Verjährungsfrist bei Ausgleichszahlungen wegen Flugannullierung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
10. 12. 2009
Aktenzeichen
Xa ZR 61/09
Auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung ist die Ausschlussfrist des Art. 35 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
Solche Ansprüche unterliegen, wenn deutsches Sachrecht anwendbar ist, der Regelverjährung nach § 195 BGB.
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 24. April 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger begehren vom beklagten Luftfahrtunternehmen wegen einer Annullierung des Flugs Ausgleichszahlungen i.S. des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. 2004 Nr. L 46 S. 1 (im Folgenden: Verordnung).
Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Flug für den 19. November 2005 von Frankfurt am Main nach Palma de Mallorca. Der Abflug war für 6.55 Uhr vorgesehen. Dieser Flug wurde annulliert. Die Kläger wurden am selben Tag um 16.00 Uhr durch ein anderes Luftfahrtunternehmen zu ihrem Ziel befördert.
Mit ihrer Klage verlangen die Kläger Ausgleichszahlungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Verordnung in Höhe von jeweils 250 Euro nebst Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Kläger haben am 2. April 2008 den Erlass eines Mahnbescheids beantragt. Der Mahnbescheid ist der Beklagten am 5. Mai 2008 zugestellt worden. Gegen den Vollstreckungsbescheid hat die Beklagte Einspruch eingelegt.
Das Amtsgericht hat den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (LG Darmstadt RRa 2009, 193). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Auf die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Verordnung sei die - nicht gewahrte - zweijährige Ausschlussfrist des Art. 35 Abs. 1 des Übereinkommens von Montreal zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, BGBl. II 2004 S. 458 (im Folgenden: MÜ) entsprechend anzuwenden. Die Verordnung enthalte keine Regelung über Ausschluss- oder Verjährungsfristen. Diese evidente Regelungslücke sei nicht durch einen Rückgriff auf die dreijährige Verjährungsfrist nach den §§ 195, 199 BGB, sondern durch eine sinngemäße Anwendung des Art. 35 Abs. 1 MÜ zu schließen. Die Verordnung solle die Bedingungen für die Geschäftstätigkeit von Luftfahrtunternehmen harmonisieren. Mit diesem Ziel sei die Anwendung einzelstaatlichen Rechts nicht zu vereinbaren. Zur Harmonisierung, aus Gründen der Rechtssicherheit sowie zur Gewährleistung eines freizügigen Binnenverkehrs und eines fairen Wettbewerbs sei im Anwendungsbereich der Verordnung vielmehr eine einheitliche Fristbestimmung geboten. Sachgerecht sei die sinngemäße Anwendung des Art. 35 Abs. 1 MÜ. Bei der Verordnung handele es sich um eine Ergänzung des Montrealer Übereinkommens. Hier wie dort handele es sich um internationale Regelungen des grenzüberschreitenden Luftverkehrs. Hinzu komme, dass gemäß § 49a LuftVG auch im innerdeutschen Luftverkehr Schadensersatzansprüche einer Ausschlussfrist von zwei Jahren unterlägen. Eine solche kurze Frist müsse erst recht für die Fälle der grenzüberschreitenden Flüge nach der Verordnung gelten.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Verordnung unterliegen keiner Ausschlussfrist, sondern der regelmäßigen Verjährung nach §§ 194 Abs. 1, 195 BGB. Danach sind sie nicht verjährt.
1. Die Verordnung selbst bestimmt keine zeitlichen Schranken für die Durchsetzung der Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung. Weder enthält die Verordnung eine Ausschlussfrist, noch regelt sie die Verjährung.
