Sturz an nicht auffällig gekennzeichneter Stufe zwischen Hotelzimmer und Flur

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

23. 06. 2009


Aktenzeichen

9 U 192/08


Leitsatz des Gerichts

Befindet sich in einem Vertragshotel eines Reiseveranstalters eine 3,7 bis 5,4 cm hohe Stufe zwischen Zimmerflur und Hotelzimmer, ohne auffällig kenntlich gemacht zu sein, haftet der Reiseveranstalter grundsätzlich aus Verkehrssicherungspflichtverletzung für Sturzschäden, die sich ein Reiseteilnehmer zuzieht, weil er beim Verlassen des Zimmers über die Stufe gestolpert ist.

Der Reiseteilnehmer muss sich aber unter Umständen ein Mitverschulden entgegen halten lassen (hier 50%).

Tenor


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 21. Mai 2008 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.419,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 4.000,-- € seit dem 7. Dezember 2007 und aus weiteren 419,79 € seit dem 27. März 2008 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 15. August 2007 im Hotel D (E) den künftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldens und den künftigen materiellen Schaden – soweit nicht Forderungsübergang auf Dritte stattgefunden hat – zur Hälfte zu ersetzen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die am 26. August 1935 geborene Klägerin macht Schadensersatz nach einem Sturz über eine Kante an der Zimmertür ihres Hotelzimmers in der T geltend.

Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen an einer von der Beklagten veranstalteten Busreise mit Unterbringung in einem 3-Sterne-Hotel nach E teil, die vom 14. bis zum 19. August 2007 dauern sollte. Die Reisebestätigung war adressiert an den Ehemann der Klägerin; die Klägerin war als Reiseteilnehmerin aufgeführt.

Am 14. August 2007 kamen die Klägerin und ihr Ehemann gegen 18:00 Uhr im Hotel D an und bezogen das Zimmer. Sie verließen das Zimmer zum Abendessen und kehrten anschließend in das Zimmer zurück, ohne dabei über die Kante an der Zimmertür. zu stolpern. Ob die Klägerin beim erstmaligen Betreten des Zimmers eine überraschte Bemerkung ihres Ehemanns über die Stufe wahrgenommen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Am nächsten Morgen stolperte sie – wie von Beklagtenseite in der Berufungsverhandlung unstreitig gestellt – über die Stufe und kam zu Fall, als sie vor ihrem Ehemann das Zimmer verlassen wollte. Sie wurde noch am gleichen Tag in das Spital E eingeliefert, wo ein dislozierter Bruch des Oberarmknochens operativ gerichtet wurde. Am 17. August 2007 wurde sie per Krankentransport in die I Klinik in T verlegt und dort bis zum 27. August 2007 weiter behandelt. Bei der Operation in der Schweiz war der Radialisnerv geschädigt worden, weshalb die Klägerin ihre rechte Hand kaum noch bewegen konnte.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Höhenunterschied an der Kante zum Flur, den ihr Ehemann mit 5,4 cm gemessen habe, vorher nicht bemerkt. Bei der Kante handele es sich um eine gefährliche Stolperfalle, da sie nicht farblich markiert, sondern auf dem umgebenden Teppichboden kaum zu erkennen gewesen sei, schon gar nicht bei den dunklen Lichtverhältnissen im Flur. Über eine solche Kante seien auch andere Teilnehmer der Busreise gestolpert. Wegen der Nervschädigung sei mit weiteren Behandlungen zu rechnen. Deutliche Verbesserungen seien aber nicht mehr zu erzielen.

An Zuzahlungen, Fahrtkosten und weiteren Unkosten sei ihr ein materieller Schaden von 1.079,32 Euro entstanden. U.a. habe sie eine für den 15.10.-28.10.2007 geplante Reise nach N wegen der Verletzung nicht antreten können; deshalb seien ihr Stornokosten von 135,- Euro entstanden. Auf Grund der erheblichen Verletzungsfolgen sei ihrer Meinung nach ein Schmerzensgeld von mindestens 5.001,- Euro angemessen.

Sie hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit am 7. Dezember 2007 zu zahlen,

2.) die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.079,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden auszugleichen, die aus dem Unfall vom 15. August 2007 herrühren, soweit entsprechende Ansprüche nicht auf Träger der Kranken- und Rentenversicherung übergegangen sind.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie bestreitet den Schadenshergang. Der Unfall beruhe allein auf einer Unachtsamkeit der Klägerin. In den letzten 20 Jahren sei in dem Hotel niemand über die Kanten an den Türen gestürzt. Die Kante sei auch nur 3,7 cm hoch gewesen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass vertragliche Ansprüche der Klägerin nicht bestünden, weil der Vertrag nur mit ihrem Ehemann geschlossen worden sei. Deliktische Ansprüche bestünden nicht, weil die Beklagte weder Eigentümerin noch Besitzerin des Hotels D gewesen sei.

Hinsichtlich der Schadenshöhe hält die Beklagte das Schmerzensgeld für überzogen. Ferner hat sie einzelne Positionen der materiellen Schäden bestritten (vgl. Bl. 87 f.), insbesondere in Abrede gestellt, dass eine ambulante Reha-Therapie medizinisch indiziert gewesen sei, obwohl die Krankenkasse die Übernahme der Kosten abgelehnt habe. Deshalb seien die darauf entfallenden Zuzahlungen und Fahrtkosten nicht zu ersetzen. Die Klägerin sei auch nicht an der gebuchten Reise nach N gehindert gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus § 651 f Abs. 1 BGB nicht bestehe. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne zwar einen Reisemangel darstellen. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass die Beklagte den ihr obliegenden Pflichten nicht genügt habe. Reiseteilnehmer müssten mit Schwellen und Stufen grundsätzlich rechnen. Die Stufe sei – wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Foto ergebe – nicht derart schwer erkennbar, dass eine Hinweispflicht bestanden hätte. Die Erkennbarkeit sei auch deshalb verstärkt, weil die Tür nach innen hin zu öffnen gewesen sei und deshalb der Hotelgast einen Abstand zur Schwelle habe einnehmen müssen; dadurch werde die Aufmerksamkeit auf die Stufe gelenkt.

Auf eine schlechte Erkennbarkeit vom Flur aus komme es nicht an, da die Klägerin aus ihrem Zimmer gekommen sei. Dabei sei die Stufe auch für einen durchschnittlich aufmerksamen Hotelgast wahrnehmbar gewesen. Das habe die Kammer aufgrund eigener Sachkunde und den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern beurteilen können. Ob andere Reiseteilnehmer ebenfalls über die Kante gestolpert seien, sei für die Beurteilung unerheblich, zumal die Klägerin und ihr Ehemann selbst zuvor mehrfach die Stufe schadlos überschritten hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das Landgericht sei fehlerhaft von einer leichten Erkennbarkeit der Kante ausgegangen. Die von der Beklagten angebotene Reise habe sich in erster Linie an ältere Teilnehmer gerichtet; das Alter der Teilnehmer hätte bei den Sicherungsanforderungen berücksichtigt werden müssen.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Es habe sich um eine ganz normale Reise gehandelt, die nicht auf ältere Teilnehmer zugeschnitten gewesen oder als solche angeboten worden sei. Es bleibe im Übrigen dabei, dass die Klägerin sich ein haftungsausschließendes Mitverschulden anrechnen lassen müsse.

Der Senat hat die Klägerin erneut persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk vom 23. Juni 2009 Bezug genommen.


II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Denn der Klägerin steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz eingetretener und künftiger Schäden in Folge ihres Sturzes am 15. August 2007 im Hotel D im schweizerischen E zu. Die Ansprüche werden allerdings der Höhe nach durch ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin gemindert, das mit einem Anteil von 50% zu bewerten ist.

