Quizbasierte Hausverlosung im Internet – verbotenes Glücksspiel

Gericht

VG München


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

09. 02. 2009


Aktenzeichen

M 22 S 09.300


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

I.

Der Antragsteller beantragt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 27. Januar 2009, durch die ihm auf der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV untersagt wird, über das Internet eine vom ihm organisierte Verlosung (1. Preis: ein Hausgrundstück in ... bei ...) mit vorgeschalteten Quizrunden gegen Zahlung einer Teilnahmegebühr zu veranstalten oder zu vermitteln.

Der Antragsteller wandte sich mit einer "Anfrage zur rechtlichen Prüfung über die Durchführung einer Quizveranstaltung" im Herbst 2008 in verschiedenen Schreiben an die Regierung der ... . Mit Schreiben an die Regierung der ... vom 18. Dezember 2008 beschrieb der Antragsteller den nun geplanten Spielablauf.

Danach sollten aus 48.000 Teilnehmern im Rahmen eines Quiz-Turniers im K.O.-Verfahren in mehreren Durchgängen 100 Sieger ermittelt werden, denen dann durch Losziehung 100 Preise (als Hauptpreis die Doppelhaushälfte in ..., als weitere Preise z.B. ein Kleinwagen, Fernsehgeräte, MP3Player und Speicherstifte) zugewiesen werden sollten. Die Webseite ... sei zwischenzeitlich erstellt und veröffentlicht worden, der Antragsteller bat um Durchsicht der Webseite und um einen "Negativbescheid", aus dem hervorgehen sollte, dass es sich hierbei nicht um ein Glücksspiel, sondern um ein zulässiges Gewinnspiel ohne strafrechtliche Relevanz handle. Der Antragsteller bat um Vorabübersendung einer Kopie per Fax oder Email. ...

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Januar 2009 untersagte die Regierung von ... dem Antragsteller, öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV in der unter ... hinterlegten Weise über das Internet in Bayern zu veranstalten oder zu vermitteln (Ziffer 1) und drohte für den Fall, dass der Antragsteller nach dem 29. Januar 2009, 16.00 Uhr, der Untersagungsanordnung in Ziffer 1 des Bescheids zuwiderhandeln sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,-- € an (Ziffer 2). ...

Mit der am 29. Januar 2009 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenen Klage begehrt der Antragsteller die Aufhebung des Bescheids der Regierung von ... vom 27. Januar 2009, hilfsweise die Feststellung, dass die Durchführung des Quiz-Turniers in der unter ... hinterlegten Weise über das Internet in Bayern kein öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV bzw. §§ 284, 287 StGB darstellt (Az. M 22 K 09.304). ...

Den Erlass des vom Antragsteller beantragten sog. Schiebebeschlusses zur Fortführung seiner Tätigkeit bis zu einer Entscheidung über den gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Gericht ab ...

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt sowohl im Haupt-, als auch im Hilfsantrag ohne Erfolg.

Der Antrag ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet. Gemäß § 9 Abs. 2 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV - i.d.F. der Bek. vom 5.12.2007, GVBl 2007, 906), § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO hat die Klage gegen Anordnungen, die auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 GlüStV erlassen wurden, keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Entscheidung, bei der es die Interessen der Beteiligten - unter Beachtung der vom Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 GlüStV getroffenen Entscheidung zur sofortigen Vollziehbarkeit - abwägt; wesentliches Element dieser Entscheidung ist die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.

Im vorliegenden Fall wird bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglich, aber auch ausreichend ist, die Klage wohl erfolglos bleiben. Die Regierung von ... hat dem Antragsteller zu Recht als zuständige Behörde (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland - AGGlüStV - vom 20.12.2007, GVBl 2007, 922) die Veranstaltung und Vermittlung des Spiels "..." im Internet untersagt und sich dabei zutreffend auf die Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV gestützt.

Die streitgegenständliche Anordnung bezieht sich allein auf das Spiel in seiner konkreten Ausgestaltung, in der es zum Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids angeboten wurde, also in Kombination eines vorgeschalteten Quizteils, den - nach Zahlung der geforderten 19 € für die Teilnahme - alle Teilnehmer durchlaufen, und der dann stattfindenden Verlosung von 100 Gewinnen (einschließlich des Hauptgewinns in Gestalt des Hausgrundstücks) unter den 100 durch den Quizteil qualifizierten Teilnehmer.

Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV für ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde liegen vor. ...

Bei dem vom Antragsteller auf der Webseite ... angebotenen Spiel in seiner konkreten Ausgestaltung als Kombination aus Quizteil und anschließender Verlosung handelt es sich um ein Glücksspiel im Sinne des GlüStV.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV liegt ein Glücksspiel dann vor, wenn im Rahmen eines Spiels

(1) für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und

(2) die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.

Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung über die Zuteilung der Preise, insbesondere über den Hauptgewinn in Gestalt des Hausgrundstücks, allein vom Zufall ab, da die einzelnen Gewinner durch Losentscheid bestimmt werden. Denn das vom Antragsteller angebotene und rechtlich zu qualifizierende "Spiel" besteht aus dem eingangs zu absolvierenden Quizteil und aus der abschließenden Verlosung der Preise unter den durch den Quizteil qualifizierten 100 Schlussteilnehmern. Beide Teile zusammen bilden das vom Antragsteller angebotene Gewinnspiel.

Der Antragsteller bietet gerade nicht isoliert die Teilnahme an einem Internet-Quiz an, sondern vielmehr die Chance, ein Hausgrundstück zu erwerben. Der Erwerb dieses Hauptpreises ist die Motivation der Teilnehmer, die Gebühr von 19 € zu zahlen und den Quizteil zu durchlaufen. Es ist den Teilnehmern gerade nicht möglich, durch Geschicklichkeit den Ausgang "des Spiels", nämlich die Zuteilung der einzelnen Preise, insbesondere des Hauptgewinns, zu bestimmen (vgl. Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 54. Aufl. 2007, Rn 8 zu § 284).

Der Ausgang des vom Antragsteller angebotenen "Spiels" als untrennbarer Kombination aus Quiz und Verlosung wird vielmehr durch Losentscheid bestimmt. Bei einer derartigen Spielgestaltung als Kombination eines vorgeschalteten Geschicklichkeitsspiels und eines folgenden Glücksspiels, die erst zusammen den Gewinn eines Preises ermöglicht, ist daher - bei Erfüllung der weiteren Voraussetzung der Entgeltlichkeit - insgesamt (ebenso wie für den umgekehrten Fall des vorgeschalteten Glücksspiels und des nachfolgenden Geschicklichkeitsspiels) von einem Glücksspiel auszugehen (OLG Düsseldorf vom 23.9.2003 Az. I-20 U 39/03,20 U 39/03 "Bei Anruf Millionär" unter Bezugnahme auf BGH vom 26.1.1956 BGHSt 9, 39).

Selbst wenn die Entscheidung über die Glücksspieleigenschaft des Spiels danach beurteilt werden müsste, welches der beiden Elemente überwiegt und damit die rechtliche Qualifizierung des gesamten Spiels bestimmt, könnte sich das Gericht jedenfalls der vom Antragsteller vertretenen Argumentation, der Schwerpunkt des von ihm angebotenen Spiels liege auf dem Quiz-Turnier, weshalb das Spiel insgesamt als Geschicklichkeitsspiel anzusehen sei, nicht anschließen.

Bereits der Name des Spiels und der hierfür eingerichteten Webseite "..." rückt das als Hauptgewinn ausgelobte Hausgrundstück in den Mittelpunkt des gesamten Spiels; dieser Hauptgewinn dominiert auch optisch die Webseite, er ist bildlich dargestellt und ausführlich beschrieben, während der als 2. Preis ausgelobte Kleinwagen nicht einmal seinem Fabrikat nach eindeutig bestimmt ist.

Die Darstellung des Spiels zielt also darauf ab, Mitspieler wegen der Aussicht auf den Hauptgewinn zur Teilnahme zu ermuntern, dieser Hauptgewinn ist auch bei realistischer Betrachtungsweise die alleinige Motivation der Interessenten für eine Teilnahme am Spiel und die Entrichtung des geforderten Entgeltes von 19 €. Da der Hauptgewinn jedoch unstreitig durch Losentscheid zugeteilt wird, ist das Spiel auch bei einer Qualifizierung nach seinem überwiegenden Element nicht als Geschicklichkeitsspiel zu beurteilen.

Auch die weitere Voraussetzung des § 3 Abs. 1 GlüStV, dass für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird, ist im vorliegenden Fall gegeben. Unter "Entgelt" ist eine geldwerte Gegenleistung zu verstehen, jedoch kommt es im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut gerade nicht darauf an, ob dieses Entgelt auch einen "Einsatz" im Sinne der strafrechtlichen Begriffsbestimmung des Glücksspiels in §§ 284 ff StGB darstellen würde (so auch Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Rn 4 zu § 3).

Im vorliegenden Fall ist Voraussetzung für eine Teilnahme an der Verlosung der Gewinne, dass durch die Zahlung des Betrags von 19 € die Zulassung zum Spiel erworben wird. Der Antragsteller verlangt also für den Erwerb der Gewinnchance, wie von § 3 Abs. 1 GlüStV für die Annahme der Glücksspieleigenschaft gefordert, ein Entgelt. Dass die Zahlung des geforderten Entgeltes noch nicht einmal die Teilnahme an der Verlosung sichert, sondern sich der Teilnehmer als weitere Voraussetzung noch in einem Quizteil gegen andere Teilnehmer durchsetzen muss, ändert nichts an der rechtlichen Qualifizierung der geforderten 19 € als "Entgelt" für den "Erwerb einer Gewinnchance", da die Entrichtung des Entgelts unabdingbare Voraussetzung dafür ist, überhaupt zum Quizteil zugelassen zu werden und dadurch die Chance auf einen der Gewinne zu erlangen.

Für die Frage, ob für den Erwerb einer Gewinnchance ein "Entgelt" im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV gefordert wird, ist ohne Bedeutung, welchen Wert die ausgelobten Preise haben oder ob jedem Teilnehmer ein Preis garantiert wird, der wenigstens dem Wert des geforderten Entgelts entspricht (was hier jedoch für 47.900 der erwarteten 48.000 Teilnehmer gerade nicht zutrifft). Diese Frage ist bereits dem Gesetzeswortlaut nach nicht entscheidend.

Abgesehen davon könnte insoweit auf die Rechtsprechung zu § 284 StGB zum Vorliegen eines "versteckten Einsatzes" für die Annahme eines Glücksspiels zurückgegriffen werden. Danach ist das Vermögensopfer, das für die Beteiligung an der Gewinnaussicht aufgewandt wird, auch dann ein (versteckter) Einsatz, wenn der Teilnehmer eine Gegenleistung im vollen Wert des Vermögensopfers erhält.

Im Hinblick auf den mit § 284 StGB - ebenso wie vom Glücksspielstaatsvertrag - verfolgten Zweck der Bekämpfung der Spielsucht ist nämlich für die Qualifizierung des Vermögensopfers als Einsatz und damit des Spiels, zu dessen Teilnahme das Vermögensopfer berechtigt, als Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB entscheidend, dass der Spieler diese Gegenleistung ohne die Aussicht, hierdurch eine Gewinnchance zu erwerben, nicht erworben hätte (BGH vom 4.2.1958 BGHSt 11, 209, zum Erwerb einer Verzehrkarte zum Preis von 20 DM, der 10 Gratischips beigefügt waren, wobei die Teilnehmer Speisen und Getränke zum Preis von 20 DM konsumieren konnten und mit den Gratischips an einem sog. "Gratisroulette" teilnehmen konnten).

