Abhängigmachen der Belieferung mit Markenartikeln von dem Ausschluss des Vertriebs über eBay
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
24. 07. 2007
Aktenzeichen
16 O 412/07 Kart
Der Hersteller von Markenartikeln darf die Belieferung von Einzelhändlern nicht davon abhängig machen, dass diese seine Markenartikel nicht über eBay vertreiben. Der in den "Auswahlkriterien" des Herstellers vorgesehene Ausschluss des Vertriebs über das Internet stellt eine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs dar, weil dadurch die Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen beschränkt wird.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen am Geschäftsführer ihrer Komplementärin,
zu unterlassen,
die Belieferung entsprechend den Bestellungen des Antragstellers mit von der Antragsgegnerin hergestellten Produkten, insbesondere solche der Marken S und 4 ... davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Ware nicht über ... oder gleichartige Auktionsplattformen anbietet und verkauft.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Der Antragsteller will der Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes untersagen lassen, seine Belieferung mit Produkten der Marken S und 4 ... davon abhängig zu machen, dass er diese Waren nicht über ... anbietet.
Der Antragsteller betreibt ein Einzelhandelsgeschäft unter der Bezeichnung "...". Er bietet u. a. Schul- und Schreibwaren an. Hierzu gehören auch Schulrucksäcke und -ranzen. Diese vertreibt er auch im Internet auf der Handelsplattform .... Er unterschreitet dabei die von der Antragsgegnerin empfohlenen Preise.
Die Antragsgegnerin stellt im Wesentlichen Koffer, Taschen, Schulranzen und Rucksäcke aus Leder und anderen Materialien her und vertreibt diese u. a. unter ihren Marken "Der ..." (folgend nur "...") und "4 ..." (folgend nur "...").
Für den Vertrieb dieser Produkte bedient sich die Antragsgegnerin bestimmter Auswahlkriterien, die als Anlage A 26 vorliegen, auf die hier ergänzend verwiesen wird. Unter Ziffer 10 dieser Auswahlkriterien stellt die Antragsgegnerin für Vertriebspartner, die neben dem stationären Verkauf auch über das Internet vertreiben, Grundsätze auf. Als letzter Punkt ist festgehalten, dass der Verkauf über ... und vergleichbare Auktionsplattformen im Internet nach dem derzeitigen Stand der Ausgestaltung dieser Formate nicht den zuvor aufgestellten Grundsätzen entspreche und daher nicht gestattet sei.
Nr. 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin lautet auszugsweise: "Erfüllungsort und (...) Gerichtsstand für alle sich aus dem Vertrag ergebenden wechselseitigen Ansprüche ist Frankenthal/Pfalz (Deutschland)."
Die Antragsgegnerin vertreibt ihre Produkte u. a. auch selbst über das Internet. Sie beliefert ferner die Versandhändler ... B und S.
Der Antragsteller behauptet, die von ihm angebotenen Schul- und Schreibwaren bildeten den Schwerpunkt seiner Vertriebstätigkeit. Die Antragsgegnerin sei Marktführerin in den Segmenten Schulranzen und -rucksäcke.
Der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin sei gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 GWB dazu verpflichtet, es zu unterlassen, die Belieferung nicht davon abhängig zu machen, dass der Vertrieb ihrer Produkte über ... eingestellt werde. Denn die Antragsgegnerin handle kartellrechtswidrig.
Die Antragsgegnerin verstoße gegen § 1 GWB. Die von der Antragsgegnerin verwendeten Auswahlkriterien bewirkten eine Einschränkung des Wettbewerbs. Die Antragsgegnerin sei auch nicht gemäß § 2 GWB von dem Verbot des § 1 GWB freigestellt. Denn nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 2790/1999 gelte die Freistellung nur, wenn der Anteil des Lieferanten an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren verkauft, 30 % nicht übersteigt. Es sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin einen Marktanteil von 40 % im Schulwarenbereich besitze. Ferner schlössen Art. 4 a - c Verordnung (EG) 2790/1999 eine Freistellung aus.
Die Antragsgegnerin verstoße auch gegen § 20 Abs. 1 und 2 GWB. Bei der Antragsgegnerin handle es sich zumindest um ein marktstarkes Unternehmen. Der Antragsteller werde unbillig behindert und ohne sachlich gerechtfertigten Grund gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich behandelt. So würden reine Versandhändler entgegen Ziffer 9 der Auswahlkriterien beliefert, nicht aber der Antragsteller, obwohl der Verstoß gegen Ziffer 9 schwerwiegender sei als der gegen Ziffer 10.
Die Antragsgegnerin verstoße auch gegen § 21 Abs. 3 Nr. 3 GWB, weil sie mit der Nichtlieferung mit Schulrucksäcken und -ranzen drohe, um zu erreichen, dass die Produkte nicht über ... vertrieben werden.
Schließlich verletze die Antragsgegnerin auch § 21 Abs. 2 GWB, weil ihr Verhalten darauf gerichtet sei, der sog. "Preis-Mengen-Politik" beim Verkauf über das Internet entgegenzuwirken.
Letztlich ergebe sich der Anspruch auch aus den Auswahlkriterien selbst, weil der Antragsgegner diese einhalte und es unrichtig sei, dass die Kriterien bei einem Verkauf über ... nicht erfüllt würden.
Der Verfügungsgrund folge daraus, das die Produkte der Antragsgegnerin einen sehr hohen Anteil am Gesamtumsatz des Antragstellers ausmachten und er ohne diese Produkte in die Verlustzone gelangen würde. Eine rasche Entscheidung sei daher erforderlich.
Der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin wird unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu 2 Jahre, letztere zu vollziehen an einem Geschäftsführer ihrer Komplementärin,
untersagt,
die Belieferung entsprechend den Bestellungen des Antragstellers mit von der Antragsgegnerin hergestellten Produkten, insbesondere solchen der Marke S und 4, davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Ware nicht über ... oder gleichartige Auktionsplattformen anbiete und verkauft.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie rügt die örtliche Unzuständigkeit mit Blick auf die Gerichtsstandsvereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Der Antragsgegnerin gehe es allein darum, Vertriebsformen zu unterbinden, die dem Image ihrer Produkte massiv schadeten. Dazu gehöre der Vertrieb ihrer Produkte über .... Denn ... sei in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem "Flohmarkt" verkommen. Es gehe ihr nicht darum, die Einhaltung von Preisempfehlungen durchzusetzen.
Sachlich relevant sei vorliegend der Markt für Behältnisse wie Koffer, Taschen, Schulranzen und Rucksäcke. Auf diesem Markt nehme die Antragsgegnerin keine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung ein. Der Antragsteller sei auch nicht unternehmensbedingt von der Antragsgegnerin abhängig, weil er Handtaschen, Handschuhe, Kofferprodukte, Schirme, Reisetaschen, Kleinlederwaren, Freizeitartikel und Schulartikel vertreibe.
Das Handeln der Antragsgegnerin sei auch sachlich gerechtfertigt. Sie wende ihre Auswahlkriterien auf alle Vertriebspartner diskriminierungsfrei an. Anerkannt sei zudem, dass es eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstelle, wenn der Hersteller einer Markenware seinen Händlern den Verkauf im Internet nur unter der Voraussetzung gestattet, dass die Internetumsätze nicht mehr als die Hälfe der im stationären Handel erzielten Umsätze ausmachen. Es könnten auch qualitative Anforderungen den Vertrieb durch den Händler gestellt werden.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag ist begründet.
A. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das LG Berlin örtlich zuständig gemäß § 32 ZPO.
Die von der Antragsgegnerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind vorliegend nicht einschlägig, weil nicht ersichtlich ist, dass sie zwischen den Parteien für den vorliegenden Streit vereinbart sind. Zwar gab es in der Vergangenheit Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien, denen die AGB zugrunde gelegen haben mögen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist aber kein Streit, der in der Vergangenheit liegenden Verträgen wurzelt. Dem Antragsteller geht es vielmehr darum, dass die Antragsgegnerin die zu ihm unterbrochenen Geschäftsbeziehungen wieder aufnimmt, also Lieferverträge überhaupt erst wieder abschließt. Dieser Anspruch ergibt sich allenfalls aus dem Gesetz, nicht aber aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag.
Für einen Rahmenvertrag zwischen den Parteien, der die AGB enthielte, ist nichts vorgetragen und nichts ersichtlich.
B. Der Antrag ist begründet.
1. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin gemäß § 33 Abs. 1 GWB einen Anspruch, es zu unterlassen, die Belieferung mit S und 4 ... Produkten davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller diese Waren nicht über ... vertreibt.
Denn die Antragsgegnerin verstößt gegen eine Bestimmung des Kartellrechts.
Die Antragsgegnerin verstößt gegen § 1 GWB. Dieser Verstoß kann einen Anspruch gemäß § 33 GWB begründen (Bechtold, GWB, 4. Auflage, § 33, Rn. 4).
a) § 1 GWB verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.
Bei den von der Antragsgegnerin verwendeten "Auswahlkriterien" handelt es sich um die Grundlage der gemeinsamen Geschäftsbeziehungen, die von dem Begriff der Vereinbarung erfasst werden (vgl. Bechtold, a. a. O., § 1, Rn. 11).
Der in den "Auswahlkriterien vorgesehene Ausschluss des Vertriebs über das Internet auf der Handelsplattform ... stellt eine Einschränkung des Wettbewerbs dar, weil dadurch die Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen beschränkt wird (vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-J.-B. Nordemann, Kartellrecht Bd. 2, § 1 GWB, Rn. 98; Bechtold, a. a. O., § 1, Rn. 24).
b) Die Vereinbarung, die die Vertriebsbeschränkung über ... vorsieht, ist nicht gemäß § 2 Abs. 2 GWB von dem Verbot des § 1 GWB freigestellt.
§ 2 Abs. 2 S. 1 GWB sieht eine entsprechende Geltung der EG-Gruppenfreistellungsverordnungen vor (vgl. Bechtold, a. a. O., § 2, Rn. 25). Hier ist die VO 2790/1999 in Betracht zu ziehen.
Art. 2 VO 2790/1999 sieht in gewissem Umfang eine Freistellung sog. vertikaler Vertriebsvereinbarungen vor. Diese Freistellung greift hier aber nicht.
Es ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin an dem relevanten Markt, auf dem sie die Vertragswaren verkauft, mehr als 30 % Marktanteil besitzt. Die Freistellung gilt daher gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 2790/1999 nicht.
Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit bei der Antragsgegnerin, die die Anwendbarkeit der Gruppenfreistellungsverordnung und damit auch die Einhaltung von Marktanteilsschwellen darzulegen hat (Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-J.-B. Nordemann, a. a. O., § 2 GWB, Rn. 204 a. E.).
Dieser Darlegungslast ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.
Es ist insofern ungenügend, die eigene Angabe, mit ca. 40 % Marktanteil sei S mit Abstand Marktführer, mit dem Hinweis nur zu relativieren, es handle sich um werbliche Anpreisungen. Es ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin eine derartige Spitzenstellungsberühmung nicht ohne Kenntnis der Marktverhältnisse vornimmt. Sie daher gehalten, substanziiert hierzu vorzutragen.
Auch aus der bloßen Benennung einer Reihe von Wettbewerbern lassen sich insofern keine ausreichenden Schlüsse zur Einhaltung der Marktanteilsschwelle ziehen, weil nicht angegeben wird, welche Marktanteil die Wettbewerber besitzen.
Da die Antragsgegnerin ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, muss von der Nichteinhaltung der Marktanteilsschwelle und der Nichtanwendbarkeit der Freistellung auszugehen.
Ihr Verhalten stellt sich daher als ein Verstoß gegen das Kartellrecht dar.
2. Eine Leistungsverfügung kommt hier ausnahmsweise in Betracht, weil der Antragsteller auf die Belieferung mit Produkten der Antragsgegnerin dringend angewiesen ist. Das folgt daraus, dass er als Fachhändler nicht auf diese Produkte verzichten kann, weil erwartet wird, dass er auch diese Produkte in seinem Sortiment führt. Allein die Produkte der Wettbewerber der Antragsgegnerin können diese nicht hinreichend substituieren.
3. Aus denselben Umständen ergibt sich auch die Eilbedürftigkeit der Entscheidung.
C. Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 91 ZPO.
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