Anspruch einer Entschädigung (aus abgetretenem Recht) wegen Reisevereitelung
Gericht
LG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
29. 10. 2009
Aktenzeichen
2-24 S 47/09
Gründe:
I. Der Kläger buchte am 23.7.2007 bei der Beklagten eine Donaukreuzfahrt vom 30.5.2008 bis 16.6.2008 für 2 Personen zum Preis von 2.273,- EUR pro Person. Die Beklagte bestätigte die Reiseanmeldung mit Schreiben vom 26.7.2007 und übersandte dem Kläger eine Rechnung über den Reisepreis.
Der Kläger zahlte den Reisepreis an die Beklagte.
Mit einem auf den 9.5.2008 datierten Schreiben sagte die Beklagte die Reise ab und bot dem Kläger an, die Reise auf das Jahr 2009 umzubuchen oder sie zu stornieren. Der Kläger entschied sich für die Stornierung und teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 18.5.2008 mit.
Mit Schreiben vom 17.5.2008 forderte der Kläger Rückzahlung des Reisepreises, Erstattung der Kosten für die Bahnfahrkarten nach Wien in Höhe von 370,60 EUR sowie einen angemessenen Ausgleich für die entgangenen Urlaubsfreuden. …
Mit Schreiben vom 4.6.2008 forderte der Prozessbevollmächtigte u. a. namens und in Vollmacht des Klägers eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden in Höhe von 50 % des vereinbarten Reisepreises, "das sind 2.273,- EUR." … Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 4.7.2008 mit, dass "die von Ihrem Mandanten eingereichten Kosten für die Bahn bereits am 4.6.2008 auf das von ihm genannte Konto überwiesen" worden seien. Die Beklagte hatte dem Kläger insoweit 31,- EUR überwiesen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers reichten am 1.9.2008 eine Klageschrift vom 28.8.2008 bei dem AG Frankfurt a. M. ein.
In einer Abtretungsvereinbarung vom 23.10.2008 trat die Ehefrau des Klägers ihre Ansprüche auf Schadensersatz wegen vergeblich aufgewendeter Urlaubszeit an den Kläger ab. Der Kläger und seine Ehefrau bestätigten zugleich, "dass diese förmliche Abtretungsvereinbarung zu dem Zweck erfolgt, eine zwischen uns bereits vor dem 28.8.2008 inhaltlich gleichlautende getroffene, mündliche Abtretungsvereinbarung in Schriftform zu fassen". …
Die Beklagte zahlte neben den Kosten für die Bahn den Reisepreis an den Kläger zurück. Vor Rechtshängigkeit der Klage zahlte die Beklagte eine Entschädigung in Höhe von 50% des auf 1 Person entfallenden Reisepreises an den Kläger (1.136,50 EUR).
Mit der Klage forderte der Kläger die Zahlung weiterer 1.246,50 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 282,87 EUR. …
Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 13.2.2009, der Beklagten zugestellt am 20.2.2009, die Beklagte zur Zahlung von 1.186,50 EUR nebst Zinsen sowie 153,- EUR außergerichtlicher Anwaltskosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Das Amtsgericht hat dabei insbesondere einen Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 1.136,50 EUR für begründet erachtet. …
Gegen diese Verurteilung zur Zahlung von 1.136,50 EUR nebst Zinsen hat die Beklagte mit bei Gericht am 13.3.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Fristverlängerung bis zum 20.5.2009, mit bei Gericht am 13.5.2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.
