Bedeutung abschwächender Vokabeln bei der Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 11. 2009


Aktenzeichen

9 O 17394/09


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 17.09.2009 wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  3. Die Klagepartei trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch geltend.

Im von der Beklagten verlegten "..." vom 31.08.2009 erschien im Deutschlandteil unter der Überschrift "Mit Ihnen nicht mehr" ein Artikel über den Verfügungskläger. Darin wird über einen Konflikt zwischen der Staatssekretärin im ... Finanzministerium ... und dem Verfügungskläger in Zusammenhang mit dessen Beratungstätigkeit berichtet. Unter anderem heißt es: "Die Berliner Genossen erfuhren jetzt, dass ... 2 Jahre zuvor im ... geführten Finanzministerium ... praktisch Hausverbot erteilt worden war." In der Folge wird berichtet, dass der Verfügungskläger im Rahmen dieser Beratungstätigkeit wohl seine Kompetenzen überschritten habe, Staatssekretärin ... die Notbremse gezogen habe und sie im Frühjahr 2007 geäußert habe, sie wolle mit dem Verfügungskläger nicht mehr zusammenarbeiten. Weiter heißt es: "Das Finanzministerium bestätigte auf ... Anfrage den Konflikt und die Äußerungen der Staatssekretärin, die ... praktisch den Stuhl vor die Tür setzte. "Wenn ihr Unternehmen noch einmal einen Auftrag haben will, mit ihnen nicht mehr", habe ... getobt."

Mit Schreiben vom 02.09.2009 forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zum Abdruck der nachfolgenden Gegendarstellung auf:


Gegendarstellung

Im "..." Nr. 36 vom 31. August 2009 schreiben Sie in einem Artikel auf der Seite 26 in der Überschrift:

"...- TEAM 'Mit Ihnen nicht mehr' Wie ... engster Wirtschaftsberater, ..., von einer ...-Staatssekretärin im ...-Finanzministerium aus gebremst wurde".

Weiter heißt es:

"Vor seinem Wechsel zu ... Anfang dieses Jahres legte ... als Partner des Beratungsunternehmens ... eine satte Bauchlandung hin. Die Berliner Genossen erfuhren jetzt, dass ... zwei Jahre zuvor im ...-geführten Finanzministerium in ... praktisch Hausverbot erteilt worden war. (...) ... Parteifreundin, Staatssekretärin ..., zog die Notbremse. (...) Zum finalen Konflikt mit ... kam es im Frühjahr 2007 (...) ... explodierte (...) 'Ich möchte mit Ihnen nicht mehr zusammenarbeiten.' Das Finanzministerium bestätigte auf ...-Anfrage (...) die Äußerungen der Staatssekretärin, die ... praktisch den Stuhl vor die Tür setzte. (...) ... bestätigte, dass es bei dem Auftrag 'Probleme' gegeben habe."

Hierzu stelle ich fest:

Die ...-Staatssekretärin ... hat zu mir weder gesagt "Mit Ihnen nicht mehr" noch "Ich möchte mit Ihnen nicht mehr zusammenarbeiten". Zu keinem Zeitpunkt habe ich im Finanzministerium in ... Hausverbot erhalten. Die besagte Beratungstätigkeit unter meiner Leitung wurde darüber hinaus im zweiten Quartal 2007 sogar noch einmal um ein halbes Jahr verlängert. Im Frühjahr 2008 wurde ich erneut durch den Finanzminister ... in Gegenwart von Frau ... als Berater beauftragt. Das Projekt habe ich im Oktober 2008 abgeschlossen. Das Finanzministerium hat die Äußerungen "Mit Ihnen nicht mehr" und "Ich möchte mit Ihnen nicht mehr zusammenarbeiten" nicht bestätigt. Darüber hinaus hat ... auch nicht gegenüber ... bestätigt, dass es bei dem Auftrag "Probleme" gegeben habe.

Berlin, den ...

...


Nachdem die Verfügungsbeklagte den Abdruck dieser Gegendarstellung abgelehnt hatte, beantragte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 11.09.2009, der Verfügungsbeklagten den Abdruck der vorstehenden Gegendarstellung im Wege der Einstweiligen Verfügung aufzugeben. Diesem Antrag hat die Kammer durch Erlass einer Einstweiligen Verfügung am 17.09.2009 entsprochen.

Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 21.09.2009, eingegangen bei der Kammer am 23.09.2009, Widerspruch eingelegt. Der Verfügungskläger meint, bei den angegriffenen Textpassagen der Ausgangsmitteilung handle es sich um Tatsachenbehauptungen, auf die der Verfügungskläger im Rahmen seiner Gegendarstellung in zulässigem Umfang erwidere.

