Keine Beförderung wegen Schwangerschaft - Kann eine Arbeitnehmerin wegen dieses Verdachtes Schadensersatz verlangen?
Gericht
LAG Berlin
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
19. 10. 2006
Aktenzeichen
2 Sa 1776/06
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. April 2006 - 28 Ca 5196/06 - geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung bei einer Beförderungsentscheidung.
Die Klägerin war seit dem 1. April 2002 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Musikbranche, bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt als „Marketing Director International Division“ gegen eine Bruttomonatsvergütung von rund 8.700,00 EUR tätig.
Sie arbeitete in dem Bereich „International Marketing“, dem der Vizepräsident Herr E. vorstand. Sie war als „ Directorin Pop“ eine von drei Abteilungsleiterinnen bzw. Abteilungsleiter, die beiden übrigen Abteilungsleiter waren Männer.
Im September 2005 wurde Herr E. zum Senior-Vize-Präsident Music-Division befördert und seine Stelle war vakant. Die Auswahlentscheidung für die Besetzung der Stelle in der Nachfolge des Herr E. fiel auf einen der beiden männlichen Abteilungsleiter; die Klägerin war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung schwanger. Am 13. Oktober 2005 wurde der Klägerin durch Herrn E. mitgeteilt, dass nicht sie, sondern einer der männlichen Mitbewerber zu seinem Nachfolger bestimmt worden sei.
Mit der vorliegenden, bei Gericht am 13. März 2006 eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, sie sei im Hinblick auf ihr Geschlecht bei der Beförderungsentscheidung benachteiligt worden und begehrt Schadensersatz.
Sie hat die Auffassung vertreten, die ihr negative Auswahlentscheidung beruhe auf ihrer Schwangerschaft und ihrer Mutterschaft. Denn sie sei als Abwesenheitsvertreterin von Herrn E. stets davon ausgegangen, dass sie dessen Nachfolge antreten werde. Entsprechendes habe Herr E. ihr auch mitgeteilt. Bei der Bekanntgabe der Nichtberücksichtigung habe Herr E. auch auf ihre familiäre Situation hingewiesen und erklärt, sie habe sich ja „für die Familie“ entschieden.
Dem gegenüber hat die Beklagte die Entscheidung für den männlichen Mitbewerber mit dessen erstklassigen Kundenkontakten und mit Proporzgesichtspunkten zwischen den beiden beteiligten Unternehmensbereichen, S. und B., begründet.
Von einer näheren Darstellung des Parteivorbringens erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28. April 2006 dem klägerischen Begehren entsprochen und die Beklagte zur Zahlung von 17.062,00 EUR als Entschädigung gemäß § 611 a Abs. 2 BGB wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Beförderung verurteilt. Das Arbeitsgericht hat in seiner Begründung die Grundsätze der Entschädigung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Beförderung referiert und dargestellt, dass die Klägerin Tatsachen glaubhaft machen musste, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten ließen. Dann trüge die Arbeitgeberseite die Beweislast dafür, dass sachliche Gründe, die nicht auf das Geschlecht bezogen seien, die Entscheidung rechtfertigten. Die Klägerin habe solche Tatsachen bzw. Indizien glaubhaft gemacht. Sie habe als eine der drei Direktorinnen zu den Anwärtern auf die Stelle gehört. Wenn ein männlicher Kollege vorgezogen worden ist, liege nahe, dass das Geschlecht eine Rolle gespielt habe. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Entscheidung auch schwanger gewesen, was bei der Arbeitgeberseite reflexhafte Vorbehalte auslöse. Dies alles reiche aus, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die Beklagte habe in dieser Situation den ihr obliegenden Gegenbeweis nicht erbracht. Unter Referierung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts ist es von einem strikten „Reinheitsgebot“ ausgegangen. Dies bedeute, dass nur erweislich geschlechtsneutrale Motive bei der Auswahlentscheidung vorgelegen haben dürfen. Notwendig sei auch ein geordnetes Verfahren bei der Entscheidungsprozedur selbst. Dies liege hier nicht vor, insbesondere sei auch keine Ausschreibung erfolgt. Eine Widerlegung der Vermutung sei daher nicht anzunehmen. Nur hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass die von der Beklagtenseite vorgebrachten Argumente nicht stichhaltig seien, was weiter ausgeführt wird. Die Höhe der von der Klägerin geforderten Entschädigungszahlung, die diese aus der ihr entgangenen Vergütungsdifferenz für 6 Monate abgeleitet hatte, sei gerechtfertigt und angemessen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 48 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses am 19. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 19. Juni 2006 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 19. Juli 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte und Berufungsklägerin tritt der arbeitsgerichtlichen Entscheidung mit dem Hinweis entgegen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung zwar schwanger gewesen sei, dass jedoch nie in Rede gestanden habe, dass sie über den Mutterschutz (14 Wochen) hinaus gehend habe pausieren wollen. Von einer längeren Ausfallzeit sei demgemäß auch sie, die Beklagte, nicht ausgegangen. Die Klägerin habe bereits die erste Stufe des Prüfungsschemas im Sinne von § 611 a BGB nicht erfüllt, da sie keine hinreichend Indiztatsachen vorgetragen habe. Für die Beförderung des männlichen Bewerbers hätten im Übrigen sachliche Gründe gesprochen. Dabei sei zunächst festzustellen, dass bezüglich der Stellen in der Geschäftsleitung oder in der Abteilungsleitung ein formelles Stellenbesetzungsverfahren regelmäßig nicht stattfinde. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass im hiesigen Streitverfahren sachliche Gründe für die Stellenbesetzung insgesamt unberücksichtigt bleiben müssten. Sachliche Gründe für die Besetzungsentscheidung seien im Wesentlichen Proporzgesichtspunkte gewesen. Die Stelle des Abteilungsleiters „International Marketing“ sei frei geworden; die Entscheidung der Stellenbesetzung mit dem männlichen Bewerber sei nach zahlreichen informellen Gesprächen und auch subjektiven Wertungen zustande gekommen. Die Beklagte sei ein Joint Venture Unternehmen unter Beteiligung von S. und B., beide jeweils mit 50 Prozent. Dieser Anteil habe sich als Proporz auch innerhalb von Führungspositionen darstellen sollen. Die Beklagte führt in diesem Zusammenhang die Besetzung der einzelnen Positionen auf. Aus ihr ergebe sich, dass für den Falle einer Beförderung der Klägerin ein Übergewicht der „S.-Seite“ bestanden hätte, was vermieden werden solle. Im konkreten Fall sei es auch so gewesen, dass Herr E. der Klägerin nicht zugesichert habe, dass sie seine Nachfolgerin werde. Er habe ihr lediglich erklärt, dass sie eine Chance auf Beförderung habe; dies habe er aber auch den anderen Kandidaten, unter anderem dem schließlich beförderten männlichen Kollegen gesagt. Man habe im Rahmen der vorzunehmenden Integration Mitarbeiter motivieren und nicht verunsichern und verlieren wollen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. April 2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die arbeitsgerichtliche Entscheidung für zutreffend und erklärt darüber hinaus, zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung habe gerade nicht festgestanden, ob sie nicht doch beispielsweise 6 Monate Elternzeit habe nehmen wollen. Allein schon die Tatsache ihrer Schwangerschaft sei geeignet, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine damit begründete Benachteiligung bei der Stellenbesetzung zu erbringen. Sie, die Klägerin, sei stets Abwesenheitsvertreterin von Herrn E. gewesen, dieser habe sie mehrfach darauf hingewiesen, dass sie seine Nachfolgerin werden solle. Von Proporzgesichtspunkten bei der Stellenbesetzung sei nie die Rede gewesen. Solche Gesichtspunkte würden jetzt nur im Prozess genannt, sie seien auch der Sache nach unzutreffend, was die Klägerin im Einzelnen darlegt. Vielmehr hätten auch familiäre Gesichtspunkte eine Rolle gespielt, was sich auch aus den Äußerungen ergebe, die Herr E. ihr gegenüber in dem Gespräch abgegeben habe, als er ihr die Nichtberücksichtigung mitgeteilt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Beklagten und Berufungsklägerin vom 19. Juli 2006 (Bl. 100 ff. d. A.) und vom 18. Oktober 2006 (Bl. 168 ff. d. A.) sowie auf diejenigen der Klägerin und Berufungsbeklagten vom 21. August 2006 (Bl. 132 ff. d. A.) und vom 13. Oktober (Bl. 156 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat Beweis über die Behauptungen der Klägerin über den Inhalt des Gespräches zwischen ihr und Herrn E. am 13. Oktober 2005 erhoben. Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 24. August 2006 (Bl. 151 ff. d. A.) und vom 19. Oktober 2006 (Bl. 176 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist daher zulässig.
