Arzneimittelpreisbindung im grenzüberschreitenden Versandhandel
Gericht
OLG Hamburg
Datum
19. 02. 2009
Aktenzeichen
3 U 225/06
Das OLG Hamburg (Urteil vom 19.02.2009 - 3 U 225/06) hat entschieden:
Auf den Internet-Versandhandel von ausländischen Apotheken ist nach dem kollisionsrechtlichen Marktortprinzip deutsches Wettbewerbsrecht (UWG) als Recht des Ortes anzuwenden, auf dessen Markt die wettbewerblichen Interessen der Parteien aufeinandertreffen. Bis zum Beginn der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 der Rom II-Verordnung am 11. Januar 2009 (vgl. Art. 32 der Rom II-Verordnung) ist diese wettbewerbsspezifische Bestimmung des Tatortes auf die Ausweichklausel des Art. 41 Abs. 1 EGBGB zu stützen. Wegen der Ausrichtung des Versandhandels auf den deutschen Markt (Verkauf an deutsche Kunden, deutsche Sprache, Abrechnung mit deutschen Krankenkassen, Verkauf in Deutschland zugelassener Medikamente) sind folglich die Vorschriften des UWG und damit auch § 4 Nr. 11 anwendbar.
Die auf der Grundlage des § 78 AMG erlassene AMPreisV schreibt in ihren §§ 1 und 3 für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel die Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises vor. Diese Bestimmungen werden auch dann verletzt, wenn eine Versandapotheke für ein preisgebundenes Medikament zwar den korrekten Preis ansetzt, dem Kunden aber unmittelbar gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Boni gewährt, sei es in Form reduzierter Zuzahlungen, sei es in Form von überwiesenen oder ausgezahlten Geldbeträgen. Durch die Arzneimittelpreisverordnung sollen alle wirtschaftlichen Vorteile, die ein Patient dadurch erzielen könnte, dass er ein Rezept bei einer bestimmten Apotheke einlöst, vermieden werden, da auch solche Boni jedenfalls mittelbar einen Preiswettbewerb unter den Apotheken auslösen würden, der aber gerade durch die Festpreisbindung verhindert werden soll.
Auch ausländische Versandapotheken sind an die Vorschriften der deutschen AMPreisV gebunden, da die Preisbindungsregelung als international zwingende Eingriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel gilt. Ein Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht ist darin nicht zu sehen.
Die Regelung des § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG ordnet für den Versand von Arzneimitteln an Endverbraucher durch eine versandberechtigte ausländische Apotheke ausdrücklich die Geltung der „deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel“ an. Zu den entsprechenden deutschen Vorschriften zählt auch § 11a ApoG, wonach der Versand aus einer Apotheke „zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb und nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen [muss], soweit für den Versandhandel keine gesonderten Vorschriften bestehen“. Zu den Regelungen des üblichen Apothekenbetriebs gehören aber gerade die preisrechtlichen Regelungen der § 78 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV.
Die Regelung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bestimmt, dass die „Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise“ durch die Regelung nicht berührt werden. Daraus ergibt sich die Befugnis, Arzneimittelpreise für den eigenen Mitgliedstaat festzulegen. Damit beschränkt sich aber - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - die Preisfestsetzungskompetenz nicht allein auf Regelungen für inländische Apotheken, sondern erfasst gerade auch die Anwendung nationaler Preisbindungen auf ausländische Versandapotheken, sofern diese auf dem inländischen Markt tätig werden.
Zum Sachverhalt:
Der Antragsteller nahmt die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.
Der Antragsteller ist der L.… B…-W… e.V. Gemäß seiner Satzung verfolgt der Antragsteller u.a. den Zweck, die fachlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. Hierzu gehört gem. § 1 Nr. 2f der Satzung die Förderung des lauteren Wettbewerbs und die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sowie anderer Missstände und schädigender Auswüchse im geschäftlichen Verkehr.
Die Antragsgegnerin ist ein großes deutsches Versandhandelsunternehmen. Sie veröffentlichte Ende April 2006 unter der Überschrift „O… empfiehlt D…“ auf ihrer Webseite „www….de/D…“ eine Werbung für die niederländische Versandapotheke …D… N.V (nachfolgend: D…). Die Antragstellerin fügte darüber hinaus ihrem Katalog vom April 2006 eine entsprechende Werbebroschüre als Einleger bei. Für diese Werbemaßnahmen erhielt sie ein Entgelt von D.…
In der angegriffenen Werbebroschüre hieß es u.a.
„O… empfiehlt D…“
„Sparen Sie heute 100 % Ihrer Zuzahlung“
„Sparen auf Rezept“
„100 % sparen auf Rezept“.
Danach sollten gesetzlich Versicherte bei einer Erstbestellung für jedes Medikament ihres Kassenrezeptes einen „Sofort-Bonus in Höhe Ihrer kompletten Zuzahlung“ erhalten und „bei jedem Medikament bis zu 10 Euro!“ sparen. Bei allen nachfolgenden Bestellungen sollte der „Sofort-Bonus immer 50 %“ der Zuzahlung betragen. Die von der Zuzahlung befreiten gesetzlich Versicherten, sollten bei einer Erstbestellung eine Gutschrift in Höhe des 100 %-Bonus auf ein Sammelkonto erhalten Bei allen weiteren Bestellungen sollte der Sofort-Bonus 50 % betragen. Sobald auf dem Sammelkonto ein Betrag von € 30 erreicht war, sollte der Betrag an den Versicherten überwiesen werden. Im Hinblick auf Privatversicherte wurde ausgeführt, dass diese „ebenfalls Plus“ machen könnten. Sie sollten bei einer Erstbestellung für jedes rezeptpflichtige Medikament (ausgenommen Lifestyle-Präparate) einen Treue-Bonus von € 5,00 erhalten. Bei allen weiteren Bestellungen sollte der Treue-Bonus € 3,00 betragen. Auch diese Beträge sollten auf ein Sammelkonto übertragen werden. Sobald auf dem entsprechenden Sammelkonto ein Betrag von € 30 erreicht war, sollte der Betrag an den Privatversicherten überwiesen werden.
Im Rahmen des Internetangebots der Antragsgegnerin hieß es ebenfalls
„Sparen Sie heute 100 % Ihrer Zuzahlung“
„gesetzlich Versicherte sparen bei D.… 100 % Ihrer Rezeptzuzahlung“
„Privat Versicherte erhalten 5 Euro Treuebonus“
„Bei rezeptfreien Medikamenten sparen Sie bis zu 30 %“
Unter dem 3. Mai 2006 hat das Landgericht Hamburg der Antragsgegnerin im Wege der Beschlussverfügung, Az. 315 O 340/06, diese Werbung im geschäftlichen Verkehr verboten.
Nachfolgend ließ der Antragsteller die Antragsgegnerin wegen dieser Werbemaßnahmen mit Anwaltsschreiben vom 8. Mai 2006 abmahnen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das von der Antragsgegnerin beworbene Geschäftsmodell von D.… sei wettbewerbswidrig. Es verstoße gegen die Zuzahlungsvorschriften des SGB V sowie die Arzneimittelpreisverordnung.
Die Antragsgegnerin war jedoch nicht bereit, dem Unterlassungsbegehren des Antragstellers zu entsprechen. Sie ließ am 12. Mai 2006 eine entsprechende Schutzschrift, Az. 315 AR 282/06, beim Landgericht Hamburg einreichen. Nachdem ihr am 15. Mai 2006 die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg im Parteibetrieb zugestellt worden war, legte sie unter dem 19. Mai 2006 Widerspruch ein.
Die Antragsgegnerin hat die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gerügt und insoweit vorgetragen, dass der ausschließliche Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 2 SGG i.V.m. § 69 SGB V eröffnet sei. Es handele sich nach der weiten Auslegung des Begriffs „Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung“ um eine sozialversicherungsrechtliche Angelegenheit.
In der Sache hat sie die Ansicht vertreten, dass sie bzw. D.… weder gegen die Arzneimittelpreisverordnung noch gegen die Zuzahlungsregelungen nach §§ 31, 43b, 61 SGB V verstoßen hätten. Zur Begründung hat sie insbesondere auf das Urteil des Landgerichts Münster vom 26. März 2004, Az. 23 O 202/02, und das entsprechende Berufungsurteil des OLG Hamm vom 21. September 2004, Az. 4 U 74/04 ( MMR 2005, 101 ff), Bezug genommen.
Der Anbieter D.… vereinbare mit seinen Kunden die Anwendung niederländischen Rechts. D.… unterliege zudem ohnehin nicht der deutschen Arzneimittelpreisbindung, insbesondere fehle es auch an einer eindeutigen Erklärung des deutschen Gesetzgebers, die Arzneimittelpreisverordnung auch für den Versandhandel nach Deutschland für verbindlich zu erklären.
Das Bonussystem sei zudem gemäß § 7 HWG als reine Imagewerbung zulässig, da ein Bezug auf ein konkretes Produkt nicht vorliege. § 7 HWG sei gegenüber der AMPreisV oder den Zuzahlungsregelungen als lex specialis anzusehen.
Die von der Antragstellerin heraufbeschworenen Gefahren für den Bestand der öffentlichen Apotheken in Deutschland entbehrten jeder Grundlage.
Eine Haftung der Antragsgegnerin scheitere ohnehin an den insoweit heranzuziehenden Grundsätzen der Störerhaftung, da es sich bei der Werbung von D.… nicht um einen groben und unschwer erkennbaren Verstoß gehandelt habe. Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 03.05.2006, Aktenzeichen 315 O 340/06, aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 3. Mai 2006 (Aktenzeichen 315 O 340/06 ) aufrechtzuerhalten und den Widerspruch der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2006 zurückzuweisen;
hilfsweise,
Verweisung an die Sozialgerichte.
Hinsichtlich der Rüge der sachlichen Unzuständigkeit hat der Antragsteller vorgetragen, dass die Antragsgegnerin alle potentiellen Arzneimittelbezieher umwerbe, unabhängig davon ob sie privat oder gesetzlich versichert seien. Auch Privatversicherte erhielten den rechtswidrigen Treuebonus. Die Arzneimittelpreisverordnung, auf deren Verletzung eindeutig das Schwergewicht des Verfügungsantrags liege, sei nicht im SGB V geregelt. Er, der Antragsteller, werde nicht als Repräsentant von Leistungserbringern im sozialrechtlichen Sinne tätig, sondern nach § 8 Abs. 2 Ziff. 3 UWG als Verband im allgemeinen Wettbewerb um Kunden.
Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe derzeit 2.316 ordentliche Mitglieder, die jeweils Inhaber von öffentlichen Apotheken seien. Er sei nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande, die satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder tatsächlich wahrzunehmen. Das Beitragsaufkommen 2005 habe bei € 2,7 Mio. gelegen, und der Verband beschäftige derzeit 30 hauptberufliche Mitarbeiter in seiner Geschäftsstelle. Der Antragsteller unterhalte unter der Domainadresse „www….de“ ein umfassendes Internetangebot und biete u.a. (wettbewerbsrechtliche) Beratung und Seminare zum Thema Werbung an.
Der Antragsteller hat weiter vorgebracht, dass die Empfehlung der Antragsgegnerin eine Förderung fremden Wettbewerbs sei. Das beworbene Geschäftsmodell sei wettbewerbswidrig und verstoße gegen § 4 Ziff. 11 UWG.
Der Verzicht bzw. Teilverzicht auf die Zuzahlungen der Versicherten verstoße gegen §§ 31, 43b, 61 SGB V. Durch das Angebot von Bonuszahlungen und Ersparnissen werde zudem der einheitliche Apothekenabgabepreis (§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG) unterlaufen. Ein Modell, bei dem im preisgebundenen Rahmen finanzielle Anreize für den Bezug von Arzneimitteln bzw. die Einlösung von Rezepten geschaffen werde, sei rechtswidrig und unlauter. Die Regelung des § 78 AMG und die darauf beruhende Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sowie die Regelungen des SGB V seien auch von ausländischen Versandapotheken, welche die Versorgung von in Deutschland ansässigen Patienten mit in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln durchführten, einzuhalten. Dies könne nach dem Gesetzeswortlaut, der Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Regelungen nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden.
Die deutsche Arzneimittelpreisbindung verletze auch nicht die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EGV, da es sich schon nicht um eine Maßnahme gleicher Wirkung handele. Im Übrigen sei die Arzneimittelpreisbindung zum Schutze der Gesundheit nach Art. 30 EG gerechtfertigt. Bei der Risikoabwehr gelte der Grundsatz „in dubio pro securitate“. Zur Gewährleistung der jederzeitigen, flächendeckenden, gleichmäßigen, ordnungsgemäßen gesundheits- und lebensrettenden Verfügbarkeit von Arzneimitteln für die Bevölkerung seien mildere Mittel als die Preisbindung nicht ersichtlich. Zur Sicherstellung dieser Versorgung könnten die Versandapotheken mit ihren langen Lieferzeiten und der fehlenden Dienstbereitschaft strukturell keinen Beitrag leisten. Dem Gesetzgeber komme insoweit auch ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu. Die Prognose des Gesetzgebers, dass Preiswettbewerb zu einem Verdrängungswettbewerb führe, und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gefährden könne - insbesondere, wenn der Wettbewerb zugunsten einer Seite verzerrt werde - entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und der Theorie des Wettbewerbs. Es sei weltweit anerkannt, dass insbesondere im Gesundheitswesen ein freier Wettbewerb allein nicht zu dem erforderlichen Maß an Gesundheitsschutz - insbesondere dem gleichen und gleichmäßigen Zugang aller zur Versorgung im Krankheitsfall - führe. Hinzu komme, dass es sich bei dem Schutzgut Leben sowie Gesundheit um ein überragendes Gemeinschaftsgut handele und Gefährdungen nicht in Kauf genommen werden könnten.
Die Antragsgegnerin könne für sich auch nicht das Presseprivileg in Anspruch nehmen. Ein Versandhauskatalog sei keine Zeitung, so dass die Antragsgegnerin nicht die insoweit aus Art. 5 Abs. 1 GG abgeleiteten Erleichterungen für sich in Anspruch nehmen könne. Zudem habe sie ausdrücklich eine eigene Empfehlung im Hinblick auf das Bonus-Modell von D.… ausgesprochen.
Mit Urteil vom 17. August 2006 hat das Landgericht Hamburg (315 O 340/06) die einstweilige Verfügung vom 3. Mai 2006 bestätigt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Regelungen der §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV auch von der niederländischen Versandapotheke D.… einzuhalten seien, wenn diese eine Lieferung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in die Bundesrepublik Deutschland vornehme. Die genannten Bestimmungen würden durch das Bonus-System von D.… verletzt.
Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung der Antragsgegnerin.
Der niederländische Anbieter D.… unterliege nicht den deutschen Preisregelungen für Arzneimittel. Auch die Bundesgesundheitsministerin sei bei Einführung des Versandhandels davon ausgegangen, dass die ausländischen Versandapotheken nicht der deutschen Arzneimittelpreisbindung unterliegen. Dies belegten zwei Zeitungsartikel aus dem Handelsblatt von März und Mai 2002.
D… vereinbare mit seinen Kunden die Geltung niederländischen Rechts. Er benötige auch keine Versandhandelserlaubnis nach §§ 43 AMG, 11a ApoG, und sei deshalb auch nicht an die deutsche Arzneimittelpreisbindung gebunden. Insoweit bezog sich die Antragsgegnerin auf die Entscheidung des BSG vom 28. Juli 2008, Az. B 1 KR 4/08 R. Die Anwendung der AMPreisV auf D.… verletze diesen Anbieter in seinen Rechten aus Art. 12 GG und Art. 23 ff. EGV.
Zudem stehe die Regelung des § 7 HWG als lex specialis der Annahme eines Verstoßes gegen arzneimittelpreisrechtliche Regelungen entgegen. Das beworbene „Bonus-Modell“ sei lediglich eine Imagewerbung des Anbieters D…, nicht jedoch eine produkt- und absatzbezogene Werbung.
Die Nichtanwendbarkeit der AMPreisV auf D.… ergebe sich zudem aus den Erwägungsgründen 2, 3 und 30 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. Dem stehe auch Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG nicht entgegen.
Die Antragsgegnerin hat in der Berufungsinstanz beantragt,
über die Zuständigkeit vorab nach § 17a (3) GVG zu entscheiden;
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. August 2006, Az. 315 O 340/06, und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 3. Mai 2006, Az. 315 O 340/06, aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat das angegriffene Urteil verteidigt.
Die Berufung blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zivilgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig sind.
a) Für den Rechtsstreit ist nach § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, vor die alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gehören, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Für die Eröffnung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten ist deshalb maßgebend, ob es sich um eine Streitigkeit in einer „Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung“ handelt. Nicht von Bedeutung ist nach der Bestimmung des § 51 SGG, ob die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist ( BGH GRUR 2008, 447 f. - Treuebonus; BGH GRUR 2004, 444, 445 - Arzneimittelsubstitution; BGH GRUR 2007, 535 - Gesamtzufriedenheit).
Von einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung ist auszugehen, wenn durch den Gegenstand des Streits Maßnahmen betroffen sind, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs obliegenden öffentlichrechtlichen Aufgaben dienen ( BGH GRUR 2008, 447, 448 - Treuebonus; BGH GRUR 2003, 549 - Arzneimittelversandhandel). Werden die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche dagegen nicht auf einen Verstoß gegen Vorschriften des SGB V gestützt, sondern ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt, handelt es sich nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 SGG ( BGH GRUR 2008, 447, 448 - Treuebonus; BGH GRUR 2007, 535 - Gesamtzufriedenheit).
Von diesen Maßstäben ist auch das Landgericht ausgegangen. Es hat zutreffend eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 51 Abs. 2 S. 1 SGG im Streitfall verneint, weil das beantragte Verbot nicht die in § 31 i.V.m. §§ 61, 62 SGB V geregelte Zuzahlungspflicht der Versicherten, sondern eine Verkaufsförderungsmaßnahme der Antragsgegnerin bzw. D.… gegenüber ihren potenziellen Kunden betrifft.
Dies gilt für die beanstandete Bonusgewährung gegenüber Privatversicherten schon deshalb, weil deren Versicherungsverhältnis zu ihrer privaten Krankenkasse durch die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung nicht berührt ist und, anders als bei der im SGB XI geregelten privaten Pflegeversicherung, eine ausdrückliche Zuweisung zum Rechtsweg zu den Sozialgerichten fehlt. Aber auch soweit die Gewährung von Bonuszahlungen an gesetzlich Versicherte in Rede steht, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 51 Abs. Nr. 2, Abs. 2 S. 1 SGG betroffen ist. Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin dem gegenüber geltend, die Streitigkeit der Parteien wirke sich auf originäre Belange der Krankenversicherung aus. Es werde der Zweck der gesetzlichen Regelung über die Zuzahlung und damit auch das Ausgabe- und Verbrauchsverhalten der Krankenversicherten berührt.
Anders als die Antragsgegnerin meint, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten auch nicht deshalb eröffnet, weil die Gewährung von Bonuszahlungen die Preise für Arzneimittel zum Gegenstand hat und deshalb den Regelungsbereich des § 78 AMG und der Arzneimittelpreisverordnung betrifft. Diese Vorschriften dienen der Vereinheitlichung der Apothekenabgabepreise für apothekenpflichtige Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG). Die durch die Arzneimittelpreisverordnung festgesetzten Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen (§ 78 Abs. 2 S. 1 AMG). Streitigkeiten auf Grund dieser Vorschriften betreffen aber keine Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 SGG in Verbindung mit Vorschriften des SGB V. Es handelt sich vielmehr um eine Streitsache zwischen Leistungserbringern bzw. Leistungserbringern und Dritten über die Einhaltung der Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, für die der Zivilrechtsweg nach § 13 GVG gegeben ist ( BGH GRUR 2008, 447 f. - Treuebonus).
b) Eine Vorabentscheidung über den Rechtsweg war hier -ausnahmsweise- nicht erforderlich, da die Frage des Rechtsweges für Fälle der vorliegenden Art durch den Beschluss des BGH vom 30. Januar 2008, Az. I ZB 8/07, ( GRUR 2008, 447 f.- „Treuebonus“) bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. dazu BGH NJW 1999, 651).
Allerdings ist der Antragsgegnerin darin zuzustimmen, dass das Landgericht gemäß § 17a Abs. 3 S. 2 GVG vorab, und zwar gemäß § 17a Abs. 3 S. 1 GVG durch Beschluss, über die Zulässigkeit des Rechtsweges hätte entscheiden müssen. Das führt dazu, dass das Berufungsgericht mangels Vorabentscheidung des Landgerichts nach § 17a Abs. 3 S. 2 GVG entgegen § 17a Abs. 5 S. 5 GVG nicht an die Bejahung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gebunden ist ( BGH NJW 1999, 651; BGH NJW 1993, 470; BGH NJW 1993, 1799; BGH NJW 1995, 2851). Da die Antragsgegnerin die Rüge in zweiter Instanz wiederholt hat, muss regelmäßig das Berufungsgericht gemäß § 17a Abs. 3 S. 2 GVG über die Zulässigkeit des Rechtswegs, und zwar vorab durch Beschluss, entscheiden.