Der Senat vermag sich dabei der Auffassung des Landgerichts, dass es sich bei dem Niveauunterschied an der Zimmertür nicht um eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle gehandelt hat, nicht anzuschließen, so dass die Klageabweisung keinen Bestand haben konnte.

1. Der Klägerin stehen eigene vertragliche Schadensersatzansprüche aus §§ 651 f Abs. 1, 249, 253 BGB gegen die Beklagte zu.

a. Dass ein Reisevertrag zwischen dem Ehemann und der Beklagten zu Stande gekommen ist, wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Es kann dahinstehen, ob das Vertragsverhältnis zugleich unmittelbar zwischen der Klägerin und der Beklagten begründet worden ist. Jedenfalls war die Klägerin in den Schutzbereich des Reisevertrages deshalb einbezogen, weil sie als Mitreisende in der Reisebestätigung aufgeführt worden ist. Dass der Reisevertrag gegenüber nahen Angehörigen, die als Mitreisende bestimmungsgemäß mit den geschuldeten Reiseleistungen in Kontakt kommen, eine Schutzwirkung entfaltet, die ihnen eigene vertragliche Schadensersatzansprüche vermittelt, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. BGHZ 77, 116; NJW 1983, 35; OLG Köln, RRa 2007, 65, 66).

b. Die vorhandene Kante im Übergangsbereich zwischen Zimmer und Flur stellt auch einen Reisemangel i.S.d. § 651c Abs. 1 BGB dar. Ein solcher Mangel liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, welche beide Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder vorausgesetzt haben, und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird (BGH NJW 2007, 2549; Palandt/Sprau, BGB, vor § 651c Rdn. 2). Da der Reiseveranstalter dem Reisenden aufgrund seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten Abwehrmaßnahmen gegen solche mit den Reiseleistungen verbundenen Gefahren schuldet, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt, fallen jedenfalls auch Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters, für deren Einhaltung er einzustehen hat, unter den Mangelbegriff (BGH NJW 2007, 2549; OLG Celle RRa 2004, 156; OLG Düsseldorf RRa 2003, 14; NJW–RR 1993, 315).

Danach handelte es sich bei der Kante unter der Zimmertür um ein Sicherheitsdefizit, für das die Beklagte als Veranstalterin der Reise Abhilfe schaffen musste. Aus den kurz nach dem Unfall aufgenommenen und von der Klägerin vorgelegten Fotos, die den Übergangsbereich aus dem Zimmer aufgenommen zeigen, ergibt sich, dass es sich bei der nicht ausreichend gesicherten Kante um ein gefährliches Hindernis handelte, das nicht in jeder Situation beherrscht werden konnte. Die Kante war jedenfalls so hoch, dass bei normaler Schrittfolge ein bewusstes Anheben des Fußes erforderlich war, um unbeschadet die Kante zu überwinden. Dabei kann es dahinstehen, ob die Kante wirklich – wie von der Klägerin behauptet - 5,4 cm oder "nur" 3,7 cm hoch war. Denn auch bei einem Niveauunterschied von 3,7 cm besteht die Gefahr, dass ein Hotelgast mit dem Fuß an der Kante hängenbleibt und zu Fall kommt.

Diese Gefahr musste sich insbesondere deshalb als besonders naheliegend aufdrängen, weil die Hotelgäste jedenfalls in den ersten Tagen ihres Aufenthalts nur wenig mit den Örtlichkeiten des Hotels vertraut sind und sich dabei auch beim Verlassen des Zimmers zunächst orientieren müssen, so dass ihre Aufmerksamkeit mehr als bei ortskundigen Personen abgelenkt sein kann. Das war vom Verkehrssicherungspflichtigen in die Beurteilung der Gefahrenlage einzukalkulieren. Mit der durch die Kante hervorgerufenen Gefahr musste die Klägerin als Reiseteilnehmerin nicht rechnen; derartige Kanten sind jedenfalls im mitteleuropäischen Bereich nicht als üblich anzusehen. Der Höhenunterschied ist deutlich größer als bei einer gewöhnlichen Türschwelle, die zu Abdichtungs- oder Lärmschutzzwecken erforderlich und üblich sein mag. Die hier zu beurteilende Kante ergab sich aus dem deutlichen Unterschied zwischen dem höher gelegenen Niveau des Flur- und dem des Zimmerfußbodens. Anhaltspunkte dafür, damit rechnen zu müssen, sind entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu erkennen. Die Beklagte hat auch nicht ansatzweise dargelegt, dass Vergleichbares in Schweizer Hotels "ortsüblich" sein könnte.

Die Kante war auch nicht so hinreichend deutlich gekennzeichnet, so dass sie beim Verlassen des Zimmers von durchschnittlich aufmerksamen Gästen bemerkt werden musste. Der Teppichboden ist dunkel- bis mittelblau gehalten und mit roten Punkten durchsetzt. Davon hebt sich die dunkelgrau lackierte Kante nur wenig ab. Daran ändern auch nichts die vorhandenen Lackschäden, an denen offenbar ein darunter liegender weißer Farbanstrich stellenweise durchscheint. Auch der etwas heller abgesetzte obere Abschluss der Kante weist nicht hinreichend deutlich auf einen größeren Niveauunterschied hin, da dieser dünne Streifen durchaus als schmale und ebene Fuge bzw. Teppichleiste unterhalb der Tür wahrgenommen werden kann. Diese Beurteilung gilt selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten gute Lichtverhältnisse unterstellt, wie sie sich auch aus den vorgelegten Fotos ergeben.

Für die Beurteilung der Verkehrssicherungspflichtverletzung kommt es auch nicht darauf an, ob von dem Umstand, dass durch die nach innen zu öffnende Zimmertür eine Warnfunktion abzuleiten ist. Denn es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Tür vor jedem Überqueren der Kante von den Hotelgästen geöffnet werden musste. Die volle Verkehrssicherheit muss nämlich auch dann gegeben sein, wenn das Zimmer durch die bereits geöffnete Tür verlassen werden soll. Für die Einordnung als abhilfebedürftige Gefahrenstelle kommt es nämlich auf die denkbar ungünstigsten Wahrnehmungsbedingungen an (Senat, NZV 2007, 576). Unabhängig davon ist nicht zu erkennen, welche Warnwirkung von dem Öffnen des Türflügels im Hinblick auf die Kante ausgehen könnte.

c. Es ist zwischenzeitlich unstreitig geworden, dass die Klägerin in der Nähe der Gefahrenstelle gestürzt ist, so dass der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit des Reisemangels spricht. Diese im Rahmen der deliktischen Verkehrssicherungspflicht geltende Beweiserleichterung (vgl. BGH NJW 2005, 2454), gilt auch im Rahmen der vertraglichen Sonderbeziehung. Denn die Typizität des Geschehensablaufs ist dieselbe.

d. Die Beklagte hat auch eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft, nämlich fahrlässig (§ 276 BGB) verletzt, ohne dass es entgegen der Ansicht der Beklagten darauf ankäme, ob sie Eigentümerin des Hotels und damit selbst gleichzeitig Leistungserbringerin gewesen ist. Denn als Veranstalterin war sie verpflichtet, die von ihr eingeschalteten Leistungsträger sorgfältig auszuwählen und zu überwachen. Dazu gehört auch die regelmäßige Kontrolle, ob das unter Vertrag genommene Hotel einen ausreichenden Sicherheitsstandard bietet (BGH NJW 2006, 3268, 3269; NJW 1988, 1380). Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Kante schon seit mehr als 20 Jahren in dem Hotel vorhanden und hätte demnach leicht bei der erforderlichen Kontrolle durch die Beklagte entdeckt und durch einfache Maßnahmen wie z.B. deutliche Hinweise auf die Stufe und eine Lackierung in Signalfarbe entschärft werden können. Das ist schuldhaft unterblieben. Die Beklagte hat sich hinsichtlich der sie treffenden Verschuldensvermutung (§ 651 f Abs. 1 BGB) nicht entlastet. Sie muss sich darüber hinaus das Verschulden des Hotelbetreibers, den die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht in erster Linie trifft (BGH NJW 2006, 3268, 3269), gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

2. Die Haftung der Beklagten ist allerdings auf Grund eines erheblichen Mitverschuldens der Klägerin gemindert (§ 254 BGB). Die Klägerin hat vor ihrem Sturz die sie treffende Obliegenheit, in erster Linie ihre eigenen Schutzbelange selbst wahrzunehmen, in gravierendem Umfang missachtet. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Klägerin die Stufe bei den drei Gelegenheiten, an denen sie vor dem Sturz die Tür zu ihrem Zimmer passiert hatte, aufgefallen war; jedenfalls auffallen müssen. Dabei war ihr eigener Vortrag zu Grunde zu legen, wonach die Kante über 5 cm hoch gewesen ist. Ein derartiger Höhenunterschied wird wahrgenommen, auch ohne dass die Kante selbst von der Klägerin ins Auge gefasst worden sein mag. Hinzu kommt, dass die Klägerin durch den Hinweis ihres Ehemanns bei der Ankunft auf etwas Unerwartetes hingewiesen worden ist. Dass sie diese Bemerkung gehört habe, hat sie noch in ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht selbst angegeben und nach Vorliegen des Protokolls nicht in Zweifel gezogen. Erst in ihrer Anhörung durch den Senat hat sie den Ablauf so dargestellt, dass sie von der Bemerkung erst nachträglich durch ihren Ehemann erfahren haben will. Diese Klarstellung, zu der auch beim Landgericht jede Möglichkeit bestanden hätte, erscheint vor dem Hintergrund der von der Beklagten und im angefochtenen Urteil deutlich gemachten belastenden Wirkung wenig glaubhaft. Zudem ist die Klägerin mit dieser neuen Behauptung ausgeschlossen (§ 531 Abs. 2 ZPO), nachdem sich die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag zu eigen gemacht hat.

Die Klägerin hätte auch jedenfalls bei ihr zumutbarer genauerer Beobachtung des Übergangsbereichs zum Flur die Kante und den Höhenunterschied erkennen und sich darauf einstellen müssen. Sie hat in ihrer Anhörung durch den Senat angegeben, dass es im Zimmer bereits taghell war und sie gerade die schöne Aussicht auf dem Balkon genossen hatte. Bei diesen Lichtverhältnissen war sie – unabhängig davon, ob der Flur selbst gut ausgeleuchtet war oder nicht – also nicht gehindert, die Kante wahrzunehmen.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte einen erheblichen Sicherheitsmangel nicht hat beheben lassen, obwohl eine ausreichende Sicherheit mit vergleichsweise geringfügigem Aufwand herzustellen gewesen wäre. Der Klägerin kommt zugute, dass sie unwiderlegt am Morgen ihres zweiten Aufenthaltstages in dem Hotel die Erinnerung an die am Vortag von ihr wahrgenommene Stufe nicht mehr präsent hatte und die Kante nur bei genauerem Hinsehen zu erkennen war. Insgesamt ist der Anteil auf beiden Seiten gleich hoch zu bewerten.

3. Die Klägerin hat ihre Ansprüche innerhalb der Frist des § 651 g BGB geltend gemacht. Das ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Haftpflichtversicherung der Beklagten vom 18. September 2007, in dem die geltend gemachten Ansprüche auch namens der Beklagten zurückgewiesen wurden. Da die Reise bis zum 19. August 2007 dauern sollte, ist die Monatsfrist gewahrt.

