Keine Kündigung wegen kritischer Äußerungen über den Arbeitgeber

Gericht

LAG Baden-Württemberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

10. 02. 2010


Aktenzeichen

2 Sa 59/09


Leitsatz des Gerichts

  1. Wenn kritische Äußerungen des Arbeitnehmers über den Arbeitgeber (hier: Internetbeitrag) vom Grundrecht der freien Meinungsäußerungen gedeckt sind, verletzen sie auch keine arbeitsvertraglichen (Rücksichtnahme-)Pflichten.

  2. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfordert eine Abwägung der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers mit den Interessen des Arbeitgebers.

Tenor


Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.02.2009 - 6 Ca 6113/08 - wird zurückgewiesen.

  2. Auf die Berufung des Klägers wird das oben genannte Urteil in Ziff. 2 abgeändert:

    Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und einen von der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag.

Der am … Oktober 1954 geborene, verheiratete und noch 2 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 13. Januar 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Er war zuletzt als Maschinenbediener im Stammwerk Z. mit einem monatlichen Einkommen von 3.200,00 EUR brutto tätig. Seit dem 22.03.2007 ist der Kläger schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall und gewerkschaftlicher Vertrauensmann im Betrieb. In der Zeit von 1994 bis 1998 war der Kläger Betriebsrat (im Entwicklungszentrum W.). Der Kläger ist ferner Mitglied des Solidaritätskreises „Einer für Alle - Alle für Einen“.

Die Beklagte ist ein Großunternehmen der Automobilindustrie und beschäftigt allein in ihrem Betrieb in S. mehrere Tausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die streitgegenständliche Kündigung ist die fünfte Kündigung der Beklagten in einer langjährigen (gerichtlichen) Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Die Beklagte stützt die Kündigungen auf verschiedene Äußerungen des Klägers oder ihm angeblich zuzurechnender Erklärungen in (Betriebs) Zeitschriften, Info-Blättern und Beiträgen im Internet. Soweit für die Beurteilung der streitgegenständlichen Kündigung von Interesse, erschien am 26.09.2002 das „Solidaritätskreis-Info“ Nr. 1 des Solidaritätskreises „Einer für Alle - Alle für Einen “. In diesem Informationsblatt ging es u.a. um angebliche politische Maßregelungen von 2 weiteren Arbeitskollegen und Mitgliedern des Solidaritätskreises. Das „Solidaritätskreisinfo“ endete folgendermaßen:


- „In dieser Sache richten wir uns an die Arbeiter und die breite Bevölkerung.
- Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück.
- Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab.
- Wir setzen uns ein für das Recht auf freie politische und gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb und die Rücknahme der politischen Maßregelung nach der Tarifrunde.
- Für die Weiterbeschäftigung von K.
- Für die Rücknahme der Abmahnung von H.

Name: Adresse: Unterschrift:

Kontaktadresse: Name, Adresse und E-Mail Anschrift des Klägers.“

Am 04.12.2002 sprach die Beklagte die erste ordentliche Kündigung aus und stellte im darauf folgenden Kündigungsschutzprozess hilfsweise einen Auflösungsantrag. Mit Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 12.01.2006 (2 AZR 21/05) wurde wie in den Vorinstanzen die Kündigung für unwirksam erklärt und der Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Die zweite Kündigung der Beklagten vom 24.06.2004 wurde durch das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg vom 01.02.2007 (21 Sa 73/06) rechtskräftig für unwirksam erklärt und der Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Auch die dritte, außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.05.2006 wurde erstinstanzlich für unwirksam erklärt und der Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Der Kündigungsschutzprozess endete durch Berufungsrücknahme der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 25.01.2008 (7 Sa 73/07). Die vierte Kündigung vom 06.12.2006 nahm die Beklagte im Kündigungsschutzprozess zurück. Seit dem 01.07.2003 wird der Kläger bei der Beklagten nicht mehr beschäftigt. Seither wurden in 5 Beschlüssen Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 75.000,00 EUR gegen die Beklagte festgesetzt.

Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Kündigung auf schwere und gezielte Loyalitätspflichtverletzungen des Klägers. Diese sieht die Beklagte zum einen in einem Rundschreiben des Klägers im Internet (www.l..de), in dem der Kläger um zahlreiches Erscheinen in einer Gerichtsverhandlung bittet und in dem folgende Äußerungen enthalten sind (Bl. 119 und 120 der erstinstanzlichen Akte):

„Dieses BAG-Urteil ( Anmerkung: vom 12.01.2006) ist ein Erfolg für die Arbeiterbewegung hier in Deutschland, den( n ) mit diesem Urteil werden folgende Rechte verteidigt:
- Das Recht auf freie Meinungsäußerung: konkret ging es dabei um die Benutzung der Begriffe „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke!“ - diese Begriffe stellen keine persönlichen Beleidigungen dar.
...“

Des Weiteren stützt die Beklagte die vorliegende Kündigung auf ein Flugblatt ohne Datum (jedoch vor dem 06.03.2007) eines „5. Internationalen Automobilarbeiter Ratschlag“, in dem die „Weiterbeschäftigung des Vertrauensmannes U. S. und unverzügliche Anerkennung der 3 Gerichtsurteile seitens von P.. Schluss mit Kettenkündigungen von U. S.“ gefordert wird (ViSdP: N. C.)“[Bl. 123 der erstinstanzlichen Akte].

Schließlich stützt die Beklagte die vorliegende Kündigung auf einen Beitrag eines H. G. vom 21.09.2008 unter der Internetadresse „www.c..de“ (Bl. 121 und 122 der erstinstanzlichen Akte).

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 30.07.2007 stimmte das Integrationsamt der beabsichtigten Kündigung der Beklagten zu.

Mit Schreiben vom 15.08.2007 informierte die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung des Klägers. Am 21.08.2007 nahm der Betriebsrat dazu Stellung („der Betriebsrat sieht sich nicht in der Lage Widerspruch zu erheben“).

Mit Schreiben vom 23.08.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2008.

Mit seiner Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Zum anderen trägt er vor, dass die Internetveröffentlichung „H. G.“ vom 21.09.2008 und das Flugblatt vom 06.03.2007 nicht von ihm stammten und ihm nicht zurechenbar seien. Den Beitrag im „l..de“ vom 30.01.2007 dagegen habe er verfasst. In diesem Artikel werfe er der Beklagten jedoch nicht „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke“ vor. Vielmehr habe er lediglich ausgeführt, dass sich das BAG mit seinem Recht auf freie Meinungsäußerung auseinandergesetzt und die auf diese Äußerungen gestützte Kündigung der Beklagten für unwirksam erklärt habe. Der Kläger sei ein Freund der sachlichen Auseinandersetzung und lehne Beleidigungen und ehrverletzende Äußerungen ab. Seit Oktober 2002 stehe er nicht mehr als „Sammelstelle“ für die Unterschriften des Solidaritätskreises zur Verfügung und sei auch kein aktives Mitglied des Solidaritätskreises. Der Kläger ist weiter der Auffassung, dass seine sachlichen Äußerungen im Internetbeitrag vom 30.01.2007 eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigten. Von den Äußerungen des „H. G.“ distanziere er sich.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23.08.2007 nicht aufgelöst wird.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 zu den im Arbeitsvertrag vom 18.10.1985 geregelten Arbeitsbedingungen als Maschinenführer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag Ziffer 1 weiterzubeschäftigen.

  3. Für den Fall der Rechtskraft des Obsiegens im Kündigungsschutzverfahren wird die Beklagte verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 18.10.1985 als Maschinenführer zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise :

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sei. Sie wirft dem Kläger eine beharrliche Fortsetzung schwerer und gezielter Loyalitätspflichtverletzungen gegenüber der Beklagten vor. Durch das Verhalten des Klägers sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien völlig zerrüttet. Der Kläger distanziere sich weder vom „Solidaritätskreis“ noch unternehme er etwas gegen die Veröffentlichung der Kampagnen gegen die Beklagte. Vielmehr unterstütze er diese noch mit Aufrufen im Internet. Dem Kläger seien die beleidigenden und massiv rufschädigenden Unterstellungen der „menschenverachtenden Jagd auf Kranke“ und „verschärften Ausbeutung“ zuzurechnen. Damit verletze er seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten gegenüber der Beklagten. Jedenfalls die Gesamtschau der Loyalitätspflichtverletzungen des Klägers führe zu der Wertung, dass der Kläger gegenüber der Beklagten eine feindliche Haltung eingenommen habe, diese nach außen über die Medien publiziert werde und sich der Kläger über mehrere Jahre an gegen die Beklagte gerichteten Aktionen beteiligt habe. Aufgrund dieser Tatsachen sei das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien jedenfalls aufzulösen. Wegen der aggressiven Haltung des Klägers gegenüber der Beklagten sei eine weitere Zusammenarbeit mit ihm undenkbar.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.02.2009 festgestellt, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.08.2007 unwirksam ist. Es hat das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 25.600,00 EUR zum 31.03.2008 aufgelöst. Das angefochtene Urteil führt aus, dass eine die Kündigung rechtfertigende Loyalitätspflichtverletzung des Klägers nicht gegeben sei. Dagegen rechtfertige das Verhalten des Klägers die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. In der Gesamtschau der Verhaltensweisen des Klägers sei eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu erwarten.

Gegen dieses den Parteien am 01.09.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.08.2009 vom Kläger eingelegte und am 18.09.2009 ausgeführte Berufung und die am 19.08.2009 von der Beklagten eingelegte und am 21.10.2009 innerhalb der verlängerten Frist ausgeführte Berufung. Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass seine Äußerungen eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigten. Die Weiterbeschäftigung als Maschinenbediener sei problemlos möglich.

Der Kläger beantragt,

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.02.2009, Az.: 6 Ca 6113/08, wird zurückgewiesen.

  2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.02.2009, Az.: 6 Ca 6113/08, abgeändert, soweit es dem Auflösungsantrag der Beklagten stattgegeben hat.

    Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern, die Klage abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die vom Kläger eingelegte Berufung bereits unzulässig sei, weil er sich nicht hinreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt habe. Soweit das angefochtene Urteil das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgelöst hat, verteidigt die Beklagte diese Entscheidung.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

A. Berufung der Beklagten

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil hat zu Recht erkannt, dass die Kündigung vom 23.08.2007 sozial ungerechtfertigt ist, weil sie nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.

1. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - schuldhaft - verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Dabei spielt vor allem die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle. Als verletzte Vertragspflicht kommt im Arbeitsverhältnis, wie in jedem Schuldverhältnis, auch eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht in Betracht. Die Vertragspartner sind zur Rücksichtnahme und zum Schutz bzw. zur Förderung des Vertragszwecks verpflichtet (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung).

Die Betriebsratsanhörung wirkt als Zäsur für die Kündigungsbegründung im Prozess. Teilt der Arbeitgeber objektiv vorhandene Gründe nicht mit, ist es ihm prinzipiell verwehrt, im Prozess die Kündigung (auch) auf diese Gründe zu stützen. Dem Arbeitgeber steht es nur frei, dem Betriebsrat unterbreitete Gründe zu erläutern und zu konkretisieren (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil 18.12.1980 - 2 AZR 1006/78 - AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972; Urteil 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 - AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; vergl. Hako-Nägele, Kündigungsschutzrecht, 3. Auflage § 102 BetrVG Rn. 190).

2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze steht für die erkennende Kammer fest, dass die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung nicht mit dem Internetschreiben des Klägers in „l..de“ vom 30.01.2007, dem Flugblatt „5. Internationaler Automobilarbeiter Ratschlag“ und dem Internetbeitrag von „H. G.“ vom 21.09.2008 begründen kann, weil diese Dokumente und die darin enthaltenen Äußerungen dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sind.