Dies gilt nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH allerdings dann nicht, wenn das Berufungsgericht nicht nur ebenfalls die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht, sondern darüber hinaus im Falle der Vorabentscheidung auch keinen Anlass sieht, gemäß § 17a Abs. 4 S. 4 bis 6 GVG die Beschwerde an den BGH zuzulassen ( BGH NJW 1999, 651; BGH NJW 1996, 591; BGH NJW 1996, 1890; BGH WM 1997, 1858).
So liegt es hier, denn der BGH hat in einem vergleichbaren Fall mit Beschluss vom 30. Januar 2008, Az. I ZB 8/07, entschieden, dass für einen Fall der vorliegenden Art der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist ( BGH GRUR 2008, 447 ff. - Treuebonus). Wenn -wie hier- die Bejahung des Rechtswegs zu den Zivilgerichten die rechtlich einzig mögliche Entscheidung darstellt, widerspräche es dem Grundsatz der Prozessökonomie, diese der Vorinstanz zu überlassen ( BGH NJW 1999, 651, 652; BGH NJW 1996, 1890). Der Senat durfte daher -ausnahmsweise- im Rahmen der Endentscheidung über die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges entscheiden.
2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV begründet.
Diese auch auf den grenzüberschreitenden Versandhandel anwendbaren Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, werden durch das beworbene Angebot von Bonus-Erteilungen (für gesetzlich Versicherte) und Bonuszahlungen (für von der Zuzahlung befreite gesetzlich Versicherte sowie für privat Versicherte) verletzt.
a) Der Antragsteller hat hinreichend dargelegt und glaubhaft (Anlagen ASt 1, ASt 2, ASt 7 und ASt 8) gemacht, dass er gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG antragsbefugt, und damit aktiv legitimiert, ist.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Antragstellers bzw. der Antragstellervertreter vorliegen könnte, sind nicht vorgebracht worden. Die Antragsgegnerin hat insoweit nur Vermutungen geäußert.
b) Auf den von der Antragsgegnerin beworbenen Internet-Versandhandel von D.… ist nach dem kollisionsrechtlichen Marktortprinzip deutsches Wettbewerbsrecht (UWG) als Recht des Ortes anzuwenden, auf dessen Markt die wettbewerblichen Interessen der Parteien aufeinandertreffen ( BGH GRUR 2006, 513, 515, Rn. 25 - Arzneimittelwerbung im Internet). Bis zum Beginn der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 der Rom II-Verordnung am 11. Januar 2009 (vgl. Art. 32 der Rom II-Verordnung) ist diese wettbewerbsspezifische Bestimmung des Tatortes auf die Ausweichklausel des Art. 41 Abs. 1 EGBGB zu stützen (LG München NJOZ 2008, 4133, 4135 - Versandhandel einer ausländischen Apotheke mit einer Zugabe - Geld verdienen auf Rezept II unter Hinweis auf Bundestagsdrucksache 14/343, S. 10 rechte Spalte). Wegen der Ausrichtung des Versandhandels auf den deutschen Markt (Verkauf an deutsche Kunden, deutsche Sprache, Abrechnung mit deutschen Krankenkassen, Verkauf in Deutschland zugelassener Medikamente) sind folglich die Vorschriften des UWG und damit auch § 4 Nr. 11 anwendbar.
Der Anwendbarkeit des UWG steht auch § 69 SGB V nicht entgegen, denn dessen Anwendungsbereich ist hier nicht eröffnet.
Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ist auch nicht durch das Herkunftslandprinzip des § 3 Abs. 2 S. 1 TMG (vormals: § 4 Abs. 2 S. 1 TDG) ausgeschlossen, denn die Antragsgegnerin hat die streitgegenständliche Werbung in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen.
Soweit die Antragsgegnerin mit ihrer Werbung auch Teledienste des Anbieters D.… i.S. der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (im Folgenden: E-Commerce-Richtlinie) angeboten hat, unterliegt dies gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 2 TMG (vorher: § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 TDG) den innerstaatlichen Beschränkungen, denn das maßgebende innerstaatliche Recht dient dem Schutz der öffentlichen Gesundheit.
Soweit das Unterlassungsbegehren des Antragstellers - wofür es keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt - auch auf ein Verbot des Vertriebs gerichtet sein sollte, sind die aufgrund der E-Commerce-Richtlinie ergangenen Bestimmungen für die Beurteilung des Vertriebsverbots nicht einschlägig, denn die E-Commerce-Richtlinie, deren Umsetzung die Novellierung des Teledienstegesetzes durch das elektronische Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG) gedient hat, regelt nicht die Lieferung von Produkten ( BGH GRUR 2006, 513, 515: Rn. 28 - Arzneimittelwerbung im Internet; BGH GRUR 2007, 67, 68: Rn. 16 - Pietra di Soln).
c) Das von der Antragsgegnerin beworbene D…-Angebot stellt mit den angebotenen und gewährten Boni einen Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung dar; siehe nachfolgend aa). Der niederländische Anbieter D.… ist zudem verpflichtet, die deutschen Arzneimittelpreisvorschriften bei einem Vertrieb nach Deutschland einzuhalten; siehe nachfolgend bb).
aa) Die auf der Grundlage des § 78 AMG erlassene AMPreisV schreibt in ihren §§ 1 und 3 für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel die Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises vor. Diese Bestimmungen werden auch dann verletzt, wenn D.… für ein preisgebundenes Medikament zwar den korrekten Preis ansetzt, dem Kunden aber unmittelbar gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Boni gewährt, sei es in Form reduzierter Zuzahlungen, sei es in Form von überwiesenen oder ausgezahlten Geldbeträgen. Dass im Streitfall nicht nur - wie sonst bei Rabattgewährungen - eine vom Kunden zu erbringende Zahlung reduziert wird, sondern der Kunde (hier: die von der Zuzahlung befreiten gesetzlich Versicherten sowie die privat Versicherten) ein Geldgeschenk erhält, dem keinerlei eigene Vermögenshingabe gegenübersteht, ist unerheblich. Durch die Arzneimittelpreisverordnung sollen alle wirtschaftlichen Vorteile, die ein Patient dadurch erzielen könnte, dass er ein Rezept bei einer bestimmten Apotheke einlöst, vermieden werden, da auch solche Boni jedenfalls mittelbar einen Preiswettbewerb unter den Apotheken auslösen würden, der aber gerade durch die Festpreisbindung verhindert werden soll.
Das von der Antragsgegnerin beworbene „Bonus-Modell“ des Anbieters D.… stellt somit einen Verstoß gegen § 78 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV dar.
bb) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist D.… auch an die Vorschriften der deutschen AMPreisV gebunden, da die Preisbindungsregelung als international zwingende Eingriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel gilt. Ein Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht ist darin nicht zu sehen.
