Änderung einer verbotenen werblichen Maßnahme
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
23. 05. 2008
Aktenzeichen
3 W 6/08
Wird der Werbe-Vergleich für eine Zahnbürste unter Nennung von Konkurrenz-Produkten und unter Hinweis auf zwei zitierte Studien untersagt (hier: „Entfernt signifikant mehr Plaque als …“), so fällt eine andere Werbeaussage mit einem anderen Sinngehalt (hier: „Entfernt besser Plaque als…“) auch unter Anführung derselben Vergleichsprodukte und zitierten Studien nicht in den sog. Kernbereich des Verbotstitels. Bei der verbotenen Äußerung („signifikant mehr“) ging es um die bei gleichem Studienaufbau reproduzierbare Behauptung einer bestimmten („signifikanten“) Besserstellung, während das bei der neuen Aussage („besser als“) nicht gesagt wird.
Selbst wenn der nunmehr beanstandete Werbevergleich verbietbar (gewesen) wäre, ist eine spätere Erstreckung auf im Erkenntnisverfahren nicht streitgegenständliche Verhaltensformen auch nach der Kerntheorie nicht möglich.
Zum Organisationsverschulden bei einer Zuwiderhandlung und zur Höhe des Ordnungsgeldes.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 12. Dezember 2007, wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin trägt die Kosten der Beschwerde nach einem Beschwerdewert von EUR 10.000.-.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
I.
1. Soweit die Gläubigerin eine Bestrafung wegen der Verwendung des Slogans:
„Za... entfernt besser Plaque als eine Handzahnbürste und die TOPBB. (Fußnote 1, 2)”.
Fußnote 1. Schaeken M et al. Single-use, 91 Probanden, Comp. Cont.Educ.2007; 28
Fußnote 2. Putt M et al. Single-use, 93 Probanden, Data on file 2007“
verlangt, hat das Landgericht diesem Ansinnen zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffenden Gründen nicht entsprochen.
Die Äußerung liegt nämlich nicht im Kernbereich des Verbots, das die Werbeaussage:
„Die Za... entfernt signifikant mehr Plaque als eine Handzahnbürste und die TOPBB“ in Verbindung mit dem folgenden Sternchenhinweis: “Schaeken M et al., Single-use-Studie, 91 Probanden, Comp.Cont.Educ.2007; 28;Putt M et al., Single-use-Studie, 93 Probanden, Data on file, 2007“
zum Gegenstand hat.
2. Unter den Tenor eines Unterlassungstitels fallen zwar nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Titels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung aber im Kern lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrens nicht möglich.
In Bezug auf Unterlassungstitel, die eine konkrete Wettbewerbshandlung verbieten, bedeutet dies, dass lediglich kosmetische Veränderungen der konkreten Verletzungsform, die Gegenstand des Verbots ist, die den Gesamteindruck der verbotenen Werbung aber nicht berühren, nicht aus dem Kernbereich des Verbots herausführen können. Wird die werbliche Maßnahme jedoch so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt die Änderung nicht mehr dem Verbotskern des Titels. Dies gilt unabhängig davon, ob die abgeänderte Werbung ihrerseits wettbewerbswidrig ist. Der Senat sieht sich in dieser schon seit langem von ihm vertretenen Auffassung zur Kernbereichslehre (siehe nur: OLG Hamburg, Beschluss vom 17.11.1989 – 3 W 119/89 – GRUR 1990, 637) inzwischen durch den BGH (WRP 2006, 590,592 - Markenparfümverkäufe) bestätigt.
3. Die unter Verweis auf die zitierten Studien aufgestellte Behauptung, eine Zahnbürste beseitige signifikant mehr Plaque als eine andere, hat einen anderen Sinngehalt, als die ebenfalls unter Verweis auf die Studien aufgestellte Behauptung eine Zahnbürste entferne besser Plaque als eine andere. Die erste Äußerung besagt nämlich, dass die Behauptung wahr in dem Sinne ist, dass das Ergebnis bei gleichem Studienaufbau reproduziert werden kann, während die zweite Aussage nur besagt, dass bessere Ergebnisse erzielt wurden. Dies mag den Eindruck erwecken, als sei das Ergebnis wissenschaftlich gesichert, obwohl es bei nicht gegebener Signifikanz und/oder untauglichem Studiendesign auf Zufall beruhen kann. Dennoch beschreibt die Äußerung einen anderen Sachverhalt als die Behauptung, die Studien hätten Signifikanz ergeben, selbst wenn diese zur Führung eines solchen Beweises nicht tauglich gewesen sein sollten.
4. Es mag sein, dass der von der Gläubigerin im Erkenntnisverfahren vorgetragene Klaggrund auch ein Verbot der jetzt beanstandeten Aussage gerechtfertigt hätte; die Gläubigerin hatte allerdings nur auf ein Verbot der konkreten Verletzungsform angetragen. Das Gericht ist nach § 308 Abs. 1 ZPO bekanntlich an den Antrag gebunden und auch nach der Kerntheorie ist eine spätere Erstreckung auf Verhaltensformen, die vom Antrag nicht umfasst sind, nicht möglich. Auch darauf hat der BGH an der angegebenen Stelle in der Entscheidung „Markenparfumverkäufe“ in aller Deutlichkeit hingewiesen.
II.
