Keine Arzneimittelpreisbindung im grenzüberschreitenden Versandhandel
Gericht
BUNDESSOZIALGERICHT
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
28. 07. 2008
Aktenzeichen
B 1 KR 4/08 R
§ 130a Abs 1 SGB 5 erstreckt den so genannten Herstellerrabatt europarechtskonform nur auf solche Fertigarzneimittel, die deutschem Preisrecht unterliegen, nicht aber auf Importarzneimittel, die von Versandhandelsapotheken aus dem Ausland eingeführt werden.
Ausländische Versandhandelsapotheken können europarechtskonform mit deutschen Krankenkassen Einzelverträge nach § 53 SGB 10 über die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte als Sachleistung abschließen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung des sog Herstellerrabatts gemäß § 130a Abs 1 Satz 2 SGB V für Arzneimittel, die die in den Niederlanden ansässige Klägerin im Wege des Versandhandels an Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der Zeit von 2003 bis 2007 abgegeben hat.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz innerhalb der Niederlande. Sie betreibt ua eine Versand-/Internetapotheke, mit der sie überwiegend Endverbraucher in Deutschland versorgt. Nach ihren Angaben erwirbt sie die Arzneimittel bei deutschen Großhändlern, die die Ware an den Sitz der Klägerin in die Niederlande senden. Von dort aus beliefert die Klägerin GKV-Versicherte auf Bestellung per Kurierdienst mit Arzneimitteln, die nach dem deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassen sind. Verschreibungspflichtige Arzneimittel versendet sie gegen Vorlage vertragsärztlicher Verordnungen. Sie rechnet auf der Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen mit GKV-Krankenkassen (KKn) die Lieferungen als Sachleistungen über eine Verrechnungsstelle in Deutschland ab (Firma K., G. ). Die Beklagte ist die deutsche Niederlassung eines französischen Pharmakonzerns.
Im Bereich der GKV wurden die Arzneimittelkosten, die den KKn durch die Versorgung ihrer Versicherten entstehen, ua durch Apotheken-, Großhändler- und Herstellerrabatte verringert. Der Gesetzgeber hat die KKn seit 2003 finanziell ua dadurch entlastet, dass ihnen die Arzneimittelhersteller Rabatt auf Arzneimittel für ihre (GKV-)Versicherten gewähren müssen. Dieser durch das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG vom 23.12.2002, BGBl I 4637) eingeführte Rabatt wird nicht unmittelbar von den Herstellern an die KKn gezahlt; vielmehr erhalten die KKn den Rabatt dadurch, dass sie die Rechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt kürzen. Die Apotheken wiederum können Erstattung der ihnen gekürzten Beträge von den Arzneimittelherstellern verlangen. Eine solche Erstattung verlangt auch die klagende Versandapotheke von dem beklagten Arzneimittelhersteller.
Die Klägerin gab im betroffenen Zeitraum von 2003 bis 2007 im Wege des Versandhandels ua an GKV-Versicherte Arzneimittel ab, die die Beklagte hergestellt hatte. Nach Angaben der Klägerin zahlten die vertraglich mit ihr gebundenen KKn hierfür absprachegemäß einen Preis unterhalb des Niveaus der deutschen Arzneimittelpreise. Dabei waren Abschläge zu berücksichtigen in Höhe des sog Apothekenrabatts (§ 130 SGB V), des Herstellerrabatts (§ 130a Abs 1 SGB V), im Jahr 2003 zudem des sog Großhändlerrabatts und zusätzlich weitere, von der Klägerin eingeräumte Rabatte. Die Klägerin forderte vergeblich die Beklagte unter Hinweis auf Listen über die Abgabe von Arzneimitteln an GKV-Versicherte mit der pharmazeutischen Identifizierungsnummer, der Rezeptnummer, der bundeseinheitlichen Kassennummer und der Versicherungsnummer auf, den Herstellerrabatt zu erstatten.
Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, 3.446,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.12.2003 auf 1.572,31 Euro und seit dem 13.7.2004 auf weitere 1.873,76 Euro zu zahlen, beim Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 21.6.2005). Die Klägerin hat mit ihrer Berufung begehrt, die Beklagte zu verurteilen, 6.398,33 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.12.2003 auf 1.572,31 Euro, seit dem 13.7.2004 auf 1.873,76 Euro, seit dem 13.12.2006 auf 359,20 Euro und seit dem 19.12.2007 auf 2.593,06 Euro zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.826,02 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13.7.2004 auf einen Betrag von 1.873,76 Euro, seit dem 13.12.2006 auf einen Betrag von 395,20 Euro und seit dem 19.12.2007 auf einen Betrag von 2.593,06 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, die Klägerin habe lediglich ab 2004 Anspruch auf den Herstellerrabatt. Das Versandhandelsverbot nach § 43 Abs 1 AMG aF habe demgegenüber dem Anspruch für das Jahr 2003 entgegengestanden (Urteil vom 16.1.2008).
Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die Klageabweisung für das Jahr 2003 und rügt die Verletzung des § 130a SGB V, des § 43 AMG aF und der Art 28 und 30 EG-Vertrag (EGV). Die Klägerin trägt vor, sie habe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 11.12.2003 - C-322/01 - DocMorris NV - EuGHE I 2003, 14887) schon 2003 rechtmäßig am Arzneimittelhandel iS des § 130a SGB V teilgenommen und deshalb bereits für dieses Jahr Anspruch auf den Herstellerrabatt. Die GKV-Versicherten in Deutschland hätten bereits 2003 verschreibungspflichtige Arzneimittel als Sachleistung über die Klägerin beziehen dürfen.
Die Klägerin beantragt ,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Januar 2008 abzuändern, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Juni 2005 vollständig aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.572,31 Euro zuzüglich Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.12.2003 zu zahlen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung zu folgenden Fragen zu ersuchen:
a) Steht es Artikel 28 EGV entgegen, wenn einer Apotheke aus einem anderen Mitgliedstaat ein Herstellerrabatterstattungsanspruch (wie nach § 130a Abs 1 Satz 2 SGB V) versagt wird, obwohl sich die Apotheke aus dem anderen Mitgliedstaat gegenüber den Krankenkassen rechtlich wie tatsächlich dem Herstellerrabattabzug unterworfen hat?
b) Steht Artikel 28 EGV solchen Rechtsvorschriften entgegen (wie nach § 140e SGB V iVm § 13 Abs 4 SGB V), die eine Apotheke aus einem anderen Mitgliedstaat auf die Teilnahme an der Versorgung von Versicherten mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in einem anderen Mitgliedstaat auf das in jenem Mitgliedstaat unübliche Kostenerstattungsprinzip beschränken?