Die Beklagte hat dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben vom 15.08.2007 unter Ziff. 4 den Kündigungssachverhalt für die vorliegende 5. Kündigung näher dargelegt. In den mitgeteilten Kündigungstatsachen ist das Flugblatt „5. Internationaler Automobilarbeiter Ratschlag“ und (naturgemäß!) der Internetartikel von „H. G.“ vom 21.09.2008 (!) nicht enthalten. Unter Ziff. 4 lit. d des vorgenannten Anhörungsschreibens wird dem Betriebsrat zwar eine Anlage 10 über einen Internetauszug vom 22.02.2007, den der Kläger auf der Homepage von „l.“ verfasst haben soll, mitgeteilt. Dieser Internetauszug vom 22.02.2007 hat aber einen völlig anderen Inhalt (Bl. 124 der zweitinstanzlichen Akte) als der unstreitig vom Kläger stammende Internetartikel vom 30.01.2007. Im Internetbeitrag vom 22.02.2007 sind gerade die von der Beklagten besonders beanstandeten Äußerungen des Klägers „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke“ nicht enthalten. Nachdem die Beklagte dem Betriebsrat den Inhalt des Internetartikels vom 30.01.2007 nicht vorgelegt hat, kann sie auch die Kündigung darauf nicht stützen.

3. Im Übrigen kann die Beklagte die vorliegende Kündigung nicht mit dem Internetbeitrag von „H. G.“ vom 21.09.2008 begründen, da dieser Artikel erst nach Ausspruch der Kündigung verfasst worden ist. Des Weiteren ist nicht erkennbar, warum der Inhalt des Flugblattes des „5. Internationaler Automobilarbeiter Ratschlag“ dem Kläger zugerechnet werden soll, nachdem er dort nicht als Urheber aufgetreten ist.

Auch soweit der Kläger in seinem Internetschreiben unter „l..de“ vom 30.01.2007 sein Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt und der Ansicht ist, dass die Begriffe „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke“ keine persönlichen Beleidigungen darstellten, rechtfertigen diese Äußerungen auf einer Homepage im Internet keine Kündigung des Klägers.

Die zitierten Äußerungen des Klägers dürfen nicht isoliert unter Ausblendung der Vorgeschichte der jahrelangen (gerichtlichen) Auseinandersetzung zwischen den Parteien betrachtet werden, zumal es in dem Beitrag des Klägers vom 30.01.2007 in erster Linie um einen Aufruf zu seiner Unterstützung in einem Gerichtstermin geht. Die Äußerungen des Klägers beziehen sich auf die Entscheidung des BAG vom 12.01.2006 im ersten Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien. In diesem Urteil ging es u.a. um die Bewertung der Sätze „wir greifen die verschärfte Ausbeutung an“ und „wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab“ im „Solidaritätskreis-Info“ vom 26.09.2002, in dem der Kläger als Kontaktadresse angegeben war. In diesem Urteil hat das BAG - im Gegensatz zur Vorinstanz - Bedenken geäußert, allein in dieser Veröffentlichung ein illoyales Verhalten des Klägers zu sehen und daraus eine Vertragspflichtverletzung anzunehmen (Rnrn. 44 ff.). Das BAG hat weiter ausgeführt, dass diese Äußerungen dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen (Rn. 48) und abschließend festgestellt (Rn. 52), dass die unsachlichen Äußerungen weder eine Formalbeleidigung noch eine Schmähung oder einen Angriff auf die Menschenwürde eines der Repräsentanten der Beklagten darstellen. Letztlich konnte das BAG diese Frage jedoch offen lassen, da die Kündigung bereits mangels einer vorherigen Abmahnung als unwirksam erachtet wurde.

Diese Urteilsbegründung des BAG nimmt der Kläger in seinem Internetbeitrag vom 30.01.2007 auf und betont, dass die Begriffe „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke“ keine persönliche Beleidigung darstellen. Der Kläger will in diesem Internetbeitrag diese beiden Begriffe nicht abstrakt bilden, sondern will sie in den Kontext des BAG-Urteils stellen. Ein - wie der Kläger - juristisch nicht gebildeter Arbeitnehmer darf die Begründung des BAG in Rn. 52 des Urteils auch so verstehen, dass die Verwendung der Begriffe in dem am 12.01.2006 entschiedenen Sachverhalt keine persönliche Beleidigung darstellen:

„die unsachlichen Äußerungen... enthalten weder eine Formalbeleidigung noch stellen sie eine Schmähung oder einen Angriff auf die Menschenwürde eines der Repräsentanten der Beklagte dar. Die polemischen Äußerungen und überspitzten Kritiken an dem Unternehmen der Beklagten haben keinen konkreten Bezug zu Personen oder Repräsentanten der Beklagten. Eine allgemeine Kritik an den allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen einerseits und am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen andererseits ist, auch wenn sie - etwa in Betriebsversammlungen - überspitzt und polemisch ausfällt, noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und kann deshalb nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen.“

Dieses Urteil vom 12.01.2006 ist Bestandteil einer langjährigen Rechtsprechung des BAG zum Grundrecht der freien Meinungsäußerung der Arbeitnehmer im Betrieb (zuletzt z.B. Urteile vom 24.11.2005 - 2 AZR 584/04 - AP Nr. 198 zu § 626 BGB und vom 24.06.2004 - 2 AZR 63/03 - AP Nr. 2 zu Art. 5 GG). Das BAG betont unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung konstituierend ist. Es gewährleistet eine der wesentlichen Äußerungsformen der menschlichen Persönlichkeit. Mit der überragenden Bedeutung des Grundrechts wäre es unvereinbar, wenn das Grundrecht in der betrieblichen Arbeitswelt, die für die Lebensgrundlage zahlreicher Staatsbürger wesentlich bestimmend ist, gar nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre. Der Grundrechtschutz bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BAG Urteil 24.06.2004, aaO., Rn. 35). Das BAG stellt deshalb in den zitierten Urteilen zu Recht den Rechtsatz auf, dass eine Äußerung nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen kann, wenn sie vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt ist (zuletzt BAG 12.01.2006 a.a.O. Rn. 52).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze und der im Urteil des BAG vom 12.01.2006 enthaltenen Feststellungen ist die erkennende Kammer überzeugt, dass die Äußerungen des Klägers im Internetartikel vom 30.01.2007 keinen Kündigungsgrund darstellen. Auch diese Äußerungen, die sich auf den vom BAG am 12.01.2006 festgestellten Sachverhalt beziehen, enthalten weder eine Formalbeleidigung noch Schmähkritik. Sie sind vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und verletzen deshalb keine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht des Klägers.

Die Kündigung der Beklagten vom 23.08.2007 ist unwirksam.

B. Berufung des Klägers

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hat sich der Kläger ausreichend mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt.

Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil vom 10.02.2005 - 6 AZR 183/04 - NZA 2005, 597; juris Rn. 18). Bezweckt ist damit eine Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsmittelverfahrens. Gericht und Gegner sollen möglichst und sicher erkennen können, wie der Rechtsmittelführer den Streitfall beurteilt wissen will. Sie sollen sich auf dessen Angriff erschöpfend vorbereiten können (BAG, Urteil vom 14.12.20ß04 - 1 AZR 504/03 - AP Nr. 32 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitgebers).

Das angefochtene Urteil hält den Auflösungsantrag der Beklagten deshalb für begründet, weil nach einer Gesamtschau eine gedeihliche Zusammenarbeit der Partei nicht mehr erwartet werden kann. Die Gesamtschau der erstinstanzlichen Kammer ergibt sich aus zwei näher aufgeführten Sachverhalten. Zum einen aus dem Internetartikel des Klägers vom 30.01.2007. Zum anderen daraus, weil der Kläger sich von dem Internetbeitrag des „H. G.“ nicht distanziert hat. Diese beiden die Gesamtschau des Arbeitsgerichts tragenden Begründungen greift der Kläger in seiner Berufungsbegründung deutlich an und setzt sich mit der Begründung des angefochtenen Urteils hinreichend auseinander. Auch im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung des Klägers nicht veranlasst.

II.

In der Sache hat die Berufung des Klägers Erfolg. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts ist der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag der Beklagten unbegründet.

1. Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die Kündigung aufgelöst worden, hat es nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine sozialwidrige Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz - und kein Abfindungsgesetz. Bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers wird dieser Grundsatz durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Da hiernach eine Auflösung des Arbeitverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Eine Auflösung kommt vor allem in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch oder nicht mehr zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil 12.01.2006 a.a.O., juris Rnrn. 61 ff.). Äußerungen oder Verhaltensweisen, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallen, müssen mit dem davon betroffenen Persönlichkeitsrecht des Arbeitgebers oder anderer Betriebsangehöriger abgewogen werden. Artikel 5 Abs. 1 GG verlangt, dass die grundrechtsbeschränkende Norm im Licht der Meinungsfreiheit ausgelegt und angewendet wird, damit die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Ist eine Äußerung weder als Schmähung noch als Formalbeleidigung einzustufen, hat das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit einerseits und des Rechtsguts, in dessen Interesse die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist, andererseits vorzunehmen (zur Abmahnung: BVerfG Kammerbeschluss vom 16.10.1998 - 1 BvR 1685/92 - AP Nr. 24 zu § 611 BGB Abmahnung, juris Rn. 19; vgl. auch BAG Urteil 06.11.2003 - 2 AZR 177/02 - AP Nr. 46 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung). Bei der anzustellenden Prognose, ob eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien zu erwarten ist, ist die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb von erheblicher Bedeutung (BAG Urteil 26.06.1997 - 2 AZR 502/96 - nicht amtlich veröffentlicht, juris Rn. 25).

2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze steht für die erkennende Kammer fest, dass der vorliegende Sachverhalt den Auflösungsantrag der Beklagten nicht rechtfertigt.

2.1 Die vom Kläger im Internetbeitrag vom 30.11.2007 vertretene Ansicht, dass die Begriffe „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke“ keine persönliche Beleidigung darstellen, ist ihrerseits keine Beleidigung von Repräsentanten der Beklagten (vgl. BAG 12.01.2006 a.a.O. Rn. 71). Diese Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und können unter Beachtung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nicht rechtfertigen.

2.2 Es ist nicht ersichtlich, warum der Internetartikel des „H. G.“ vom 21.09.2008 dem Kläger zurechenbar sein soll. Es spricht insoweit keine Vermutung oder gar Lebenserfahrung dafür, dass ein Arbeitnehmer, dessen Name im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung erwähnt wird, diese Stellungnahmen bzw. Veröffentlichungen veranlasst oder auch nur gebilligt hat. Es sind vielfältige Erklärungen und Umstände denkbar, warum ein Name mit einem bestimmten Artikel in Verbindung gebracht werden kann (BAG 12.01.2006 a.a.O. Rn. 42). Soweit in dem Internetbeitrag des „H. G.“ der Aufruf des Klägers (noch einmal) veröffentlicht wird, handelt es sich lediglich um die Bitte des Klägers um Unterstützung in einem weiteren Verhandlungstermin vor dem Arbeitsgericht. Insoweit hat der Kläger nur seine berechtigten Interessen wahrgenommen (BAG Urteil 12.01.2006, aaO., Rn 72). Im Übrigen hat sich der Kläger vom Inhalt dieses Artikels ausdrücklich distanziert (vgl. Schriftsatz vom 18.09.2009, Seite 5 oben). Auch wenn sich der Kläger vom Inhalt dieses Internetbeitrags nicht ernsthaft distanziert haben sollte (so die Beklagte), heißt das noch lange nicht, dass er sich dessen Inhalt zu Eigen macht.

2.3 Auch der schriftsätzliche Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der zweiten Instanz rechtfertigt nicht den Auflösungsantrag der Beklagten. Soweit die Beklagte die Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 17.12.2009 heranzieht, in dem geäußert worden ist: „nicht das Verhalten des Klägers, sondern diese Unterstellungen der Beklagten sind boshaft und diffamieren den Kläger“, ist bereits fraglich, ob dieser Prozessvortrag dem Kläger im Rahmen des § 9 KSchG zuzurechnen ist (vgl. zum Meinungsstand: KR-Spilger, 9. Auflage, § 9 KSchG Rn. 56). Selbst wenn man diesen Prozessvortrag dem Kläger zurechnet, ist zu berücksichtigen, dass dieser Satz des Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Entgegnung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 23.11.2009 (S. 9) darstellt, in dem von „hartnäckigen wie auch boshaften Unterstellungen und Verleumdungen gegenüber der Beklagten“ die Rede ist. Die Ausführungen des klägerischen Prozessbevollmächtigten sind durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt und können daher nicht als Auflösungsgrund herangezogen werden.

2.4. Auch die Betrachtung der Äußerungen und des Verhaltens des Klägers in den letzten Jahren und im vorliegenden Prozess im Rahmen einer Gesamtbewertung rechtfertigt nicht die Annahme, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu erwarten ist.

Der Kern der von der Beklagten beanstandeten und dem Kläger zugerechneten Äußerungen liegt lange zurück. Die Ursache der in vielen Internetbeiträgen und Aufrufen in unterschiedlichsten Zusammenhängen zitierten Worte „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke“ liegt in den Verlautbarungen des „Solidaritätskreises“ im Jahre 2002. Danach sind diese Vorwürfe zwar vom Kläger mehrfach wiederholt worden. Diese Wiederholungen fanden aber immer anlässlich von Kündigungsschutzprozessen und Gerichtsterminen des Klägers statt, in denen der Kläger seine berechtigten Interessen wahrgenommen hat. Nachdem nunmehr die letzte Kündigung Prozessgegenstand ist und weitere ordentliche Kündigungen wegen des tariflichen Altersschutzes des Klägers nicht mehr zu erwarten sind, ist davon auszugehen, dass diese Vorwürfe vom Kläger und seinem Umfeld in Zukunft nicht mehr „aufgewärmt“ werden. Die isolierte Verwendung der Begriffe „Ausbeutung“ und „Jagd auf Kranke“ im Zusammenhang mit der Beklagten würde von der Öffentlichkeit auch kaum ernst genommen, nachdem es sich bei der Beklagten gerichtsbekannt um ein Unternehmen handelt, das in den letzten Jahren aufgrund seiner guten Unternehmensgewinne erhebliche übertarifliche Leistungen an seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlt hat.

Wenn der Kläger nunmehr weiterbeschäftigt werden muss, wird er wieder arbeitsvertragsgemäß als Maschinenbediener in einem Großbetrieb eingesetzt werden müssen. Er hat bei der Beklagten in der Betriebshierarchie keine Stellung inne, die ein gesteigertes Vertrauen in den Kläger erfordert. Er nimmt bei der Beklagten auch kein Mandat wahr, das eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bedingt. Wenn der Kläger in Zukunft arbeitsvertragsgemäß beschäftigt werden muss, wird er und sein politisches Umfeld keine Veranlassung für Aufrufe und Artikel (im Internet) im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Klägers mehr haben. Im Übrigen ist und war der Verbreitungsgrad der vom Kläger und seinem Umfeld genutzten Internetforen begrenzt. Zwar gibt es gerichtsbekannt viele Beiträge im Internet zur arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Diese Internetadressen stehen aber nicht im Fokus der großen Mehrheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Beklagten und vor allem der Kunden der Beklagten. Schließlich ist die (begrenzte) Öffentlichkeit nur deshalb auf die vorliegende arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien aufmerksam geworden, weil die Beklagte dem Kläger wegen des gleichen Sachverhaltes immer neue Kündigungen ausgesprochen und den Kläger trotz der Festsetzung von Zwangsgeldern nicht weiterbeschäftigt hat und der Kläger sich deshalb eine Opferrolle zuweisen konnte.

3. Nur zur Klarstellung wird angefügt, dass der vom Kläger in der 1. Instanz noch verfolgte Weiterbeschäftigungsanspruch entsprechend den zweitinstanzlichen Anträgen nicht mehr zur Entscheidung angefallen ist.

C. Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

2. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Nr. 2 ArbGG) dafür nicht vorliegen.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht