Daten über private Telefongespräche während der Arbeitszeit als Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Gericht

ArbG Kiel


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

01. 02. 2001


Aktenzeichen

2 Ca 2248 d/00


Tenor

  1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14. Sept. 2000 beendet worden ist.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen weiterzubeschäftigen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

  4. Der Streitwert beträgt DM 22.504,00.


RechtsmittelbeIehrung

Gegen dieses Urteil kann durch Einreichung einer Berufungsschrift bei dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in Kiel, Deliusstraße 22, 24114 Kiel, Berufung eingelegt werden, wenn sie im Urteil zugelassen worden ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.200,00 DM übersteigt oder wenn es sich um eine Rechtsstreitigkeit über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses handelt.

Der Berufungskläger hat den Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen.

Die Berufungsschrift muss

binnen einer Notfrist von einem Monat

nach Zustellung des Urteils beim Landesarbeitsgericht eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das die Berufung gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

Der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden.

Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Landesarbeitsgericht einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt

einen Monat

Sie beginnt mit der Einlegung der Berufung.

Die Berufung und die Berufungsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. An seine Stelle können Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn diese Personen kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.

Die für die Zustellung an die Gegenseite erforderliche Anzahl von beglaubigten Abschriften soll mit der Berufungs- bzw. Begründungsschrift eingereicht werden.

Tatbestand


Tatbestand:

Streitgegenstand der Klage ist die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten mit Schreiben vom 14. Sept. 2000 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

Der 54 Jahre alte, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger, ist seit dem 06. Mai 1969 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter tätig. Zu seinem Aufgabenbereich gehört in der sogenannten Beibuchstelle die Bearbeitung von Forderungen der Beklagten gegenüber Schuldnern.

Der Kläger ist nach dem das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Vereinbarung bestimmenden Tarifvertrag ordentlich unkündbar. Er erzielt eine Bruttomonatsvergütung nach Tarifgruppe VI des Gehaltstarifvertrages in Höhe von etwa DM 5.600,00.

Bei der Beklagten ist ein ISDN-Kommunikationssystem eingerichtet, von dessen Nebenstellen den Beschäftigten das Führen von privaten Telefongesprächen während der Arbeitszeit gestattet ist.

Gemäß Dienstanweisung vom 01. Okt. 1999 setzte der Vorstand der Beklagten die Beschäftigten davon in Kenntnis, dass private Telefongespräche im Fernbereich, die von Nebenstellen im Telekommunikations-Systemverbund geführt werden, mit der Ziffer 70 und der persönlichen PIN als Vorwahl zu kennzeichnen sind. Hingegen sind private Telefongespräche im City-Bereich nicht zu kennzeichnen. Für private Gespräche im Fernbereich beträgt die monatliche Freigrenze DM 7,00; löst der Anrufende durch entsprechende Gespräche monatliche höhere Kosten aus, wird ihm der Gesamtbetrag in Rechnung gestellt.

Zudem ist in dem bei der Beklagten verwendeten "Telefonbuch" unter "Telefonleistungsmerkmal von A - Z" unter anderem vorgesehen:

"Privatgespräche am eigenen/fremden Telefon

An Ihrem eigenen oder einem fremden Telefon können Sie ein Privatgespräch führen, für das Sie nach den .bankinternen Regelungen mit Gebühren belastet werden. Ihre Telefon-PIN bleibt dabei nur für ein Gespräch aktiv."

Schließlich ergibt sich die zu beachtende Verfahrensweise bei "Privatgesprächen am eigenen/fremden Telefon" aus der jedem Mitarbeiter bekannt gemachten Bedienungsanleitung.

Für die Nutzung des ISDN-Kommunikationssystems gibt es eine Dienstvereinbarung vom 01. Nov. 1996, mit der nach dem in der Präambel bekundeten Willen insbesondere "die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch systemtechnische und organisatorische Maßnahmen geschützt und unbefugte systemunterstützte Leistungs- und Verhaltenskontrollen verhindert werden sollen".

Gemäß Ziffer 8 DV wird "eine Auswertung personenbezogener Daten zum Zweck der individuellen Leistungs- und Verhaltenskontrolle mit den ISDN-Kommunikationssystem und den verbundenen DV-Systemen nicht vorgenommen". In begründeten Ausnahmefällen ist mit Einwilligung der Betroffenen eine Auswertung jedoch zulässig.