Die Beklagte beantragt ,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Januar 2008 abzuändern, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Juni 2005 insgesamt zurückzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 130a Abs 1 Satz 2 SGB V. Sie trägt vor, der Herstellerrabatt betreffe keine Import-Arzneimittel.
Die Klägerin beantragt ,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1. bis 7. stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision der beklagten Arzneimittelherstellerin ist begründet, diejenige der klagenden Versandapotheke dagegen unbegründet. Das Urteil des LSG ist zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG in vollem Umfang zurückzuweisen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des sog Herstellerrabatts gemäß § 130a Abs 1 Satz 2 SGB V. Der in § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V geregelte Rabatt der pharmazeutischen Unternehmer gilt nur für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt sind (dazu 3.). Diesen Preisregelungen unterfielen die Fertigarzneimittel nicht, die die Klägerin als Import im Rahmen des Versandhandels an GKV-Versicherte abgegeben hat (dazu 4.). Die Beschränkung des § 130a Abs 1 SGB V auf den Kreis solcher Fertigarzneimittel verstößt nicht gegen europäisches Recht (dazu 5.).
1. Die Klage der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin als juristische Person beteiligtenfähig (§ 70 Nr 1 SGG), auch wenn sie eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in den Niederlanden ist. Nach dem Rechtsgedanken der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.3.1999 - C-212/97 - Centros - EuGHE I 1999, 1459, juris RdNr 19 f; EuGH, Urteil vom 5.11.2002 - C-208/00 - Überseering - EuGHE I 2002, 9919, juris RdNr 57 ff mwN) genügt es, dass die Klägerin nach niederländischem Recht wirksam gegründet ist, ihren satzungsmäßigen Sitz in den Niederlanden hat und dort rechtsfähig ist. Sie ist deshalb auch befugt, ihre angeblichen Rechte aus § 130a Abs 1 Satz 2 SGB V in Deutschland geltend zu machen und gerichtlich durchzusetzen (vgl ähnlich BGHZ 154, 185, juris RdNr 17 ff mwN) .
2. Zu Recht hat das LSG die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten gegen die Gültigkeit des § 130a SGB V nicht geteilt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Gesetzeskraft entschieden, dass das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG vom 23.12.2002, BGBl I 4637) einschließlich des mit ihm eingeführten § 130a SGB V mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl BVerfGE 114, 196 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9). Die Vorschriften des BSSichG sind dementsprechend im vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden.
3. § 130a Abs 1 SGB V unterwirft in allen von 2003 bis 2007 geltenden Fassungen dem Herstellerrabatt nur solche Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt sind (§ 130a SGB V, eingefügt durch Art 1 Nr 8 BSSichG mit Wirkung vom 1.1.2003; Überschrift geändert durch Art 1 Nr 97 Buchst a Gesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378 mit Wirkung vom 1.4.2007; Abs 1 Satz 1: geändert durch Art 3a Nr 2 Gesetz vom 29.8.2005, BGBl I 2570 mit Wirkung vom 6.9.2005 und durch Art 1 Nr 97 Buchst b Doppelbuchst aa Gesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378 mit Wirkung vom 1.4.2007; Abs 1 Satz 2 und 3: geändert durch Art 1 Nr 97 Buchst b Doppelbuchst bb Gesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378 mit Wirkung vom 1.4.2007; Abs 1 Satz 5: eingefügt durch Art 1 Nr 7 Buchst a Gesetz vom 26.4.2006, BGBl I 984 mit Wirkung vom 1.5.2006; Abs 1a: eingefügt durch Art 1 Nr 95 Buchst a Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190 mit Wirkung vom 1.1.2004) .
a) Dass der Herstellerrabatt nur für solche Fertigarzneimittel zu entrichten ist, für die die Arzneimittel-Preisvorschriften gelten, regelt mit Wirkung vom 1.5.2006 ausdrücklich § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V (eingefügt durch Art 1 Nr 7a Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung - AVWG - vom 26.4.2006, BGBl I 984) . Dies galt aber auch bereits zuvor. Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zum Entwurf eines AVWG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD wurde mit der Einfügung des Satzes 5 in § 130a Abs 1 SGB V lediglich "klargestellt", dass die Herstellerabschläge nur für Fertigarzneimittel gelten, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach AMG oder aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt sind. Dies - so der Ausschuss - entspreche auch der Praxis der Anwendung der Regelungen zum Herstellerabschlag seit 2003. Für einige Arzneimittel könnten die Preise danach frei vereinbart werden, sodass für diese Arzneimittel die gesetzlichen Rabatte nach § 130a SGB V nicht gelten. Diese Auffassung hätten auch die Spitzenverbände der KKn in einer Besprechung am 23.1.2003 im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung vertreten. Dennoch gebe es Fälle, in denen einzelne KKn für nicht preisgebundene Arzneimittel von Apotheken Abschläge nach § 130a SGB V verlangten. Diese Fälle sollten durch die Regelung geklärt werden (vgl BT-Drucks 16/691 S 17 zu Buchst g - Nr 7 - § 130a - Zu Buchst a - 130a Abs 1) .
b) Seit Einführung des Herstellerrabatts durch Art 1 Nr 8 BSSichG ergibt sich dessen Erstreckung lediglich auf deutschem Preisrecht unterliegende Arzneimittel bereits daraus, dass § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V die Höhe des Abschlags mit einem prozentualen Abschlag (zunächst 6 vH) des Herstellerabgabepreises bemisst. Diese Regelung verwies ursprünglich indirekt ausschließlich auf Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG bestimmt sind. Das waren bis zum Ende des Jahres 2003 alle apothekenpflichtigen Arzneimittel. Seit Beginn des Jahres 2004 unterfallen dagegen grundsätzlich nur noch verschreibungspflichtige Arzneimittel dem Arzneimittelpreisrecht. Der Gesetzgeber hat für apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ab 2004 das bis Ende 2003 geltende Preisrecht nur für die Fälle beibehalten, in denen die Arzneimittel als GKV-Leistungen mit den KKn abzurechnen sind (§ 129 Abs 5a SGB V; vgl unten, 3.c).
Nach dem Preisrecht des AMG können die Arzneimittelhersteller jeden Preis verlangen, den sie für angemessen halten (vgl zB Francke, MedR 2006, 683) . Der Abgabepreis an den Endverbraucher wird durch Hinzurechnung der Handelsspannen für Großhandel und Apotheken bestimmt. Seit Inkrafttreten des Vierten Gesetzes zur Änderung des AMG war ein - für den Endverbraucher maßgeblicher - einheitlicher Apothekenabgabepreis für solche Arzneimittel zu gewährleisten, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen, also apothekenpflichtig sind (§ 78 Abs 2 Satz 2 AMG, eingefügt durch Art 1 Nr 44 Viertes Gesetz zur Änderung des AMG vom 11.4.1990, BGBl I 717, mit Wirkung vom 20.4.1990) . Der Gesetzgeber sah damit in Abkehr von früherer Rechtsprechung (BGH NJW 1986, 1544 ff) einen einheitlichen Apothekenabgabepreis für Arzneimittel als erforderlich an, um die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen (vgl Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung des AMG, BT-Drucks 11/5373 Anl 2 S 27 Nr 31 zu Art 1 nach Nr 34 - § 78 Abs 2 -) . Einzelheiten regelt auf der Grundlage des § 78 Abs 1 AMG die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV idF durch Art 2 § 12 des Gesetzes vom 20.7.2000, BGBl I 1045 mit Wirkung vom 1.1.2001; geändert durch Art 24 Nr 1 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz - GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190 mit Wirkung vom 1.1.2004; zuletzt geändert durch Art 32 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26.3.2007, BGBl I 378). Sie legt zwingend (vgl § 1 Abs 1 Nr 1 und 2 AMPreisV) ua für Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken (vgl § 2 AMPreisV) sowie die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf fest (§ 3 AMPreisV; vgl zum Ganzen auch BSG, Beschluss vom 22.4.2008 - B 1 SF 1/08 R - RdNr 3, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
§ 78 Abs 3 AMG (idF durch Art 30 Nr 5 GKV-WSG) stellt insoweit die Rechtslage zusammenfassend klar (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit/14. Ausschuss zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG ua der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/4247 S 65 f zu Art 30 Nr 5) . Danach ist ein einheitlicher Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewährleisten, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen durch die AMPreisV bestimmt sind. Erst hierdurch ergibt sich in Verbindung mit den Handelszuschlägen, die die AMPreisV festlegt, ein einheitlicher, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlicher Apothekenabgabepreis. Pharmazeutische Unternehmer dürfen Rabatte auf den von ihnen festgelegten Abgabepreis nur an die Kostenträger (KKn) gewähren, nicht aber an die Handelsstufen (Großhändler; Apotheken). Diese Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmers gilt allerdings nur für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, die der AMPreisV unterliegen. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bleiben wie bereits seit 2004 grundsätzlich von der Preisbindung ausgenommen, es sei denn, diese Arzneimittel werden an GKV-Versicherte abgegeben; dann gilt wieder ein einheitlicher Apothekenabgabepreis. Zur Ermittlung des Apothekenabgabepreises für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die ausnahmsweise der Leistungspflicht der GKV unterfallen, bleibt der pharmazeutische Unternehmer wie bisher verpflichtet, einen einheitlichen Abgabepreis anzugeben, an den er nicht in jedem Einzelfall gebunden ist, sondern von dem er wie bisher bei Abrechnung mit Großhändlern oder Apotheken im Einzelfall abweichen kann. Die Folge dieses Preisregimes ist, dass ein Preiswettbewerb - auf nationaler Ebene - auf den Handelsstufen ausscheidet, soweit die Preisvorschriften nach dem AMG greifen, der Hersteller das Arzneimittel in Deutschland vertreibt und dieses über den Großhandel und die Apotheke an die Patienten gelangt.
c) Dass der Herstellerrabatt nur für solche Fertigarzneimittel zu entrichten ist, für die die Arzneimittel-Preisvorschriften gelten, bestätigt § 130 Abs 1 Satz 5 SGB V auch insoweit, als er anordnet, dass die Rabattierungspflicht nach Satz 1 für Fertigarzneimittel gilt, deren Apothekenabgabepreise aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt sind. Nach § 129 Abs 5a SGB V gilt bei Abgabe eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels bei Abrechnung nach § 300 SGB V ein für die Versicherten maßgeblicher Arzneimittelabgabepreis in Höhe des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmens zuzüglich der Zuschläge nach den §§ 2 und 3 der AMPreisV in der am 31.12.2003 gültigen Fassung.
Durch § 129 Abs 5a SGB V hat der Gesetzgeber gewährleistet, dass für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel, die zu Lasten der GKV abgegeben werden, weiterhin ein einheitlicher Arzneimittelabgabepreis gilt (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines GMG, BT-Drucks 15/1525, zu Nr 92 - § 129 - zu Buchst c, S 122 linke Spalte). Art 24 Nr 1 GMG hat § 1 AMPreisV dadurch geändert, dass folgender Abs 4 angefügt worden ist: "Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise von nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln." Diese Regelung hätte mithin für alle nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel, auch wenn sie apothekenpflichtig sind und zu Lasten der GKV abgegeben werden, den einheitlichen Arzneimittelabgabepreis beseitigt. Das hätte indes einen erheblichen Verwaltungsaufwand für die KKn zur Folge gehabt, ohne substanzielle Einsparungen zu ihren Gunsten mit sich zu bringen. Das wollte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 129 Abs 5a SGB V vermeiden. Flankierend hat er in § 78 Abs 2 AMG folgenden Satz 3 angefügt: Satz 2 gilt nicht für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der GKV abgegeben werden (Art 23 Nr 5 Buchst b GMG). Auch diese Regelung schreibt lediglich das bis zum 31.12.2003 für nichtverschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Arzneimittel geltende Preisrecht des AMG fort, sobald die Mittel zu Lasten der GKV abgegeben werden.
d) Dass die Regelung des Herstellerrabattes in § 130a Abs 1 SGB V an die Geltung der Arzneimittel-Preisvorschriften anknüpft, legt schließlich auch die Stellungnahme der Bundesregierung (BReg) vom 22.1.2004 zu einer Anfrage im Bundestag nahe (vgl BT-Drucks 15/2380 S 49 Nr 79) . Die BReg weist darin darauf hin, dass der Abschlag vom Hersteller zu gewähren ist, wenn für das Arzneimittel ein einheitlicher Herstellerabgabepreis und aufgrund der AMPreisV ein einheitlicher Apothekenabgabepreis gilt, das Arzneimittel bei der Abgabe durch die öffentliche Apotheke also preisgebunden ist. Bei freier Preisbildung im Sinne der AMPreisV könne dagegen auch der Herstellerabgabepreis im Einzelfall frei vereinbart werden, sodass der Herstellerabschlag keine Anwendung finde.
4. Für Fertigarzneimittel, die nach Deutschland importiert werden, gelten Apothekenabgabepreise weder aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG noch sind sie aufgrund des § 129 Abs 5a SGB V bestimmt. Die Arzneimittel-Preisvorschriften sind als klassisches hoheitliches Eingriffsrecht schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht auf Arzneimittel anwendbar, die sich außerhalb des Inlands befinden. Dies ist Ausdruck des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips: Die Wirkung von Staatshoheitsakten endet an den Gebietsgrenzen der tätig werdenden Staatsgewalt (vgl zB BVerwGE 129, 175, juris RdNr 22 mwN). Hiermit übereinstimmend ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass das AMG oder die AMPreisV sich insoweit Geltungskraft außerhalb Deutschlands beimessen. Die Folge davon ist, dass nicht nur Hersteller im Ausland oder bei Abgabe von Arzneimitteln ins Ausland, sondern auch Importeure von Arzneimitteln ihre Abgabepreise frei bestimmen dürfen (vgl dazu BGHZ 129, 53, 54) . Hierdurch kann es auch auf der Einzelhandelsstufe zu einem Preiswettbewerb kommen, der bei reinen Inlandssachverhalten ausgeschlossen ist (vgl oben). Preiswettbewerb auf der Einzelhandelsstufe kommt insoweit zwischen inländischen Medikamenten und Importarzneimitteln in Betracht (vgl BGH, ebenda, S 55) . Das Preisrecht nach dem AMG schließt es nicht aus, dass importierte Arzneimittel auf der Einzelhandelsstufe preisgünstiger sind als im Inland hergestellte Präparate, die bis zur Abgabe durch die Apotheke das Inland nicht verlassen haben (vgl dazu auch zB BGH, USK 8748; BGH, NJW 1987, 2931 sowie BGH, MDR 1987, 648) .
Ausgehend von diesen Grundsätzen müsste speziell im Arzneimittelrecht etwas Abweichendes geregelt sein, wenn beim Import von Arzneimitteln durch Internetapotheken an den Endverbraucher Preisvorschriften nach dem AMG eingreifen sollten. Daran fehlt es. Weder § 78 AMG noch die Bestimmungen der AMPreisV regeln, dass im Wege des Versandhandels aus dem Ausland eingeführte Arzneimittel den Preisvorschriften des AMG unterfallen. Nichts anderes gilt für die Ausnahmebestimmungen vom Verbringungsverbot, die den Versandhandel aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland erlauben. Nach § 73 Abs 1 Satz 1 Nr 1a AMG dürfen Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder zur Registrierung unterliegen, in den Geltungsbereich des AMG nur unter folgenden Voraussetzungen verbracht werden:
• Die Arzneimittel müssen zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen oder registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sein.
• Im Falle des Versandes an den Endverbraucher muss das Arzneimittel zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sein und
• von einer Apotheke eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)
• entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt werden.
• Die EU- oder EWR-Apotheke muss schließlich für den Versandhandel befugt sein nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz.
Diese Ausnahmebestimmungen sind mit Wirkung vom 1.1.2004 durch Art 23 Nr 4a GMG in § 73 Abs 1 AMG eingeführt worden. Zeitgleich hat das GMG den Versandhandel und elektronischen Handel von Arzneimitteln ermöglicht, ohne hierfür die Preisvorschriften zu ändern. Denn es hat
• das Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG -) um die §§ 11a und 11b ergänzt (Art 20 Nr 10 GMG),
• die Verordnungsermächtigung in § 21 ApoG für die Apothekenbetriebsordnung erweitert (Art 20 Nr 12 GMG) und
• § 17 Apothekenbetriebsordnung geändert (Art 21 Nr 5 GMG).
Dies diente dazu, den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln unter Beachtung diverser Sicherungen zu ermöglichen.
Bei dieser umfassenden Neuregelung, die sich in anderem Zusammenhang auch auf die Preisvorschriften erstreckt hat, hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, speziell für den Import von Arzneimitteln durch im Ausland ansässige Versandhandelsapotheken besondere Preisvorschriften einzuführen (vgl insbesondere Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines GMG, BT-Drucks 15/1525, S 160 ff zu Art 20 ff) . Nicht anders als beim Reimport von Arzneimitteln auf einer vorgelagerten Handelsstufe lässt der Gesetzgeber insoweit Preiswettbewerb zu (vgl zutreffend OLG Hamm, Urteil vom 21.9.2004 - 4 U 74/04, GesR 2005, 31 ff; aA zB OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.2007 - 6 U 26/07, A & R 2008, 137 ff im Anschluss an Lenz, NJW 2004, 332, 334 bei Fn 19; Mand, GRUR Int 2005, 637, 640 f; derselbe, EuR Beiheft 2, 2007, 59, 77 ff, aber unter Überdehnung der Verweisung in § 73 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AMG auf die Preisvorschriften des AMG) . Die Regelung in § 73 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AMG zielt nicht darauf ab, das Preisrecht des AMG für ausländische Versandhandelsapotheken zu exportieren. Vielmehr will sie nur die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf einem Niveau absichern, das demjenigen des deutschen Rechts entspricht (vgl dazu auch BGH, GRUR 2008, 275 RdNr 26) .
Die Regelungskonzeption wird schließlich durch die zum 1.5.2006 in § 130a SGB V eingefügten Absätze 3a und 3b deutlich. Sie lauten:
"(3a) Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. November 2005, erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. April 2006 bis zum 31. März 2008 einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Preiserhöhungsbeträge oberhalb des Festbetrags. Für Arzneimittel, die nach dem 1. April 2006 in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Für importierte Arzneimittel, die nach § 129 abgegeben werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des § 129 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer, unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund dieser Vorschrift. Abschläge nach Absatz 1 und 3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 3 erhoben. Rabattbeträge, die auf Preiserhöhungen nach Absatz 1 und 3b zu gewähren sind, vermindern den Abschlag nach Satz 1 bis 3 entsprechend. Für die Abrechnung des Abschlags nach den Sätzen 1 bis 3 gelten die Absätze 1, 5 bis 7 und 9 entsprechend. Absatz 4 findet Anwendung. Das Nähere regeln die Spitzenverbände nach § 213 Abs. 2.
(3b) Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel erhalten die Krankenkassen ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer; für preisgünstige importierte Arzneimittel gilt Absatz 3a Satz 3 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, die ab dem 1. Januar 2007 vorgenommen wird, vermindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrages der Preissenkung; wird der Preis innerhalb der folgenden 36 Monate erhöht, erhöht sich der Abschlag nach Satz 1 um den Betrag der Preiserhöhung ab der Wirksamkeit der Preiserhöhung bei der Abrechnung mit der Krankenkasse. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Arzneimittel, deren Apothekeneinkaufspreis einschließlich Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt. Absatz 3a Satz 5 bis 8 gilt entsprechend. Satz 2 gilt nicht für ein Arzneimittel, dessen Abgabepreis nach Satz 1 im Zeitraum von 36 Monaten vor der Preissenkung erhöht worden ist; Preiserhöhungen vor dem 1. Dezember 2006 sind nicht zu berücksichtigen. Für ein Arzneimittel, dessen Preis einmalig zwischen dem 1. Dezember 2006 und dem 1. April 2007 erhöht und anschließend gesenkt worden ist, kann der pharmazeutische Unternehmer den Abschlag nach Satz 1 durch eine ab 1. April 2007 neu vorgenommene Preissenkung von mindestens 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer ablösen, sofern er für die Dauer von zwölf Monaten ab der neu vorgenommenen Preissenkung einen weiteren Abschlag von 2 vom Hundert des Abgabepreises nach Satz 1 gewährt."
Nach den Gesetzesmaterialien ( vgl Gesetzentwurf eines AVWG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/194, S 10 Zu Nr 7 - § 130a - Zu Buchst a - Zu Abs 3a -) wird durch die Vorschrift erreicht, dass Erhöhungen des Herstellerabgabepreises ohne Mehrwertsteuer bei allen Fertigarzneimitteln, für die verbindliche Handelszuschläge durch die AMPreisV oder § 129 Abs 5a SGB V geregelt sind, im Zeitraum vom 1.4.2006 bis zum 31.3.2008 bei der Abrechnung mit der GKV nicht wirksam werden. Mit diesem Abschlag sollten die pharmazeutischen Unternehmen einen Beitrag zur Stabilisierung der Ausgaben der GKV leisten. Dieser Beitrag sei - so die Materialien - zumutbar, weil die Erlöszuwächse der pharmazeutischen Industrie aus der Abrechnung von Arzneimitteln mit der GKV im Jahre 2005 um mehr als 15 vH gestiegen seien, so dass die Hersteller durch ihren Einsparbeitrag nicht überfordert würden. Bei Re- und Parallelimporten (Einfuhr von in Deutschland oder in einem anderen Staat hergestellten Arzneimitteln gleicher Marke) wird der Ausgleich von Preiserhöhungen dagegen auf einen Betrag begrenzt, bei dem Importarzneimittel mindestens 15 vH bzw mindestens 15 Euro preisgünstiger bleiben als das Bezugsarzneimittel unter Berücksichtigung des zweijährigen Festschreibens der Abrechnungspreise mit den KKn. Die Regelung trägt einerseits den begrenzten Möglichkeiten der Arzneimittelimporteure Rechnung, Preiserhöhungen auf ausländischen Märkten auszugleichen. Andererseits gewährleistet sie, dass der gesetzliche Preisabstand zu den Bezugsarzneimitteln auch im Rahmen der Regelungen zum Ausschluss von Erhöhungen der Abrechnungspreise mit den KKn erhalten bleibt und trägt damit zur Erhaltung des Wettbewerbs durch preisgünstige Importarzneimittel bei.
Insgesamt gilt danach für Importarzneimittel nicht deutsches Preisrecht, und zwar auch unabhängig davon, ob auf die öffentlich-rechtlichen Einzelverträge der KKn mit der Klägerin (vgl dazu näher unten, 5b) Art 34 EGBGB nach seinem Rechtsgedanken anwendbar ist (hieran anknüpfend Mand, GRUR Int 2005, 637, 640) .
5. Entgegen der Ansicht der Klägerin widerspricht es nicht europäischem Recht, dass sie nicht den Herstellerrabatt erstattet erhält, dem Importarzneimittel nicht unterliegen. Die Klägerin wird dadurch nicht gegenüber inländischen Apotheken diskriminiert. Vielmehr ist der Herstellerrabatt ein mit europäischem Recht in Einklang stehendes Mittel zur finanziellen Entlastung der KKn (vgl 5d bis g). Apotheken haben kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Reichweite der Regelung des Herstellerrabatts. Sie werden lediglich für dessen technische Abwicklung zu Gunsten der KKn in Dienst genommen (vgl BVerfGE 114, 196, juris RdNr 232 ff; zur Problematik der Indienstnahme vgl Schlegel, in: von Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, S 265, 268 f) .
Die Klägerin beruft sich zu Unrecht darauf, es begründe für sie einen Anspruch aus § 130a Abs 1 Satz 2 SGB V, dass sie vertraglich mit KKn den Abzug eines "Herstellerrabatts" vereinbart habe. Zu Recht erhält sie vom beklagten Pharmahersteller keinen Rabatt erstattet. Diese Folge der zulässigen einzelvertraglichen Regelungen (vgl 5a) könnte nur dann in Widerspruch zu europäischem Recht stehen, wenn sie durch europarechtswidriges deutsches Gesetzesrecht hervorgerufen worden wären. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr steht es der Klägerin frei, dem Arzneimittellieferungsvertrag nach § 129 SGB V in europarechtskonformer Ausgestaltung beizutreten (vgl dazu 5b und c). Die Klägerin hat von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht, sondern stattdessen mit KKn Einzelverträge geschlossen. Begibt sich aber ein Marktteilnehmer auf der Basis europarechtskonformen Gesetzesrechts freiwillig ihm vorteilhafter Rechtspositionen, um einen Wettbewerbsvorteil - hier: gegenüber inländischen Apotheken - zu erlangen, kann er sich nicht gleichzeitig darauf berufen, die Folgen seiner Rechtsausübung seien ihm partiell abträglich. Damit betreibt er "Rosinenpickerei". So liegt es hier.
a) Die Klägerin nimmt nach ihrem Vorbringen an der Versorgung der GKV-Versicherten mit Arzneimitteln aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit den KKn teil. Diese Einzelverträge sehen offenbar vor, dass die Klägerin den beteiligten KKn nicht nur die gesetzlich geregelten Rabatte gewährt, sondern zusätzlich weitere, nach deutschen arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften bei reinen Inlandssachverhalten nicht zulässige Abschläge. Hierzu ist die Klägerin rechtlich in der Lage, weil sie bei der Abgabe von Arzneimitteln per Versandhandel aus dem Ausland - wie dargelegt - nicht den deutschen arzneimittelrechtlichen Preisregelungen unterworfen ist. Sie nutzt auf diesem Wege einen Wettbewerbsvorsprung, der ihr gegenüber deutschen Apotheken durch die unterschiedliche Ausgestaltung des Preisrechts für Arzneimittel in Europa zukommt.
Rechtsgrundlage der Verträge ist entgegen der Ansicht der Klägerin § 53 SGB X, nicht dagegen § 140e SGB V. § 140e SGB V sollte den KKn die Möglichkeit eröffnen, zur Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungserbringern im Geltungsbereich des EGV und des EWR-Abkommens Verträge abzuschließen und damit das Sachleistungsprinzip auch außerhalb Deutschlands im Geltungsgebiet des EWR-Abkommens umzusetzen (vgl BT-Drucks 15/1525 S 132 zu Nr 118 - § 140e -; siehe auch Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung Teil II - SGB V, Bd 1, Stand: 1.3.2008, § 13 RdNr 311). Die Zulässigkeit der Verwaltungsverträge ist demgegenüber nach § 53 Abs 1 SGB X zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 114, 196, juris RdNr 166) sind die Rechtsbeziehungen zwischen den KKn und den pharmazeutischen Unternehmen öffentlich-rechtlicher Natur (vgl § 69 SGB V; Krauskopf, in: derselbe, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand Oktober 2007, § 69 SGB V RdNr 2, 4; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl, 2008, § 53 RdNr 4a; Henninger, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, 1994, Krankenversicherungsrecht, § 44 RdNr 21). Zur Durchsetzung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots können sich die KKn aller rechtlich zulässigen Mittel des Verwaltungshandelns bedienen. Dazu zählt auch der Abschluss eines Verwaltungsvertrages, der einer besonderen Ermächtigungsnorm nicht bedarf (vgl BVerfGE 114, 196, juris RdNr 165 ff) . Unter Berücksichtigung der europäischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (vgl oben, II 2.) kommt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag auch mit ausländischen juristischen Personen in Betracht.
b) Deutsches Gesetzesrecht zwingt die Klägerin nicht, sich ausschließlich auf die von ihr beschriebenen Verträge mit den KKn einzulassen. Das nationale Recht ermöglicht es der Klägerin vielmehr alternativ, diskriminierungsfrei und europarechtskonform durch Beitritt zum Apothekenlieferungsvertrag an der Versorgung GKV-Versicherter mit Arzneimitteln aus dem Ausland per Versandhandel teilzunehmen. Nach der deutschen Gesetzeskonzeption bedürfen Apotheken keiner besonderen, eigenständigen Zulassung nach dem SGB V, um Arzneimittel GKV-Versicherten zur Verfügung zu stellen. Vielmehr erfolgt die Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte durch nach Arzneimittel- und Apothekenrecht hierzu befugte Apotheken nach Maßgabe des Rahmenvertrages gemäß § 129 Abs 2 SGB V (zutreffend Kranig in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2008, K § 129 RdNr 5; Schneider in: jurisPK-SGB V, § 129 RdNr 13 bei Fn 20; Wille, SdL 2007, 32, 46) . Ausländische Apotheken können im Rahmen zulässigen Versandhandels die Voraussetzungen nach Arzneimittel- und Apothekenrecht erfüllen (insoweit im Ergebnis zutreffend Koenig/Klahn, GesR 2006, 58, 60 ff).
Das ist bei der Klägerin - jedenfalls nach ihrem Vorbringen - teilweise der Fall gewesen, ohne dass der Senat hierüber entscheiden muss. Insoweit bedarf insbesondere keiner Entscheidung, ob dies aus Rechtsgründen im Jahr 2003 aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH, Urteil vom 11.12.2003 - C-322/01 - DocMorris NV - EuGHE I 2003, 14887) und des Arzneimittelversand- und Verbringungsverbots (§§ 43; 73 AMG aF) allenfalls für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Betracht gekommen ist, wofür vieles spricht. Ebenso wenig bedarf es der Feststellung, dass bei der Klägerin ab 2004 die rechtlichen Voraussetzungen für zulässigen Versandhandel tatsächlich erfüllt gewesen sind. Denn die Klägerin hat nach den Feststellungen des LSG, die der Senat mangels durchgreifender Rügen zugrunde zu legen hat (§ 163 SGG), nicht einmal versucht, dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V beizutreten (vgl unten, c).
Der Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V hat gemäß § 129 Abs 3 SGB V Rechtswirkung für Apotheken aber nur, wenn sie
• entweder einem Mitgliedsverband der Spitzenorganisation angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge dieser Art Rechtswirkung für die dem Verband angehörenden Apotheken haben,
• oder dem Rahmenvertrag beitreten.
Der Rahmenvertrag bezweckt, die Apotheken in die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots der GKV einzubeziehen und evtl Verstöße der Apotheken zu sanktionieren. So kommt etwa in Betracht, dass der Rahmenvertrag Sanktionen bei Verstößen der Apotheken gegen die Zuzahlungsregelungen für GKV-Versicherte (§§ 61, 62 SGB V) vorsieht, einem wesentlichen Steuerungsinstrument zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch Ausbildung und Stärkung eines Kostenbewusstseins der Betroffenen (vgl hierzu zB BSG, Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - RdNr 14, mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27) .
Zugleich ist die Einbeziehung in den Rahmenvertrag Grundlage des bundeseinheitlichen Verzeichnisses über die Apotheken (§ 293 Abs 5 SGB V) und damit auch der Arzneimittelabrechnung (vgl § 300 Abs 3 Nr 3 SGB V). Damit wird unter dem Gesichtspunkt der informationellen Selbstbestimmung der Versicherten die notwendige Transparenz sowie im Interesse der GKV die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Datennutzung und -verarbeitung gewährleistet.