2. Die Berufung hatte in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Entschädigungsanspruch wegen geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei der Beförderung nicht zu.
2.1 Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass gem. § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer unter anderem bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses oder bei einer Beförderung nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen darf. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist nur dann zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist.
Im Hinblick auf die diesbezüglich maßgebliche Frage der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer zunächst die ungleiche Behandlung gegenüber einem anderen Arbeitnehmer beweisen muss; dazu muss er im Regelfall die tatsächliche Benachteiligung darlegen und weiter erklären, dass das weibliche oder männliche Geschlecht keine unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit bzw. die Wahrnehmung der Stelle, die als Beförderungsstelle ansteht, darstellt. Sodann hat er gem. § 611 Abs. 1 Satz 3 BGB Tatsachen glaubhaft zu machen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen. Die Glaubhaftmachung durch den Arbeitnehmer lässt die Beweisverteilung zunächst unberührt, sie senkt nur das Beweismaß. Dabei ist als „Glaubhaftmachung“ nicht die Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO zu verstehen; verlangt ist lediglich eine Darlegung, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als wahrscheinlich erscheinen lässt. Der klagende Arbeitnehmer kann eine Beweislast des Arbeitgebers dahin, dass nicht geschlechtsbezogene Gründe die Entscheidung bestimmt haben, dadurch herbeiführen, dass er Hilfstatsachen darlegt und ordnungsgemäß unter Beweis stellt, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen. Hierzu genügt die Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Geschlechtszugehörigkeit und Nachteil. Solche Vermutungstatsachen können in Äußerungen des Arbeitgebers bzw. anderen Verfahrenshandlung begründet seien, die die Annahme einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nahe legen. Es können auch Indizien genügen, die aus einem regelhaft einem Geschlecht gegenüber geübten Verhalten auf eine solchermaßen motivierte Entscheidung schließen lassen. Ist die Benachteiligung aus geschlechtsspezifischen Gründen nach diesen Grundsätzen überwiegend wahrscheinlich, muss nunmehr der Arbeitgeber den vollen Beweis dafür führen, dass die Benachteiligung aus rechtlich zulässigen Gründen erfolgte (BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 112/03 – NZA 2004, 540 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und Literatur).
2.2 Unter Beachtung und in Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer im Ergebnis nicht davon ausgegangen, dass es der Klägerin, die angesichts der Nichtberücksichtigung für die vakante, keinem Geschlecht notwendigerweise zuzuordnenden Stelle zweifellos „benachteiligt“ worden war, gelungen war, Hilfstatsachen darzulegen und unter Beweis zu stellen, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechtes vermuten lassen, um so die Umkehr der Beweislast zu Lasten des Arbeitgebers herbeizuführen.
2.2.1 Soweit sich die Klägerin auf den Umstand beruft, dass sie zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung schwanger war, reichte dies nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus, indiziell die geschlechtsbezogene Benachteiligung anzunehmen.
Zwar ist in der Literatur vereinzelt (KR-Pfeiffer, § 611 a BGB, Rdz. 139) angenommen worden, bereits der zeitliche Zusammenhang zwischen der Anzeige einer Schwangerschaft und einer arbeitgeberseitigen (benachteiligten) Maßnahme sei geeignet, Indizwirkung diesbezüglich herbeizuführen. Dem folgt die Kammer jedenfalls für die im Streitfalle vorliegende Konstellation der Beförderung nicht. Für die Beförderungsentscheidung spielt die Frage eines – kurzfristigen – Ausfalles der Arbeitnehmerin in der Regel keine derart ins Gewicht fallende Rolle, wie es möglicherweise bei einer Einstellung der Fall sein wird. Denn zum Einen ist in einem solchen Falle – wie auch der Rechtsstreit zeigt – nicht sicher, in welchem zeitlichen Umfang die Bewerberin um die Beförderungsstelle tatsächlich dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung stehen wird. Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass bei einer eingearbeiteten Kraft, zumal in leitender Stellung, die Wiederaufnahme der Arbeit relativ naht– und problemlos erfolgen kann und wird, so dass die diesbezügliche „Belastung“ des Arbeitgebers mit dem Umstand, dass er zeitweise nicht auf die Leistung und die Kenntnisse der Schwangeren bzw. Mutter zurückgreifen kann, nicht sehr hoch wiegt. Der Arbeitgeber kennt die Bewerberin und kann ihre Dispositionen einschätzen.
