„Das sicherste Auto aller Zeiten” - Tatsachenbehauptung oder reklamehafte Übertreibung?

Gericht

OLG Schleswig-Holstein


Art der Entscheidung

Hinweisbeschluss


Datum

28. 06. 2010


Aktenzeichen

6 U 27/10


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Senat beabsichtigt, die am 28.01.2010 eingelegte Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Lübeck vom 22.12.2009 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 522 II S. 1 ZPO liegen vor, insbesondere hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht im angegriffenen Urteil die einstweilige Verfügung vom 05.11.2009 aufrecht erhalten. Das Berufungsvorbringen der Verfügungsbeklagten rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

Die Werbung der Verfügungsbeklagten mit dem Slogan: "Das sicherste Auto aller Zeiten. * Der neue Renault Megane" stellt unter Berücksichtigung des Sternchenhinweises im unteren Drittel des Werbeinserats eine Werbeaussage dar, durch die eine Spitzenstellung auf dem Automarkt unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit geltend gemacht wird. Maßgeblich ist für diese Bewertung - wie stets - die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsbedingt aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, der sich für das beworbene Produkt interessiert. Der Senat kann aus eigener Anschauung beurteilen, welches Verständnis der angesprochene Verkehrskreis von der Werbeanzeige hat, weil die Mitglieder des Senats zu diesem Verkehrskreis zählen.

Der verwendete Superlativ von "sicher" wird sachlich dadurch unterstrichen, dass der Renault Megane als das sicherste Auto "aller Zeiten" beworben wird. Der Wortsinn dieser Erklärung geht dahin, dass die geltend gemachte Spitzengruppenstellung im Hinblick auf Sicherheit für alle bis zum Erscheinen der Werbeanzeige produzierten Autos in Anspruch genommen wird. Der Sternchenhinweis, wonach der Wagen 37 von 37 möglichen Punkten zum Insassenschutz im Euro NCAP Crashtest 2008 erreicht hat, verstärkt diesen Inhalt der Werbeaussage. Die Werbebotschaft des angegriffenen Werbeinserates geht mithin dahin, dass der Renault Megane angeblich zum Zeitpunkt der Inserierung das bis dahin sicherste Auto aller Zeiten sein soll (dies jedenfalls im Bereich des Insassenschutzes).

Bei dieser Werbeerklärung handelt es sich um eine irreführende Behauptung, weil sie nicht richtig ist. Aus den Ergebnissen des Euro NCAP Crashtest 2008 ergibt sich, dass das Fahrzeug Volvo XC 60 in der Gesamtbewertung desselben Crashtest-Verfahrens 37 Punkte für die Insassensicherheit erzielt hat. Daraus folgt, dass bei der Beurteilung der Insassensicherheit der Renault Megane jedenfalls keinen Qualitätsvorsprung gegenüber dem Volvo XC 60 aufweist. Hinsichtlich der weiteren Testmerkmale der Kindersicherheit stehen sich der Renault Megane und der Volvo XC 60 ebenfalls mit einer Bewertung von 39 Punkten gleichermaßen gegenüber. Ein weiteres Testkriterium war der Fußgängerschutz. In diesem Sicherheitsbereich erhielt der Renault Megane 11 Punkte, dem gegenüber der Volvo XC 60 17 Punkte. Außer Frage steht danach, dass jedenfalls die Werbeaussage, der Renault Megane sei das sicherste Auto aller Zeiten, nicht zutreffend ist.

Ob abgesehen vom Ergebnis des Euro NCAP Crashtests weitere Testverfahren anderer Untersucher zu anderen Ergebnissen kommen oder nicht, ist danach nicht relevant.

Bei der Werbeaussage handelt es sich entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten nicht um eine nur reklamehafte Übertreibung auf der Basis von Werturteilen. Der Leser der Werbeanzeige geht vielmehr davon aus, dass der Werbeerklärung objektive Umstände zugrunde liegen, weil allgemein bekannt ist, dass Autos Sicherheitstests unterzogen werden, die zu objektiven Testergebnissen führen. Die einzelnen Testergebnisse bezogen auf technische Testbereiche sind ihrerseits konkret erfassbare und einer Nachprüfung zugängliche Tatsachen. Insofern unterscheidet sich die Werbeaussage hier von den von den Verfügungsbeklagten angeführten Beispielen aus der Rechtsprechung.

Auf spätere Testverfahren (2009 oder danach) ist für die hier zu beurteilende Werbeaussage mit dem Sternchenhinweis auf ein Crashtest-Verfahren 2008 nicht abzustellen.

Mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung vom 05.11.2009 ist das Landgericht zudem nicht über den Antrag hinausgegangen, sondern hat zutreffend auf das Gesamtbild der Werbeanzeige abgestellt.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

§ 5 I UWG