Die hier vorliegende Fallkonstellation ist vergleichbar: Ohne die Aussicht auf den Hauptgewinn in Gestalt des Hausgrundstücks würde wohl niemand den Betrag von 19 € für die Teilnahme an dem Gewinnspiel bezahlen, selbst wenn - was hier jedoch für fast alle Teilnehmer gerade nicht zutrifft - ein Preis im Wert von 20 € zuzüglich eines Einkaufsgutscheins in Höhe von 10 € garantiert wäre.

Das vom Antragsteller eingerichtete Glücksspiel ist auch öffentlich, da für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit hieran besteht (§ 3 Abs. 2 GlüStV).

Das Anbieten dieses Glücksspiels auf der vom Antragsteller eingerichteten Webseite ... steht in Widerspruch zur Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV, wonach das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten sind. Die Verfassungskonformität dieser Vorschrift ist vom BVerfG bestätigt worden (Beschluss vom 14.10.2008, GewArch 2009, 26).

Danach ist das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet geeignet, problematisches Spielverhalten einzudämmen, da das Spielen per Internet - u.a. im Hinblick auf die zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit und den höheren Abstraktionsgrad des Angebots, der den möglichen Verlust von Geld in den Hintergrund treten lässt - als besonders suchtgefährdend eingeschätzt wird; durch die Beschneidung der Teilnahmemöglichkeiten über Internet kann daher einem Abgleiten in problematisches Spielverhalten entgegengewirkt werden (BVerfG vom 14.10.2008 a.a.O. Rn 40).

Da dem Antragsteller lediglich die Veranstaltung und Vermittlung des angebotenen Spiels bezogen auf das Gebiet des Freistaats Bayern untersagt wird, ist ein Europarechtsbezug, der zur Unanwendbarkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV im konkreten Fall wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht führen könnte, nicht gegeben.

Abgesehen davon hat, worauf vom Antragsgegner bereits hingewiesen wurde, der Generalanwalt beim EuGH in seinen Schlussanträgen vom 14.10.2008 in der Rechtsache C-42/07 ("Liga Portuguesa") nicht nur das den Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Schutzniveaus, das sie in Bezug auf Glücksspiele garantieren wollen, zustehende weite Ermessen bestätigt (Nr. 265 der Schlussanträge), sondern auch die Gefahren für die Verbraucher und die öffentliche Ordnung im Hinblick auf Online-Spiele als potenziell bedeutender als bei den traditionell angebotenen Spielen beurteilt, da beim Online-Spiel Umstände gegeben seien, die ein Risiko für das Entstehen echter Spielsucht und übermäßiger Ausgaben darstellten, wie Kontinuität und jederzeitige Verfügbarkeit des Spieleangebots, Zugang zum Angebot ohne Notwendigkeit eines Ortswechsels seitens des Spielers, Wegfallen einer räumlichen oder zeitlichen Schranke zwischen Verbraucher und Spieleangebot ...

Die Festsetzung des Streitwerts [150 000,- €] beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 GKG. Das Gericht schätzt das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an der Durchführung des angebotenen Spiels allein deshalb auf (wenigstens) 300.000 €, weil er bei einem Verkauf des Hausgrundstücks auf dem freien Markt derzeit den von ihm mit 570.000 € bezifferten Schätzpreis eigener Angabe zufolge bei Weitem nicht erzielen könnte, ihm somit aus dem angestrebten Erlös aus den Teilnahmegebühren (912.000,-- € bei 48.000 Teilnehmern) auch bei Abzug von Unkosten für die Durchführung des Spiels in Höhe von 150.000 € ein Gewinn von mindestens geschätzten 300.000 € verbleiben dürfte.

Rechtsgebiete

Zivilrecht, Sonstiges