Haftung eines gewerblichen Anbieters für Ebay-Konten-Mißbrauch

Gericht

OLG Brandenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 06. 2009


Aktenzeichen

Kart W 11/09


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Betreiber eines Online-Marktplatzes ist zur Sperrung von Mitgliedskonten berechtigt, wenn entgegen seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und seinen Grundsätzen die Sperrung des Accounts umgangen und auf eigene Angebote geboten (sog. Shill Bidding) wird. Ein Unternehmer haftet dabei für das Verschulden seines Angestellten wie für eigenes.

  2. Eine Abmahnung vor Sperrung der Accounts ist bei derartigen Verstößen entbehrlich.

Tenor


Tenor

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 28.4.2009 (2 O 124/09) wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Die Verfügungsklägerin begehrt die Freischaltung ihrer drei bei der Verfügungsbeklagten eingerichteten Mitgliedskonten.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts vom 28.4.2009 Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfügungsklägerin habe jedenfalls einen Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Verfügungsklägerin begehre mit ihrem Antrag auf Kontenfreigabe die Vorwegnahme der Hauptsache. Dafür bestehe nur ausnahmsweise ein Verfügungsgrund, nämlich dann, wenn dem Anspruchsgläubiger ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten sei, weil bis dahin ein irreversibler und seine Existenz bedrohender Schaden einträte. Die Verfügungsklägerin habe hierzu nicht hinreichend vorgetragen und eidesstattlich versichert. Für einen etwaigen Verfügungsanspruch aus den §§ 19, 20, 33 GWB habe die Verfügungsklägerin auch nicht ausreichend vorgetragen, wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergebe. Ein Verfügungsanspruch und –grund ergebe sich nicht aus den §§ 858 ff. BGB oder deren Rechtsgedanken. Das Recht der Verfügungsklägerin zur vorläufigen und endgültigen Sperrung sei wie das Recht zur ordentlichen Kündigung als Vertragsbestandteil gewordene AGB der Verfügungsbeklagten von den Parteien vereinbart worden. Die Verfügungsbeklagte habe daher mit der Kontensperrung nichts „in die eigene Hand“ genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Verfügungsklägerin mit der zulässigen Beschwerde, der das Landgericht durch Beschluss vom 9.6.2009 nicht abgeholfen hat.

Die Verfügungsklägerin behauptet, ihre wirtschaftliche Existenz sei gefährdet, so dass der Erlass der einstweiligen Verfügung dringlich sei. Sie meint, sie habe einen Verfügungsanspruch unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag der Parteien. Außerdem könne sie einen Verfügungsanspruch aus kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen herleiten. Das Landgericht habe außerdem das ihm nach § 938 I ZPO zustehende Ermessen nicht ausreichend ausgeübt.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die einstweilige Verfügung wie beantragt zu erlassen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie führt im Einzelnen zu den Verbindungen der Verfügungsklägerin mit M… M…, dem Inhaber der bereits gesperrten Accounts „t…“ und „m…“ aus sowie den Zusammenhängen der Accounts „s…“ und „m…“. Vom Account „s…“ sei mehrfach auf Angebote des Accounts „m…“ geboten und teilweise (mehrfach) die Rückabwicklung vereinbart worden in Fällen, in denen vom Account „s…“ das höchste Gebot gekommen sei. Als Versandanschrift des Accounts „m…“ sei Name und Adresse der Verfügungsklägerin angegeben. Auch von dem Account „c…“ habe die Verfügungsklägerin auf ein Angebot des Anbieters „m…“ geboten. Von den Accounts „p…“ (2 x auf Angebot „c…“ und 1 x auf Angebot „s…“) und „s…“ (1 x auf Angebot „p…“) habe die Verfügungsklägerin auf eigene Angebote geboten.

Die Verfügungsbeklagte führt als wichtige Gründe für die Sperrung der Accounts das Bieten auf eigene Angebote durch die Verfügungsklägerin sowie die unzulässige Accountübertragung an, die Verstöße gegen ihre AGB darstellten. Diese Gründe habe sie am 14.5.2009 telefonisch und per E-Mail nachgeschoben.


II.

Die zulässige Beschwerde der Verfügungsklägerin ist unbegründet. Der Verfügungsklägerin steht aus keinem Rechtsgrund ein Verfügungsanspruch zu.

1. Der Verfügungsklägerin steht kein vertraglicher Verfügungsanspruch zu. Die Verfügungsbeklagte hat zu recht gemäß § 4 Nr. 1 ihrer AGB die Konten der Verfügungsklägerin gesperrt.

a) Unstreitig ist der Mitarbeiter der Verfügungsklägerin M… M… von der Verfügungsbeklagten am 6.9.2006 vom Handel ausgeschlossen und dessen Account „t…“ gesperrt worden. Die Verfügungsbeklagte hat außerdem glaubhaft gemacht, dass von den Accounts der Verfügungsklägerin aus auf Angebote deren Mitarbeiters M… M… Gebote abgegeben wurden, die dieser über seinen Account „m…“ unterbreitet hat. Sie hat außerdem glaubhaft gemacht, dass von Accounts der Verfügungsklägerin aus Artikel des Herrn M… M… über dessen Account erworben und diese Transaktionen von Herrn M… M… teilweise rückabgewickelt wurden. Des Weiteren hat die Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht, dass von Accounts der Verfügungsklägerin auf Angebote über andere Accounts der Verfügungsklägerin geboten wurde. Das stellt Verstöße gegen AGB bzw. Grundsätze der Verfügungsbeklagten dar, nämlich die Umgehung der Sperrung des Accounts „t…“ des Herrn M… M…, sowie das sog. Shill Bidding über die Accounts der Verfügungsklägerin.

b) Die Verfügungsklägerin ist diesen Vorwürfen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

Die Verfügungsklägerin hat generell eingeräumt, dass ihr Mitarbeiter M… M… unter Verstoß gegen AGB bzw. Grundsätze der Verfügungsbeklagten von ihren, der Verfügungsklägerin, Accounts aus in der beschriebenen Weise agiert hat und agieren konnte, weil er über die erforderlichen Zugangsdaten für alle ihre drei Accounts einschließlich des privaten Accounts „c…“ verfügte.

Die Verfügungsklägerin hat sich lediglich darauf berufen, dass ihr Mitarbeiter M… M… unbefugt und ohne ihre Kenntnis in dieser Art und Weise gehandelt habe. Das kann sie jedoch nicht entlasten. Die Verfügungsklägerin haftet nämlich in diesem Falle für die durch ihren Mitarbeiter M… M… begangenen Verstöße gegen die AGB bzw. Grundsätze der Verfügungsbeklagten.

aa) Soweit Herr M… M… als Angestellter der Verfügungsklägerin im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit der Verfügungsklägerin gehandelt hat, ist er als deren Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB anzusehen. Die Verfügungsklägerin hat danach das Verschulden ihres Angestellten M… M… gemäß § 278 BGB wie eigenes zu vertreten.

bb) Selbst wenn Herr M… M… hinsichtlich des privaten Accounts der Verfügungsklägerin (teilweise) nicht im Rahmen des Anstellungsverhältnisses, sondern nur bei Gelegenheit gehandelt haben sollte, hat die Verfügungsklägerin dies zu vertreten. Denn sie war gegenüber der Verfügungsbeklagten vertraglich verpflichtet, die Zugangsdaten ihrer Mitgliedskonten hinreichend vor dem Zugriff unbefugter Dritter zu schützen und missbräuchliches vertragsverletzendes Handeln von ihren Accounts aus zu verhindern. Es ist nicht von der Verfügungsklägerin dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin dies getan hätte. Im Gegenteil: Die Verfügungsklägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass ihr Angestellter M… M… von dem PC aus, an dem er arbeitete, ohne Weiteres Zugang zu sämtlichen Accounts der Verfügungsklägerin einschließlich deren privaten Accounts hatte. Ermöglichte die Verfügungsklägerin die Verstöße ihres Mitarbeiters M… M… gegen AGB bzw. Grundsätze der Verfügungsbeklagten, muss sie sich so behandeln lassen, als hätte sie selbst gehandelt.

c) Eine Abmahnung gemäß § 314 II BGB vor Sperrung der Accounts der Verfügungsklägerin war in Ansehung der wiederholten und schwerwiegenden Verstöße gegen die Grundsätze der Verfügungsbeklagten, die über die Accounts der Verfügungsklägerin begangen wurden und die die Vertrauensgrundlage erheblich beeinträchtigt haben, jedenfalls entbehrlich.

2. Der Verfügungsklägerin stehen auch keine kartellrechtlichen Ansprüche aus §§ 19, 20, 33 GWB zu.

Die Verfügungsklägerin hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass die Verfügungsbeklagte auf dem sachlich-relevanten Markt für Dienstleistungen zum Zwecke der Offerierung ihrer Angebote bezogen auf PC´s eine marktbeherrschende Stellung hat.

Relevanter Markt für die von der Verfügungsbeklagten nachgefragten Leistungen ist der Markt für Dienstleistungen zum Zwecke der Offerierung ihrer Angebote bezogen auf PC´s. Es kann dabei auch nicht nur um Auktionen gehen, weil die „Sofort-Kaufen-Angebote“ Festpreisangebote sind, die eher Angeboten eines Online-Shops ähneln. Zum sachlich relevanten Markt gehören sämtliche Online-Shops, Internetplattformen und Internet-Marktplätze (Online-Marktplätze). Dass die Verfügungsbeklagte dort einen Marktanteil von mindestens einem Drittel im Bereich PC´s hat, so dass gemäß § 19 III 1 GWB die Beherrschung des Marktes durch die Verfügungsbeklagte vermutet werden könnte, hat die Verfügungsklägerin nicht dargelegt.


III.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Rechtsgebiete

Kartellrecht

Normen

§ 278 BGB, § 314 BGB