Welches Recht auf die Verträge zwischen der Internetapotheke D.… und ihren Kunden anwendbar ist, ob also, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen, eine wirksame Rechtswahl zugunsten des niederländischen Rechts nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB vorliegt, oder ob über die objektive Anknüpfung nach Art. 29 Abs. 2 bzw. 28 Abs. 5 EGBGB deutsches Recht als Vertragsstatut berufen ist, kann offen bleiben, da die Arzneimittelpreisverordnung als zwingendes öffentliches Recht gemäß Art. 34 EGBGB ohnehin nicht vom Vertragsstatut erfasst ist (vgl. zum Preisrecht der HOAI: BGH NJW 2003, 2020, 2021).
Als öffentlich-rechtliche Verordnung regelt sie nicht reines Vertragsrecht, sondern stellt vielmehr zwingendes Preisrecht dar, indem sie den Preis jedenfalls für verschreibungspflichtige Medikamente verbindlich festlegt. Zwar wirkt sie sich auch auf die Verträge zwischen dem Anbieter D.… und seinen Kunden aus, doch ist primäres Ziel der Preisbindung nicht die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Vertragspartnern, sondern vielmehr die im öffentlichen Interesse liegende Verhinderung eines Preiswettbewerbs der Apotheken untereinander mit schweren Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Damit regelt die AMPreisV nicht lediglich eine reine Erfüllungsmodalität i.S.d. Art. 32 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB (vgl. Magnus in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 32 EGBGB Rn. 85). Ihre Anwendbarkeit auf Fälle mit Auslandsberührung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 EGBGB richtet sich damit allein nach Art. 34 EGBGB.
Voraussetzung für die zwingende Geltung der Bestimmungen der AMPreisV nach Art. 34 EGBGB ist neben einem Inlandsbezug des zu beurteilenden Sachverhalts, dass diese inländischen Bestimmungen - ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck - nach dem Willen des Gesetzgebers auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel Geltung beanspruchen (vgl. Magnus in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 34 EGBGB Rn. 51). Sowohl der Wortlaut und die Systematik der Vorschriften, als auch die mit der Preisbindung für Medikamente verfolgten ordnungspolitischen Interessen lassen hier den Schluss auf einen solchen Regelungswillen des deutschen Gesetzgebers zu.
Bereits aus dem Regelungsgefüge der §§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG i.V.m. 11a S. 1 Nr. 1, S. 2 ApoG ergibt sich, dass die §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV auch auf den grenzüberschreitenden Online-Versandhandel und damit auch auf die Verträge von D.… mit seinen deutschen Abnehmern anwendbar sind. Die gegenteilige Ansicht des OLG Hamm (MMR 2005, 101, 102 - Preisbindung bei Arzneimittelversand ausländischer Internetapotheken), auf welche sich die Antragsgegnerin maßgeblich stützen will, vermag den Senat nicht zu überzeugen.
Die Regelung des § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG ordnet für den Versand von Arzneimitteln an Endverbraucher durch eine versandberechtigte ausländische Apotheke ausdrücklich die Geltung der „deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel“ an. Zu den entsprechenden deutschen Vorschriften zählt auch § 11a ApoG, wonach der Versand aus einer Apotheke „zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb und nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen [muss], soweit für den Versandhandel keine gesonderten Vorschriften bestehen“. Zu den Regelungen des üblichen Apothekenbetriebs gehören aber gerade die preisrechtlichen Regelungen der § 78 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV.
Entgegen der Ansicht des OLG Hamm erfasst die Regelung des § 11a ApoG nicht nur die Erfüllung der bereits - in den Niederlanden - abgeschlossenen Kaufverträge, sondern auch den vorgelagerten Bereich des Vertragsschlusses, bei dem sich bereits die Frage der Preisbindung stellt. Schon der Wortlaut der Generalverweisung des § 11a ApoG, der pauschal auf die für den üblichen Apothekenbetrieb geltenden Vorschriften verweist, bietet keinen Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung der Regelung. Zudem regelt die Norm gerade nicht nur die Risiken des Versendens, sondern stellt sogar selbst Regelungen für ein Qualitätssicherungssystem auf, die teilweise schon vor dem Vertragsschluss eingreifen, wie etwa die Pflicht zur Beratung nach § 11a S. 1 Nr. 1d ApoG.
Auch die Entstehungsgeschichte der Freigabe des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch das am 14. November 2003 verkündete Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Preisbindung auch auf den grenzüberschreitenden Versandhandel anwenden wollte. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten durch die Neuregelung faire Wettbewerbsbedingungen zwischen öffentlichen Apotheken und Versandapotheken geschaffen werden (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1525, S. 75 rechte Spalte). Die Nichtgeltung der AMPreisV für ausländische Apotheken würde diesem gesetzgeberischen Ziel massiv entgegen wirken. Es kann dem Gesetzgeber - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht unterstellt werden, dass er die damit einhergehende Inländerdiskriminierung sehenden Auges in Kauf nehmen wollte. Weiter kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber die mit der Arzneimittelpreisbindung verfolgten gesundheitspolitischen Ziele hat aufgeben wollen.
Auch den in der Berufungsinstanz vorgelegten Zeitungsartikeln aus dem Handelsblatt vom 14. März 2002 und vom 27. Mai 2002 (Anlagen BB 18 und BB 19) lässt sich dies nicht entnehmen. Dies gilt schon deshalb, weil das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) rund 1 ½ Jahre nach diesen Veröffentlichungen, nämlich am 14. November 2003, verkündet worden ist, und hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die an der Gesetzgebung Beteiligten die in den Zeitungsartikeln genannte Rechtsauffassung zu diesem Zeitpunkt geteilt hätten, nicht bestehen.
Allerdings ist dem OLG Hamm darin zuzustimmen, dass der deutsche Gesetzgeber die Geltung der AMPreisV bei der Legalisierung des Versandhandels aus ausländischen Apotheken nicht ausdrücklich angeordnet hat, obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Dies kann jedoch - anders als die Antragsgegnerin meint - nicht als ausreichender Beleg dafür interpretiert werden, dass der Gesetzgeber die Regelung gerade nicht auf den grenzüberschreitenden Handel erstrecken wollte. Vielmehr spricht der Umstand, dass eine ausdrückliche Erwähnung unterblieben ist, dafür, dass der Gesetzgeber die Geltung der deutschen arzneimittelpreisrechtlichen Regelungen über die Verweisungskette der §§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG, § 11a S. 1 Nr. 1a ApoG für ausreichend erachtet und eine expliziten Sonderregelung für nicht erforderlich gehalten hat. Aus diesem Grund vermag der Senat auch der Entscheidung des BSG vom 28. Juli 2008, Az. B 1 KR 4/08 R, welche ebenfalls davon ausgeht, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe, die ausländischen Internetapotheken der deutschen Arzneimittelpreisbindung zu unterwerfen (BSG, PharmaR 2008, 595, 598), nicht zu folgen.
