Stornokosten in Höhe von 100% des Reisepreises unwirksam

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 06. 2009


Aktenzeichen

15 O 455/08


Tenor

I.

1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.0000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Vorstand, es zu unterlassen,

A) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen:

aa) „Standardkosten: Bei Nichtantritt der Reise 100%.“

bb) „Rücktrittskosten bei gesondert gekennzeichneten Topangeboten; bei Nichtantritt der Reise 100%“

cc) „Ist die Durchführung einer Reise nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten für uns deshalb nicht zumutbar, weil das Buchungsaufkommen für diese Reise so gering ist, dass die uns entstehenden Kosten, bezogen auf die Reise, nicht gedeckt sind, sind wir berechtigt, diese Reise bis zu 2 Wochen vor Reisebeginn abzusagen, sofern wir Ihnen ein gleichwertiges Ersatzangebot unterbreiten.“

B) Pauschalreisen und/oder Hotelaufenthalte prospektmäßig zu bewerben ohne gleichzeitig über die Höhe des zu zahlenden Reisepreises durch exakt bezifferte Preisangaben zu informieren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208,65 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.11.2008 zu zahlen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Hinblick auf den Tenor zu Ziff. I.1.A) aa), bb), cc) und B) jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 2.500,00 und im Übrigen in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege der Unterlassungsklage über die Zulässigkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sowie darüber, ob eine Werbung der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben zur Angabe von Preisen entspricht.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich der Bekämpfung unlauterer Wettbewerbspraktiken verschrieben hat. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Tourismusbranche.

Der Internetauftritt der Beklagten, über den sie Reisen vertreibt, enthält allgemeine Geschäftsbedingungen für den Abschluss von Reiseverträgen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„6.3.1 Standardkosten: [...] Erfolgt der Rücktritt später als 42 Tage vor Reisebeginn, können wir eine pauschalierte Entschädigung verlangen, die sich nach folgenden Prozentsätzen pro Person vom Reisepreis berechnet: ab 41. bis 30. Tag vor Reisebeginn 15%, mindestens aber 75 Euro, ab 29. bis 20. Tag vor Reisebeginn 50%, ab 19. bis 10. Tag vor Reisebeginn 70%, ab 9. Tag vor Reisebeginn 90%, bei Nichtantritt der Reise 100%. [...]

6.3.3 Rücktrittskosten bei gesondert gekennzeichneten Top-Angeboten, ausgewählten, kurzfristigen bzw. preisreduzierten Angeboten, Specials und Aktionsreisen: Bis 30 Tage vor Reisebeginn 40% des Reisepreises, ab 29. bis 20. Tag vor Reisebeginn 50%, ab 19. bis 10. Tag vor Reisebeginn 70%, ab 9. Tag vor Reisebeginn 90%, bei Nichtantritt der Reise 100%. [...]

6.3.5 Dem Kunden steht die Möglichkeit des Nachweises offen, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in einem Wesentlich niedrigeren Umfang entstanden ist. [...]

8.2 Ist die Durchführung einer Reise nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten für uns deshalb nicht zumutbar, weil das Buchungsaufkommen für diese Reise so gering ist, dass die uns entstehenden Kosten, bezogen auf die Reise, nicht gedeckt sind, sind wir berechtigt, diese Reise bis zu 2 Wochen vor Reisebeginn abzusagen, sofern wir Ihnen ein gleichwertiges Ersatzangebot unterbreiten. Ein Rücktrittsrecht besteht dann nicht, wenn wir die zum Rücktritt führenden Umstände zu vertreten haben oder diese Umstände nicht nachweisen können. Sofern Sie vom Ersatzangebot keinen Gebrauch machen, erhalten Sie den bezahlten Reisepreis unverzüglich erstattet.“

Die Beklagte gab ferner einen „Sport- und Wellnessführer“ genannten Katalog heraus, in welchem sie Interessenten in Kurzportraits mehrere Hotels vorstellte. Die jeweiligen Portraits enthalten die Kontaktdaten des Hotels sowie Angaben zu einem „Viva-D’or-Preis“, der jedoch nicht den vom Reisenden bei Buchung zu entrichtenden Endpreis nennt, sondern lediglich die von der Beklagten angebotene prozentuale Ersparnis (etwa „50% a. d. Listenpreis“ oder „20% a. d. Angebotspreis“). In diesem Katalog findet sich ferner eine Seite mit Angaben zur Beklagten und ihrem „Travel Club“ bzw. zu ihrer „Travel Card“ sowie die Nummer eines „Service-Telefons Pauschalreisen“ der Beklagten. Im Hinblick auf die Einzelheiten der im streitgegenständlichen Katalog enthaltenen Angaben wird auf die in Anlage K2 enthaltenen Auszüge Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte im Fall des Nichtantritts von Reisenden stets Aufwendungen erspare, insbesondere solche, die verbrauchsabhängig seien. Zudem verweist er auf die Möglichkeit der anderweitigen Vergabe als Last-Minute-Reise. Er ist ferner der Ansicht, dass die Bestimmung in den AGB der Beklagten, wonach bei Nichtantritt der Reise der Reisepreis i. H .v. 100% verfällt, gegen § 309 Abs. 5 BGB verstoße; jedenfalls müsse dem Verbraucher der Gegenbeweis offenstehen.

Ferner meint der Kläger, dass das laut Ziffer 8.2 der AGB zugunsten der Beklagten bestehende Rücktrittsrecht für den Fall der fehlenden Kostendeckung aufgrund mangelnden Buchungsaufkommens rechtswidrig sei. Ein Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters bei Überschreiten der „wirtschaftlichen Opfergrenze“ sei kein hinreichend konkreter Grund im Sinne des § 308 Nr. 3 BGB und stelle überdies gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar.

Im Hinblick auf den „Sport- und Wellnessführer“ behauptet der Kläger, dass die Beklagte nach dem äußeren Erscheinungsbild dieses Katalogs den Eindruck erwecke, dass die Hotelübernachtungen bei ihr gebucht werden könnten. Die Beklagte sei daher als Reiseveranstalter anzusehen und darum verpflichtet, in ihre Werbung die gesetzlichen Angaben nach § 4 BGB-Informationspflichten-Verordnung aufzunehmen; auch als Vermittlerin treffe sie im Übrigen die Pflicht des § 1 PAngV.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2008 hat der Kläger gegenüber der Beklagten mit einer Abmahnung die genannten AGB-Klauseln sowie die Preiswerbung in dem Katalog beanstandet und die Zahlung einer näher begründeten Abmahnpauschale i. H. v. EUR 208,65 verlangt.

Der Kläger beantragt:

  1. was erkannt ist.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 208,65 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (24.11.2008) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Stornopauschale von 100% Beklagte behauptet die Beklagte, dass es ihr gerade nicht möglich sei, bei einem am Tag der Reise durch den Reisenden erklärten Rücktritt diese noch anderweitig zu vergeben. Sie ist darum der Ansicht, dass in diesen Fällen eine Storno-Pauschale von 100% des Reisepreises angemessen und gerechtfertigt sei. Dies, führt die Beklagte an, hänge mit ihrer Vertriebsstruktur zusammen, treffe im Übrigen aber für alle Reiseveranstalter zu.

Insbesondere sei es ihr nicht möglich, bei einem Rücktritt am Reisetag die Reise als Last-Minute Angebot anderweitig zu vermarkten, da sie ihre Reisen nur den Kunden oder Mitgliedern ihrer Kooperationspartner anbiete. Ferner führt die Beklagte an, dass sie die von ihr angebotenen Reisen nicht selbst durchführe, sondern dafür auf örtliche Agenturen zurückgreife, bei denen sie im Voraus feste Kontingente zum Pauschalpreis buche. Da diese Kontingente sich später nicht reduzieren ließen, sondern stets Stornogebühren in Höhe von 100% anfielen und also der vereinbarte Pauschalpreis von ihr in jedem Fall zu entrichten sei, scheide auch eine Aufwandsersparnis aus.

Im Hinblick auf die Opfergrenze-Klausel in ihren AGB meint die Beklagte, dass ein nicht kostendeckendes Buchungsaufkommen einen sachlich rechtfertigten Grund für den Rücktritt darstelle, dem ein zumindest anerkennenswertes Interesse des Verwenders zugrunde liege. Außerdem werde durch die weitere Ausgestaltung der streitgegenständlichen Klausel den Interessen der Kunden hinreichend Rechnung getragen.