c) Die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Vertrags nach § 129 Abs 2 SGB V sind europarechtskonform. Sie bieten keine Handhabe dafür, dass der Rahmenvertrag dazu missbraucht werden kann, beitrittswillige und nach Arzneimittel- und Apothekenrecht - im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH, Urteil vom 11.12.2003 - C-322/01 - DocMorris NV - EuGHE I 2003, 14887) - beitrittsfähige ausländische Apotheken zu diskriminieren. Durch die Vertragsgestaltung ist sicherzustellen, dass in- und ausländische Apotheken gleich behandelt werden. So dürfen ausländische Apotheken nicht unter dem Vorwand des Rahmenvertrags dazu gezwungen werden, sich ihrer Wettbewerbsvorteile zu begeben, die aus der Nichtanwendbarkeit deutschen Preisrechts folgen. Umgekehrt steht es ihnen frei, durch die Ausgestaltung ihres Vertriebs für die Anwendbarkeit der deutschen Preisvorschriften und damit auch für das Eingreifen der Bestimmungen über den "Herstellerrabatt" zu sorgen. Unter diesen Prämissen erweist sich die Beitrittsoption zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V für ausländische Apotheken als mit europäischem Recht vereinbar. Sie ermöglicht es ihnen, an der Versorgung GKV-Versicherter mit Arzneimitteln teilzuhaben. Es bedarf keiner Prüfung, inwieweit in der hier betroffenen Zeit von 2003 bis 2007 die Ausgestaltung des Rahmenvertrags in seinen Einzelheiten europarechtskonform war. Denn die Klägerin hat - wie dargelegt - nach den revisionsrechtlich nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen überhaupt nicht versucht, dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V beizutreten.
d) Die Klägerin wird durch die Beschränkung des Herstellerrabatts auf reine Inlandssachverhalte nicht im Sinne des europäischen Rechts diskriminiert. Europäisches Recht lässt vielmehr insoweit die Befugnis der Mitgliedsstaaten unberührt, zur finanziellen Entlastung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit an rein inlandsbezogene Sachverhalte anknüpfende Rabattregelungen zu erlassen, die sich im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben für nationale Preisvorschriften halten.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH lässt das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt (EuGH, Urteil vom 7.2.1984 - 238/82 - Duphar ua - EuGHE 1984, 523, juris RdNr 16; EuGH, Urteil vom 17.6.1997 - C-70/95 - Sodemare ua - EuGHE I 1997, 3395, juris RdNr 27; EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-120/95 - Decker - EuGHE I 1998, 1831, juris RdNr 21 = SozR 3-6030 Art 30 Nr 1; EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-158/96 - Kohll - EuGHE I 1998, 1931, juris RdNr 17 = SozR 3-6030 Art 59 Nr 5). In Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene bestimmt somit das Recht eines jeden Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen ua ein Anspruch auf Leistung besteht (EuGH, Urteil vom 30.1.1997 - C-4/95 und C-5/95 - Stöber und Piosa Pereira - EuGHE I 1997, 511, juris RdNr 36; EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-120/95 - Decker - EuGHE I 1998, 1831, juris RdNr 22 = SozR 3-6030 Art 30 Nr 1; EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-158/96 - Kohll - EuGHE I 1998, 1931, juris RdNr 18 = SozR 3-6030 Art 59 Nr 5).
Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten (EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-120/95 - Decker - EuGHE I 1998, 1831, juris RdNr 23 = SozR 3-6030 Art 30 Nr 1; EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-158/96 - Kohll - EuGHE I 1998, 1931, juris RdNr 19 = SozR 3-6030 Art 59 Nr 5). So unterliegen Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, die sich auf den Absatz medizinischer Erzeugnisse und mittelbar auf deren Einfuhrmöglichkeiten auswirken können, den Vorschriften des EGV über den freien Warenverkehr (EuGH, Urteil vom 7.2.1984 - 238/82 - Duphar ua - EuGHE 1984, 523, juris RdNr 18; EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-120/95 - Decker - EuGHE I 1998, 1831, juris RdNr 24).
Ebenso hat der EuGH festgestellt, dass die Besonderheiten bestimmter Dienstleistungen nicht dazu führen, dass diese nicht unter den elementaren Grundsatz des freien Verkehrs fielen (EuGH, Urteil vom 17.12.1981 - 279/80 - Webb - EuGHE 1981, 3305, juris RdNr 10; EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-158/96 - Kohll - EuGHE I 1998, 1931, juris RdNr 20) . Dass die streitige Regelung zum Bereich der sozialen Sicherheit gehört, schließt daher auch die Anwendung der Art 49 ff EG (zuvor: Art 59 und 60 EG-Vertrag) nicht aus (EuGH, Urteil vom 28.4.1998 - C-158/96 - Kohll - EuGHE I 1998, 1931, juris RdNr 21 = SozR aaO) .
e) Die Vereinbarkeit des "Herstellerrabatts" mit europäischem Recht beruht unter Beachtung der vorstehenden Prämissen darauf, dass die Rabattregelung Art 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988 (EWGRL) betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme unterfällt (sog Transparenzrichtlinie; ABl EWG vom 11.2.1989 L 40, 8). Zwar sind die Mitgliedstaaten bei fehlender Harmonisierung befugt, die Arzneimittelpreise festzulegen, soweit nicht nach der Herkunft des Präparats differenziert wird und der angegebene Preis rentabel ist (vgl EuGH, Urteil vom 29.11.1983 - C-181/82 - Roussel Laboratoria/Niederlande, EuGHE 1983, 3849, juris RdNr 17; EuGH, Urteil vom 19.3.1991 - C-249/88 - Kommission/Belgien, EuGHE I 1991, 1275, juris RdNr 15). Nach Art 1 Abs 1 EWGRL 89/105 stellen indes die Mitgliedstaaten sicher, dass alle einzelstaatlichen Maßnahmen in Form von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Kontrolle der Preise von Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch oder zur Einschränkung der unter ihre staatlichen Krankenversicherungssysteme fallenden Arzneimittel die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen. Deshalb sind auch die Regelungen über den "Herstellerrabatt" gemäß § 130a Abs 1 bis 7 SGB V an der Transparenzrichtlinie zu messen, da sie - wie dargelegt - an das deutsche Arzneimittelpreisrecht anknüpfen.
Die Regelungen über den "Herstellerrabatt" unterfallen als Verfügungen eines "Preisstopps" Art 4 EWGRL 89/105. Art 4 EWGRL 89/105 bestimmt:
"(1) Verfügen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Preisstopp für alle Arzneimittel oder für bestimmte Arzneimittelkategorien, so überprüft dieser Mitgliedstaat mindestens einmal jährlich, ob nach der gesamtwirtschaftlichen Lage die Beibehaltung des Preisstopps ohne Änderungen gerechtfertigt ist. Innerhalb von neunzig Tagen nach Beginn dieser Überprüfung erklären die zuständigen Behörden, ob und welche Preiserhöhungen oder -senkungen genehmigt werden.
