Keine Gegendarstellung zu Hypothesen über die innere Einstellung

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 11. 2009


Aktenzeichen

9 O 18631/09


Tenor

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch geltend.

Im von der Beklagten verlegten ... vom 21.09.2009 erschien im Deutschlandteil unter der Überschrift "Abschied per SMS" ein Artikel über den Verfügungskläger. In Zusammenhang mit seiner Aufnahme in das sogenannte Kompetenzteam des ...-Kanzlerkandidaten ... wird über das Engagement des Klägers in der Reformhauskette ... und seine Zusammenarbeit mit deren "Chef" ... berichtet. So heißt es: "Doch im Mai dieses Jahres fanden die beiden unterschiedlichen Unternehmer zusammen: ... brauchte für seine ...gruppe schnell frisches Kapital und Multimillionär ... wohl für seine politischen Ambitionen in der ... ein neues Image. Für den symbolischen Betrag von 2,-- € übernahmen ... ("Reformhäuser stehen für Nachhaltigkeit. Das ist eine tolle Branche") und sein Geschäftspartner ... über eine gemeinsam kontrollierte GmbH die Mehrheit bei ... .

In der Folge wird über Schwierigkeiten bei diesem Engagement berichtet. So heißt es unter anderen: "... Hoffnungsträger ... will mit all dem nichts mehr zu tun haben. Zwar posiert er in seinem Geschäftsführerbüro noch in der "..." vom 03. August und lässt sich im ... Parteiorgan "..." vom 05. August wegen seines Engagements bei ... als "Der Mann für den Mittelstand" feiern.

In der Folge wird noch mitgeteilt, dass der Verfügungskläger mittlerweile sein Engagement bei ... beendet hat.

Mit Schreiben vom 24.09.2009 forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zum Abdruck der nachfolgenden Gegendarstellung auf:


CS 1958/09

Gegendarstellung

In ... Nr. 39 vom 21.09.2009 schreiben Sie in einem Artikel auf S. 58/59 in der Überschrift "Abschied per SMS ...-Wahlkämpfer ... stieg bei der Bio-Kette ... ein und aus."

Weiter schreiben Sie:

"Dass der Wirtschaftsmagnat nicht mehr an Bord ist, erfuhren die Alt-Gesellschafter erst am 15.08.2009 über eine SMS, ..."

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe bereits mit Schreiben vom 10.08.2009 den Gesellschaftern mitgeteilt, dass ich die Geschäftsführung an diesem Tag niedergelegt habe.

Weiter schreiben Sie:

"... brauchte ... Multimillionär ... wohl für seine politischen Ambitionen in der ... ein neues Image. Für den symbolischen Beitrag von zwei Euro übernahm ... und sein Geschäftspartner ... die Mehrheit bei ... ."

Hierzu stelle ich fest:

Als ich bei ... eingestiegen bin, gab es keinerlei Absichten, dass ich Mitglied im Wahlkampfteam von Herrn ... werde. Mein Einstieg bei ... stand daher in keinem Zusammenhang mit politischen Ambitionen in der ... .

Berlin, den ...

...


Nachdem die Verfügungsbeklagte dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, beantragte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 01.10.2009, der Verfügungsbeklagten den Abdruck der vorgenannten Gegendarstellung im Wege der Einstweiligen Verfügung aufzugeben. Die Kammer hat daraufhin Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt.

Der Kläger meint, er erwidere in zulässigem Umfang auf Tatsachenbehauptungen der Ausgangsmitteilung. Insbesondere handle es sich bei der Formulierung, er habe wohl für seine politischen Ambitionen in der ... ein neues Image benötigt um eine innere Tatsache, gegen die er gegendarzustellen berechtigt wäre.

Der Kläger beantragt daher:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - auferlegt, indem gleichen Teil der Zeitung "...", in der der Artikel "Abschied per SMS" erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes "Gegendarstellung" als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie "Abschied per SMS" in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:


Gegendarstellung

In ... Nr. 39 vom 21.09.2009 schreiben Sie in einem Artikel auf S. 58/59 in der Überschrift "Abschied per SMS ...-Wahlkämpfer ... stieg bei der Bio-Kette ... ein und aus."

Weiter schreiben Sie:

"Dass der Wirtschaftsmagnat nicht mehr an Bord ist, erfuhren die Alt-Gesellschafter erst am 15.08.2009 über eine SMS, ..."

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe bereits mit Schreiben vom 10.08.2009 den Gesellschaftern mitgeteilt, dass ich die Geschäftsführung an diesem Tag niedergelegt habe.

Weiter schreiben Sie:

"... brauchte ... Multimillionär ... wohl für seine politischen Ambitionen in der ... ein neues Image. Für den symbolischen Beitrag von zwei Euro übernahm ... und sein Geschäftspartner ... die Mehrheit bei ... ."

Hierzu stelle ich fest:

Als ich bei ... eingestiegen bin, gab es keinerlei Absichten, dass ich Mitglied im Wahlkampfteam von Herrn ... werde. Mein Einstieg bei ... stand daher in keinem Zusammenhang mit politischen Ambitionen in der ... .

Berlin, den 22.09.2009

...

Der Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte meint, die Aussage, der Verfügungskläger habe wohl für seine politischen Ambitionen in der ... ein neues Image gebraucht, stelle eine Wertung und damit eine Meinungsäußerung dar, gegen die eine Gegendarstellung nicht zulässig sei. Im Übrigen sei die Gegendarstellung irreführend.

Es wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 02.11.2009. Weiter wird Bezug genommen auf die streitgegenständliche Berichterstattung, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie sämtliche sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Abdruck der begehrten Gegendarstellung nach Artikel 10 Abs. 1 BayPressG hat.

1. Nach Artikel 10 Abs. 1. Satz 1 BayPressG sind die presse rechtlich Verantwortlichen verpflichtet, zu Tatsachen eine Gegendarstellung abzudrucken.

a. Die Mitteilung, der Verfügungskläger habe "wohl für seine politischen Ambitionen in der ... ein neues Image "gebraucht", stellt keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Wertung und damit eine Meinungsäußerung dar, die nicht gegendarstellungsfähig ist.

aa. Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn eine Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit dem Mittel des Beweises zugänglich ist. Dem gegenüber sind Meinungsäußerungen von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung geprägt. Der Begriff der Meinung ist im Sinne des Artikel 5 I Satz 1 GG grundsätzlich weit zu verstehen (Bundesverfassungsgericht NJW 1993/1415).

bb. An diesen Maßstäben gemessen stellt die inkriminierte Äußerung keine gegendarstellungsfähige Tatsache, sondern eine bewertende Meinungsäußerung dar. Äußerungen zu Absichten, Motiven und Vorstellungen werden in der Regel Meinungsäußerungen sein und gerade nicht die Mitteilung sogenannter innerer Tatsachen. Entscheidend für die Einordnung ist immer eine Gesamtwürdigung der Äußerung mit der Würdigung aller Aspekte. Vor diesem Hintergrund werden solche Äußerungen oft als Meinungsäußerungen zu behandeln sein, weil der Äußernde eine Hypothese zur inneren Einstellung des Betreffenden aufstellt oder einen Schluss hierauf zieht und der durchschnittliche Empfänger der Äußerung dies erkennt. So kann die Behauptung insbesondere ergeben, dass der Äußernde auf innere Tatsachen nur mit Hilfe von Indizien schließt und dass dieser Schluss ein (subjektives) Urteil, eine persönliche Meinung darstellt (Seitz Schmid Schöner der Gegendarstellungsanspruch Rnr. 377 bis 382).

cc. Aus der Formulierung der streitigen Textpassage einerseits sowie der gesamten Berichterstattung andererseits ergibt sich, dass der Autor der Ausgangsberichterstattung bestimmte Umstände bewertet und sich auf dieser Grundlage die Meinung gebildet hat, der Verfügungskläger habe sich zur Beförderung seiner politischen Ambitionen in der ... in der ...gruppe engagiert. Festzumachen ist dies an dem unmittelbar nach der streitigen Textpassage eingestreuten Zitat des Verfügungsklägers, in dem er die Nachhaltigkeit betont, für welche die Reformhäuser der ...gruppe stünden. Ein weiterer Bezug wird durch die Berichterstattung des "..." vom 05. August geschaffen, durch die der Verfügungskläger gerade wegen seines Engagement bei der ...gruppe als "Der Mann für den Mittelstand" bezeichnet wird. Schließlich wird die Aussage zur Motivation des Verfügungsklägers bei seinem Engagement in der ...gruppe durch das Einfügen des Wörtchens "wohl" dahingehend relativiert, dass dem Leser in Zusammenhang mit den weiteren Informationen nahegebracht wird, dass der Autor eben gerade einen wertenden Rückschluss auf die Motivationslage des Verfügungsklägers bei seinem Engagement für die ...gruppe zieht.

dd. Aus alledem ergibt sich, dass die streitige Äußerung gerade keine Tatsachenbehauptung ist, die dem objektiven Beweise zugänglich wäre, sondern eine wertende Schlussfolgerung des Autors der Ausgangsmitteilung, die einer Gegendarstellung nicht zugänglich ist.

2. Da die (mehrgliedrige) Gegendarstellung in einem Punkt unzulässig ist, stellt sie sich nach dem allgemeinen, anerkannten Alles-oder-Nichts-Prinzip des Gegendarstellungsrechts insgesamt als unzulässig dar, weshalb der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen war.


II.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.


III.

Der Ausspruch für die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt aus § 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Dr. Steiner
Vors. Richter am LG

Schütz
Richter am LG

Brose
Richter am LG

Rechtsgebiete

Presserecht