Was schließlich die gerügten Preisangaben in dem „Sport- und Wellnessführer“ anbelangt, behauptet die Beklagte, dass der „Sport- und Wellnessführer“ nur den Inhabern einer sog. „Travelcard“ ausgehändigt worden sei und dass entsprechende gesonderte AGB dem Katalog beigefügt gewesen seien. Darüber hinaus sei der streitgegenständliche Katalog ausschließlich als Beilage zu ihrem Hauptkatalog verteilt worden, in dem wiederum detailliert die notwendigen Schritte zur direkten Buchung von Übernachtungen bei einem Partnerhotel zum vorteilhaften „Travel Card“-Tarif beschrieben würden. Im Übrigen seien Preisangaben teilweise nicht möglich, da sie saisonalen Schwankungen unterlägen und von lokalen Ereignissen wie z. B. Messen abhingen. Schließlich sei der „Sport- und Wellnessführer“ letztmals Ende 2006 versandt worden. Die Beklagte ist nach alledem der Ansicht, dass sie darin nicht als Reiseveranstalter, sondern lediglich als Vermittler auftrete, weshalb sie auch keine Preisangaben nach § 4 BGB-InfoV machen müsse.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln in Reiseverträgen, die bei Nichtantritt der Reise eine Storno-Pauschale i. H. v. 100% des Reisepreises vorsehen, aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 651i Abs. 3 BGB sowie aus §§ 1, 3 UKlaG i. V. m. § 309 Nr. 5a BGB zu.

Nach § 651i Abs. 3 kann vom Reiseveranstalter für jede Reiseart unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vonhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden. Dieser pauschalierte Anspruch tritt an die Stelle des Anspruchs auf Zahlung des Reisepreises, der nach § 651i Abs. 2 S. 1 entfällt. Der Reiseveranstalter muss sich nicht nur den böswillig unterlassenen, sondern jeden möglichen anderweitigen Erwerb sowie die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen. Dies ist bereits bei der Bemessung der Pauschale zu berücksichtigen und nicht etwa erst bei zuzulassenden Einwendungen des Reisenden (OLG Nürnberg, NJW 1999, 3128).

Die Storno-Pauschale der Beklagten i. H. v. 100% des Reisepreises bei Rücktritt von einer Reise am Tag des Reisebeginns - und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein einfaches oder ein gesondert gekennzeichnetes Topangebot, vgl. Antragsfassung zu A), handelt - wird § 651i Abs. 3 BGB jedoch nicht gerecht, weil die Beklagte auch nach dem gerichtlichen Hinweis vom 8.5.2009 nicht hinreichend vortragen hat, dass sie die nach dem gewöhnlichen Verlauf ersparten Aufwendungen und den möglichen anderweitigen Erwerb berücksichtigt.

a) Unerheblich ist allerdings zunächst, dass die angegriffene Klausel nicht nach der Art der angeboten Reisen differenziert, also unterschiedliche Prozentsätze etwa für Schiffs-, Flug- oder Busreisen ausweist. Zwar erlaubt § 651i Abs. 3 BGB eine Pauschalierung nur für „jede Reiseart“, weshalb Stornoklauseln wegen fehlender Differenzierung unwirksam sein sollen (OLG Frankfurt NJW 1982, 2199; LG Hamburg RRa 1999, 217, 219 f.). Dies greift der Kläger hier aber nicht an.

b) Wenn der Kläger im Weiteren einen Verstoß darin sieht, dass die Beklagte nicht den Gegenbeweis im Hinblick auf die Höhe des Schadens gestattet (§ 309 Nr. 5b BGB), übersieht er die Klausel 6.3.5. der Beklagten.

c) Zu einem gänzlichen Fehlen von gewöhnlich ersparten Aufwendungen und einem möglichen Erwerb durch anderweitige Verwendung der Reiseleistung hat die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen. Insoweit trägt sie aber die Darlegungs- und Beweislast (s. nur etwa Sprau in Palandt, BGB, § 651i Rdnr. 3 a. E. i. V. m. Rdnr. 2; Tonner in MüKo, BGB, 5. Aufl. 2009, § 651i Rnr. 29; LG Zweibrücken, Urteil vom 6.2.2007 - 3 S 103/06). Dies bedeutet konkret, dass die Beklagte anhand einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen die normalerweise ersparten Aufwendungen und den gewöhnlichen Erwerb nachzuweisen hat, und zwar unter gruppenmäßiger Zusammenfassung vergleichbarer Abwicklungsfälle mitsamt Darlegung der Folgen sowie der Vorlage von Vorjahresstatistiken und Verträgen mit den Leistungsträgern (Eckert in Staudinger, BGB, 2003, § 651i Rdnr. 48; die dort unter Rdnr. 46 zunächst vertretene Forderung, der Reisende müsse die Unangemessenheit durch einen Vergleich mit abweichenden Pauschalierungsabreden belegen, überzeugt die Kammer nicht).