(2) In Ausnahmefällen kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, eine Abweichung von einem Preisstopp beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Diese Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine begründete Entscheidung über jeden derartigen Antrag innerhalb von neunzig Tagen getroffen und dem Antragsteller mitgeteilt wird. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, so teilen die zuständigen Behörden dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind, und treffen ihre Entscheidung innerhalb von neunzig Tagen nach Erhalt dieser zusätzlichen Einzelangaben. Wird die Ausnahme zugelassen, so veröffentlichen die zuständigen Behörden unverzüglich eine Bekanntmachung der genehmigten Preiserhöhung.
Bei einer außergewöhnlich hohen Anzahl von Anträgen kann die Frist ein einziges Mal um sechzig Tage verlängert werden. Die Verlängerung ist dem Antragsteller vor Ablauf der ursprünglichen Frist mitzuteilen."
Die übrigen Bestimmungen der EWGRL 89/105 befassen sich dagegen mit Fällen, in denen
• (Art 2) das Inverkehrbringen eines Arzneimittels nur dann zulässig ist, wenn die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats den Preis dieses Erzeugnisses genehmigt haben,
• (Art 3) eine Erhöhung des Preises für ein Arzneimittel nur nach vorheriger Genehmigung der zuständigen Behörden zulässig ist,
• (Art 5) ein Mitgliedstaat ein System mittelbarer oder unmittelbarer Kontrollen über die Gewinne von Personen einführt, die Arzneimittel in den Markt einführen,
• (Art 6) ein Arzneimittel durch das staatliche Krankenversicherungssystem nur gedeckt ist, wenn die zuständigen Behörden beschlossen haben, das betreffende Arzneimittel in eine Positivliste der unter das staatliche Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel aufzunehmen, und
• (Art 7) die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ermächtigt sind, Entscheidungen zu treffen, durch die bestimmte Arzneimittel oder Arzneimittelkategorien von ihrem staatlichen Krankenversicherungssystem ausgeschlossen werden (Negativlisten).
Um Konstellationen der Art 2, 3, 5 bis 7 EWGRL 89/105 geht es vorliegend nicht. Vielmehr handelt es sich beim "Herstellerrabatt" bei der gebotenen weiten Auslegung des Art 4 EWGRL 89/105 um einen "Preisstopp" iS der EWGRL. Dass die EWGRL 89/105 nicht eng auszulegen ist, folgt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH daraus, dass die EWGRL 89/105 nach ihrem Art 1 sicherstellen soll, dass alle einzelstaatlichen Maßnahmen zur Kontrolle der Preise von Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch oder zur Einschränkung der unter die staatlichen Krankenversicherungssysteme fallenden Arzneimittel den Anforderungen der Richtlinie (RL) entsprechen (vgl EuGH, Urteil vom 27.11.2001 - C-424/99 - Kommission/Österreich, EuGHE I 2001, 9285, juris RdNr 30; EuGH, Urteil vom 12.6.2003 - C-229/00 - Kommission/ Finnland - EuGHE I 2003, 05727, juris RdNr 37; EuGH, Urteil vom 26.10.2006 - C-317/05 - G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG - EuGHE I 2006, 10611, juris RdNr 25).
Die Rabattregelung des § 130a SGB V zielt auf die Senkung der Arzneimittelpreise zur Ausgabenbegrenzung der KKn ab (vgl BVerfGE 114, 196, juris RdNr 234 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9). Nachdem der deutsche Gesetzgeber im Vorfeld des BSSichG wiederum (vgl bereits BVerfGE 68, 193, 219) überproportionale Ausgabensteigerungen in der Arzneimittelversorgung (BT-Drucks 15/28, S 12) und damit die Unzulänglichkeit früherer Kostendämpfungsmaßnahmen in diesem Bereich zur Kenntnis nehmen musste, durfte er eine weitere Begrenzung der Arzneimittelausgaben für notwendig halten. Es entsprach seinem weiten wirtschafts- und sozialpolitischen Gestaltungsspielraum, dass er Beitragssatzsteigerungen, mit denen Einnahmeverbesserungen hätten erreicht werden können, unbedingt vermeiden wollte, um einen damit verbundenen Anstieg der Lohnnebenkosten zu verhindern (vgl BVerfGE 114, 196, juris RdNr 234 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9).
Von der Anwendbarkeit des Art 4 EWGRL geht § 130a Abs 4 SGB V zudem selbst aus. Nach § 130a Abs 4 SGB V hat das Bundesministerium für Gesundheit nach einer Überprüfung der Erforderlichkeit der Abschläge nach den Absätzen 1 und 2 nach Maßgabe des Art 4 EWGRL 89/105 die Abschläge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates aufzuheben oder zu verringern, wenn und soweit diese nach der gesamtwirtschaftlichen Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die GKV, nicht mehr gerechtfertigt sind. Die in § 130a Abs 4 SGB V geregelten Verfahren berücksichtigen damit die Vorgaben des Art 4 der Transparenz-RL sowie die vorrangigen Interessen der GKV (vgl Gesetzentwurf eines BSSichG der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/28 S 16 Zu Nr 8 - § 130a - Zu Absatz 1) .
Nicht einschlägig ist demgegenüber der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel. Denn Art 4 Abs 3 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (EGRL) 2001/83 (vom 6.11.2001, ABl EG L 311, 67; insoweit in der Folgezeit nicht geändert, vgl zuletzt ÄnderungsEGRL 2008/29/EG vom 11.3.2008, ABl EG L 81, 51) zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel besagt: "Die Bestimmungen dieser Richtlinie berühren nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise und ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen." Erwägungsgrund 33 der EGRL 2001/83 sieht zudem unverändert vor, dass die Regelungen des Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Einstufung bei der Abgabe von Arzneimitteln nicht die Bestimmungen der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit über die Erstattung bzw Bezahlung verschreibungspflichtiger Arzneimittel berühren.
f) Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art 234 EGV an den EuGH bedarf es wegen der klaren Rechtslage und der Unerheblichkeit der von der Klägerin angeregten Vorlagefragen nicht.
Wie oben (unter 5d und 5e) eingehend dargelegt, bestehen auf der Grundlage der dort zitierten Rechtsprechung des EuGH keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung von Europarecht im hier betroffenen Bereich mehr (vgl hierzu allgemein zB EuGH, Urteil vom 6.10.1982 - C 283/81 - CILFIT - EuGHE 1982, 3415, 3430). Die Vorlagefragen, die die Klägerin formuliert hat, gehen von rechtlichen und tatsächlichen Prämissen aus, die im vorliegenden Rechtsstreit nicht erfüllt sind.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 iVm § 154 Abs 1 bis 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
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