Auch soweit die Gläubigerin beanstandet, dass das wegen der nicht entfernten Werbung im M.-Markt in W. verhängte Ordnungsgeld mit EUR 5.000.- zu gering ausgefallen sei, ist ihre Beschwerde unbegründet. Das Ordnungsgeld ist zwar sehr maßvoll festgesetzt worden, die von der Gläubigerin vorgebrachten Argumente vermögen eine Erhöhung aber nicht zu rechtfertigen.
1. Soweit sie vorträgt, dass das Ordnungsgeld gemessen an dem Konzernumsatz der Schuldnerin vernachlässigenswert gering sei, ist der Konzernumsatz nicht die Bezugsgröße, an der ein Ordnungsmittel zu orientieren ist. Ausschlaggebend sind vielmehr, wie das Interesse der Gläubigerin an der Durchsetzung des Verbots in dem betreffenden Einzelfall und als in die Zukunft wirkendes Druckmittel zu gewichten ist und weiter, wie der geschehene Verstoß unter Berücksichtigung des Grads des Verschuldens zu bewerten ist. Unter dem Gesichtspunkt der Ahndung geschehenen Unrechts muss das Ordnungsgeld tat- und schuldangemessen sein.
2. Einen gewissen Anhaltspunkt für das Gläubigerinteresse an der Durchsetzung des Verbots bietet der Streitwert des Erkenntnisverfahrens. Hier hat die Gläubigerin ihr Interesse an zukünftiger Unterlassung der beanstandeten Handlungen mit insgesamt EUR 600.000.- angegeben. Dieser ist aufzuteilen auf sechs verschiedene werbliche Handlungen. Auf die hier streitige Werbung entfiel damit ein Teilstreitwert von EUR 100.000.-. Darin drückt sich das wirtschaftliche Interesse der Gläubigerin an zukünftiger Unterlassung der Werbung überhaupt aus, das sich nach der Rechtsprechung des Senats in der wegen der störenden Handlung zu befürchtenden Umsatzeinbuße eines Jahres ausdrückt. Dieser Streitwert erfasst also die Vielzahl von werblichen Maßnahmen mit der beanstandeten Äußerung, die es hätte geben können, wenn die Schuldnerin ungehindert durch die Verbotsverfügung hätte weitermachen können.
3. Hier geht es dagegen um die Bewertung eines einzigen konkreten Verstoßes und darum zu gewichten, wie hoch das Ordnungsgeld ausfallen muss, um die Schuldnerin an weiteren Verstößen zu hindern, die ebenfalls wieder - und zwar schwerere Sanktionen - nach sich zögen. Im Vordergrund für die Bewertung des Gläubigerinteresses steht also die Warnfunktion. Die Schuldnerin soll sich ausrechnen können, wie teuer es wird, wenn weitere Werbefolder mit der untersagten Äußerung von ihr in Verkehr gebracht werden sollten.
4. Unter dem Gesichtspunkt der Ahndung geschehenen Unrechts ist zunächst an einem klaren Verstoß nicht vorbeizukommen. Die Schuldnerin trägt selbst vor, dass sie ein Unternehmen in Firma ... mit der Betreuung des P.-Standes im M.-Markt in W. beauftragt habe. Damit hatte sie also die Rechtsmacht, auf deren Handlungen bezüglich der P.-Werbung Einfluss zu nehmen (sieh zu einem vergleichbaren Fall. BGHZE 106, 229). Dies hat sie nach eigenem Vorbringen jedenfalls nicht in ausreichendem Maße getan.
Es genügt nicht, den Vertragspartner mündlich über die ergangene Verbotsverfügung zu informieren. Dessen Handlungspflicht muss vielmehr schriftlich – mit Aufforderung zur Bestätigung des Empfangs – so detailliert angemahnt werden, dass der Vertragspartner weiß, was in Befolgung des Verbots zu tun ist und was die Unterlassungsschuldnerin mit Fug und Recht von ihm erwarten kann. Er ist weiter darauf hinzuweisen, dass Ordnungsgelder drohen und muss insoweit auch ankündigen, dass ggf. eine Regressnahme beabsichtigt sei. Die Schuldnerin muss das Verbot bei ihren Vertragspartnern, auf deren Verhalten sie Einfluss nehmen kann, genauso durchsetzen wie bei ihren Angestellten und das ist hier nicht geschehen. Die Schuldnerin trägt nicht vor, all dies etwa nach Art des an die eigenen Angestellten gerichteten Schreibens des Justitiars gemäß Anlage S 1 getan zu haben.
5. Im Hinblick darauf, dass es sich um einen Erstverstoß handelt, der kurz nach Zustellung geschehen ist, erscheint das vom Landgericht verhängte Ordnungsgeld unter den erörterten Gesichtspunkten aber gerade noch vertretbar. Es geht übrigens nicht darum, wie die Gläubigerin meint, die Schuldnerin dafür zu bestrafen, dass sie angeblich erklärtermaßen nicht die Absicht gehabt habe, Werbematerial zurückzurufen, denn bestraft wird nicht für Absichten, sondern für verschuldete, unerwünschte Erfolge und insoweit geht es tatsächlich um einen einzigen Flyer und zukünftige Abschreckung.
Auf alles Weitere kommt es nicht an.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO und die Festsetzung der Beschwer erfolgt nach dem Gläubigerinteresse, so wie es sich nach erstinstanzlicher Wertfestsetzung und Kostenquote darstellt.
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