2. Die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 der Verordnung unterliegen nicht der Ausschlussfrist des Art. 35 Abs. 1 MÜ.
a) Art. 35 Abs. 1 MÜ findet keine unmittelbare Anwendung. Die dort geregelte Ausschlussfrist gilt für Schadensersatzansprüche nach Art. 17 ff. MÜ. Die Annullierung eines Flugs wird hiervon nicht erfasst. Insbesondere stellt die Annullierung eines Flugs keine Verspätung i.S. des Art. 19 MÜ dar (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - C-549/07, RRa 2009, 35, 39 Tz. 31 f. - Wallentin-Hermann/ Alitalia; A. Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1900; Reuschle, MÜ, Art. 19 Rdn. 9). Die Ausschlussfrist des Art. 35 Abs. 1 MÜ ist auch nicht deshalb anzuwenden, weil nach Art. 29 Satz 1 MÜ bei der Beförderung von Reisenden ein Anspruch auf Schadensersatz unabhängig von seinem Rechtsgrund nur unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen des Montrealer Übereinkommens geltend gemacht werden kann. Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung werden hiervon nicht erfasst. Art. 29 Satz 1 MÜ betrifft nur Ansprüche für solche Schäden, deren Ersatz in den Art. 17 ff. MÜ geregelt ist (BT-Drucks. 15/2285 S. 47; Reuschle, aaO, Art. 29 Rdn. 9; so schon BGH, Urt. v. 28.9.1978 - VII ZR 116/77, NJW 1979, 495, zu Art. 19 des Warschauer Abkommens). Ansprüche auf eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung wegen der Annullierung eines Flugs gehören nicht hierzu. Sie bestehen unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch. Insoweit gelten für Ausgleichszahlungen nach der Verordnung und für Schadensersatzansprüche im Sinne des Montrealer Übereinkommens unterschiedliche Regelungsrahmen (EuGH, Urt. v. 9.7.2009 - C-204/08, RRa 2009, 234 = NJW 2009, 2801 Tz. 27 - Rehder/Air Baltic; Urt. v. 10.1.2006 - C-344/04, Slg. 2006, I 443, 466 = RRa 2006, 127 Tz. 44 f. - The Queen auf Antrag von IATA und ELFAA/Department for Transport).
b) Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 19. November 2009 (verbundene Rs. C-402/07 - Sturgeon/Condor und C-432/07 - Böck u. Lepuschitz/Air France) in Frage gestellt, nach dem in Anwendung des (Auslegungs-)Grundsatzes der Gleichbehandlung (EuGH aaO Tz. 48, 60) ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung für den "Schaden in Form eines Zeitverlustes" (EuGH aaO Tz. 52 f., 54) gleichermaßen für Fluggäste erheblich verspäteter wie für Fluggäste annullierter Flüge zu gewähren ist (EuGH aaO Tz. 61, 69). Zwar könnte dies die Frage aufwerfen, ob sich bei der vom Gerichtshof zur Begründung dieser Rechtsfolgenanalogie angeführten vergleichbaren Lage beider Fluggastgruppen (EuGH aaO Tz. 53 ff.) nicht eine neue objektiv nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ergäbe, wollte man Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Verordnung wegen einer Verspätung (Art. 6 der Verordnung) gemäß Art. 35 MÜ i.V. mit Art. 19, 29 MÜ einer zweijährigen Ausschlussfrist unterwerfen, gleichartige Ausgleichsansprüche wegen Annullierung (Art. 5 der Verordnung) hingegen einer dreijährigen Verjährungsfrist nach §§ 194, 195, 199 BGB. Zu einer solchen Differenzierung besteht aber kein Anlass.
Der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung ist nämlich generell - und damit auch in dem Anwendungsfall einer Verspätung nach Art. 6 der Verordnung - nicht als Schadensersatzanspruch im Sinne der Art. 19, 29 MÜ anzusehen. Ungeachtet der umstrittenen Rechtsnatur des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 der Verordnung (vgl. dazu A. Staudinger, NJW 2007, 3392 f.) ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung hinreichend deutlich, dass die Verordnung die Schutzvorschriften des Montrealer Übereinkommens zwar ergänzt, jedoch beide Regelungswerke kein einheitliches Luftverkehrsrecht bilden, sondern mit unterschiedlich geregelten Ansprüchen nebeneinander stehen. Dafür sprechen insbesondere die bereits erwähnten Entscheidungen des Gerichtshofs, die im Zusammenhang mit der Verordnung den Begriff des Schadens in einem untechnischen Sinn verwenden:
Bereits in der grundlegenden Entscheidung zur Vereinbarkeit von Art. 6 der Verordnung mit dem Montrealer Übereinkommen hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt, dass die Art. 19 ff. MÜ den Anspruch auf Schadensersatz als individuelle Wiedergutmachung für eine Verspätung regelten, die Unterstützungs- und Betreuungsleistungen für Fluggäste i.S. des Art. 6 der Verordnung hingegen eine standardisierte Wiedergutmachung für eine Verspätung darstellten; diese gehörten nicht zu den Maßnahmen, deren Voraussetzungen das Montrealer Übereinkommen festlege, die Regelung nach Art. 6 der Verordnung trete schlicht neben die des Montrealer Übereinkommens (EuGH, Urt. v. 10.1.2006 - C-344/04, Slg. 2006, I 443, 466 = RRa 2006, 127 Tz. 43-46 - The Queen auf Antrag von IATA und ELFAA/ Department for Transport). Auch für das Verhältnis von Art. 5 der Verordnung zu Art. 19 MÜ hat der Gerichtshof nicht nur auf den Unterschied zwischen einer Annullierung des Flugs i.S. des Art. 5 der Verordnung und einer Verspätung i.S. des Art. 19 MÜ hingewiesen, sondern zudem ausgeführt, dass die Art. 19 ff. MÜ die individualisierte Wiedergutmachung unabhängig von der standardisierten Wiedergutmachung nach Art. 5 der Verordnung regelten (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - C-549/07, RRa 2009, 35, 39 Tz. 31 f. - Wallentin- Hermann/Alitalia).
Diese Unterschiedlichkeit der Regelungsrahmen von Verordnung und Montrealer Übereinkommen ist mit der Entscheidung Rehder/Air Baltic erneut bekräftigt worden (EuGH, Urt. v. 9.7.2009 - Rs. C-204/08, RRa 2009, 234 = NJW 2009, 2801 Tz. 27 - Peter Rehder/Air Baltic).
c) Art. 35 Abs. 1 MÜ ist auch nicht entsprechend anzuwenden.
aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob Art. 35 Abs. 1 MÜ als völkervertragliche Bestimmung einer entsprechenden Anwendung auf Ausgleichsansprüche im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung überhaupt zugänglich ist (A. Staudinger, RRa 2009, 195, 196; zur grundsätzlichen Analogieunfähigkeit völkervertraglicher Bestimmungen Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 19 Rdn. 5 ff.). Hierauf kommt es jedoch nicht an.
bb) Jedenfalls fehlt es an einer für die entsprechende Anwendung von Art. 35 Abs. 1 MÜ erforderlichen Regelungslücke.
(1) Eine Regelungslücke liegt nicht schon deshalb vor, weil die Verordnung keine zeitlichen Schranken für die Durchsetzung der Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung enthält. Verordnungen im Sinne des Art. 288 Abs. 2 AEUV (bislang Art. 249 Abs. 2 EG) verdrängen nationales Recht nur insoweit, als sie ihren Gegenstand abschließend regeln (Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 39. EL, Art. 249 EGV Rdn. 120). Darüber hinaus ist nationales Recht anzuwenden. Ob eine Regelungslücke vorliegt, kann daher nicht allein anhand der Verordnung, sondern nur unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Rechtsquellen entschieden werden. Hierzu gehört bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auch das Sachrecht, das berufen ist nach dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. 1980 Nr. L 266 S. 1 (im Folgenden: EVÜ), welches in der Bundesrepublik Deutschland in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch inkorporiert wurde, sowie nach der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom I", ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6). Dieses Sachrecht ist auch für die Verjährung und für Ausschlussfristen maßgebend (Art. 10 Abs. 1 Buchst. d EVÜ, Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB, Art. 12 Abs. 1 Buchst. d Rom-IVO) und hindert an der Annahme einer entsprechenden Regelungslücke.
(2) Dass die zeitlichen Schranken für die Durchsetzung der Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung durch das jeweils berufene Sachrecht bestimmt werden, führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Rechtsunsicherheit. Das anzuwendende Sachrecht und die hieraus folgenden zeitlichen Einschränkungen sind bestimmbar, die Luftfahrtunternehmen können sich darauf einstellen. Der Umstand, dass sich aus dem jeweils berufenen Sachrecht unterschiedliche zeitliche Grenzen für die Durchsetzung von Ansprüchen auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung ergeben können, rechtfertigt eine entsprechende Anwendung des Art. 35 Abs. 1 MÜ nicht. Zwar soll die Verordnung neben der Stärkung der Fluggastrechte auch sicherstellen, dass die Geschäftstätigkeit von Luftfahrtunternehmen in einem liberalisierten Markt harmonisierten Bedingungen unterliegt (Erwägungsgrund 4 der Verordnung). Es lässt sich aber weder der Verordnung noch der Begründung des Kommissionsvorschlags vom 21. Dezember 2001 (KOM (2001) 784 endg.) entnehmen, dass auch die zeitlichen Grenzen für die Durchsetzung der Fluggastrechte vereinheitlicht werden sollen. Entsprechend hat der Senat auch auf die Geltendmachung von Verzugszinsen für verspätete Ausgleichszahlungen bereits nationales Sachrecht angewandt (Urt. v. 12.11.2009 - Xa ZR 76/07, zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Für die Bestimmung zeitlicher Grenzen der Durchsetzung der von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ist an das deutsche Sachrecht anzuknüpfen (nachfolgend a). Die Ausschlussfrist des § 49a LuftVG ist nicht anzuwenden (b). Maßgeblich sind die §§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 BGB. Die Ansprüche sind nicht verjährt (c).
a) Die zeitlichen Grenzen für die Durchsetzung der Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung richten sich gemäß dem im vorliegenden Fall noch anwendbaren Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB nach dem für Verträge anwendbaren deutschen Sachrecht.
aa) Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auf Ausgleichszahlungen ergeben sich zwar nicht unmittelbar aus den zugrunde liegenden Luftbeförderungsverträgen, sondern aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung. Diese Ansprüche hängen nicht davon ab, ob zwischen dem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen eine unmittelbare Vertragsbeziehung besteht (Sen.Urt. v. 28.5.2009 - Xa ZR 113/08, RRa 2009, 242, 243 f. Tz. 9). Gleichwohl ist ein Vertragsverhältnis Grundlage der in der Verordnung geregelten Ansprüche. Deshalb entspricht es Sinn und Zweck des Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB, diese Ansprüche nach den Grundsätzen des Vertragsrechts zu behandeln (Sen.Urt. v. 12.11.2009 - Xa ZR 76/07, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB).
bb) Mangels Rechtswahl ergibt sich das auf die zwischen den Parteien geschlossenen Luftbeförderungsverträge anzuwendende Recht aus Art. 28 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB. Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Verträge dem Recht des Staats, mit dem sie die engsten Verbindungen aufweisen. Dies ist hier die Bundesrepublik Deutschland, in der Kläger wie Beklagte (geschäfts-)ansässig sind.
b) Die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung unterliegen nicht der zweijährigen Ausschlussfrist nach § 49a Satz 1 LuftVG. Diese gilt für Schadensersatzansprüche nach den §§ 44 ff. LuftVG. Die Annullierung eines Flugs wird hiervon nicht erfasst. Ebenso wie bei Art. 19 MÜ, dessen Regelung Vorbild für die Vorschrift des § 46 Abs. 1 LuftVG war (BT-Drucks. 15/2359 S. 23), stellt die Annullierung eines Flugs keine Verspätung im Sinne des § 46 Abs. 1 LuftVG dar. Die Ausschlussfrist des § 49a LuftVG ist auch nicht deshalb anzuwenden, weil nach § 48 Abs. 1 LuftVG ein Anspruch auf Schadensersatz unabhängig von seinem Rechtsgrund nur mit den Beschränkungen des Luftverkehrsgesetzes geltend gemacht werden kann. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 LuftVG entspricht Art. 29 Satz 1 MÜ (BT-Drucks. 15/2359 S. 25). Hier wie dort werden Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung nicht erfasst. Auch § 48 Abs. 1 LuftVG betrifft nur Ansprüche für solche Schäden, deren Ersatz in den §§ 44 ff. LuftVG geregelt ist (BT-Drucks. 15/2359 S. 25). Dies ist für Ansprüche auf Ausgleichszahlung wegen der Annullierung eines Flugs nicht der Fall (A. Staudinger/Schmidt-Bendun, VersR 2004, 971, 973). Die Ausnahmevorschrift des § 49a Satz 1 LuftVG ist auch nicht entsprechend anzuwenden, weil es an einer Regelungslücke fehlt.
c) Die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung unterliegen der regelmäßigen Verjährung nach den §§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 BGB, wenn ihnen die Annullierung eines durch Luftbeförderungsvertrag mit dem Luftfahrtunternehmen versprochenen Flugs zugrunde liegt (Führich, Sonderbeilage zu MDR 7/2007, 1, 14; Weise/Schubert, TranspR 2006, 340, 344; A. Staudinger/Schmidt- Bendun, NJW 2004, 1897, 1900). Ob dies auch bei Annullierung eines Flugs im Rahmen einer Pauschalreise gilt oder ob sich dann die zeitlichen Grenzen aus § 651g Abs. 2 BGB ergeben (so A. Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1900; Weise/Schubert, TranspR 2006, 340, 344), ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Danach sind die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche, deren Bestehen für die revisionsrechtliche Prüfung zu unterstellen ist, nicht verjährt. Die Verjährungsfrist begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2005. Die Ansprüche sind im Jahr 2005 entstanden, die Kläger hatten zu diesem Zeitpunkt sowohl von den anspruchsbegründenden Umständen als auch von der Person der Schuldnerin Kenntnis. Verjährung wäre mit dem Schluss des Jahres 2008 eingetreten. Sie wurde jedoch durch die Zustellung des Mahnbescheids am 5. Mai 2008 gehemmt (§§ 209, 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
III. Der Erfolg der Revision hängt nicht von der Auslegung der Verordnung selbst ab, sondern von der Beantwortung der Frage, ob Art. 35 Abs. 1 MÜ über seinen Anwendungsbereich hinaus auch auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung anzuwenden ist. Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens zur Herbeiführung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV ist gleichwohl nicht veranlasst. Der Senat ist davon überzeugt, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft kein Zweifel daran besteht, dass sich die zeitlichen Grenzen der Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Verordnung aus dem nach Kollisionsrecht berufenen nationalen Sachrecht ergeben.
IV. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Zu klären bleibt, ob es sich bei dem von der Beklagten als Ursache für die Annullierung angeführten Defekt der Elektronik um einen "außergewöhnlichen Umstand" i.S. des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung handelt. Ein bei einem Flugzeug auftretendes technisches Problem, das zur Annullierung eines Flugs führt, stellt als solches keinen "außergewöhnlichen Umstand" i.S. des Art. 5 Abs. 3 dar, sondern nur dann, wenn es seinerseits auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - C-549/07, RRa 2009, 35, 39 Tz. 23 ff. - Wallentin-Hermann/Alitalia). Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen deshalb für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien können, bei einer aufgrund des Defekts erforderlichen Annullierung des Flugs die nach Art. 7 der Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung zu leisten (Sen.Urt. v. 12.11.2009 - Xa ZR 76/07, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus zu Recht, keine Feststellungen dazu getroffen, ob der von der Beklagten vorgetragene Defekt der Elektronik auf außergewöhnliche Vorkommnisse zurückzuführen ist.
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