aa) Die Behauptung der Beklagten, wegen der Vorabbuchung von Kontingenten keine Aufwendungen zu ersparen, bestreitet der Kläger zulässigerweise mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO). Den damit erforderlichen Beweis hat die Beklagte aber nicht erbracht. Denn aus den von ihr vorgelegten Verträgen mit Leistungsträgern ergibt sich, dass etwa die... Hotels die kostenfreie Stornierung von einem Zimmer bis 12 Uhr mittags des Anreisetags erlauben (Ziff. 6 der S. 3 Anl. B12) und die nH Hotels bis eine Woche vor Anreise die kostenfreie Stornierung von zwei Zimmern erlauben (S. 2 Anl. B9), was im Falle einer mehr als einwöchigen Rundreise, die in München endet, durchaus zu ersparten Aufwendungen führen kann. Die Beklagte hat auch selbst vorgetragen, dass sie überwiegend Rundreisen anbietet, bei denen die Übernachtungen in mehreren Hotels erfolgen.

bb) Die ebenso zulässig bestrittene Behauptung der Beklagten, dass es ihr nach dem gewöhnlichen Verlauf nicht möglich ist, bei Rücktritt von einer Pauschalreise am Reisetag bzw. bei Nichtantritt der Reise diese kurzfristig im Wege von „last minute“-Angeboten, insbesondere über das Internet, zu vermarkten, kann die Kammer nicht nachvollziehen.

Führing (Reiserecht, 5. Aufl. 2005) führt zwar zu den Bemessungskriterien von Storno-Pauschalen vor dem Hintergrund der Entwicklung der Last-minute-Anbieter aus, dass „... gerade die Marktstellung eines Veranstalters und seine Position gegenüber den Leistungsträgern und Last-minute-Anbietern Einfluss auf die anderweitige Verwendung der frei gewordenen Reise hat. Gerade der stetig wachsende Einfluss der Last-minute-Buchungen muss dazu führen, dass die Höhe der Pauschalen eher nach unten zu korrigieren sind. In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass manche Veranstalter in diesem sog. nicht-operativen-Geschäft mehr verdienen, als im operativen Geschäft.“

In der Folge vertritt Führing, dass bei Nichtantritt von Flugpauschalreisen eine Storno-Pauschale von nicht mehr als 75% angemessen sei (a. a. O.). Im Einklang damit hat die Rechtsprechung mehrfach Stornopauschalen von 100% für unwirksam erklärt (BGH NJW 1985, 633; OLG Nürnberg a. a. O.; OLG Celle, RRa 1995, 52; AG Hamburg-Altona, RRa 2001, 12).

Diese Grundsätze lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf den Streitfall übertragen. Denn während in dem vom BGH entschiedenen Fall der Rücktritt mehr als zwei Wochen vor Reiseantritt erfolgte, betrifft die hier gegenständliche Klausel die Entschädigung im Falle des Nichtantritts der Reise, bei dem nicht unmittelbar einleuchtet, wie noch eine anderweitige Vermarktung möglich sein soll. Über eine solche Stornopauschale im Fall des Nichtantritts hatte lediglich das OLG Nürnberg zu entscheiden, welches aber - neben nicht überzeugenden Gesichtspunkten - im Wesentlichen darauf abstellt, dass der Veranstalter nicht nach den einzelnen Kostenfaktoren unterscheidet, also etwa Ersparnisse von vor Ort zu zahlenden Kosten wie etwa Eintrittsgelder oder Skipässe berücksichtigt. Dahingegen hat der Kläger hier nicht ansatzweise vorgetragen, dass derartige Kosten bei den Reisen der Beklagten - die sich allerdings im Schriftsatz vom 20.5.2009, dort S. 4 darauf berufen hat, dass sämtliche ihrer Reisen ein umfangreiches Ausflugs- und Besichtigungsprogramm enthielten - überhaupt anfallen.

Nichtsdestotrotz und obwohl vereinzelt sogar eine Stornogebühr von 95% bei Rücktritt am Reisetag für wirksam erachtet worden ist (LG Nürnberg-Fürth, RRa 2004, 168), hält die Kammer es für möglich, dass selbst dann, wenn der Nichtantritt der Reise durch einen Kunden sich erst zeitgleich mit deren Beginn - oder erst mit dem Abflugbericht des Flughafens - offenbart, noch eine zumindest teilweise Vermarktung möglich ist. Zumindest nämlich steht an den weiteren Tagen das gebuchte Zimmer leer, das sich - allein oder gebündelt mit dem Rückreiseplatz - Last-Minute verkaufen lassen könnte. Wenn die Beklagte vorträgt, dass es dafür keinen Markt gebe, so überzeugt das nicht, da gerichtsbekannt zumindest Hotelzimmer auch kurzfristig auf Internetplattformen wie etwa hrs.com angeboten werden. Dass eine solche anderweitige Verwertung aufgrund der besonderen Vertriebsstruktur der Beklagten nicht möglich ist, kann die Kammer nicht nachvollziehen; insofern wären weitere Darlegungen zu dieser Struktur durch die Beklagte erforderlich gewesen. Auch der Verweis der Beklagten auf den besonderen Charakter der von ihr überwiegend angebotenen Rundreisen verfängt nicht, da gerade bei solchen Reisen Übernachtungen in verschiedenen Hotels stattfinden. Etwas anderes mag gelten bei Schiffsreisen, die aber nach dem Vortrag der Beklagten nur einen Teil ihres Programms darstellen. Der Verweis, dass durch die anderweitige Vermarktung und den damit verbunden Aufwand auf letztlich höhere Kosten entstünden, ist nicht näher substantiiert und damit unbeachtlich.

2. Der Kläger kann von der Beklagten ferner die Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln in Reiseverträgen für Pauschalreisen, die zugunsten des Reiseveranstalters ein Rücktrittsrecht bei nicht kostendeckendem Buchungseingang vorsehen, nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG bzw. §§ 1, 3 UKlaG i. V. m. § 308 Nr. 3 BGB verlangen.

Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist eine klauselmäßige Vereinbarung unwirksam, in der sich der Verwender das Recht vorbehält, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen. Dabei besteht Einigkeit, dass der Lösungsgrund so konkret angegeben sein muss, dass der Durchschnittskunde beurteilen kann, wann der Verwender sich vom Vertrag lösen darf (sog. Bestimmtheitsgebot, s. etwa Heinrichs in Palandt, a. a. O., § 308 Rdnr. 15 m. w. N.). Jedenfalls dieser Anforderung wird die streitgegenständliche Klausel aber nicht gerecht, da der Kunde weder das Buchungsaufkommen noch insbesondere die Kostenstruktur der jeweiligen Reise kennt (so i. Erg. auch Tonner, Der Reisevertrag, 5. Aufl. 2007, § 651a Rdnr. 107 m. w. N.). Auf die in der Klausel vorgesehenen Einschränkungen (Pflicht der Beklagten zur Absage bis zwei Wochen vor Reisebeginn, Ersatzangebot) kommt es damit nicht an. Zudem dürfte die Beklagte mit der angegriffenen Klausel in unzulässiger Weise versuchen das Leistungsrisiko des Reiseveranstalters auf den Reisenden abzuwälzen, weshalb sie neben der genannten Vorschrift auch gegen § 651m BGB verstoßen dürfte, da die §§ 651a ff. BGB diese Risikoentlastung nicht kennen (vgl. Führich, a. a. O. S. 142). Ergänzend hinzuweisen bleibt darauf, dass der Begriff der fehlenden Kostendeckung, der an den Terminus der „Überschreitung der wirtschaftlichen Opfergrenze“ angelehnt ist, in der früheren Konditionsempfehlung Nr. 7.3 ARB des Deutschen Reisebüro-Verbands angeführt war, die mittlerweile jedoch zurückgezogenen worden ist.

3. Der Kläger steht schließlich ein Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Werbung der Beklagten ohne Preisangaben im „Sport- und Wellnessführer“ zu.

a) Der Anspruch ergibt sich allerdings nicht bereits aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 4 Abs. 1 BGB-InfoV. Nach letztgenannter Vorschrift muss ein vom Reiseveranstalter zur Verfügung gestellter Prospekt Angaben u. a. über den Reisepreis enthalten. Der Begriff des Reiseveranstalters ist gesetzlich nicht definiert. In Abgrenzung zur Reisevermittlung (§ 651a Abs. 2) ist derjenige als Reiseveranstalter anzusehen, der als Vertragspartei den Reisenden die Gesamtheit der Reiseleistungen in eigener Verantwortung zu erbringen verspricht. Entscheidend ist daher, ob der Anbieter die Reise gegenüber dem Kunden eigenverantwortlich anbietet, wobei bei objektiver Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere des Reiseprospekts und der Werbung, die Sicht des Reisenden maßgeblich ist (Führich, a. a. O., S. 89).

Anhand dieser Maßstäbe ist nicht davon auszugehen, dass aus Sicht des Reisenden die Beklagte für die Buchung von Übernachtungen in ihren Partnerhotels als Reisveranstalterin auftritt. Zwar kann bei isolierter Betrachtung der Hotelportraits in Verbindung mit der Angabe eines „Service-Telefons Pauschalreisen“ durch die Beklagte der Eindruck entstehen, dass diese die Leistungen in eigener Verantwortung anbietet. Auch mag es angemessen erscheinen, im Zweifel den Vermittler einer Reise als Reiseveranstalter einzustufen (Tonner, a. a. O., Rdnr. 40 a. E.). Bei Würdigung der Gesamtumstände wird im Streitfall aber deutlich, dass die Beklagte mit dem streitgegenständlichen „Sport- und Wellnessführer“ lediglich über Vorteile in Form von Preisnachlässen bei der Buchung in den portraitierten Partnerhotels informieren und somit nur als Vermittlerin auftreten wollte. Dies ergibt sich schon aus der Bezeichnung „...führer“, die typischerweise von unabhängigen Dritten verwendet wird, was allenfalls noch mit der Rolle eines Vermittlers, nicht aber mit der eines Veranstalters in Verbindung gebracht werden kann. Gleiches gilt im Hinblick auf die Bezeichnung „Club“, die für einen Veranstalter - auch angesichts des „Club Med“ und des „Robinson Club“ - eher unüblich erscheint, im Rahmen des Rabattprogramms der Beklagten aber durchaus Sinn macht. Schließlich und vor allem aber finden sich in Prospekten von Reiseveranstaltern gerichtsbekannt keine Kontaktdaten von Hotels, weshalb sich die von dieser Praxis abweichende Handhabung im angegriffenen Katalog der Beklagten nur durch deren besondere Rolle - eben als Betreiberin des Rabattprogramms, nicht aber als Veranstalterin - erklären lässt.

Nach den vorstehenden Ausführungen kann dahinstehen, ob der Katalog - wie die Beklagte behauptet - nur an Inhaber der sog. „Travel Card“ und nur in Verbindung mit dem die eindeutigen Erläuterungen enthaltenen Hauptkatalog sowie den für die „Travel Card“ bestimmten AGB verteilt wurde. Denn wie dargelegt besteht der Anspruch bereits nach dem Vortrag des Klägers nicht.

b) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich allerdings aus den genannten wettbewerbsrechtlichen Vorschriften i. V. m. § 1 Abs. 1 PAngV. Nach der Rechtsprechung des BGH (etwa GRUR 2001, 1167 - Fernflugpreise) gilt diese Vorschrift auch für die Vermittler von Reisen. Die Beklagte hat eingeräumt als Vermittlerin aufgetreten zu sein, worauf sie am 8.5.2009 gerichtlich hingewiesen worden ist, ohne dass weiterer Vortrag erfolgt wäre.

4. Der Kläger kann schließlich nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Dies trifft hier zu. Gegen die Höhe der geltend gemachten Kosten hat sich die Beklagte nicht gewandt; diese ist auch allgemein anerkannt (Bornkamm in Hefermehl u. a., Wettbewerbsrecht, 27. Aufl. 2009, § 5 UWG Rnr 2.101 ff. m. w. N.). Die geltend gemachten Zinsen stehen dem Kläger ab Rechtshängigkeit nach § 288 Abs. 1 BGB zu; von dieser ist ausweislich der Verteidigungsanzeige (Bl. 15 dA) spätestens mit dem 24.11.2008 auszugehen.

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 709 ZPO.

Rechtsgebiete

Reiserecht