Schiff ankert 60 km von versprochener Stadt entfernt
Gericht
AG München
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
01. 04. 2009
Aktenzeichen
262 C 1373/09
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger den Betrag von EUR 702,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von EUR 599,50 seit 11.12.08 bis 3.3.09 zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von EUR 702,32 seit 3.3.09 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagtenpartei.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf EUR 599,50 festgesetzt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Kläger können von der Beklagten Reisepreisrückzahlung in Höhe von Euro 599,50 verlangen, weil dieser in Höhe von 25% gemindert ist.
Eine Auslegung der zwischen den Parteien bestehenden Vertragsunterlagen ergibt, dass das Anlaufenden des Hafens von St. von der Beklagten geschuldet war.
Ein objektiver Betrachter darf bei Auslegung der als Anlage K1 vorgelegten Reiseroute davon ausgehen, dass der Hafen von St. angelaufen wird, und die Gelegenheit besteht, vom 7.8.2008, 20.00 Uhr bis 8.8.2008, 13.00 Uhr St. zu besichtigen und die Nacht dazwischen auf dem Schiff zu verbringen.
Hingegen musste er nicht damit rechnen, dass ihm eine mindestens 45-minütige (kostenpflichtige!) Busfahrt vom 60 km entfernten Ny. (nicht wie von der Beklagten irreführend so bezeichnet: St., Ny2.) am Abend des 07.07.2008, 19.30 Uhr, nach St. zugemutet werden sollte, ehe er nach nicht einmal vier Stunden Aufenthalt in St. wieder zum Schiff zurück gebracht werden sollte, wo ihm nur wenige Stunden Zeit des Schlafes verblieben, wenn er am nächsten Tag um 7.00 Uhr sich erneut auf die Busfahrt begeben wollte, um St. ein weiteres Mal für wenige Stunden anschauen und wieder mit dem Bus zurückfahren wollte.
Da das Einlaufen in den Hafen von St. unterblieben ist, war die Reise in erheblichem Umfang mangelhaft.
In Anbetracht der Gesamtumstände, insbesondere des konkreten Inhalts der Reise, ihrer Dauer und des Umstandes, dass der Besuch von St., nebst einer Fahrt durch die landschaftlich überaus reizenden Schären, erheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen hätte sollen, erscheint die von der Klagepartei begehrte Minderung von 25% angemessen (§ 287 ZPO).
Soweit sich die Beklagte damit verteidigt, die Fahrt nach St. sei witterungsbedingt nicht möglich gewesen, ist dies für den klägerischen Minderungsanspruch rechtlich unerheblich. Anders als beim Schadensersatz kommt es bei der Reisepreisminderung nicht auf ein Verschulden der Beklagten an.
Es erstaunt jedoch in hohem Maße, wie die Beklagte einerseits behaupten mag, das direkte Anlaufen von St. sei nicht vertraglich geschuldet (und demgemäß wohl auch nicht beabsichtigt) gewesen, andererseits aber vorgerichtlich und auch im Gerichtsverfahren vortragen lässt, nicht näher bezeichnete widrige Witterungsumstände hätten das Einlaufen verhindert.
Merkwürdig mutet auch an, dass den Reisenden bereits zu Beginn der Schiffsreise (3.8.2008) ein Informationsblatt bezüglich der Busfahrten von „St., Ny.“ nach St., Zentrum ausgehändigt wurde, wenn das für den ich fünften Tag der Reise, also für den 7.8.2008 geschuldete Einlaufen in St. witterungsbedingt unterbleiben hätten müssen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagten die angeblich widrigen Wetterbedingungen schon so früh bekannt gewesen sein sollten.
Noch mehr erstaunt, dass - unwidersprochen und damit zugestanden, § 138 ZPO - bereits am 01.08.2008 aus der Liste der am 7.8.2008 in St. erwarteten Schiffe ersichtlich war, dass die von den Klägern gebuchte „MSC L.“ nicht nach St. kommen wurde.
Dieser Sachvortrag der Beklagten scheint daher den (untauglichen, aber dennoch strafbaren) Versuch darzustellen, sich durch die unsubstantiierte Behauptung widriger Witterungsverhältnisse ihrer Rückzahlungsverpflichtung zu entledigen.
Auch drängt sich der Verdacht auf, dass die Beklagte durch ihr Vorgehen von Anfang an über den tatsächlichen Verlauf der Reise täuschen wollte.
Es macht für einen potentiellen Kunden einen erheblichen Unterschied aus, ob das Schiff zwischen 8:00 Uhr abends und 13:00 Uhr des nächsten Tages im Hafen von St. und nur wenige Gehminuten von der Altstadt entfernt vor Anker liegt, oder ob man für zwei St.-Aufenthalte von insgesamt sechs bis sieben Stunden, drei bis eher vier Stunden im Omnibus und eine Nacht mit extrem wenig Schlaf verbringen muss.
Das Verhalten der Beklagten wird daher einer Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft zuzuführen sein.
Die Entscheidung über die Zinsen und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280, 286, 288 ZPO, die über die Verfahrenskosten auf § 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nummer 11, 713 ZPO.
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