Redaktionell aufgemachte Werbung und Kennzeichnungspflicht

Gericht

OLG Thüringen


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

08. 04. 2009


Aktenzeichen

2 U 937/08


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Veröffentlichung und des Vertriebes von Anzeigenblättern im Raum Altenburg. Die Verfügungsklägerin macht gegenüber der Verfügungsbeklagten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen sog. getarnter Werbung geltend, weil sie eine Kennzeichnung eines nachfolgend wiedergegebenen Beitrages mit dem Wort "Anzeige" nicht für ausreichend deutlich hält.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil die Kennzeichnung ausreichend sei. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Die Verfügungsbeklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.


II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin ergibt sich bezogen auf den zum Streitgegenstand erhobenen Verletzungsfall weder aus §§ 8 I, 4 Nr. 3 UWG (für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch: Nr. 11 des Anhangs zu § 3 III UWG) noch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Thüringer Pressegesetz.

Vorliegend ist allerdings unstreitig, dass die gesamte Zeitungsseite eine Anzeigenwerbung ist, also keinen redaktionellen Beitrag enthält, sondern die entsprechenden Spalten auch des in redaktioneller Weise aufgemachten Teils von dem Inserenten bezahlt wurden. In einem solchen Fall muss die Eigenschaft auch des redaktionell aufgemachten Beitrags als Anzeige deutlich erkennbar gemacht werden. Die deutliche Erkennbarkeit kann entweder dadurch herbeigeführt werden, dass die (äußere) Gestaltung der Anzeige diese von einem redaktionellen Beitrag abgrenzt oder der Beitrag mit dem Wort "Anzeige" gekennzeichnet wird.

Das Landgericht hat, von der Berufung unbeanstandet, zutreffend ausgeführt, dass die äußere Gestaltung des Beitrags diesen noch nicht ausreichend als Werbung kenntlich macht. In Bezug auf seine äußere Gestaltung ist die obere Hälfte der Zeitungsseite nämlich wie ein redaktioneller Beitrag aufgemacht: Er ist in Spalten gesetzt und verwendet Überschrift und Unterüberschrift. Außerdem ist die farbliche Gestaltung (auch des Bildes und der Fettdruckteile) redaktionell-schlicht; es findet sich auch keine deutliche Einrahmung des Beitrages. Das fehlende Autorenkürzel hat, da es kein wichtiger Bestandteil der äußeren Gestaltung ist, nur untergeordnete Bedeutung. Dass der Inhalt des Artikels, und zwar insbesondere die Überschrift und die die Unterüberschrift, einen absolut werbemäßig-reißerischen Charakter hat, ändert nichts daran, dass die Aufmachung, also die äußere Gestaltung, in der Art eines redaktionellen Beitrags erfolgte. Die bloß inhaltlich reißerische Aufmachung allein kann eine gestalterische Abgrenzung nicht ersetzen. Außerdem wird im konkreten Fall einer klar als Werbung zu erkennenden Anzeige ein Textbeitrag beigestellt. Dieser besitzt, was wohl auch der Werbeabsicht des Inserenten entspricht, trotz seines reißerischen Charakters vor allem in der Überschrift nach seiner gestalterischen Aufmachung und bei der gegebenen Kontrastierung mit einer farbigen Anzeige redaktionellen Charakter.

Folglich kann die Unterscheidung für das allgemeine Publikum nur durch die Kennzeichnung als "Anzeige" herbeigeführt werden. Nicht ausreichend ist hierbei die Kennzeichnung in der oberem Mitte der Seite mit dem Wort "Spezial", weil dies nicht klar genug macht, dass die gesamte Seite, trotz ihrer unterschiedlichen Aufmachung werbefinanziert bzw. Anzeige ist. Selbstverständlich ebenfalls nicht ausreichend ist, dass der streitgegenständliche Beitrag sich in einem Anzeigenblatt befindet. Denn dieses enthält - unstreitig - nicht nur Werbung und ist nicht als reine Werbeschrift betitelt.

Jedoch ist im vorliegenden Falle (anders bei OLG Frankfurt - 6 W 148/05; OLG Stuttgart WRP 2007, 1274; OLG Stuttgart MD 2007, 861) in zweifelsfreiem räumlichem Zusammenhang mit dem betroffenen Beitrag auch die Kennzeichnung mit "Anzeige" vorhanden. Sie ist - insoweit noch verkehrstypisch - oberhalb der Überschrift am (oberen) rechten Rand des Beitrags angebracht. Dieser Zusatz kann sich auch nicht auf etwas anderes beziehen, weil sich auf derselben Seite keine weitere redaktionell aufgemachte Anzeige befindet. Der Zusatz "Anzeige" ist zwar in seiner Schriftgröße so gehalten, dass die Gefahr nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, dass er überlesen wird. Gleichwohl reicht er im konkreten Fall aus, um (gerade noch) von einer deutlichen Kennzeichnung zu sprechen.

Wie die Kennzeichnung durch den Zusatz "Anzeige" zu erfolgen hat, kann nur für den Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände beurteilt werden (OLG München ZUM-RD 1998, 543). Der Hinweis muss nach Schriftart, Schriftgröße, Platzierung und Begleitumständen ausreichend deutlich sein (BGH GRUR 1996, 791, 792 - Editorial II). Maßgeblich ist die Beurteilung durch einen situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsleser. In anderem Zusammenhang hat der BGH (GRUR 1988, 68, 70 - Lesbarkeit von Pflichtangaben; vgl. auch OLG Frankfurt WRP 2007, 111) die Schriftgröße von 6 pt als "Untergrenze" bezeichnet. Die vorliegend verwendete Schriftgröße ist jedenfalls nicht kleiner.

Der relevante Durchschnittsleser wird die Kennzeichnung "Anzeige" in der konkreten Situation erkennen. Bei der Beurteilung des Grades an Aufmerksamkeit, den der Durchschnittsleser in der konkreten Situation aufbringt, ist das Umfeld des Beitrages zu berücksichtigen, das gleichzeitig Wechselwirkungen hervorrufende "Begleitumstände" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH GRUR 1996, 791, 792 - Editorial II) darstellt. Deshalb findet bei der Einbeziehung solcher Umstände in die Entscheidung entgegen der Auffassung der Berufung keine Verquickung zweier für sich genommen unzureichender Kennzeichnungselemente statt. Vielmehr stehen der reißerische Charakter des Beitrags und die Anforderungen an die Deutlichkeit der Kennzeichnung mit "Anzeige" in einem Wechselspiel (so auch LG Stuttgart WRP 2006, 773).

Der Durchschnittsleser wird im vorliegenden (Einzel-)Fall, also bei einem Anzeigenblatt und bei einem äußerst reißerischen Artikel, insbesondere beim Lesen einer Überschrift, die mit dem beigestellten "klassischen" Anzeigenschlagwort (nahezu) identisch ist, sehr viel eher mit werbefinanzierten Beiträgen rechnen und daher auch Kennzeichnungen leichter erkennen, weil er sie vermutet, jedenfalls aber sensibilisiert ist. Dies gilt auch dann noch, wenn die redaktionelle Gestaltung eines Beitrags, der eigentlich Werbung ist, bewusst mit einer "klassischen" Werbung kontrastiert wird, wenn und weil beide Anzeigenformen erkennbar (durch Verwendung derselben, als werbemäßig bekannten Schlagwörter) aufeinander Bezug nehmen, die Schriftgröße des Zusatzes gerade noch ausreicht und vom Zusatz auch nicht durch eine unterschiedliche farbliche Gestaltung abgelenkt wird.

Rechtsgebiete

Werberecht