Der internationale Geltungswille, der hinter den Regelungen der AMPreisV steht, ergibt sich auch aus dem Schutzzweck der Normen. Nach § 78 Abs. 2 AMG sollen die Preise den berechtigten Interessen der Verbraucher, Tierärzte, Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. Der einheitliche Festpreis soll also vor allem einen ruinösen Preiswettbewerb unter den Apotheken ausschließen, um so eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherzustellen. Für die Gefährdung dieses Schutzzwecks ist es unerheblich, ob eine in- oder ausländische Apotheke zu niedrigeren als den festgelegten Preisen verkauft (so auch OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 3307 06, - Bonusgewährung auf Arzneimittel durch Versandapotheke). Der befürchtete Preiskampf kann nur durch eine Bindung aller auf dem deutschen Markt tätigen Apotheken an die Festpreise unterbunden werden.
Der für die Anwendung der international zwingenden Regelungen der AMPreisV über Art. 34 EGBGB erforderliche Inlandsbezug des Sachverhalts (vgl. Magnus, in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 34 EGBGB Rn. 80) ist aufgrund der eindeutigen Ausrichtung des Online-Angebots von D.… auf deutsche Kunden zu bejahen. Die Internetseite ist in deutscher Sprache abgefasst, es werden in Deutschland zugelassene Medikamente in die Bundesrepublik Deutschland vertrieben und die Abrechnung erfolgt mit den deutschen Krankenkassen. Damit ist der Wettbewerb im Inland unmittelbar und spürbar betroffen.
cc) Die Anwendung der AMPreisV auf D.… ist auch mit vorrangigem europäischen Sekundär -und Primärrecht vereinbar. Es liegt kein Verstoß gegen die Richtlinie 2001/83/EG oder gegen die Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff EGV vor.
aaa) Die Regelung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bestimmt, dass die „Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise“ durch die Regelung nicht berührt werden. Daraus ergibt sich die Befugnis, Arzneimittelpreise für den eigenen Mitgliedstaat festzulegen. Damit beschränkt sich aber - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - die Preisfestsetzungskompetenz nicht allein auf Regelungen für inländische Apotheken, sondern erfasst gerade auch die Anwendung nationaler Preisbindungen auf ausländische Versandapotheken, sofern diese auf dem inländischen Markt tätig werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Erwägungsgrund 38 der Richtlinie die Möglichkeit vorgesehen ist, Großhändlern im Interesse des Schutzes der Volksgesundheit bestimmte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen. Aus der Nichterwähnung der Preisbindung von Apotheken kann nicht im Umkehrschluss deren Unzulässigkeit abgeleitet werden, da in den Erwägungsgründen ausweislich der einleitenden Worte „einige Mitgliedstaaten erlegen Großhändlern […]“ nur bestimmte Regelungen einiger Staaten herausgegriffen und beurteilt werden, nicht aber eine abschließende Aussage zur Preisfestsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten getroffen werden sollte. Diese erfolgte vielmehr in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG (so auch LG München NJOZ 2008, 4133, 4138 - Geld verdienen auf Rezept II).
bbb) Die Preisbindung ist auch mit der Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff. EGV vereinbar.
Es kann dahinstehen, ob die Bindung ausländischer Versandapotheken an die Festpreisregelung eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Dassonville-Formel ist, wie dies die Antragsgegnerin mit Blick auf die dadurch verwehrte Anlockung von Patienten durch Preisvorteile behauptet (befürwortend OLG Hamm MMR 2005, 101 ff., Rn. 64 ff.; ablehnend: OLG Frankfurt, GRURRR 2008, 306, 307 - Bonusgewährung auf Arzneimittel durch Versandapotheke), denn jedenfalls wäre eine solche Maßnahme nach Art. 30 EG zum Schutze der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt.
Wie dargelegt dient das Festpreissystem der Sicherstellung einer flächendeckenden, zeit- und ortsnahen sowie qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und damit einem gesundheitspolitischen Ziel. Das Schutzgut Gesundheit rechtfertigt dabei auch Vorsorgemaßnahmen, die bereits im Vorfeld Risiken für Gesundheit und Leben auszuschalten versuchen, damit konkrete Gefahren erst gar nicht entstehen. Auch das Arzneimittel- und Apothekenrecht, mag es auch wirtschafts- und wettbewerbspolitische Mittel einsetzen, stellt ein solches Risikoabwehrrecht dar.
Dabei handelt es sich nicht um eine unzulässige Umdeutung einer an sich rein wirtschaftlichen und damit nicht dem Art. 30 EG unterfallenden Zielsetzung. Vielmehr hat der EuGH in seiner Entscheidung D.… ( NJW 2004, 131 ff.) klargestellt, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass eine nationale Festpreisregelung deshalb beizubehalten sei, weil sie einen integralen Bestandteil des nationalen Gesundheitswesens bilde. Dass der EuGH im Fall D.… eine Rechtfertigung der AMPreisV abgelehnt hat, lag lediglich daran, dass die Beteiligten in jenem Verfahren keine hinreichenden Argumente für deren Erforderlichkeit vorgebracht hatten (EuGH NJW 2004, 131, 137, Rn. 123 - D…), und ändert daher nichts an der Aussage des EuGH, dass eine Festpreisregelung dem anerkannten Schutzgut der Gesundheit dienen könne. Die Beteiligten haben im D…-Verfahren im wesentlichen Rechtfertigungsgründe für das damals noch bestehende Verbot des Versandhandels angeführt (fehlende persönliche Beratung, erschwerte Kontrolle bei Versandapotheken; vgl. EuGH NJW 2004, 131, 134: Rn. 82 ff. - D.…), da allein dies streitgegenständlich war. Dagegen kam es in diesem Verfahren nur inzidenter auf eine mögliche Rechtfertigung der Festpreisregelung an. Das hier entscheidende Argument der Gesundheitsgefährdung durch Verdrängung von Apotheken infolge eines Preiskampfes wurde nicht in den Vordergrund gerückt.
Die Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung auf den grenzüberschreitenden Versandhandel ist zur Erreichung eines effektiven Gesundheitsschutzes durch flächendeckende Arzneimittelversorgung auch erforderlich.
Dabei ist zu beachten, dass der EuGH den Mitgliedstaaten eine Einschätzungsprärogative zubilligt hinsichtlich der Frage, auf welchem Niveau und auf welchem Wege sie den Gesundheitsschutz ihrer Bevölkerung sicherstellen wollen ( EuGH, Urteil vom 21.03.1991, C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 53; EuGH, EuZW 2004, 499, 501: Rn. 33 - Loi Evin). Innerhalb der deutschen Rechtsordnung ist wiederum dem Gesetzgeber gegenüber den Gerichten ein Einschätzungs- und Prognosevorrang eingeräumt ( BVerfG, NJW 1969, 499, 501 - Mühlengesetz; BVerfG NJW 1988, 1195, 1196 - Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe).