Nach Ziffer 9 DV besteht zwischen den abschließenden Parteien Einigkeit darüber, dass Verstöße gegen die Dienstvereinbarung Pflichtverletzungen sind, die nach Maßgabe des für den verursachenden Vertragspartner bzw. die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter jeweils zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses entsprechende Maßnahmen nach sich ziehen können.

Nachdem sich zur Mitte des Jahres 2000 bei den Vorgesetzten des Klägers der Eindruck gefestigt hatte, dass dessen Arbeitsleistung in erheblichem Maße zurückgegangen sei und der Kläger während der Arbeitszeit zunehmend umfangreiche Privatgespräche geführt habe, ließ sich der Vorgesetzte des Klägers, Herr ... zwecks Aufklärung der Vorwürfe im Zuge der von ihm durchgeführten Ermittlungen eine Telefongebührenaufstellung über die dienstlichen Telefonate des Klägers betreffend den Zeitraum vom 01. Jan. bis zum 30. Juni 2000 sowie für die Zeit vom 03. bis zum 20. Juli 2000 fertigen. Zwischen den Parteien ist unter anderem streitig, ob der Kläger in den vorgenannten Zeiträumen insgesamt 123 Privatgespräche geführt hat, für die die Beklagte Gebühren in Höhe von DM 115,32 entrichtet hat. Die Gesprächsaufstellungen mussten von der Beklagten nachträglich erstellt werden, da mit Ausnahme des Monats Juni 2000 die monatlichen Ausdrucke des Klägers fehlten. In der Abteilung des Klägers erhält jeder Mitarbeiter die Aufstellung der Dienstgespräche für den eigenen Anschluss nach Monatsabschluss zur Kenntnis, um diese - nach Prüfung und ggfs. vorzunehmender Korrektur - dann abgezeichnet im Abteilungssekretariat abzugeben. Die Aufstellung den Monat Juni 2000 betreffend hat der Kläger abgezeichnet und zurückgegeben.

... hörte den Kläger am 24. Juli 2000 in Gegenwart der Mitarbeiterin ... an. Ob der Kläger im Zuge der Unterredung ihm gegenüber erhobene Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Führen privater Telefongespräche eingeräumt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Bei der Beklagten besteht eine Gleitzeitregelung; die Beschäftigten sind verpflichtet, ein Zeiterfassungsgerät zu bedienen; hierfür gilt unter anderem die Dienstvereinbarung Nr. 16 für die variable Arbeitszeit vom 26./27. März 1998.

Ob der Kläger am 20. Juni 2000 in die Mittagspause gegangen ist, ohne die Gleitzeitkarte zu ziehen und zudem unzulässigerweise zur Erhöhung der Gleitzeit in einem Korrekturbogen Urlaubskalender - statt Arbeitstage angegeben und diese mit der täglichen Soll-Stundenzahl von 7,8 Stunden multipliziert hat, ist ebenso zwischen den Parteien streitig wie die Einlassung der Beklagten, der Kläger habe diese festgestellten Verstöße indem Anhörungsgespräch mit Herrn Dr. Berghaus zugegeben.

Unter dem 27. Juli 2000 beantragte die Beklagte unter Beifügung eines ausführlichen Vermerks ihrer Rechtsabteilung vom 26. Juli 2000 bei dem Personalrat die Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers. Mit Stellungnahme vom 31. Juli 2000 setzte der Personalrat die Beklagte davon in Kenntnis, dass der Eilantrag auf Zustimmung in der außerordentlichen Personalratssitzung am gleichen Tage abgelehnt worden sei.

Ebenfalls am 31. Juli 2000 ging der Antrag der Beklagten ohne Datum auf Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers gemäß §§ 15 ff. Schwerbehindertengesetz bei der Fürsorgesteile der Landeshauptstadt Kiel ein.

Mit weiterem Schreiben vom 03. Aug. 2000 legte der Vorstand der Beklagten als oberste Dienstbehörde dem Personalrat gemäß §§ 52 Abs. 2 Satz 4, 84 Abs. 3 MBG den Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers unter Bezugnahme auf die bereits durch die Dienststelle erläuterten Gründe erneut vor. Aufgrund außerordentlicher Sitzung vom 07. Aug. 2000 lehnte der Personalrat die Zustimmung mit Stellungnahme vom gleichen Tage ab.

Mit Schreiben vom 11. Aug. 2000 erteilte die Fürsorgesteile der Beklagten die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17. Aug. 2000 legte der Kläger gegen die erteilte Zustimmung Widerspruch ein.

Die nach der Entscheidung des Personalrats angerufene Einigungsstelle stimmte in ihrem in der Sitzung am 13. Sept. 2000 gefällten Spruch der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger nicht zu und sprach gegenüber der Beklagten die Empfehlung aus, von der beabsichtigten Maßnahme Abstand zu nehmen.

Am gleichen Tag entschied der Vorstand der Beklagten gemäß § 54 Abs. 4 Satz 4 MBG endgültig, dass die außerordentliche Kündigung des Klägers ausgesprochen werden solle.

Gemäß Schreiben vom 14. Sept. 2000 kündigte die Beklagte schließlich das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

In seiner Sitzung am 09. Nov. 2000 wies der Widerspruchsausschuss der Hauptfürsorgesteile das Rechtsmittel des Klägers gegen den Bescheid der FürsorgesteIle zurück.

In seiner am 19. Sept. 2000 bei Gericht eingehenden Klage vertritt der Kläger die Auffassung, der Beklagten hätten wichtige Gründe zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Seite gestanden.

Er bestreitet, rechtswidrig Privattelefongespräche geführt zu haben und meint, die Beklagte habe sich unter Verstoß gegen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und der bestehenden Dienstvereinbarung Kenntnis über die von ihr behaupteten Privatgespräche verschafft, so dass bezüglich der ausgedruckten Telefongebührenaufstellungen ein prozessuales Verwertungsverbot bestehe.

Er stellt in Abrede, am 20. Juni 2000 für ihn auflaufende Arbeitszeiten manipuliert und anschließend in einem Korrekturbogen unzutreffende Eintragungen vorgenommen zu haben.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14. September 2000 endete.

Für den Fall des Obsiegens wird weiter beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Arbeits- und Vertragsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die Kündigung sei wirksam, da der Kläger zu ihren Lasten den Tatbestand des Betruges erfüllt und sich somit strafbar gemacht habe.

Nachdem die Vorgesetzten des Klägers, so trägt sie vor, erhebliche Leistungsdefizite festgestellt hätten und nach den Bekundungen der Teamleiterin von dem Kläger während der Dienstzeit umfangreiche Privatgespräche geführt worden seien, habe man die vorgebrachten Kritikpunkte näher prüfen wollen und sich im Rahmen dieser Nachforschungen auch entsprechende Telefongebührenaufstellungen bezüglich der Dienstgespräche des Klägers in dem entsprechenden Zeitraum ausdrucken lassen; Hierbei sei festgestellt worden, dass der Kläger für Privatgespräche Gebühreneinheiten von mehr als DM 100,00 ausgelöst habe, ohne diese selbst zu bezahlen. Dieser Sachverhalt sei von ihm auch anlässlich der Anhörung durch Herrn ... in vollem Umfange eingeräumt worden.

Der Kläger habe die festgestellten Umstände damit gerechtfertigt, dass die ,,70er"-Vorwahl defekt gewesen sei und er zudem gedacht habe, für weniger als DM 7,00 jeweils telefoniert zu haben.

Sie vertritt die Auffassung, als Arbeitgeberin auch unter Berücksichtigung der Dienstvereinbarung zur Prüfung berechtigt zu sein, welche dienstlichen Gespräche der einzelne Mitarbeiter mit welchen Kunden oder sonstigen Gesprächspartnern geführt habe. Ungeachtet dessen habe sie die angefertigten Listen allein mit der Zielsetzung ausgewertet, eine korrekte Zuordnung privater und dienstlicher Telefongespräche und somit eine ordnungsgemäße Abrechnung zu ermöglichen. Schließlich habe der Kläger, so lässt sie, die Beklagte, sich ein, am 24. Juli 2000 gegenüber Herrn ... zugegeben, die festgestellten Privatgespräche als Dienstgespräche abgerechnet zu haben.

Nachdem der Kläger bereits im Jahre 1997 von seinem damaligen Vorgesetzten Herrr ... wegen seinerzeit festgestellter Gleitzeitverstöße abgemahnt worden sei, habe er sich am 20. Juni 2000 in die Mittagspause begeben, ohne die Gleitzeitkarte zu ziehen. Eine reduzierende Korrektur über den am Monatsende abzugebenden Korrekturbogen habe der Kläger nicht vorgenommen, sondern stattdessen in dem Korrekturbogen eingetragen, dass für seinen Urlaub in dem Monat die Gleitzeit erhöht werde. Er habe 14 Urlaubskalendertage angegeben und diese mit der täglichen Soll-Stundenzahl von 7/8 multipliziert. Erst auf einen entsprechenden Einwand durch die Gleitzeitbeauftragte habe er seine Arbeitszeitrechnung um 3 x 7/8 Stunden reduziert. Hierdurch habe der Kläger versucht, 3 x 7/8 Stunden zu seinen Gunsten als entgeltliche Urlaubszeit zu erschleichen.

Auch diese Vorwürfe habe der Kläger am 24. Juli 2000 gegenüber Herrn ... eingeräumt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen, deren Inhalt insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, im Übrigen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die mit Schreiben der Beklagten vom 14. Sept. 2000 ausgesprochene außerordentliche Kündigung hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet; denn ihr stehen materielle Unwirksamkeitsgründe entgegen. Sie genügt nicht den Voraussetzungen des § 626 BGB.

Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Derjenige, der die Kündigung ausgesprochen hat, ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein könnten (vgl. u.a. BAG Urteil vom 24.11.1983 - 2 AZR 327/83 -, EZA § 626 BGB Nr. 88 m.w.H.).

Für eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung genügen solche in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegenden gravierenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Hierbei gilt ein objektiver Maßstab.

Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe tragen die im Streit befindliche außerordentliche Kündigung nicht. Mit der Beklagten geht die Kammer allerdings davon aus, dass unter anderem Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung zu stützen, d. h., solche Delikte stellen an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Der Tatbestand des Betruges setzt Rechtswidrigkeit sowie Vorsatz voraus und ist strafbewährt. Dem Arbeitnehmer muss die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens folglich bewusst sein. Aufgrund der aus dem Arbeitsvertrag folgenden Nebenpflicht zur Loyalität gründet sich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Anderenfalls bricht der Arbeitnehmer durch die Vermögensverletzung unabhängig von der Höhe des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Kann somit einer vorsätzlichen Verletzung des Vermögens des Arbeitgebers auch bei geringfügiger Schädigung nicht von vornherein die Eignung für eine außerordentliche Kündigung abgesprochen werden, so ist die Schadenshöhe durchaus der nachfolgenden Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zuzuordnen.

In diesem Zusammenhang kann es auf sich beruhen, ob das von der Beklagten gerügte arbeitsvertragliche Fehlverhalten des Klägers strafrechtlich die Tatbestandsvoraussetzungen des Betruges erfüllt; auf eine strafrechtliche Bewertung des Verhaltens kommt es für seine kündigungsrechtliche Bedeutung nicht entscheidend an (vgl. u.a. BAG, Urteil vom 20.08.1997 - 2 AZR 620/96 -, AP Nr. 27 zu § 626 BGB "Verdacht strafbare Handlung").

Unter Berücksichtigung vorgenannter Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung gilt Folgendes:

Die Beklagte kann die streitbefangene Kündigung nicht erfolgreich auf die von ihr behaupteten, nicht im dienstlichen Interesse geführten Privatgespräche durch den Kläger stützen. Sie hat den ihr obliegenden Beweis für die vermeindlichen Privatgespräche nicht geführt. Die Verwertung der ausgedruckten Telefongebührenaufstellungen ist ebenso unzulässig wie eine Vernehmung des Zeugen ... . Die Beklagte hat dadurch, dass sie personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen ausgewertet hat, das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt.

Nach Ziffer 8 der Dienstvereinbarung über die Nutzung des ISDN-Kommunikationssystems wird eine Auswertung personenbezogener Daten zum Zweck der individuellen Leistungs- und Verhaltenskontrolle mit dem ISDN-Kommunikationssystem und den verbundenen DV-Systemen nicht vorgenommen. Mit Einwilligung der Betroffenen ist aber eine Auswertung in begründeten Ausnahmefällen zulässig.

Daten über von Arbeitnehmern geführte Telefongespräche sind in diesem Zusammenhang personenbezogene Daten des Arbeitnehmers im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Verarbeitung - hier die Speicherung von Zielnummern bei ausgehenden Dienst- und Privatgesprächen durch den Arbeitgeber - von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer ist datenschutzrechtlich schon dann zulässig, wenn sie etwa durch eine Dienstvereinbarung erlaubt wird. Eine Dienstvereinbarung kann auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer von den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes abweichen. Sie muss sich allerdings im Rahmen der Regelungskompetenz der Betriebsparteien halten und den Grundsätzen über den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis Rechnung tragen.

Ist aber eine kollektive Regelung, mit der unter Wahrung bestimmter Voraussetzungen von Bestimmungen des Datenschutzes zu Ungunsten der Beschäftigten abgewichen werden kann, zulässig, so begegnet eine Vereinbarung erstrecht keinen rechtlichen Bedenken, mit der die Betriebsparteien offenbar eine Verschärfung des Datenschutzes zu Gunsten der Beschäftigten angestrebt haben.

So aber liegt der Fall hier:

Ausweislich des insoweit eindeutigen und einer weiteren Auslegung nicht zugänglichen Wortlauts von Ziffer 8 DV findet eine Auswertung personenbezogener Daten zum Zwecke der individuellen Leistungs- und Verhaltenskontrolle nicht statt, es sei denn, der Betroffene hat (vorher) in einem begründeten Ausnahmefall seine Einwilligung erteilt.

Die unmissverständliche Abfassung von Ziffer 8 DV lässt auch eine Erforschung des der Regelung zugrunde liegenden mutmaßlichen Willens der Betriebsparteien nicht zu; die Beklagte muss sich vielmehr an deren Wortlaut festhalten lassen.

Soweit die Beklagte nunmehr aus nachvollziehbaren Gründen den Standpunkt einnimmt, sie habe die Auswertung nur zum Zwecke der Überprüfung einer korrekten Abrechnung des Klägers vorgenommen, führt dieses nicht zu einer für sie günstigen Rechtsfolge. Eine objektive Gesamtwürdigung der Umstände steht dieser Einlassung entgegen. Nach den eigenen Erklärungen der Vertreter der Beklagten in dem Einigungsstellenverfahren sei die Feststellung, dass die klägerische Arbeitsleistung in erheblichem Umfange zurückgegangen sei und dass sich der Kläger während der Arbeitszeit in zunehmendem Maße mit privaten Angelegenheiten beschäftigt habe, Ausgangspunkt für die Auswertung gewesen. Zudem will der Arbeitgeber mit der Auswertung der Telefondaten der Dienstgespräche das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer überwachen. Es geht insoweit um Feststellungen darüber, ob und in welcher Weise der Arbeitnehmer das Arbeitsmittel Telefon sinnvoll und kostengünstig nutzt. Hinsichtlich der Privatgespräche aus dienstlichem Anlass geht es um eine Missbrauchskontrolle, nämlich ob Privatgespräche, die nicht aus dienstlichem Anlass notwendig werden, auf Kosten des Arbeitgebers geführt werden. Auch bei reinen Privatgesprächen kann das Telefonverhalten der Arbeitnehmer überwacht werden, nämlich dahin, ob diese Privatgespräche überhaupt während der Arbeitszeit geführt worden sind und ggfs. wie viel Arbeitszeit durch das Führen von Privatgesprächen verloren gegangen ist.

Erfolgte die Auswertung aber zum Zwecke der Verhaltenskontrolle, so hätte diese der vorherigen Zustimmung des Klägers bedurft. Eine solche Einwilligung ist unstreitig nicht eingeholt worden. Die Beklagte hat durch ihr Vorgehen das durch Art. 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt; dieses ist auch im Privatrechtsverkehr und damit auch im beruflichen Bereich zu beachten. Aus der Rechtswidrigkeit der Erlangung des Beweismittels folgt auch das Verbot, die gewonnenen Beweismittel gegen den Kläger zu verwenden.

Die Kammer hat in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass ein Beweismittel der Rechtsverwirklichung dient. Damit ist der Beweisführer ebenso wie letztlich auch das Gericht zur Durchsetzung des Rechtes auf das Beweismittel angewiesen. Der Beweisführer kann sein Recht nur erhalten, wenn er sich mangels gesetzlicher Hilfen eigenmächtig das Beweismittel verschafft, etwa durch Selbsthilfe. Daher erfährt das Verwertungsgebot unter dem Gesichtspunkt einer Güteabwägung eine Einschränkung, d. h. Zulässigkeit des Beweismittels, wenn es zur Abwehr größeren Unrechts verschafft worden ist und bei doloser Ausnutzung der Beweisnot seitens des Gegners. Dies bedeutet im Einzelfall eine Abwägung der widerstreitenden Interessen.

Die Rechtsverwirklichung, der dieses Beweismittel dienen soll, kann Vorrang vor dem Schutz der verletzten Rechte der anderen Prozesspartei haben. Hierbei muss das Interesse der Wahrheitsfindung das Schutzanliegen der durch die Verwertung verletzten Norm jedoch deutlich übersteigen (z. B. Festlegung erpresserischer Drohungen).

Eine Güteabwägung in dem vorliegenden Falle führt allerdings zu dem Ergebnis, dass dem grundgesetzlich verbrieften Persönlichkeitsschutz des Klägers der Vorrang gebührt, zumal nicht ohne Weiteres festgestellt werden kann, dass der Kläger in jedem Falle trotz eines entsprechenden Ersuchens seitens der Beklagten sein Einverständnis zu einer Auswertung versagt hätte (vgl. hierzu insgesamt Werner, Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel, NJW 1988, 993 ff.).

Ebenso wenig kam aus dem oben Ausgeführten eine Vernehmung des Zeugen ... in Betracht, da auch insoweit ein Beweisverwertungsverbot bestand. Denn das von der Beklagten behauptete Eingeständnis des Klägers im Hinblick auf die gerügten Arbeitsvertragsverletzungen steht in unlösbarem Zusammenhang mit der festgestellten Persönlichkeitsverletzung und ist als deren unmittelbare Folge keiner anderen rechtlichen Bewertung zugänglich.

Den Vortrag der Beklagten als unstreitig unterstellt, führt auch der Verstoß des Klägers vom 20. Juni 2000 gegen die Gleitzeitregelung nicht zur Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung.

Zwar stellt die nicht korrekte Handhabung der eigenen Zeiterfassungskarte eine schwerwiegende Störung im Vertrauensbereich dar, die den Arbeitgeber jedenfalls dann zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen kann, wenn das Fehlverhalten sogleich den Straftatbestand des Betruges erfüllt. Dies ist immer dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer eine vorsätzliche Pflichtverletzung nachgewiesen werden kann. Unter dieser Voraussetzung ist eine Abmahnung dem Arbeitgeber regelmäßig auch nicht .zuzumuten, da der Arbeitnehmer ohne Weiteres davon ausgehen kann, dass sein Verhalten vom Arbeitgeber nicht gebilligt wird.

Dass der Kläger aber an dem besagten Tage ohne das Zeiterfassungsgerät zu betätigen, bewusst und gewollt in der Absicht die Mittagspause angetreten hat, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, erscheint der Kammer auch im Zusammenhang mit dem nicht ordnungsgemäß ausgefüllten Korrekturbogen nach dem gewonnenen Gesamteindruck des Klägers zweifelhaft.

Entscheidungserheblich kommt es jedoch auf die Vorsätzlichkeit des klägerischen Handelns in diesem Zusammenhang nicht an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass Ziffer 11 "Fehlverhalten" der Dienstvereinbarung für die variable Arbeitszeit einen abgestuften Katalog von Sanktionen zur Seite stellt, mit denen die Beklagte bei festgestellten Vertrauensverstößen zu reagieren berechtigt ist, die sie aber auch einzuhalten hat. Die Vereinbarung trägt insoweit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung und sieht nur als "ultima-ratio" die Möglichkeit des Ausspruches einer außerordentlichen Kündigung vor. Sinn und Zweck der bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Gleitzeitregelung eröffneten abgestuften Sanktionsmöglichkeiten ist zweifelsfrei, dem einzelnen Beschäftigten vor Augen zu führen, dass bei erneutem Missbrauch der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Demzufolge hätte die Beklagte die Verpflichtung getroffen, auf den von ihr ggfs. zu Recht beanstandeten Arbeitsvertragsverstoß des Klägers mit einem Ausschluss von der Dienstvereinbarung zu reagieren. Durch die sofort ausgesprochene außerordentliche Kündigung verstößt die Beklagte gegen den in Ziffer 11 der Dienstvereinbarung zum Ausdruck gekommenen Willen der Betriebsparteien und somit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger sei bereits im Jahre 1997 von seinem damaligen Vorgesetzten wegen eines gleichgelagerten Fehlverhaltens abgemahnt worden. Die Einlassung der Beklagten als zutreffend unterstellt, ist diese Abmahnung durch Zeitablauf gegenstandslos geworden.

Entgegen der teilweise im Schrifttum und etwa vom Landesarbeitsgericht Hamm (vgl. Urteil vom 14.05.1986, BB 1986, 1296) vertretenen Ansicht geht die Kammer allerdings nicht davon aus, dass eine Abmahnung automatisch nach etwa zwei Jahren ihre Wirkung verliere und ohne Weiteres aus der Personalakte entfernt werden müsse. Zu unterscheiden ist vielmehr zwischen der Aufbewahrungsdauer (automatische Tilgung nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums) und der Wirksamkeitsdauer (Heranziehung für nachfolgendes arbeitsrechtlich relevantes Verhalten des Arbeitnehmers). Ist eine automatische Tilgung nach Ablauf einer bestimmten Frist rechtlich nicht überzeugend zu begründen, so ist die Wirksamkeitsdauer der Abmahnung jedoch zeitlich begrenzt. Bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Art der dem Kläger angelasteten Verfehlung sowie seines weiteren Verhaltens seit 1997 ist es der Beklagten verwährt, auf eine etwa drei Jahre zurückliegende Abmahnung Bezug nehmen zu können, um ihr Kündigungsvorbringen nunmehr zu unterstützen.

Letztlich führt aber auch die Würdigung aller abwägungsrelevanten Gesichtspunkte bei der abschließenden Interessengewichtung zu einer klagstattgebenden Entscheidung.

Bei verständiger Würdigung der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Beklagten auch unter Berücksichtigung der von ihr behaupteten Arbeitsvertragsverstöße des Klägers die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der fiktiv zugrunde zu legenden ordentlichen Kündigungsfrist nicht unzumutbar wäre.

Fristlos kann einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nach § 626 BGB nämlich nur dann gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren kündbaren Arbeitnehmer dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Nur so kann der Wertungswiderspruch verhindert werden, dass sonst der tariflich unkündbare Arbeitnehmer allein wegen seines besonderen Schutzes benachteiligt würde (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10.02.1999 - 2 ABR 31/98 -; Höhland, Anm. zu AP Nr. 143 zu § 626 BGB). Zugunsten des Klägers sprachen hier ohne Weiteres seine über 30jährige Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter sowie die wenig erfolgversprechende zukünftige Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt und die belastenden Verhältnisse im persönlichen Umfeld.

Das andererseits einer gesteigerten Fürsorgepflicht auf Seiten des Arbeitgebers aufgrund extrem langer Beschäftigungsdauer auch eine gesteigerte Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenübersteht, die Beklagte zu Recht gerichtlichen Schutz im Hinblick auf fahrlässige bzw. vorsätzliche Arbeitsvertragsverstöße in dem besondere Beachtung verdienenden Vermögensbereich geltend machen kann und persönlich bedrückende familiäre Schicksalsschläge etwaige Betrügereien nicht zu rechtfertigen vermögen, hat die Kammer bei der abschließend notwendigen Interessenabwägung sehr wohl gewürdigt.

Nach allem überwog das Interesse des Klägers an dem Fortbestand des Arbeitverhältnisses, so dass der Klage zu entsprechen war. Der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers gründet sich auf die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Weiterbeschäftigung.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 ZPO, §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7 ArbGG.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht