Widerspruch gegen einstweilige Verfügung muss grundsätzlich nicht angekündigt werden

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Beschluss über sofortige Beschwerde


Datum

15. 01. 2010


Aktenzeichen

9 W 150/09


Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 4. August 2009 wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2009 wie folgt abgeändert:

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 3.000,00 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung von Fotos der Antragstellerin in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen.

Die Antragsgegnerin hat gegen die ihr unverzüglich zugestellte einstweilige Verfügung keinen Widerspruch eingelegt, sondern die Antragstellerin gemäß § 926 Absatz 1 ZPO zur Hauptsacheklage auffordern lassen. In der Berufungsverhandlung des Hauptsacheverfahrens vor dem Senat hat die Antragstellerin schließlich auf ihren Unterlassungsanspruch verzichtet, woraufhin Verzichtsurteil ergangen ist. Am Nachmittag desselben Tages hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren betreffend die Einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin hat daraufhin auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet, ohne sich allerdings zugleich bereit zu erklären, der Antragsgegnerin die Kosten des Anordnungsverfahrens zu erstatten.

Die Parteien haben das Verfahren schließlich in der Hauptsache für erledigt erklärt und das Landgericht hat die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

Die Antragsgegnerin sei zur anteiligen Kostentragung verpflichtet, weil nicht nachvollziehbar sei, warum die Antragsgegnerin nicht zunächst versucht habe außergerichtlich und damit auf einfacherem und schnellerem Weg die Gegenseite zu kontaktieren; auch wenn sie hierzu nicht rechtlich verpflichtet gewesen sei, so habe doch eine unter Zeit- und Kostengesichtspunkten allgemein übliche Gepflogenheit bestanden. In der Nichtabhilfeentscheidung hat das Landgericht schließlich noch ausgeführt, in Parallele zum Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO gelte auch für das Widerspruchsverfahren in Fällen der vorliegenden Art, dass der Widerspruch vorher anzudrohen sei, damit der Antragsteller den Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung einschließlich der Kostenentscheidung erklären oder den Antrag zurücknehmen könne.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die meint, die Voraussetzungen des § 93 ZPO seien nicht gegeben. Zudem sie ihr Interesse auch darauf gerichtet, eine Abänderung der Kostenentscheidung aus der einstweiligen Verfügung durchzusetzen.


II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.

Der Antragsgegnerin können die Kosten des Verfahrens nicht gemäß § 91 a ZPO auferlegt werden.

Nachdem die Parteien das Verfahren betreffend die erlassene einstweilige Verfügung nach Widerspruch der Antragsgegnerin in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a ZPO über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hierbei ist grundsätzlich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu entscheiden, d.h. die Partei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, die im Zeitpunkt der Erledigung in dem Verfahren unterlegen wäre. Danach trifft allein die Antragstellerin vorliegend die Verpflichtung die Kosten des Verfahrens zu tragen (1.). Von der sich hiernach ergebenden Kostenlast kann schließlich aus Billigkeitserwägungen, zu denen der Rechtsgedanke des § 93 ZPO gehört, abgewichen werden. Insoweit liegen jedoch die Voraussetzungen, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens (teilweise) aufzuerlegen nicht vor (2.).


1.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand wäre die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren unterlegen und ihr wären hiernach gemäß § 91 a ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen gewesen.

Maßgeblich ist insoweit der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung des Widerspruchsverfahrens. Erledigung tritt ein, wenn das Begehren der Partei gegenstandslos geworden ist, wenn also ein Interesse der Partei an einer Sachentscheidung entfallen ist. Erledigendes Ereignis war in Bezug auf das Begehren der das Widerspruchsverfahren betreibende Antragsgegnerin der Verzicht der Antragstellerin auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung mit deren Schreiben vom 29. Mai 2009. Erledigendes Ereignis war dagegen nicht bereits der Verzicht der Antragstellerin auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch in der mündlichen Berufungsverhandlung zum Hauptsacheverfahren 9 U 177/08 am 19. Mai 2009, weil dadurch die einstweilige Verfügung noch nicht aufgehoben oder wirkungslos geworden ist.

Als die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. Mai 2009 auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtete, war der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wegen des zuvor erfolgten Verzichts auf den Unterlassungsanspruch unbegründet. Die einstweilige Verfügung wäre ohne die Hauptsachenerledigung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin aufzuheben gewesen, die Antragstellerin wäre in dem Verfahren unterlegen, ihr wären die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen gewesen.

Dem Widerspruch fehlte bis zum Verzicht der Antragstellerin auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da weder der Verzicht auf den Unterlassungsanspruch noch das im Hauptsacheverfahren ergangene Verzichtsurteil die einstweilige Verfügung ohne weiteres wirkungslos werden ließen. Wird ein Anspruch im Hauptsacheverfahren rechtskräftig verneint, so verliert eine auf diesem Anspruch beruhende einstweilige Verfügung nicht schon dadurch jede Wirkung. Sie bedarf vielmehr der Aufhebung (BGH NJW 1987, 1084; NJW 1993, 2685).

Hinzu kommt im vorliegenden Fall das Interesse der Antragsgegnerin, die sie nach dem Tenor der einstweiligen Verfügung treffende und von ihr bereits erfüllte Kostentragungspflicht abzuwenden und angefallene eigene Kosten erstattet zu bekommen. Auch insoweit kann der Antragsgegnerin ein Rechtsschutzinteresse für das Widerspruchsverfahren nicht abgesprochen werden. Dies gilt selbst nachdem die Antragstellerin bereits auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet hat, weil die Antragsgegnerin noch ein Interesse an der Erstattung der Kosten des Verfahrens auf Erlass der einstweiligen Verfügung geltend machen konnte (BGH NJW 1993, 2685; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Auflage, Kap. 60, Rn. 41 f.).


2.

Vorliegend führt auch eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO nicht zu einer (anteiligen) Kostenlast der Antragsgegnerin.

a) Insoweit ist anerkannt, dass vor Stellung eines Aufhebungsantrags gemäß § 927 ZPO der Antragsgegner mit Blick auf § 93 ZPO im Kosteninteresse grundsätzlich gehalten ist, den Antragsteller zunächst auf den Aufhebungsgrund hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten, sowie, soweit der Antragsgegner darüber hinaus die Voraussetzungen als gegeben ansieht, unter denen dem Antragsteller mit der Aufhebungsentscheidung ausnahmsweise auch die Kosten des Anordnungsverfahrens aufzuerlegen wären, die Übernahme der Kosten des Anordnungsverfahrens zu erklären (OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 1742; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 9. Aufl., Kap. 56 Rn. 37 m. w. N.).

Demgegenüber kommt eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO bei der Geltendmachung von Aufhebungsgründen in einem bereits anhängigen Widerspruchsverfahren nicht in Betracht. Ist das Widerspruchsverfahren ohnehin anhängig und noch nicht abgeschlossen, muss der Antragsgegner bereits in diesem Verfahren (nachträglich) entstandene Aufhebungsgründe einwenden. Für ein Aufhebungsverfahren gemäß § 927 ZPO fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn das Widerspruchsverfahren bereits anhängig ist und deshalb die Gründe in diesem Verfahren ohne weiteres geltend gemacht werden können (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 9. Aufl. Kap. 56 Rn. 42; s.a. Zöller/Vollkommer, 27. Auflage, § 927, Rn. 2). Da das Verfahren ohnehin anhängig ist, besteht keine Veranlassung, von dem Antragsgegner im Hinblick auf § 93 ZPO zu verlangen, dem Antragsteller die Geltendmachung der sonst im Wege eines Antrages nach § 927 ZPO zu verfolgenden Aufhebungsgründe vorher anzudrohen, um es diesem zu ermöglichen, auf seine Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten und ggf. seine Kostentragungspflicht anzuerkennen (OLG Koblenz GRUR 1989, 373).

Anders kann dies jedoch sein, wenn ein Widerspruchsverfahren noch nicht anhängig ist und allein zum Zwecke der Geltendmachung von sonst im Wege eines Antrages nach § 927 ZPO zu verfolgenden Aufhebungsgründen Widerspruch eingelegt wird, der Antragsgegner also von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, derartige Gründe nicht im Aufhebungsverfahren gemäß § 927 ZPO, sondern im Widerspruchsverfahren geltend zu machen. Diese Situation ist nicht anders zu behandeln, als wenn sich der Antragsgegner von vorn herein für die Durchführung des Aufhebungsverfahrens gemäß § 927 ZPO entscheidet. In beiden Konstellationen soll ein (Kosten verursachendes) Verfahren zur Geltendmachung von Aufhebungsgründen durch den Antragsgegner erst eingeleitet werden.

Deshalb erscheint es - der Auffassung des Landgerichts im Nichtabhilfebeschluss folgend - gerechtfertigt, dem Antragsgegner auch vor Erhebung des Widerspruches zur Geltendmachung von Aufhebungsgründen im Kosteninteresse im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 93 ZPO grundsätzlich abzuverlangen, den Antragsteller zunächst auf den Aufhebungsgrund hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten sowie ggf. die Übernahme der Kosten des Anordnungsverfahrens zu erklären oder auch den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzunehmen. Grundsätzlich ist zwar vor der Einlegung eines Widerspruchs keine Abmahnung durch den Antragsgegner erforderlich, die erörterten besonderen Umständen rechtfertigen hier jedoch eine abweichende Behandlung (s.a. OLGR Hamburg 2003, 124).

b) Zwar hätte die Antragstellerin hiernach nicht durch ihr Verhalten zur Erhebung des Widerspruchs Veranlassung im Sinne des Rechtsgedankens des § 93 ZPO gegeben, weil die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor Erhebung des Widerspruchs nicht Gelegenheit gegeben hatte, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten sowie die Übernahme der Kosten des Anordnungsverfahrens zu erklären bzw. den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzunehmen. Allerdings können der Antragsgegnerin dennoch Kosten des Verfahrens in Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO nicht auferlegt werden, weil die Antragstellerin es versäumt hat, die Antragsgegnerin sofort klaglos zu stellen.

Sollen dem Kläger gemäß § 93 ZPO die Prozesskosten zur Last fallen, so setzt dies neben dem Umstand, dass der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat, gleichermaßen voraus, dass der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. In entsprechender Anwendung dieses Rechtsgedankens auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Antragstellerin, da die einstweilige Verfügung - was unstreitig ist - von Anfang an zu Unrecht ergangen war, auch die Kostenlast bezüglich des Anordnungsverfahrens, also die Verpflichtung zur Erstattung der von der Antragsgegnerin bereits an die Antragstellerin gezahlten Verfahrenskosten als auch der bei der Antragsgegnerin entstandenen Kosten, anerkennen müssen. Dies hat die Antragstellerin bis heute nicht getan. Insoweit reichte es - wie oben ausgeführt - vorliegend nicht aus, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten.

Die Kostenentscheidung bezüglich der Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 48 Absatz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.


Nippe
Bähr
Damaske

Vorinstanzen

LG Berlin, 27 O 367/08

Rechtsgebiete

Kostenrecht; Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht