Kenntnis verschafften, wäre demnach selbst dann nicht als unzulässiges Ausforschen eines geschützten Kommunikationsbereichs zu bewerten, wenn die Informationen aufgrund einer anlasslosen Überprüfung gewonnen worden wären. Nach den Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist aber davon auszugehen, dass die Ermittlungen der Schule erst stattfanden, nachdem der genannte Lehrer von seinen die selbe Schule besuchenden Töchtern auf die ihn betreffenden Bemerkungen aufmerksam gemacht worden war.

Der Kläger hat einer unbestimmten Anzahl von Forumsteilnehmern die Gelegenheit verschafft, im Schutze eigener Anonymität einer interessierten Öffentlichkeit den namentlich bezeichneten Lehrer in seinen (angeblich) charakteristischen Wesensmerkmalen präsentieren und ihn bis über die Grenze der Beleidigung hinaus als Person (ab-) qualifizieren zu können. Dass dies zu einer erheblichen psychologischen Belastung des Unterrichts führen und damit die Funktionsfähigkeit der Schule ernsthaft gefährden kann, liegt auf der Hand. Der Lehrer, über den ein bestimmtes (Zerr-) Bild öffentlich verbreitet wird, verliert zumindest bei leicht beeinflussbaren Schülern den für eine erfolgreiche Wissensvermittlung unerlässlichen persönlichen Respekt. Er selbst wird, nachdem ihm die abfälligen Bemerkungen zu seiner Person bekannt geworden sind, seinen Klassen nicht mehr mit der gleichen Unbefangenheit gegenübertreten können wie vorher. Der Verlust des Grundvertrauens in einen fairen und offenen Umgang miteinander kann je nach Lehrerpersönlichkeit entweder zu einem konfrontativen Unterrichtsstil führen oder zu einer (ebenso verfehlten) übertriebenen Anpassung an die Wünsche der Schüler mit dem Ziel, keine weiteren Angriffsflächen zu bieten. Eine einschüchternde Wirkung kommt dem „Internet-Pranger“ vor allem deshalb zu, weil der betroffene Lehrer bei dieser medialen Verbreitungsform damit rechnen muss, dass anonyme Schmähungen oder auch unzutreffende Tatsachenbehauptungen zu seiner Person nicht bloß innerhalb einer begrenzten Gruppe von Schülern kursieren, sondern jederzeit auch seinem persönlichen und sozialen Umfeld (Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen) zur Kenntnis gelangen können. Das private und berufliche Ansehen eines Lehrers kann auf diese Weise nachhaltig beeinträchtigt werden, ohne dass der Geschädigte die dafür Verantwortlichen identifizieren und zur Rechenschaft ziehen könnte. Um die eigenen Lehrkräfte vor einer solchen Situation zu bewahren und damit die für einen erfolgreichen Unterricht unverzichtbare Vertrauensbeziehung zwischen Lehrern und Schülern zu schützen, darf die Schule entsprechenden Gefahren bereits im Vorfeld auch mittels geeigneter Ordnungsmaßnahmen entgegentreten.

Die Qualifizierung des klägerischen Verhaltens als schulrechtlich sanktionswürdige Pflichtwidrigkeit steht nicht im Widerspruch zum sog. „spickmich“-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 2009 (BGHZ 181, 328), das die Bewertung von Lehrern im Internet für grundsätzlich zulässig erklärt hat. Die genannte Entscheidung, die im Übrigen gerade wegen der Nichtbeachtung des rechtlichen Gesichtspunkts des Schulfriedens auf deutliche Kritik gestoßen ist (vgl. Görisch, DVBl 2010, 155/161 ff.; Ladeur, R & B 1/2010, 3/9; Vogel, R & B 1/2010, 9/11 ff.; Haensle/Reichhold, DVBl 2009, 1329/1332), betrifft eine andere Fallgestaltung. Zum einen geht es dort allein um zivilrechtliche Unterlassungs- oder Löschungsansprüche des betroffenen Lehrers gegenüber dem Betreiber eines Internet-Bewertungsportals und nicht um das öffentlich- rechtliche Sonderverhältnis zwischen der Schule und den für die Eintragungen verantwortlichen Schülern. Zum anderen lässt sich das vom Bundesgerichtshof zu beurteilende bundesweite Schülerportal in seiner inhaltlichen Gestaltung und daher auch in seinen möglichen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit einzelner Schulen nicht vergleichen mit dem vom Kläger eröffneten Internet-Diskussionsforum zu einem bestimmten Lehrer. Bei „spickmich“ werden die Lehrer nur anhand vorgegebener Kriterien mit den schulüblichen Noten von 1 bis 6 bewertet, wobei aus den (in einer bestimmten Mindestzahl) abgegebenen Einzelbewertungen eine durchschnittliche Gesamtnote gebildet und am Ende bekannt gegeben wird. Die Möglichkeit, einen Lehrer in anonymer Form zu beleidigen, ist bei diesem Aufbau des Portals schon technisch ausgeschlossen.

bb) Die Schule hat auf den zutreffend festgestellten Pflichtenverstoß in rechtlich nicht zu beanstandender Weise reagiert. Der dem Kläger erteilte verschärfte Verweis durch den Schulleiter gehört zu den im Gesetz vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayEUG). Er setzt, anders als der schriftliche Verweis durch die jeweilige Lehrkraft (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayEUG), in der Regel bereits einen schwerwiegenden Verstoß gegen schulische Pflichten voraus (Kiesl/Stahl, a.a.O., Erl. 7). Angesichts der erheblichen innerschulischen Spannungen und persönlichen Konflikte, die durch das vom Kläger eröffnete Diskussionsforum entstehen konnten, durfte die Schule diese Voraussetzung ohne Rechtsfehler annehmen.

Für die Auswahl der Ordnungsmaßnahmen kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maß die Erfüllung des Schulzwecks gestört oder gefährdet und die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wurden (vgl. BayVGH vom 2.9.1993 BayVBl 1994, 346 m.w.N.). Es handelt sich um eine pädagogische Ermessensentscheidung, bei der neben der objektiven Feststellung und Gewichtung des Verstoßes auch die Person und das Verhalten des betreffenden Schülers anhand seines individuellen Entwicklungsstandes zu beurteilen ist. Letzteres entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rechtlichen Kriterien und bedingt daher sachnotwendig, ähnlich wie bei sonstigen pädagogischen Werturteilen, einen Bewertungsspielraum des zuständigen Organs. In diesen Bereich spezifisch pädagogischer Wertungen und Überlegungen haben die Verwaltungsgerichte nicht korrigierend einzugreifen; sie können nicht anstelle der Schule eigene pädagogische Erwägungen anstellen. Trotz dieser Grenzen der rechtlichen Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Maßnahme erhobenen Einwendungen nachzugehen und die getroffene Maßnahme auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Sie haben insbesondere zu kontrollieren, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat, ob mit der Wahl der Ordnungsmaßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen wurde und ob die Schule ihre Entscheidung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten (vgl. BayVGH vom 19.2.2008, a.a.O., S. 344).

Hiernach bestehen gegen die Erteilung eines verschärften Verweises keine durchgreifenden Bedenken. Dem ordnungsrechtlichen Einschreiten der Schule lagen erkennbar sachgerechte Überlegungen zugrunde, sie hat insbesondere auf die empfindliche Störung des schulischen Vertrauensverhältnisses verwiesen (s. Bescheid vom 16.11.2007). Bei seiner Auswahlentscheidung durfte der Schulleiter davon ausgehen, dass angesichts der Schwere des Verstoßes eine förmliche Ordnungsmaßnahme angezeigt war, weil andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen würden (Art. 86 Abs. 1 a. E. BayEUG). Dass der Kläger sich bei dem betroffenen Lehrer formell entschuldigt hatte, nachdem ihm dies in dem ursprünglich erlassenen Bescheid über den viertägigen Unterrichtsausschluss dringend empfohlen worden war, änderte nichts an seinem zunächst gezeigten Fehlverhalten, so dass die Schule hierauf auch weiterhin im Wege einer Ordnungsmaßnahme reagieren durfte (vgl. BayVGH vom 3.6.2002 BayVBl 2003, 469/470 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


Rechtsittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u.a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.


Kersten Dr. Zöllner Dr. Borgmann


Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).


Kersten Dr. Zöllner Dr. Borgmann

Vorinstanzen

VG München, M 3 K 07.5768, 27. April 2009

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht

Normen

VwGO § 43 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1;
BayEUG Art. 56 Abs. 4, Art. 86 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 8, Abs. 9, Abs. 14;
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4;
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2