Der Verfügungskläger beantragt daher:

Die einstweilige Verfügung vom 17.09.2009 wird bestätigt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt:

  1. Die Einstweilige Verfügung 17.09.2009 wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung vom 11.09.2009 wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte meint, die Gegendarstellung sei irreführend, da für das Verständnis wesentliche Passagen nicht wiedergegeben würden. Soweit der Verfügungskläger darauf erwidere, ihm sei "praktisch Hausverbot" erteilt worden, handle es sich bei der Ausgangsmitteilung nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Wertung, die nicht gegendarstellungsfähig sei.

Es wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 02.11.2009. Weiter wird Bezug genommen auf die streitgegenständliche Berichterstattung, die zwischen den

Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie sämtliche sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die Einstweilige Verfügung vom 17.09.2009 war aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Abdruck der begehrten Gegendarstellung nach Artikel 10 Bayrisches Pressegesetz hat.

1. Soweit der Kläger in seiner Gegendarstellung darauf erwidert, ihm sei "praktisch Hausverbot" erteilt worden, wendet sich die Gegendarstellung nicht gegen eine Tatsachenbehauptung, sondern gegen eine Wertung und damit eine Meinungsäußerung.

a. Nach Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 Bayr. Pressegesetz sind die presserechtlich Verantwortlichen nur verpflichtet, eine Gegendarstellung abzudrucken zu Tatsachen.

b. Eine Äußerung stellt dann eine Tatsachenbehauptung dar, wenn sie dem Beweise zugänglich ist. Dem gegenüber ist konstitutiv für eine Meinung das Element der Stellungnahme des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen der geistigen Auseinandersetzung. Der Begriff der Meinung ist grundsätzlich weit zu verstehen. Abzustellen ist darüber hinaus auf den Gesamtzusammenhang der Äußerung (vergleiche statt vieler: Prinz/Peters, Medienrecht, Randnummer 3; Bundesverfassungsgericht, NJW 1983/1415 ff).

c. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Formulierung, dem Verfügungskläger sei "praktisch Hausverbot" erteilt worden, als Meinungsäußerung dar. Denn die Äußerung steht nicht isoliert im Raume, so dass der Rezipient meinen müsste, dem Verfügungskläger sei tatsächlich im juristischen Sinne ein Hausverbot erteilt worden. Vielmehr ist die Äußerung eingebettet in die Berichterstattung über den Konflikt zwischen dem Verfügungskläger und der Staatssekretärin ... im Rahmen der Beratungstätigkeit des Verfügungsklägers für deren Ministerium. So wird im Weiteren ausgeführt, der Verfügungskläger habe wohl seine Kompetenzen überschritten, weshalb die Staatssekretärin die Notbremse gezogen habe. Im Frühjahr 2007 sei es zum finalen Konflikt gekommen, in dessen Verlauf die Staatssekretärin schließlich geäußert habe, sie wolle mit dem Verfügungskläger nicht mehr zusammenarbeiten. Weiter heißt es, das Finanzministerium habe den Konflikt und die Äußerungen der Staatssekretärin bestätigt, die ... praktisch den Stuhl vor die Tür gesetzt habe. Und weiter: "Wenn ihr Unternehmen noch einmal einen Auftrag haben will, mit ihnen nicht mehr", habe ... getobt. Unter Einbeziehung all dieser weiteren Informationen und der abschwächenden Formulierung "praktisch" wird für den unterfangenen Leser deutlich, dass durch die streitgegenständliche Äußerung gerade nicht die Behauptung aufgestellt werden soll, dem Verfügungskläger wäre im juristischen Sinne ein Hausverbot erteilt worden. Vielmehr erschließt sich dem unbefangenen Leser, dass mit der gewählten Formulierung lediglich der Konflikt zwischen dem Verfügungskläger und der Staatssekretärin bewertet und einer Stellungnahme durch den Autor unterzogen wird. Die Äußerung ist mithin unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt. Sie stellt damit eine Meinungsäußerung dar, die nicht gegendarstellungsfähig ist.

2. Da bei der Gegendarstellung nach allgemeiner Meinung das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" gilt, also auch eine lediglich teilweise Unzulässigkeit der Gegendarstellung in auch nur einem Punkt zur Unzulässigkeit der gesamten Gegendarstellung führt, waren die erlassene Einstweilige Verfügung vom 17.09.2009 aufzuheben und der auf deren. Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen.

II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Dr. Steiner
Vors. Richter am LG

Schütz
Richter am LG

Brose
Richter am LG

Rechtsgebiete

Presserecht