4. Der Haftungsumfang richtet sich nach §§ 249 ff, 253 BGB.

a. Die Klägerin hat zunächst einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,- Euro. Die von ihr dargelegten und von der Beklagten nicht bestrittenen Folgen begründen einen ungeminderten Schmerzensgeldanspruch von 8.000,- Euro. Dabei war zu Grunde zu legen, dass die Klägerin seit dem Unfall als Rechtshänderin ihre rechte Hand kaum noch benutzen konnte und mit großer Wahrscheinlichkeit auch künftig nie mehr voll wird benutzen können. Durch die eingetretene Schädigung des Radialisnervs war zunächst das Vollbild der sog. Fallhand eingetreten. Auch heute noch hat die Klägerin die Kraft in sämtlichen Fingern der rechten Hand verloren und kann nur Zeige- und Mittelfinger bewusst bewegen. Ein Faustschluss ist nicht mehr komplett möglich. Wie die Klägerin glaubhaft angegeben hat, sind weitere Verbesserungen auch mit physiotherapeutischer Unterstützung voraussichtlich nicht mehr zu erzielen. Hinzu kommen die unmittelbaren Folgen des Sturzes, die zu dem inzwischen ausgeheilten Bruch des Oberarmknochens geführt haben, der operativ versorgt werden musste. Es haben sich für die Klägerin belastende krankengymnastische Maßnahmen über mehrere Monate angeschlossen. Unter Berücksichtigung des der Klägerin entgegenzuhaltenden Mitverschuldens ist – auch unter Berücksichtigung der in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Beträge – ein Schmerzensgeld von 4.000,- Euro erforderlich, aber auch ausreichend (vgl. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, Nr. 26.1442, 26.1563, 26.1566, 22.1828).

b. Die von der Klägerin geltend gemachten materiellen Schadensersatzforderungen sind von der Beklagten nur teilweise bestritten worden. Entsprechend der Nummerierung in dem Schriftsatz der Klägerin vom 20. März 2008 (Bl. 58 d.A.) ergeben sich aus den unstreitigen Positionen folgende Aufwendungen, die als Folge des Unfalls von der Beklagten zu ersetzen sind (in Euro):

1 Eigenanteil Rettungswagen 10,00
5 Ärztliche Bescheinigung für die Reiserücktrittsversicherung 10,00
7 Ärztliche Bescheinigung Dr. P 29,52
9 Kosten eines weiteren ärztliches Zeugnisses 42,00
10 Fahrten zum Hausarzt: 84 km á 0,30 Euro 25,20
13 Fahrten zur I-Klinik, T: 99 km á 0,30 Euro 29,70
14 Fahrten zur Bewegungstherapie: 60 km á 0,30 Euro 18,00
15 Fahrten zum Neurologen nach I 120 km á 0,30 Euro 36,00
16 Parkgebühren Krankenhaus I an drei Tagen á 1,50 4,50
Gesamt 204,92
Davon ½ 102,46

Die folgenden, von der Klägerin geltend gemachten Schadensposten hat die Beklagte dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Sie waren auch unter Berücksichtigung der nach § 287 ZPO geminderten Anforderungen an die Darlegungslast und das Beweismaß für den Schadensumfang teilweise zuzusprechen:

2 Kosten Spital E Die Klägerin rechnet mit dieser Position zwei "Tafelgetränke" ab, die sie im Krankenhaus zu sich genommen hat. Da die Klägerin nicht dargelegt hat, warum notwendigerweise diese Mehrkosten entstanden sind, sind die geltend gemachten 7,05 Euro sind nicht zu ersetzen. 0,00
3 Tagegeld Spital E Die Klägerin hat eine Rechnung der T1 KVG vorgelegt, aus der hervorgeht, dass sie aus Anlass der Behandlung im Krankenhaus den Betrag von 92 CHF gezahlt hat. Der auf der Rechnung aufgebrachte Stempel der Krankenversicherung der Beklagten (E1) belegt in einer für die Schadensschätzung nach § 278 ZPO ausreichender Weise, dass die Krankenversicherung der Klägerin den Betrag nicht ersetzt hat, so dass kein Anspruchsübergang nach § 116 SGB X stattgefunden hat. Der Betrag ist daher in Ansatz zu bringen. 55,00
4 Bewirtung der Sanitäter während des Krankentransports Diese Bewirtungskosten waren von der Klägerin nicht (moralisch) geschuldet und daher nicht als erstattungsfähiger Schaden von der Beklagten zu ersetzen. 0,00
6 Stornokosten N-Reise Die Klägerin hatte unstreitig eine Reise vom für den 15. bis zum 28. Oktober 2007 nach N gebucht. Auch hier legt die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung der I Klinik in T vor (Bl. 63 d.A.), aus der sich ergibt, dass ihr die Ärzte von der Teilnahme an der Reise abgeraten haben. Diese Bescheinigung ist auch von der Reiserücktrittsversicherung der Klägerin akzeptiert worden, so dass sie lediglich den Selbstbehalt (89,40 Euro) und die Kosten der Versicherung (46,00 Euro) als Schadensersatzforderung geltend macht. Diese Forderung ist begründet, da der Klägerin auf Grund der fortbestehenden Verletzungsfolgen und des ärztlichen Rats eine Durchführung der Reise nicht zugemutet werden konnte. 135,40
8 Behandlungszuzahlungen REHA-Zentrum X Die Klägerin macht mit dieser Position Zuzahlungskosten für Krankengymnastik und eine Elektrotherapie geltend. Diese Behandlung ist ihr ausweislich des Schreibens an die Krankenversicherung (Bl. 21 d.A.) von ihren behandelnden Ärzten in der I-Klinik empfohlen worden. Die Krankenkasse hat die Therapie als sog. Heilmitteltherapie akzeptiert und lediglich für eine sog. ambulante REHA-Behandlung abgelehnt. Damit hat die Klägerin die medizinische Indikation der durchgeführten Behandlungen ausreichend dargelegt. Die Klägerin macht auch nur 10 % der Kosten für "KG und Elektro" geltend (Bl. 66). Die Zuzahlungskosten sind durch die Kassenzettel belegt. 99,75
11 Fahrtkosten zur REHA-Behandlung nach X Die Beklagte wendet ein, dass diese Fahrten nicht notwendig gewesen seien. Sie hat allerdings nicht dargelegt, dass die Klägerin an ihrem Wohnort bzw. in näherer Umgebung eine gleichwertige Behandlungsmöglichkeit gehabt hätte. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht wäre aber von der Beklagten gemäß § 254 Abs. 2 BGB konkret darzulegen gewesen. Das ist nicht geschehen. Die Klägerin macht Fahrten an 50 Tagen geltend. Aus den vorgelegten Belegen (Bl. 66 d.A.) ergeben sich aber nur 30 Behandlungstermine. Deshalb sind nur 30 Fahrten zu berücksichtigen (35 km x 30 Tage x 0,30 Euro = 315,- Euro). 315,00
12 Parkgebühren REHA-Zentrum X Diese Kosten sind ebenfalls durch die vorgelegten Parkzettel belegt. 16,50
13,00
Gesamt 634,65
Davon ½ 317,33

Die materiellen Schadenspositionen addieren sich danach auf insgesamt 419,79 Euro.

c. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet, weil aufgrund der fortbestehenden Nervenschädigung die naheliegende Möglichkeit künftiger Behandlungen und weiterer Schäden besteht.

d. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 268, 288, 291 BGB.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Vorinstanzen

LG Dortmund, 6 O 480/07

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

§§ 651 f Abs. 1, 651 g, 249, 253, 254 BGB