In der Berufungsinstanz behauptet die Beklagte, ein weiteres Schreiben des Klägers vom 28.5.2008 nicht erhalten zu haben. Die 31,- EUR habe die Beklagte aufgrund eines Telefonanrufs des Klägers bei der Mitarbeiterin der Beklagten M.S. am 4.6.2008 überwiesen. …
Der Kläger behauptet, er habe der Beklagten ein weiteres Schreiben vom 28.5.2008 übersandt, in dem er auch für seine Ehefrau einen "Ausgleich für entgangene Urlaubserfolge " gefordert habe. …
Der Kläger behauptet ferner, dass die Beklagte das Schreiben auch erhalten habe. Denn in diesem Schreiben habe er mitgeteilt, dass die Bahn einen Großteil der Kosten für die Fahrkarten erstattet habe, weshalb er lediglich die Zahlung von Restkosten in Höhe von 31,- EUR gefordert und die entsprechenden Belege beigefügt habe. Der Betrag von 31,- EUR sei in dem Schreiben vom 17.8. 2008 noch nicht genannt worden. Gleichwohl habe die Beklagte am 4.6.2008 lediglich 31,- EUR an den Kläger überwiesen. Mit einer Mitarbeiterin S. habe er nicht telefoniert.
II. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung der Beklagten ist in der Sache nicht begründet.
Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht in Höhe von 1.186,50 EUR nebst Zinsen stattgegeben, wobei sich die Beklagte mit ihrer Berufung nur gegen eine Verurteilung in Höhe von 1.136,50 EUR gewendet hat.
Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen Reisevereitelung in Höhe von 50 % des auf die Ehefrau entfallenden Reisepreises, mithin 1.136,50 EUR zu (§65lf Abs. 2 BGB).
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer, wie sie auch von dem Amtsgericht zutreffend zitiert wird, kann ein Reisender bei einer Reisevereitelung als Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit grundsätzlich einen Betrag von 50 % des Reisepreises verlangen (vgl. RRa 2006, 264, 266; Kammerurteil v. 31.7.2008 2-24 S 49/08 sowie BGH, NJW 2005, 1047 ff.).
Eine Reisevereitelung liegt hier vor, weil die Beklagte die Reise aus allein in ihrer Sphäre liegenden Gründen abgesagt hat.
Gegen diese Feststellungen des Amtsgerichts wendet die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nichts ein.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger auch berechtigt, solche Ansprüche seiner Ehefrau aus abgetretenem Recht geltend zu machen. Auch soweit es sich um höchstpersönliche Ansprüche handelt, können solche Ansprüche an Dritte abgetreten werden (vgl. OLG Düsseldorf, RRa 2003, 211). Die Aktivlegitimation ergibt sich aus der vorgelegten Abtretungsvereinbarung vom 23.10.2008.
Die Ansprüche der Ehefrau sind auch rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist gemäß § 651g Abs.1 BGB geltend gemacht worden. Die Anmeldung erfolgte durch den Kläger in seinem Schreiben vom 28.5.2008.
Hierfür ist es unschädlich, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch nicht bevollmächtigt gewesen ist. Wie auch das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, kann die Anmeldung von höchstpersönlichen Ansprüchen von Mitreisenden, hier der mitreisenden Ehefrau, durch den Buchenden erfolgen, ohne dass es der Vorlage einer Vollmacht bedarf. Dies folgt aus § 651g Abs.1, S. 2 BGB, wonach § 174 BGB für die Anspruchsanmeldung nicht anzuwenden ist.
Dem Amtsgericht ist auch darin zu folgen, dass eine zunächst vollmachtlose Anmeldung rückwirkend gemäß §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB genehmigt werden kann. Denn die Geltendmachung von Ansprüchen ist eine Erklärung i. S. einer geschäftsähnlichen Handlung (vgl. Palandt / Sprau [68. Aufl. 2009], § 651g, Rn. 2), auf die die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anwendbar sind (vgl. Palandt / Ellenberger, Vor § 104, Rn. 7). Die Genehmigung der Ehefrau erfolgte hier jedenfalls durch die Abtretungsvereinbarung, weil damit kenntlich gemacht wurde, dass sie ihren Entschädigungsanspruch weiter verfolgen will.
Zur Wahrung der Frist des § 651g Abs.1 BGB ist dabei nicht erforderlich, dass die Abtretungserklärung innerhalb der Monatsfrist erfolgt; notwendig ist lediglich die Erklärung des vollmachtlosen Vertreters, dass auch für die Mitreisende Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Die Genehmigung der Erklärung kann auch noch nachträglich, außerhalb der Monatsfrist erfolgen. Insofern bedarf es keiner weiteren Sachaufklärung dazu, zu welchem Zeitpunkt vor dem 28.8.2008 eine Abtretungsvereinbarung bereits mündlich getroffen wurde oder ob die Ehefrau im Zeitpunkt der Anmeldeschreiben "von ihrem Glück noch nichts geahnt haben sollte", wie das Amtsgericht in Betracht gezogen hat.
Zwar wird, soweit gesetzliche oder vertragliche Ausschlussfristen zu wahren sind, grundsätzlich die Auffassung vertreten, dass eine Genehmigung auch innerhalb dieser Frist zu erteilen ist (vgl. BGHZ 32, 375 für ein gesetzliches Vorkaufsrecht; BGHZ 108, 21, 30 für eine satzungsmäßige Klagefrist; BVerwG NJW 99, 3357 für die Ausschlussfrist für einen Restitutionsanspruch). Nach dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist in § 651g Abs. 1 BGB ist die Kammer jedoch der Auffassung, dass eine Genehmigung einer durch einen vollmachtlosen Vertreter erklärten Anspruchsanmeldung nicht innerhalb der Monatsfrist erfolgen muss.
Sinn und Zweck der Ausschlussfrist ist es, dem Reiseveranstalter Gewissheit darüber zu verschaffen, ob und in welchem Umfang Gewährleistungsansprüche auf ihn zukommen, damit er unverzüglich die notwendigen Beweissicherungsmaßnahmen treffen, etwaige Regressansprüche gegen seine Leistungsträger geltend machen und gegebenenfalls seinen Versicherer benachrichtigen kann (vgl. BGHZ 90, 363, 367, 369; 97, 255, 262; 102, 80, 86; 145, 343, 349; Urt. v. 11.1.2005 Az. X ZR 163/02, NJW 2005, 1420; Urt. v. 9.6.2009, Az. Xa ZR 99/06, zit. nach juris). Durch die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen insbesondere durch den Buchenden für mitreisende Familienangehörige besteht für den Reiseveranstalter hinreichenden Anlass schnell die notwendigen Beweissicherungsmaßnahmen zu treffen, auch um ggf. bei der Durchsetzung von Regressansprüchen nicht in Beweisnot zu geraten. Die Veranlassung solcher für eine mögliche nachfolgende Auseinandersetzung nützlichen Maßnahmen ist für den Reiseveranstalter nicht unzumutbar, selbst wenn der jeweilige Anspruchsinhaber eine Genehmigung einer Anspruchsanmeldung durch einen vollmachtlosen Dritten erst wesentlich später oder gar nicht erteilt. Eine Rechtssicherheit und Rechtsklarheit über die Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. BVerwG a.a.O.), die für die Notwendigkeit einer Genehmigung innerhalb von gesetzlichen oder vertraglichen Ausschlussfristen zur Begründung herangezogen wird, kann durch die Anspruchsanmeldung gemäß § 651g Abs.1 BGB nicht erreicht werden, da es trotz einer Anspruchsanmeldung nicht klar ist, ob die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich weiterverfolgt werden. Letztliche Klarheit erlangt der Reiseveranstalter erst mit Ablauf der Verjährungsfrist.
Für die Annahme, dass für die Anspruchsanmeldung gemäß § 651g Abs. 1 BGB eine Genehmigung einer Anmeldung durch einen vollmachtlosen Vertreter nicht innerhalb der Frist erfolgen muss, spricht auch die Intention des Gesetzgebers, dass bei einer solchen Anmeldung keine strengen Formvorschriften einzuhalten sind. Denn der Gesetzgeber hat durch die Einfügung von § 651f Abs. 1, S.2 BGB, wonach bei der Anmeldung durch einen bevollmächtigten Dritten die Vollmacht nicht vorgelegt werden muss (§ 174 BGB), zum Ausdruck gebracht, dass die Geltendmachung reisevertraglicher Ansprüche nicht gleichen strengen Formvorschriften unterliegt wie es bei einseitigen Rechtsgeschäften der Fall ist. Im Sinne erleichterter Durchsetzung reisevertraglicher Ansprüche insbesondere im Lichte des Verbraucherschutzes erscheint es deshalb nicht als notwendig, bei der nachträglichen Genehmigung vollmachtloser Erklärungen von strengen Voraussetzungen auszugehen.
Das Schreiben vom 28.5.2008 enthält eine Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen auch für die Ehefrau des Klägers. Auf S. 3 des Schreibens wird insbesondere die Ehefrau benannt und sowohl für den Kläger selbst ("als Rentner") als auch für die Ehefrau ("als Hausfrau") ein Ausgleich für entgangene Urlaubserfolge gefordert. Diese Passage des Schreibens ist als eine Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen i.S.d. § 651f Abs. 2 BGB hinreichend deutlich und konnte von der Beklagten auch nicht missverstanden werden.
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass die Beklagte dieses Schreiben erhalten hat und das Bestreiten des Zugangs wider besseres Wissen erfolgt.
Denn unstreitig hat die Beklagte dem Kläger für die Auslagen für die Bahnfahrkarten 31,- EUR überwiesen. Diesen Betrag konnte sie nur aufgrund der Informationen im Schreiben vom 28.5.2008 überweisen, da in den Schreiben vom 17.5.2008 noch die vollen Fahrtkosten erstattet verlangt wurden. Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten konnte Zahlungsgrund nicht sein, weil dieses Schreiben erst am 4.6.2008 verfasst wurde, die Zahlung aber bereits an diesem Tag veranlasst wurde. Der Anlass der Zahlung erfolgte auch nicht aufgrund eines Telefonats mit einer Mitarbeiterin der Beklagten. Einerseits wird dieses Telefonat nicht näher nach Anlass und Zeitpunkt konkretisiert. Andererseits deutet der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 4.7.2008 daraufhin, dass die Zahlungsanweisung nicht aufgrund eines Telefonats, sondern aufgrund schriftlicher Unterlagen erfolgte. Denn die Beklagte nimmt Bezug auf durch den Kläger "eingereichte Kosten". Insoweit kann ein Zusammenhang mit den mit dem Schreiben vom 28.5.2008 eingereichten Belegen hergestellt werden. Bei einer lediglich telefonischen Durchsage solcher Kosten hätte es nahe gelegen, nicht von "eingereichten" Kosten, sondern von "mitgeteilten" Kosten zu sprechen.
Der Kläger ist auch nicht mit der Bezugnahme auf das Schreiben vom 28.5.2008 i.S.d. § 531 Abs.1 ZPO präkludiert. Denn da das Amtsgericht den Anspruch des Klägers für begründet erachtet hat, lag keine Notwendigkeit vor, das Schreiben vom 28.5.2008, das bereits in der Klageschrift bezeichnet wurde, auch tatsächlich vorzulegen. Die Notwendigkeit ergab sich erst, als die Beklagte mit der Berufungsbegründung gegen eine Erklärung des Klägers in fremden Namen gewandt hat.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs.1, 286 Abs.1 BGB. Verzug der Beklagten trat mit Ablauf der im Schreiben vom 4.6.2008 gesetzten Frist ein. Demgegenüber hat die Beklagte in der Berufungsbegründung gegen den Zinsanspruch keine weiteren Einwendungen erhoben. …
Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache insofern grundsätzliche Bedeutung hat, weil die Frage, ob die Genehmigung einer Anspruchsanmeldung durch einen vollmachtlosen Vertreter für den Anspruchsinhaber bisher - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde.
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