Der deutsche Gesetzgeber hat sich zum Schutz der Gesundheit aus nachvollziehbaren Gründen für ein Festpreissystem entschieden, das auch ausländische Versandapotheken, die auf dem deutschen Markt tätig werden, bindet. Könnten im grenzüberschreitenden Versandhandel Medikamente zu günstigeren als den festgelegten Preisen angeboten werden, so bestünde die Gefahr einer Verdrängung von Präsenzapotheken, da die Kunden aus Preisgründen die Versandapotheken privilegierten. Dies wiederum würde die flächendeckende und vor allem orts- und zeitnahe Versorgung der Bevölkerung insbesondere in ländlichen Gegenden gefährden. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin bedarf es keiner weiteren Substantiierung durch den Antragsteller, dass die Gewährung der beworbenen Boni die Absatzchancen inländischer Apotheken erheblich beeinträchtigt, da es für eine Rechtfertigung nach Art. 30 EGV nicht erforderlich ist, dass ein Schaden bereits eingetreten ist. Vielmehr rechtfertigt der Schutzgedanke, der hinter dieser Norm steht, gerade ein präventives Tätigwerden der nationalen Gesetzgeber (LG München, NJOZ 2008 4133, 4139 f.- Geld verdienen auf Rezept II).
Zudem soll durch die Festpreisregelung verhindert werden, dass Verbraucher vor dem Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments Preisvergleiche zwischen den Apotheken anstellen, da der dabei entstehende Zeitverlust gerade bei ernsthaften Krankheiten eine Gefahr für die Gesundheit darstellen kann. Zu beachten ist, dass die Festpreisregelung von vornherein nur für rezeptpflichtige Medikamente gilt, also solche, die wegen des ihnen innewohnenden Gefährdungspotentials in der Regel nur zur Behandlung schwerwiegenderer Krankheiten eingesetzt werden (LG München, NJOZ 2008 4133, 4140 - Geld verdienen auf Rezept II).
Für eine Rechtfertigung nach Art. 30 EGV spricht zudem die Tatsache, dass der EuGH im Fall D.… sogar ein generelles Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten für zulässig erachtet hat, so dass die bloße Bindung ausländischer Versandapotheken an die AMPreisV als milderes Mittel jedenfalls verhältnismäßig ist. Dem steht nicht, wie die Antragsgegnerin meint, die Tatsache entgegen, dass der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit des Versandhandelsverbots keinen Gebrauch gemacht und stattdessen den deutschen Apothekenmarkt für das EU-Ausland geöffnet hat. Dies bedeutet nämlich nicht, dass deshalb der Versandhandel ohne jegliche Einschränkungen zulässig sein muss. Vielmehr muss es den nationalen Gesetzgebern im Interesse einer Förderung des Binnenmarktes möglich sein, zwischen den beiden Extremlösungen des kompletten Verbotes und der schrankenlosen Zulassung Mittelwege zu wählen, also eine Zulassung unter bestimmten Vorgaben. Andernfalls wären Staaten, die Nachteile aus der Zulassung des Versandhandels vermeiden wollen, darauf verwiesen, von ihrem umfassenden Verbotsrecht Gebrauch zu machen, was für die Schaffung eines grenzenlosen Binnenmarktes auf dem Gebiet der Arzneimittel gerade kontraproduktiv wäre (LG München, NJOZ 2008 4133, 4140 - Geld verdienen auf Rezept II).
Mithin liegt also kein Verstoß gegen die Art. 28 ff. EG vor.
Somit hat die Antragsgegnerin durch die Bewerbung des „Bonus-Modells“ des Anbieters D.… gegen §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV verstoßen.
d) Ein solcher Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, da die §§ 1, 3 AMPreisV gerade ihrem Zweck nach dazu bestimmt sind, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apothekern zu regeln ( BVerfG NJW 2002, 3694, 3695). Auch Normen, die den Wettbewerb in der Weise beeinflussen, dass sie ihn auf dem Gebiet des Preises unterbinden, regeln das Marktverhalten unter den Apothekern, und weisen daher den für § 4 Nr. 11 UWG erforderlichen Wettbewerbsbezug auf ( OLG Hamm MMR 2005, 101, 102 -Preisbindung bei Arzneimittelversand ausländischer Internetapotheken).
e) Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht auf das „ Presseprivileg“ oder die „ Grundsätze der Störerhaftung“ berufen. Die entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.
Sie hat selbst das „Bonus-Modell“ des Anbieters D.… beworben („O… empfiehlt D…“) und damit den Wettbewerb dieses Anbieters unmittelbar gefördert.
Mithin ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV begründet.
3. Der zuerkannte Anspruch ist darüber hinaus auch aus §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 HWG begründet.
a) Streitig ist insoweit, ob im Bereich der Gewährung von Rabatten die Regelung des § 7 HWG als lex specialis zu den Normen der AMPreisV anzusehen ist. Die „Saartaler“-Entscheidung des erkennenden Senats ( GRUR-RR 2007, 403, 404) ist in diesem Sinne aufgenommen worden.
Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung - § 7 HWG unterbindet unsachlich beeinflussende Wertreklame, während die AMPreisV einen Preiswettbewerb auf der letzten Handelsstufe ausschließen möchte - sind jedoch beide Normen in der Regel nebeneinander anwendbar (OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 306 - Bonussystem ausländischer Versandapotheken).
b) Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG sind Zuwendungen, die in einem auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden, unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des AMG gelten.
Einbezogen in den Anwendungsbereich des § 7 HWG ist allerdings nur die produktbezogene Werbung, nicht aber eine allgemeine Firmen-, Unternehmens- oder Imagewerbung, die nur dem Ansehen des Unternehmens allgemein dient ( BGH GRUR 1997, 761, 765 - Politikerschelte). Das hierzu aufgestellte Abgrenzungskriterium der Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Arzneimittel ( BGH GRUR 1992, 873- Pharma-Werbespot) ist nur dort tauglich, wo es gilt, die Werbung eines Herstellerunternehmens zu beurteilen, weil bei diesem Firmenwerbung immer auch Werbung für seine Erzeugnisse und damit Werbung für die von ihm hergestellten Arzneimittel ist (vgl. OLG München GRUR-RR 2007, 297, 298 - Geldverdienen auf Rezept I).
Im Zusammenhang mit Händlerwerbung ist die Ansicht, § 7 Abs. 1 HWG untersage unterschiedslos lediglich Zuwendungen mit unmittelbarem Bezug zu einem oder mehreren bestimmten Heilmitteln (vgl. OLG Naumburg, GRUR-RR 2006, 336 f. - Einkauf-Gutschein), so dass eine Zuwendung für nur abstrakt, etwa als rezeptfrei beschriebene Medikamente nicht erfasst werde (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 2005, 135, 136), verschiedentlich verworfen worden. So haben das OLG Frankfurt die Rabattgewährung eines Hörgeräte-Einzelhändlers auf alle bei ihm erhältlichen digitalen Hörsysteme ( OLG Frankfurt, GRUR-RR 2005, 393 - Barrabatt für Hörgeräte) und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg die Werbung eines Augenoptikers für dessen gesamtes Brillenfassungssortiment von mehr als 1 500 Fassungen mit bestimmten Kunststoffgläsern in allen Glasstärken und Ausführungen ( OLG Hamburg, GRUR-RR 2005, 397 - Unzulässiger Barrabatt für Brillenkauf) an § 7 Abs. 1 HWG gemessen.
Die einschränkende Auffassung, auch bei Händlerwerbung unterfielen nur Zuwendungen für bestimmte Heilmittel der Regelung des § 7 Abs. 1 HWG, ist jedenfalls durch das Urteil des Bundesgerichtshofs „Kunden werben Kunden“ ( GRUR 2006, 949 ff.) überholt. Darin hat der Bundesgerichtshof die Werbung eines Augenoptikerunternehmens für Gleitsichtgläser ohne Unterscheidung nach Hersteller oder sonstigen konkretisierenden Merkmalen nicht als bloße Unternehmenswerbung, sondern als eine den Verboten des Heilmittelwerbegesetzes unterfallende Produktwerbung angesehen (vgl. BGH GRUR 2006, 949, 952: Rn. 23 - Kunden werben Kunden).
Im Streitfall stellt die Bewerbung des „Bonus-Modells“ für jegliche verschreibungspflichtige Medikamente keine Unternehmens-, sondern eine Produktwerbung dar. Aus der Gesamtheit der von D.… vertriebenen Produkte werden die verschreibungspflichtigen Medikamente herausgegriffen, deren Absatz durch die Auslobung der Boni gefördert wird. Für jedes einzelne der von der Beklagten vertriebenen Arzneimittel gilt das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb für die Gesamtheit der verschreibungspflichtigen Arzneimittel etwas anderes gelten sollte.
Die Gegenansicht würde dazu führen, dass der vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehene Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen wäre, wenn diese Form der Wertreklame für eine besonders große Zahl von Arzneimitteln angewandt wird. Die Eignung einer Zuwendung, den Absatz von Medikamenten unsachlich zu beeinflussen, hängt aber gerade nicht davon ab, ob diese (nur) für genau bestimmte Medizinprodukte, eine nicht näher eingegrenzte Vielzahl oder sogar für das ganze Sortiment angekündigt oder gewährt wird. Entscheidend ist allein, dass die Zuwendung an den Absatz eines Arzneimittels gekoppelt wird, da dann der Effekt einer unsachlichen Beeinflussung eintreten kann, den die Vorschrift verhindern will. Hierin liegt der konkrete Produktbezug, der den Fall von der produktunabhängigen Gewährung von Zuwendungen im Rahmen einer reinen Imagewerbung unterscheidet (LG München, NJOZ 2008, 4133, 4141 f. - Geld verdienen auf Rezept II).
Die angegriffene Zugabe ist damit unzulässig, da sie auch keinem der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG unterfällt.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist diese Auslegung des § 7 Abs. 1 HWG und dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall mit der Richtlinie 2001/83/EG vereinbar. Nach deren Art. 86 Abs. 1 gelten als „Werbung für Arzneimittel“ unter anderem alle Maßnahmen zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern, insbesondere die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel. Folgt man der Ansicht der Beklagten, dass mit Blick auf die in Art. 89 Abs. 1 festgelegten genauen Anforderungen an die Öffentlichkeitswerbung für ein Medikament die Richtlinie nur produktbezogene Werbung erfasst, und legt gleichzeitig die Ansicht des Senats zugrunde, dass es sich bei der streitgegenständlichen Gewährung von Boni um eine solche handelt, so ist der Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnet.
Diese regelt in ihrem Art. 87 Abs. 3, dass die Arzneimittelwerbung einen „zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern [muss], indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt“. Es ist nicht ersichtlich, wie die Gewährung von Boni diese Anforderung erfüllt. Zudem findet sich im Erwägungsgrund 45 der Hinweis auf die Notwendigkeit, übertriebene unvernünftige Werbung, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, zu verhindern. Die Auslobung der Gewährung von Boni, die an den Absatz eines Arzneimittels gekoppelt ist, ist geeignet, den Absatz von Medikamenten unsachlich zu beeinflussen, und wirkt sich damit mittelbar auf die öffentliche Gesundheit aus. Dabei ist zu beachten, dass nach dem Wortlaut der Richtlinie ein „Auswirken“ auf die öffentliche Gesundheit ausreicht und nicht eine „Gefährdung“ verlangt wird.
Der Vereinbarkeit des Verbotes der Werbung nach § 7 Abs. 1 HWG mit der Richtlinie steht auch nicht entgegen, dass diese in Art. 94 Abs. 1 nur für zur Verschreibung oder Abgabe von Medikamenten berechtigte Personen ausdrücklich ein Verbot der Prämiengewährung vorsieht, da dies keine abschließende Regelung, sondern vielmehr nur eine Spezialregelung für diese Berufsgruppen darstellt, während für die Werbung gegenüber dem Verbraucher auf die Generalklausel des Art. 86 Abs. 3 zurückgegriffen werden kann.
Unterstellt man dagegen mit der Beklagten, dass nach der Richtlinie die streitgegenständliche Werbung als Imagewerbung einzustufen ist, so ist bereits bei angenommener Beschränkung der Richtlinie auf Produktwerbung deren Anwendungsbereich gar nicht eröffnet. Da es sich dann nicht um Werbung für Arzneimittel im gemeinschaftsrechtlichen Sinne handeln würde, müssen die nationalen Vorschriften insoweit keine vorrangigen sekundärrechtlichen Harmonisierungsvorgaben beachten. Ein Wille des europäischen Gesetzgebers, den Bereich der produktunabhängigen Imagewerbung von jeglichen nationalen Regeln freizuhalten, und ein diesbezüglicher Regelungsgehalt lassen sich der Richtlinie nicht entnehmen (LG München, NJOZ 2008, 4133, 4142 - Geld verdienen auf Rezept II).
Für die Vereinbarkeit mit Primärrecht gelten die obigen Ausführungen zur Arzneimittelpreisverordnung entsprechend.
Da das Verbot des § 7 Abs. 1 HWG den Schutz der Verbraucher bezweckt, ist der Verstoß gegen diese Vorschrift zugleich unlauter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG (vgl. BGH GRUR 2006, 949, 952: Rn. 25 - Kunden werben Kunden).
Mithin ist der Unterlassungsanspruch sowohl aus §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG iVm § 7 Abs. 1 HWG, als auch aus §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV begründet.
4. Soweit der Antragsteller in der Berufungsinstanz erstmalig geltend gemacht hat, dass mit dem beworbenen Angebot auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG vorliege, ist dies in dringlichkeitsschädlicher Zeit geschehen. Es bedarf daher keiner Entscheidung über die materielle Begründetheit dieses Anspruchs.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Zu der von der Antragsgegnerin angeregten Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV sieht der Senat sich im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht veranlasst. Im Hinblick auf den summarischen Charakter des Eilverfahrens und die Möglichkeit einer Klärung der gemeinschaftsrechtlichen Fragen im Hauptsacheverfahren entspricht es überwiegender Auffassung, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zwar die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 234 Abs. 2 EGV, aber keine Vorlageverpflichtung im Sinne des Art. 234 Abs. 3 EGV besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 2001, Az. 2 BvR 1486/01 - zitiert nach juris)."
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