„Von hinten durch die Brust ins Auge“

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 03. 2010


Aktenzeichen

86 S 6/10


Tenor

1. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 28. April 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe


Gründe:

A. Die Berufung ist zwar rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Sie ist aber mangels Beschwer unzulässig.

1) Mit der Berufung verfolgt der Kläger weder ganz noch teilweise den in erster Instanz erfolglos gebliebenen Verfügungsanspruch weiter. Dieser ging dahin, die gegen den Beklagten erlassene einstweilige Verfügung vom 16. März 2009 zu bestätigen, Eine solche Bestätigung und damit die Beseitigung der dem Kläger durch das angefochtene Urteil entstandenen Beschwer hat die Berufung mit der Berufungsbegründung von Anfang an nicht erstrebt, obwohl im Zeitpunkt der Berufungseinlegung erst rund zweieinhalb Monate der auf sechs Monate bemessenen Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung verstrichen waren, nach der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ansicht des Klägers, die 6-Monatsfrist laufe erst ab rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, noch nicht einmal das. Die Berufung fand sich vielmehr mit der Aufhebung der Verfügung durch das angefochtene Urteil ab und erstrebt lediglich, den Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung teils gleichen, teils weitergehenden Inhalts.

2) Damit aber ist die Berufung unzulässig, auch wenn eine Erweiterung der Anträge in der Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist. Denn das Streben nach Beseitigung der dem Kläger durch das Urteil erster Instanz entstandenen Beschwer kennzeichnet das Wesen der Berufung. Der Kläger, der die Abweisung seines Anspruchs hinnimmt und stattdessen nunmehr etwas Neues haben will, verkennt Sinn und Zweck des Rechtsmittels der Berufung. Er will in Wahrheit einen anderen Rechtsstreit als den bisherigen führen und übersieht dabei, dass ein solcher Rechtsstreit nicht in der Berufungsinstanz begonnen werden kann (vgl. z.B. BGH MDR 2006, 43; BGH ZIP 1999, 1069; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 67. Aufl., Grundz. § 511 ZPO, Rn. 14, 15 m.w.N.). Daran ändert es nichts, dass der Kläger den in der Berufungsbegründung formulierten Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat, sondern nunmehr die Bestätigung der früheren einstweiligen Verfügung erstrebt. Denn der neue Antrag ist nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangen und ändert daher an der Unzulässigkeit der Berufung nichts. Eine bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist unzulässige Berufung kann nicht nachträglich durch spätere Antragsänderung zulässig werden.

3) Die Berufung ist auch deshalb unzulässig, weil die dem Kläger durch das angefochtene Urteil entstandene Beschwer inzwischen mit dem Ablauf der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung vom 16. März 2009 entfallen ist, die Beschwer aber noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung gegeben sein muss (vgl. z.B. BGH NJW-RR 2004, 1365; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O. m.w.N.). Die Ansicht des Klägers, die die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung begrenzende 6-Monatsfrist beginne erst mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens, ist schon deshalb offensichtlich unrichtig, weil dann nach Ansicht des Klägers die einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag keinerlei Wirkung entfalten dürfte. Dass dies unzutreffend ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung, zumal nach dieser Ansicht von einer Eilbedürftigkeit keine Rede mehr sein dürfte. Ob in diesem Falle eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hätte in Betracht gezogen werden können, ist unerheblich, weil hier die Berufung von Anfang an unzulässig gewesen ist.

B. Mangels einer zulässigen Berufung kommt es nicht mehr darauf an, dass der Berufungsantrag ohnehin hätte erfolglos bleiben müssen, weil für den Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung mangels Rechtsschutzbedürfnisses/Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung kein Raum gewesen wäre. Der Kläger übersieht - worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat -, dass die Befristung der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung vom 16. März 2009 einen deutlichen Hinweis darauf darstellte, Hauptklage zu erheben. Hätte der Kläger das getan, so wäre ein solcher Rechtsstreit (mit den Kautelen des ordentlichen Prozessverfahrens) inzwischen jedenfalls in erster Instanz entschieden. Wenn der Kläger stattdessen nur erstrebt, die ausgelaufene vorläufige Regelung durch eine neue vorläufige Regelung zu ersetzen, so verkennt er Wesen und Zweck der Möglichkeit, schnell in einem Eilverfahren mit beschränkten prozessualen Rechten eine vorläufige Regelung zu treffen. Würde man dem folgen, läge der Vorwurf eines Fehlgebrauchs des Instituts der einstweiligen Verfügung nahe.

C. Damit bedarf auch die weitere Frage keiner Erörterung mehr, ob nicht der Erlass einer völlig neuen einstweiligen Verfügung durch ein Berufungsurteil die prozessualen Rechte des Beklagten in einer unerträglichen Weise beschneiden würde und deshalb unzulässig wäre. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, welche Bedeutung eine sogenannte "anwaltliche Versicherung" prozessual haben könnte, noch dazu, wenn dem Prozessgegner von ihr keine Kenntnis gegeben soll.

D. Nach alledem waren in Bezug auf die von den Parteien zuletzt eingereichten Schriftsätze Erklärungsfristen nicht mehr zu bewilligen, da diese Schriftsätze neues entscheidungserhebliches Vorbringen nicht enthalten.

E. Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO).

Rechtsgebiete

Äußerungsrecht; Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht