Illegale Musiktauschbörse – zur Haftung des Anschlussinhabers
Gericht
OLG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
20. 12. 2007
Aktenzeichen
11 W 58/07
Auch wenn Urheberrechtsverletzungen im Internet häufig vorkommen und darüber in den Medien umfangreich berichtet wird, ist der Inhaber eines Internetanschlusses nicht ohne weitere Anhaltspunkte für eine zu erwartende Rechtsverletzung verpflichtet, seine Familienangehörigen bei der Nutzung seines Anschlusses zu überwachen.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.08.2007 – Az.: 2/3 O 172/07 – wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 5.200,-- EUR.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) hat den Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagter) als Störer wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen.
Die Klägerin hat behauptet, am 18.09.2006 ab 11:50:25 Uhr seien unter der IP-Adresse … insgesamt 290 Audiodateien im mp3-Format illegal im Internet verfügbar gemacht worden. Unter den 290 Audiodateien hätten sich auch die Musikaufnahmen „…“, „…“ und „…“ der Künstlergruppe A befunden. An diesen Musiktiteln habe sie aufgrund eines am 13.10. 2003 geschlossenen exklusiven Vertrages mit der Künstlergruppe A die ausschließlichen Verwertungsrechte der ausübenden Künstler erworben. Zudem habe sie Verwertungsrechte als Tonträgerhersteller.
Zum Zeitpunkt des Downloads sei die genannte IP-Adresse dem Computer des Beklagten zugeteilt gewesen. Dies ergebe sich aus Auskünften der B AG sowie des Provider C AG gegenüber der Staatsanwaltschaft Aurich in einem Strafverfahren gegen den Beklagten wegen Urheberrechtsverletzung (Bl. 22 - 24 d. A.).
Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht durch eine im Beschlusswege ergangene einstweilige Verfügung vom 11.04.2007 dem Beklagten untersagt, die oben genannten Musikaufnahmen der Künstlergruppe A auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dagegen hat der Beklagte Widerspruch erhoben.
Der Beklagte hat u. a. behauptet, weder er noch seine im Haushalt lebenden Familienangehörigen hätten am 18.9.2006 einen der drei Songs der Gruppe A heruntergeladen oder anderen Benutzern zugänglich gemacht. Er selbst sei bei der Feuerwehr in O1 beschäftigt und habe zu der fraglichen Zeit seinen Dienst verrichtet. Auch seine Ehefrau sei berufstätig und am 18.09.2006 im Dienst gewesen. Seine volljährige Tochter sei gleichfalls berufstätig und habe an diesem Tag gearbeitet. Die minderjährige Tochter sei noch schulpflichtig und zu dieser Zeit in der Schule gewesen. Eine Nutzung des Computers durch diese drei Personen scheide auch deshalb aus, weil er seinen Internetzugang durch ein eigenes Passwort geschützt habe, das den übrigen Personen in seinem Haushalt nicht bekannt sei. Ferner hat er sich darauf berufen, seine minderjährige Tochter und seine volljährige Tochter stets eindringlich darauf hingewiesen zu haben, keine widerrechtlichen Nutzungen in Form von Urheberrechtsverletzungen oder ähnlichen Verstößen im Internet vorzunehmen.
Wegen der Verdachts einer gleich liegenden Urheberrechtsverletzung wurde gegen den Beklagten ein weiteres Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft Aurich geführt, das zum Gegenstand hatte, dass am 20.10.2006 mit der IP-Nummer … insgesamt 547 Audiodateien rechtswidrig über das Internet öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Auch in dieser Strafsache erteilten die B AG und der Internetprovider C AG der Staatsanwaltschaft die Auskunft, dass die IP-Nummer dem Beklagten zugeordnet gewesen sei. Bei einer Vernehmung in der vorgenannten Strafsache gab der Beklagte an, er habe vier Kinder im Alter von 17 bis 31 Jahren. Jedes seiner Kinder habe noch Zugang zum Elternhaus. Im Haushalt wohnten nur noch die 14jährige Tochter und der 27jährige Sohn. Zum Computer der Beklagten habe jeder Zugang.
In der Widerspruchsverhandlung hat der Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Kosten des Eilverfahrens der Klägerin auferlegt und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Musikaufnahmen „…“ und „…“ zum Download zur Verfügung gestanden hätten und dass die fragliche IP-Adresse zum Zeitpunkt der rechtsverletzenden Handlung dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet gewesen sei. Gegen den am 03.09.2007 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 10.9.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Kosten des Eilverfahrens der Klägerin auferlegt.
Nachdem die Parteien das Eilverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a ZPO). Dies führt hier dazu, dass die Kosten der Klägerin aufzuerlegen sind. Es fehlt an einem Verfügungsanspruch aus § 97 UrhG.
Die Klägerin ist allerdings aktivlegitimiert. Sie hat durch eidesstattliche Versicherung ihres Justitiars, Herrn D, glaubhaft gemacht, dass sie Tonträgerhersteller der im Verfügungsantrag genannten Musiktitel ist. Aufgrund dessen ist ihr gemäß § 85 Abs. 1 UrhG das ausschließliche Recht vorbehalten, die Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.
Die Klägerin hat ferner glaubhaft gemacht, dass die IP-Adresse … am 18.09.2006 um 11:50 Uhr dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet war. Mit seiner gegenteiligen Entscheidung hat das Landgericht die Beweislage nicht ausgeschöpft. Es trifft zwar zu, dass die Mitteilungen der B AG und der C AG gegenüber der Staatsanwaltschaft Aurich nur in Kopie vorgelegt worden sind. Zur Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO können jedoch auch schriftliche Erklärungen von Zeugen, unbeglaubigte Kopien oder Urkundenabschriften verwertet werden (Zöller/Geimer/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 294 Rdn. 5). Abgesehen davon ist auch als unstreitige Indiztatsache heranzuziehen, dass Mitarbeiter der beiden Unternehmen gegenüber der Staatsanwaltschaft die von der Klägerin vorgetragenen Auskünfte erteilt haben. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Mitarbeiter andere Erkenntnisse hatten, als sie gegenüber der Staatsanwaltschaft angegeben haben (vgl. LG Hamburg CR 2006, 780. 781). Der Glaubhaftmachung durch die Klägerin steht ferner nicht entgegen, dass es gemäß dem Vortrag des Beklagten möglich ist, sich innerhalb weniger Stunden eine andere IP-Adresse zuzulegen. Denn die Klägerin hat in gleicher Weise glaubhaft gemacht, dass am 20.10.2006 ein gleichartiger Urheberrechtsverstoß unter einer IP-Adresse begangen wurde, die wiederum dem Anschluss des Beklagten zugeordnet war. Angesichts dessen ist es auszuschließen, dass der Beklagte zweimal innerhalb kurzer Zeit das Opfer einer derartigen Manipulation geworden sein soll.
Die Klägerin hat jedoch die Passivlegitimation des Beklagten nicht glaubhaft machen können.
Dass der Beklagte das in Rede stehende Filesharing am 18.09.2006 eigenhändig begangen habe, lässt sich nicht mit genügender Sicherheit feststellen. Der Beklagte behauptet, zur Tatzeit seinen Dienst als Feuerwehrmann ausgeübt zu haben. Diese Einlassung ist nicht nur naheliegend, sondern von der Klägerin auch in keiner Weise widerlegt. Dem Verletzten obliegt jedoch die Glaubhaftmachung dafür, dass der in Anspruch Genommene die Tat auch begangen hat.
Die Klägerin hat aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Beklagte in sonstiger Weise als Störer für die Urheberrechtsverletzung haftet. Zwar kann als Störer für eine Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Ein solcher Beitrag kann vom Beklagten dadurch geleistet worden sein, dass er dem Täter seinen Computer und damit den Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt hat. Allerdings setzt die Haftung desjenigen, der selbst weder Täter noch Teilnehmer der Verletzung ist, voraus, dass er Prüfungspflichten verletzt hat. Andernfalls würde die Störerhaftung in nicht hinnehmbarer Weise auf Dritte erstreckt, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. (BGHZ 158, 236, 251 – Internet-Versteigerung I; WRP 2007, 964, 968 – Internet-Versteigerung II).
Der Umfang der Prüfungspflicht richtet sich danach, inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Überlässt der Inhaber eines Internetanschlusses diesen dritten Personen, kann ihn die Pflicht treffen, diese Nutzer zu instruieren und zu überwachen, sofern damit zu rechnen ist, dass der Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begehen könnte. Eine Pflicht, die Benutzung seines Internetanschlusses zu überwachen oder gegebenenfalls zu verhindern, besteht jedoch nur, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Nutzer den Anschluss zu Rechtsverletzungen missbrauchen wird. Solche Anhaltspunkte bestehen deshalb grundsätzlich nicht, solange dem Anschlussinhaber keine früheren Verletzungen dieser Art durch den Nutzer oder andere Hinweise auf eine Verletzungsabsicht bekannt sind oder hätten bekannt sein können. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Ehemann seiner Ehefrau, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat, seinen Account für den Handel auf einer Verkaufsplattform überlassen kann, ohne die Ehefrau ständig überwachen zu müssen (Urteil vom 16.05.2006 – 11 U 45/05, Seite 10 des Urteilsumdrucks, nicht rechtskräftig). Das gleiche gilt für die Zurverfügungstellung des Internetanschlusses und ebenso wie gegenüber dem Ehegatten im Verhältnis des Anschlussinhabers zu seinen Kindern. Auch wenn Urheberrechtsverletzungen im Internet häufig vorkommen und darüber in den Medien umfangreich berichtet wird, hat ein Anschlussinhaber nicht bereits deshalb einen Anlass, ihm nahestehende Personen wie enge Familienangehörige bei der Benutzung seines Anschlusses zu überwachen (LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268 mit zustimmender Anmerkung von Solmecke; 459, 460; anderer Ansicht LG Hamburg, CR 2006, 780, 781 und MMR 2007, 131, 132). Im Übrigen trifft den Anschlussinhaber, der wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wird, eine sekundäre Darlegungslast zur Angabe der Person, die seiner Kenntnis nach den Verstoß über seinen Anschluss begangen hat. Der Beklagte ist dieser Darlegungslast jedoch nachgekommen. Er hatte angegeben, dass ihm nicht bekannt sei, dass eines seiner Familienmitglieder den behaupteten Verstoß begangen habe. Der Beklagte hat ferner bezüglich der in seiner Familien lebenden Angehörigen begründet, weshalb diese nach seiner Kenntnis den Rechtsverstoß nicht begangen haben können. Seine Darlegung erscheint erschöpfend; sie ist keineswegs fernliegend, zumal er andererseits eingeräumt hat, dass seine Ehefrau und seine Kinder mit eigenen Passwörtern Zugang zum Internet haben.
Nach dem oben Ausgeführten kann zwar nicht ausgeschlossen werden, sondern liegt es vielmehr nahe, dass sich eines der Familienmitglieder des Beklagten an dem streitgegenständlichen urheberrechtswidrigen Filesharing beteiligt hat. Da die Klägerin jedoch keine derartigen oder ähnlichen Rechtsverstöße vortragen kann, die vor dem 18.09.2006 mit Hilfe des Computers des Beklagten begangen wurden, traf den Beklagten bezüglich keines seiner Familienmitglieder eine Überwachungspflicht. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine außerhalb der Familie stehende Person den Internetzugang des Beklagten zu der Rechtsverletzung benutzt hat, denen gegenüber der Beklagte von vornherein misstrauisch hätte sein müssen (siehe dazu LG Mannheim, MMR 2007, 537). Auch die Benutzung eines ungeschützten W-LAN durch Dritte steht vorliegend nicht in Rede (dazu etwa LG Hamburg, MMR 2006, 763; LG Mannheim, MMR 2007, 537).
Eine Instruktionspflicht dahin, dass mit seinem Internetanschluss keine Urheberrechtsverletzungen begangen werden, traf den Beklagten gegenüber seinen volljährigen Familienangehörigen nicht. Der Beklagte kann, sofern nicht besondere Umstände dafür Anlass bieten, ohne weiteres davon ausgehen, dass erwachsenen Personen bekannt ist, dass sie derartige Rechtsverletzungen nicht begehen dürfen (LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268). Soweit eine Belehrungspflicht gegenüber seiner minderjährigen Tochter bestanden hat, ist der Beklagte dieser Pflicht nachgekommen. Er hat unbestritten vorgetragen, dass er diese stets eindringlich darauf hingewiesen habe, keine Urheberrechtsverletzungen oder ähnliche Verstöße im Internet vorzunehmen.
Da das Rechtsmittel erfolglos bleibt, hat die Klägerin die Kosten zu tragen (§ 97 ZPO).Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung der §§ 542 Abs. 2, 574 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausgeschlossen.
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