Im Übrigen erscheint es auch im Bezugspunkt der Entschädigung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung zu weitgehend, wollte man bereits die bloße Existenz einer Schwangerschaft im Rahmen eines Bewerbungsvorganges mit Indizwirkung für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann ausstatten, wenn ein männlicher Bewerber bevorzugt würde. Sicher lassen sich in der Praxis Fallgestaltungen beobachten, in denen schwangeren Bewerberinnen für eine Stelle Nachteile aus ihrer Schwangerschaft entstehen. Diesen Beobachtungen kann für den Bereich des § 611 a BGB jedoch nicht die Qualität eines Erfahrungs- oder gar Rechtssatzes beigemessen werden, der für sich genommen schon die Beweislastumkehr herbeiführte.
2.2.2 Auch weitere von der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung und insbesondere der erfolgten Benachrichtigung über ihre Nichtberücksichtigung in den Rechtsstreit eingeführte Argumente vermochten die Indizwirkung für die geschlechtsbezogene Benachteiligung nicht herbeizuführen.
Allerdings ist anerkannt, dass als entsprechende Vermutungstatsachen auch Äußerungen des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten sowie andere Verfahrenshandlungen in Betracht zu ziehen sein können, die die Annahme einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nahe legen (BAG a.a.O.).
Solche Äußerungen oder Umstände lagen im Streitfall jedoch nicht vor.
Soweit die Klägerin sich darauf bezieht, dass sie die Abwesenheitsvertreterin des Herrn E., bezogen auf die Beförderungsstelle, war, vermochte dieser Umstand nicht auszureichen, eine entsprechende Indizwirkung zu enthalten. Sicherlich haben diejenige Bewerberin oder derjenige Bewerber auf eine freigewordene Stelle, die diese Stelle bereits vertretungsweise innehatten, einen Wissens- und Informationsvorsprung bezüglich der dort anfallenden Aufgaben. Allerdings gibt es keinen Erfahrungssatz dahin, dass bei der schließlich zu erfolgenden endgültigen Besetzung der Stelle stets der frühere „Vertreter“ Priorität genösse. Es gibt diesbezüglich zahlreiche Fallkonstellationen, in denen zwar eine bestimmte Person als Urlaubs- und Abwesenheitsvertreter fungiert, für eine endgültige Besetzung allerdings auf eine Person mit anderem Zuschnitt zurückgegriffen wird.
Auch Erklärungen der Beklagten bzw. insbesondere des für sie handelnden Herrn E. im Zusammenhang mit dem Stellenbesetzungsverfahren waren – im Ergebnis – nicht ausreichend, die geforderte Indizwirkung herbeizuführen.
Dies betrifft etwa von der Klägerin behauptete Äußerungen von Herrn E. im Vorfeld der Bewerbung dahin gehend, dass sie, die Klägerin seine Nachfolgerin werden würde. Es kann dahin stehen, ob Herr E. eine solche Erklärung überhaupt abgegeben hat oder, wie er es ausgesagt hat, nur seinen Abteilungsleitern sämtlichst Hoffnungen auf die Berücksichtigung bei der Stellenbesetzung gemacht hat. Denn es ist nahe liegend, dass ein Vorgesetzter schon aus personalpolitischen Gründen gegenüber seinen in der Hierarchie gleichgeordneten nachfolgenden Mitarbeitern im Vorfeld eine Nachfolgeentscheidung natürlich nicht von vornherein ausschließt, dass jede der Personen als Nachfolger in Betracht kommt. Hieraus auf eine Art „Zusage“ zu schließen, die im Falle der Nichtberücksichtigung die geschlechtsbezogene Benachteiligung indizieren würde, ist nicht gerechtfertigt.
Auch die Erklärungen des Herrn E. in dem Gespräch mit der Klägerin, in welchem er ihr mitgeteilt hatte, dass nicht sie, sondern ein anderer Bewerber berücksichtigt worden sei, rechtfertigte nicht die Annahme einer entsprechenden Vermutung der geschlechtsbezogenen Benachteiligung.
Allerdings hat sich im Ergebnis der Beweisaufnahme ergeben, dass der Zeuge E. der Klägerin bei diesem Gespräch auch Hinweise auf ihre familiäre Situation und dahin gegeben hatte, dass sie sich „auf ihr Kind freuen“ solle. Dabei kann es dahin stehen, ob diese Erklärung im Büro des Zeugen E. oder im Büro der Klägerin gefallen ist; im Kern haben sowohl die Klägerin bei ihrer Befragung nach § 141 Abs. 1 ZPO als auch Herr E. im Rahmen seiner Zeugenbefragung diesen Umstand weitgehend übereinstimmend bekundet.
Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass beide, sowohl die Klägerin in ihrer Anhörung als auch Herr E. in seiner Zeugenaussage, bekundet haben, woran sie sich erinnert haben. Unterschiedliche Aussagen im Detail vermochten nach Auffassung der Kammer nichts daran zu ändern, dass sich aus beiden Aussagen im Kern der übereinstimmende Sachverhalt dahin ergeben hat, dass Herr E. die familiäre Situation der Klägerin angesprochen hat. Bei der Würdigung der Zeugenaussage des Herrn E. war es für die Kammer erkennbar geworden, dass diesem das (damalige) Gespräch mit der Klägerin sehr unangenehm war, so wie es auch in seiner Zeugenaussage ihm erkennbar unangenehm war, diese Vorgänge noch einmal zu beleuchten. Das sprach für seine Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage.
Allerdings ist das Berufungsgericht bei seiner Würdigung der Aussagen davon ausgegangen, dass diese Erklärung von Herrn E. sich nicht auf den Bewerbungsvorgang selbst und die Besetzungsentscheidung selbst bezogen hat, sondern dass Herr E. mit diesem Hinweis auf die „familiäre Situation“ der Klägerin ein „Trostpflaster“ im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung geben wollte. So hat es offenbar auch die Klägerin selbst verstanden; denn nach ihren Aussagen hat sie ja gerade bei Herrn E., nachdem dieser ihr die Nichtberücksichtigung mitgeteilt hatte, nachgefragt, ob sie wegen der Schwangerschaft nicht genommen worden sei. Dies bedeutet aber, dass sie aus den Worten des Herrn E. einen solchen Zusammenhang nicht bereits für sich so verstanden hatte.
Herr E. hat diese Äußerungen in einem zeitlichen und logischen Zusammenhang so getan, dass sie sich auf die Folgen der Nichtberücksichtigung, nicht aber auf deren Ursachen erkennbar bezogen haben.
Gerade hierin wird deutlich, dass er in dem damaligen Gespräch offenbar nur einen Weg suchte, die Nichtberücksichtigung der Klägerin in einem „milderen Licht“ für diese erscheinen zu lassen. Hieraus lassen sich nach Auffassung des Berufungsgerichts keine hinreichenden Rückschlüsse auf die Motivationslage bei der Besetzungsentscheidung selbst ziehen. Dabei hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass es in dieser Phase des arbeitnehmerseitigen Vortrags zunächst (nur) um eine Glaubhaftmachung von diskriminierungsbehafteten Motiven bei der Entscheidung geht. Die Annahme solcher Tatbestände setzt aber voraus, dass das Gericht vom Vorliegen einer immerhin überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung ausgehen kann. Diesen Schluss vermochte das Berufungsgericht im Streitfalle aus den dargelegten Gründen nicht zu ziehen.
2.2.3 Lagen aber mithin keine entsprechenden Hilfstatsachen vor, die eine Vermutung der geschlechtsspezifischen Benachteiligung nahe legten, konnte eine Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers nicht erfolgen. Die Klägerin vermochte vielmehr die ihr obliegenden Schritte im Rahmen der Entschädigungsklage nicht erfolgreich zu bestehen.
3. Nach alledem musste das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen werden; die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
4. Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da es sich um die Beurteilung eines Einzelfalles gehandelt hat.
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