Vermieter kann Mietkaution nach Ende des Mietvertrages erst nach gerichtlicher Bestätigung der Forderung nutzen

Gericht

LG Halle


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

25. 09. 2007


Aktenzeichen

2 S 121/07


Tenor

  1. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) - vormals Halle-Saalkreis - vom 13.04.2007 (AZ: 102 C 4737/06) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

  2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

...

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Wegen des zur Entscheidung anstehenden Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Amtsgericht die von ihm zuvor erlassene einstweilige Verfügung aufrechterhalten. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten am 19.04.2007 zugestellt worden, wogegen sich die am 11.05.2007 beim Landgericht eingegangene Berufung richtet, welche mit einem am 19.06.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist. Hierin wiederholt der Verfügungsbeklagte seine schon erstinstanzlich vertretene [...] Bestehens eines Mietverhältnisses gehindert sei, sich wegen noch offener Ansprüche aus dem Mietverhältnis durch Aufrechnung aus der Kaution zu befriedigen. Ihm sei es deshalb auch nicht zu verwehren, sich den auf das ihm verpfändete Sparbuch eingezahlten Kautionsbetrag auszahlen zu lassen. Denn die Kaution diene auch und gerade dazu dass sich ein Vermieter nach Beendigung des Vertrages auf einfache Weise hieraus befriedigen könne.


II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.

In der Sache hat die Berufung aber keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden ist.

1.
Es ist anerkannt und unterliegt - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur keinem Streit, dass sich der Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses nur dann aus der Kaution bedienen darf, wenn die von ihm erhobene Forderung rechtskräftig festgestellt, unstreitig oder offensichtlich begründet ist (LG Mannheim in WuM 1996, 269 f).

Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor, da das Mietverhältnis der Parteien am 31.08.2006 beendet worden ist.

2.
Streitig Ist hingegen, ob die vorerwähnte Beschränkung auch nach Beendigung des Mietverhältnisses fort gilt (so im Ergebnis wohl: LG Wuppertal in NJW-RR 2004,1309: AG Bremen in WuM 2007, 399; a. A.: LG Berlin in GE 2007, 449 ff; AG Dresden, Urteil vom 06.10.2005 - 140 C 7205/05).

Die Kammer schießt sich der erst genannten Auffassung an. Hierfür sind die nachfolgenden Erwägungen maßgebend:

a)
Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung des § 551 BGB ist bestimmt dass die Kaution im Eigentum des Mieters bleibt, also nicht in das Vermögen des Vermieters übergeht. Allein dem Mieter steht - mit den aus der Sicherungsfunktion folgenden Einschränkungen - weiterhin die Inhaberschaft an der Kaution und damit auch an der hier verpfändeten Forderung auf Auszahlung des Sparguthabens zu.

b)
Sinn und Zweck der Kaution liegen allein darin, den Vermieter wegen seiner Ansprüche aus dem Mietverhältnis abzusichern. Hingegen lässt sich nicht feststellen, dass die Kaution daneben auch dazu dient, den Vermieter wegen seiner Ansprüche schneller zu befriedigen. Eine dahingehende Intention des Gesetzgebers lässt sich nicht feststellen. Es spricht weder aus der Erstehungsgeschichte noch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung etwas dafür, dass es (auch) Zweck der Kaution ist, dass sich der Vermieter auf einfache Art befriedigen kann.

Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der Bundesgerichtshof - worauf der Verfügungsbeklagte in seinem Schriftsatz vom 05.09.2007 hinweist - in einer Entscheidung vom 12.01.1981 (VIII ZR 332/79 = NJW 1981, 976) ausgeführt hat, dass sich der Vermieter nach Beendigung des Vertrages wegen noch bestehender Ansprüche aus der Kaution auf einfache Weise befriedigen können soll. Dieser Entscheidung lag aber ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn in dieser Entscheidung ging es vornehmlich um die Frage, ob ein Verpächter nach Beendigung des Pachtvertrages noch einen Anspruch darauf hat, dass die vertraglich geschuldete Kaution vom Pächter gezahlt wird. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof bejaht Hingegen ist er in dieser Entscheidung nicht auf die hier streitentscheidende Frage eingegangen, ob sich der Vermieter auch dann aus der Kaution befriedigen und diese in sein Eigentum - durch Auszahlung des hinterlegten Sparguthabens - überführen kann, wenn die von ihm erhobene Forderung weder unstreitig, offensichtlich noch gerichtlich festgestellt ist.

Für eine solche Besserstellung besteht indessen keine Veranlassung. Das Sicherungsinteresse des Vermieters gebietet jedenfalls eine solche Befriedigungsmöglichkeit nicht. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in der vorerwähnten Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass der Zweck der Kaution darin besteht, dass diese „der Sicherung der Ansprüche des Verpächters insbesondere für den Fall der Insolvenz des Pächters dienen soll“. Diese Sicherungsfunktion bleibt jedoch auch dann bestehen, wenn es dem Verfügungsbeklagten im vorliegenden Fall untersagt wird, sich jetzt schon aus der Kaution zu befriedigen, weil der von ihm erhobene Anspruch weder unstreitig, offensichtlich noch gerichtlich festgestellt ist.

Auch aus der vom Verfügungsbeklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01.07.1987 (VIII ARZ 2/87 = NJW 1987, 2372 ff) ergibt sich nichts anderes. Denn mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof lediglich seine vorerwähnte Rechtsprechung fortgeführt, die sich indessen zu der hier streitentscheidenden Frage gerade nicht verhält.

c)
Die entgegenstehende Auffassung des Verfügungsbeklagten wird nach Auffassung der Kammer auch der Bestimmung des § 1282 BGB nicht gerecht. Danach darf sich der Pfandgläubiger nur dann auch dem Pfand bedienen, wenn seine Forderung festgestellt ist. Gegebenenfalls muss er das im Rechtswege klären lassen (LG Wuppertal a.a.O.). Hierbei ist es grundsätzlich Sache des Vermieters, den Nachweis zu führen, dass der Rückforderungsanspruch des Mieters durch Aufrechnung erloschen ist (Schmidt-Futterer/Blank, 9. Aufl., § 551 Rd.-Ziff. 103).

d)
Bei entgegenstehender Handhabung würde dem Mieter in unzumutbarer Weise auch das Risiko aufgebürdet, wegen seines Rückforderungsanspruchs leer auszugehen. Dem sollte durch die gesetzliche Neuregelung des § 551 BGB - hier insbesondere die Pflicht zur getrennten Anlage und das Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Vermieters - gerade begegnet werden.

e)
Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich für den vorliegenden Sachverhalt auch nicht aus der vom Verfügungskläger abgegebenen Verpfändungserklärung. Dabei kann offen Weißen, ob diese (offensichtlich vorformulierte) Erklärung überhaupt wirksam oder wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist, da sie den Mieter in unangemessener, gegen die Gebote von Treu und Glauben verstoßender Weise, benachteiligt. Denn es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass der Verfügungsbeklagte aus dieser Vereinbarung Rechte ableiten kann. Aus der Regelung, dass die Bank nicht verpflichtet ist, die Pfandreife zu prüfen, lässt sich nämlich nicht herleiten, dass der Vermieter im Streitfälle (mit dem Mieter) nicht verpflichtet sein soll, die Pfandreife, also das Bestehen der von ihm geltend gemachten Forderung gerichtlich feststellen zu lassen. Vielmehr spricht die textliche Fassung der Formularerklärung eher dafür, die Bank im Verhältnis zum Mieter abzusichern. Denn die Bank ist danach berechtigt und verpflichtet, auf erstes schriftliches Anfordern des Vermieters das Guthaben auszuzahlen. Die Bank ist nicht verpflichtet, die Pfandreife zu prüfen.

Auch wenn daneben in der Verpfändungserklärung noch die Berechtigung des Vermieters festgeschrieben ist, das Sparbuch zu kündigen, lässt sich der Gesamtschau aller vorerwähnten Einzelbestimmungen nicht mit der nötigen Gewissheit feststellen, dass der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses berechtigt sein sollte, sich auch wegen bestrittener Ansprüche sofort und ohne weiteren Nachweis aus der Kaution befriedigen zu können.

f)
Im vorliegenden Fall geht es entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten auch nicht darum, ob dieser nach Beendigung des Mietverhältnisses berechtigt ist, dem Anspruch des Mieters auf Rückgewähr der Kaution durch Aufrechnung zu begegnen. Denn die Aufrechnung führt allein dazu, dass sich die materielle Rechtslage ändert. Dies bedeutet indes noch nicht, dass der Vermieter nunmehr befugt wäre, das Recht selbst durchzusetzen. Ist sein Anspruch streitig, weil - wie hier - die zur Aufrechnung gestellte Forderung weder unstreitig, offensichtlich noch gerichtlich festgestellt ist, ist der Vermieter wie jeder andere Gläubiger darauf zu verweisen, die durch die Aufrechnungslage herbeigeführte Rechtslage gerichtlich durchzusetzen.

Dem steht nicht entgegen, dass sich der Vermieter gegen den Rückzahlungsanspruch des Mieters damit verteidigen kann, dass er mit seinen Ansprüchen aus dem Mietverhältnis die Aufrechnung - erklärt hat Eine solche, vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 08.03.1972 (VIII ZR 183/70 = NJW 1972, 721 ff) behandelte Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Denn der Verfügungskläger begehrt im jetzigen Zeitpunkt gerade nicht die Rückzahlung der von ihm hinterlegten Kaution. Die von ihm erwirkte einstweilige Verfügung dient vielmehr einzig dazu, derzeit eine Verwertung der Kaution durch den Verfügungsbeklagten zu verhindern.

Aus diesem Grunde lässt sich auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2006 (VIII ZR 71/05) nicht die vom Verfügungsbeklagten für sich reklamierte Rechtsposition ableiten. Denn in dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob der Mieter Herausgabe der Kaution verlangen konnte, obwohl noch eine Betriebskostenabrechnung (und die daraus zu erwartende Nachforderung des Vermieters) ausstand. Dies hat der Bundesgerichtshof abgelehnt. Hingegen geht es im vorliegenden Fall darum, ob ein Vermieter auch dann, wenn offen ist, ob die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung besteht berechtigt ist, den hinterlegten Kautionsbetrag endgültig in sein Eigentum zu überführen und das hierzu folgende finanzielle Risiko dem Mieter aufzubürden. Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer ebenso zu verneinen.

Vielmehr ist der Auffassung zu folgen, „dass der Vermieter nur dann auf das als Mietsicherheit verpfändete Sparbuch zurückgreifen darf, wenn die Pfandreife eingetreten ist, Ist die Forderung des Vermieters streitig, setzt dies einen entsprechenden Titel zu seinen Gunsten voraus, da die Mietkaution nur dazu dient, berechtigte Ansprüche zu sichern, nicht aber vor Austragung des Streits über bestehende Ansprüche eine Befriedigung zu erreichen“ (so: Horst in MDR 2007, 697).

3.
Ob die vorerwähnten Gründe auch dann Gültigkeit beanspruchen können, wenn es „auf der Hand liegt“, dass ein Rückgewähranspruch des Mieters aufgrund der vom Vermieter erklärten Aufrechnung nicht mehr besteht, kann dahinstehen. Insbesondere lässt sich hier nicht feststellen, dass einem (späteren) Rückgewähranspruch des Verfügungsklägers die dolo-petit-Einrede entgegensteht, weil die vom Verfügungsbeklagten erklärte Aufrechnung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durchgreift. Vielmehr ist derzeit völlig offen, ob und in welchem Umfang dem Verfügungsbeklagten die von ihm noch geltend gemachte Forderung in Höhe von (insgesamt) 1.121,56 EUR zusteht. Dabei braucht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, das allein auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtet ist, nicht entschieden zu werden, ob die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen in wirksamer Weise auf den Verfügungskläger übertragen worden ist. Jedenfalls liegt es nicht auf der Hand, dass es zur Herstellung eines vertragsgerechten Zustandes erforderlich war, die vom Verfügungsbeklagten veranlassten Arbeiten auszuführen. Zudem ist der Zustand der Mietsache bei Vertragsbeendigung nicht unstreitig; der Verfügungskläger hat das Abnahmeprotokoll nicht unterschrieben. Es ist auch kein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt worden, in dem der Zustand der Wohnung bei Mietende festgestellt worden ist Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob der Verfügungskläger aufgrund des von ihm abgeschlossenen Mietvertrages überhaupt verpflichtet ist, bei Beendigung des Mietverhältnisses Reinigungsarbeiten durchzuführen.

Nach alledem kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die vom Verfügungsbeklagten behauptete Aufrechnungsforderung auf jeden Fall besteht. Dann jedoch ist dem Sicherungsinteresse des Mieters an Rückgewähr der Mietkaution Vorrang einzuräumen vor der schnellen Befriedigung des Vermieters. Die Möglichkeit, sich wegen seiner Ansprüche aus der Kaution (noch) zu befriedigen, verbleibt ihm auch dann, wenn man ihm wie jeden anderen Gläubiger darauf verweist, zur Durchsetzung bestrittener Forderungen eine gerichtliche Titulierung herbeizuführen.


IV.

Aus den vorgenannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Rechtsgebiete

Mietrecht