Zulässige Veröffentlichung einer Konventionalstrafe auf Verbandshomepage

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

30. 01. 2009


Aktenzeichen

14 U 131/08


Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 16.09.2008 - 2 O 310/08 - wird zurückgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  3. Der Streitwert für beide Instanzen wird auf 8.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung/Verbreitung einer ihn betreffenden Mitteilung auf einer Website in Anspruch.

Der Kläger ist Mitglied des Inline-Skaterhockeyvereins ... und Betreuer von dessen 2. Bundesligamannschaft. Am 14.04.2008 spielte eine Mannschaft des Vereins in der Jugendliga gegen den ... . Nachdem sich ein Spieler verletzt hatte, kam es zwischen dem Kläger, der sich um ihn kümmern wollte, und dem Trainer der gegnerischen Mannschaft zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Kläger dem Trainer eine Ohrfeige versetzte. Der Disziplinarausschuss des Württembergischen Rollsport- und Inline-Verbandes e. V. verhängte gegen den Kläger wegen der Tätlichkeit eine Geldstrafe von 100,00 € und sperrte ihn für die Ausübung einer offiziellen Tätigkeit innerhalb der Verbände in Baden-Württemberg und der ISHD für alle Inline-Skaterhockeyspiele bis zum 30.04.2009. Gegen den Verein wurde eine Geldstrafe von 250,00 € verhängt, da er seine Ordnungspflicht nicht ausreichend erfüllt hatte. Auf der Homepage der Inline-Skaterhockey-Ligen des Württembergischen und Südbadischen Rollsport- und Inline-Verbandes wird eine Liste der verhängten Spielsperren veröffentlicht, in der jeweils das Datum, der Name, der Verein, die Liga, das Vergehen und die Strafe genannt werden. In diese Liste, zu der man über die Links „Saison“ und weiter „Spielsperren“ gelangt, wurde der Eintrag aufgenommen:

„14.04.2008 ... Jugendliga Tätlicher Angriff auf Trainer der Gästemannschaft Sperre bis zum 30.04.2009 (für die Ausübung offizieller Tätigkeiten) + Geldstrafe“

Die Veröffentlichung solcher Strafübersichten auf der Homepage ist in der Wettkampfordnung des Deutschen Rollsport- und Inline-Verbandes ausdrücklich vorgesehen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.08.2008 hat der Kläger die Beklagten aufgefordert, den Interneteintrag zu entfernen. Um den 04.08.2008 herum ist der Eintrag gelöscht worden. Am 15.08.2008 hat der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe die Veröffentlichung im Internet am 18.04.2008 bei einer Google-Suche festgestellt. Zunächst habe er sich an den Datenschutz gewandt. Der Eintrag auf der Website sei ein rechtswidriger Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Da sein Name in Verbindung mit seinem Heimatverein genannt werde, sei er identifizierbar. Eine identifizierende Berichterstattung sei nicht zulässig; die Ursache der Sperre dürfe nicht in der Öffentlichkeit breitgetreten werden. Es trete eine Stigmatisierung bzw. Prangerwirkung ein. Er sei als Fahrschullehrer tätig und Kunden könnten abgeschreckt werden. Satzungen und sonstiges Vereinsrecht müssten höherrangiges Recht beachten. Er unterliege den Regeln sowieso nicht, da er nur als Zuschauer anwesend gewesen sei und nicht als Teamoffizieller in die Spielliste eingetragen war.

Die Beklagten haben geltend gemacht, dass der Beklagte Ziff. 1 nicht passivlegitimiert sei. Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch zu, weil er in die Datenverwendung auf der Website eingewilligt habe. Dies ergebe sich aus der maßgeblichen Satzung, der er unterliege. Im übrigen liege keine rechtswidrige Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor. Dem Interesse des Klägers stehe das Interesse der beteiligten Verbände gegenüber, den Mitgliedern und Teilnehmern umfassende Informationen über die Vorkommnisse in den Ligen zu geben und über bestehende Spielsperren zu informieren. Die Webseite habe nur einen äußerst geringen Adressatenkreis. Die potentielle weltweite Erreichbarkeit über den Einsatz von Suchmaschinen ändere daran nichts. Wer diese Möglichkeit nutze, kenne den Namen des Klägers schon. Bei einer verbandsrechtlichen Disziplinarstrafe sei keine vergleichsweise Stigmatisierungswirkung wie bei einem Strafurteil zu erwarten.

Das Landgericht Freiburg hat den Antrag durch Urteil vom 16.09.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung. Der Eintrag auf der Website betreffe seine Sozialsphäre. Äußerungen zur Sozialsphäre dürften nur dann mit negativen Sanktionen verknüpft werden, wenn schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht bestünden, etwa eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen seien. Die Abwägung der beteiligten Interessen ergebe, dass die Veröffentlichung zulässig sei. Der im Internet veröffentlichte Eintrag sei zwar geeignet, das Ansehen des Klägers zu beeinträchtigen, und nachteilige Auswirkungen auf seine Tätigkeit als Fahrlehrer könnten nicht ausgeschlossen werden. Das Fehlverhalten des Klägers sei aber zutreffend dargestellt. Die Information werde auch nicht in reißerischer oder anprangernder Form vermittelt; vielmehr werde der Leser im Rahmen einer Auflistung ähnlicher disziplinarischer Maßnahmen über ein unsportliches Verhalten des Klägers und dessen Sanktionierung durch den Verband informiert. Dass der Kläger bei dem Vorfall als Zuschauer gehandelt habe, sei unerheblich; er habe die Rechtmäßigkeit der Sperre nicht angegriffen und diese sei wirksam geworden. Vor allem stehe dem Interesse des Klägers, mit dem Vorfall nicht namentlich in Verbindung gebracht zu werden, das berechtigte Interesse der beteiligten Verbände gegenüber, den Vereinen, Spielern, Schiedsrichtern, Trainern, Betreuern und sonst am Sportgeschehen innerhalb der Verbände Beteiligten die Möglichkeit zu verschaffen, sich über ausgesprochene Sperren und deren Hintergründe zu informieren und die Umsetzung der Sperren zu kontrollieren. Dass dies nicht in brieflicher Form an ausgewählte Adressaten geschehe, sondern der Verband die Vorteile des Internets -Schnelligkeit, Aktualität, Kostengünstigkeit - nutze, entspreche der Bedeutung dieses Mediums und sei nicht zu beanstanden. Durch die Einschaltung von Suchmaschinen werde zwar über den unmittelbaren Adressatenkreis hinaus der unbegrenzte Zugriff der Allgemeinheit auf die Information eröffnet. Dies müsse der Kläger aber hinnehmen. Trotz der grundsätzlich weltweiten Zugriffsmöglichkeit seien die damit für den Kläger verbundenen Beeinträchtigungen als geringer anzusehen als bei einer Veröffentlichung in der Tagespresse. Während dort auch völlig Unbeteiligte ohne eigenes Zutun mit dem Vorgang und dem Namen des Klägers konfrontiert würden, sei davon auszugehen, dass der Eintrag auf der Website praktisch nur den an dieser Sportart oder an der Person des ihnen namentlich bekannten Klägers Interessierten bekannt werde. Vor allem sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger durch seine Tätigkeit als Betreuer einer Vereinsmannschaft den Statuten der beteiligten Verbände unterworfen und damit eingewilligt habe, dass sein Name elektronisch gespeichert und in Listen, darunter auch Strafübersichten, auf der Homepage veröffentlicht wird.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Kläger macht geltend, er habe die Geldstrafe und die Spielsperre akzeptiert, weil er sein Verhalten bereue und die Widerspruchsgebühr nach den maßgeblichen Statuten auch im Erfolgsfall 150,00 € betrage. Eine Güter- und Interessenabwägung könne einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur dann rechtfertigen, wenn ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehe. Der Vorfall habe keinerlei Öffentlichkeitsbezug gehabt: Er habe als Zuschauer an dem Spiel teilgenommen und es handele sich um eine Randsportart. Eine verbandsinterne Mitteilung in einer Mitgliederzeitschrift oder einem Rundschreiben hätte völlig ausgereicht. Da sein Namen an prominenter Stelle in der Suchmaschine „Google“ dauerhaft mit dem Vorfall verknüpft sei, werde der Vorfall auch völlig Unbeteiligten präsentiert, die kein Informationsinteresse hätten. Aus der Wirkung der Verlinkung in Suchmaschinen resultiere eine stigmatisierende Prangerwirkung; der geplante Betrieb einer selbständigen Fahrschule werde geschädigt. Die Gegenseite habe gar keine grundrechtlich geschützte Position: Es handele sich weder um eine Presseveröffentlichung noch um eine Meinungskundgabe, so dass ein Schutz nach Art. 5 GG insgesamt ausscheide. Er habe auch nicht in eine solche Veröffentlichung seines Namens eingewilligt. Die Wettkampfordnung sei zumindest dahin auszulegen, dass allenfalls in eine verbandsinterne Veröffentlichung eingewilligt wurde. Er biete die Zuziehung eines Sachverständigen an um zu überprüfen, inwieweit die Internetseite so gestaltet werden kann, dass sie nur von Insidern wahrgenommen werden könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 02.09.2008 - Az.: 2 O 310/08 - aufzuheben und den Antragsgegnern und Berufungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, in Bezug auf den Antragsteller wörtlich oder sinngemäß Folgendes zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

„... Jugendliga. Tätlicher Angriff auf Trainer der Gästemannschaft. Sperre bis zum 30.04.2009 (für die Ausübung Offizieller ...“

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 16. September 2008, AZ. 2 O 310/08 zurückzuweisen.

Die Beklagten machen geltend, die Veröffentlichung sei bereits mehrere Monate vorhanden und auch dem Kläger bekannt gewesen. Da der Kläger erst vier Monate später einen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt habe, bestehe keine Dringlichkeit. Schon aus diesem Grund könne die Berufung keinen Erfolg haben. In der Wettkampfordnung sei ausdrücklich normiert, dass die Listen auf der Homepage veröffentlicht werden. Das Informationsinteresse aller am Spielbetrieb Beteiligten überwiege das Interesse des Klägers an Anonymisierung. Eine gastgebende Mannschaft müsse nachprüfen können, ob gegen einen Offiziellen der gegnerischen Mannschaft eine Strafe verhängt worden sei. Die theoretische Möglichkeit, außerhalb der Inline-Skaterhockey-Szene von dem Vorfall Kenntnis nehmen zu können, stehe nicht mit einem tatsächlichen Bedürfnis in Einklang, Kenntnis erlangen zu wollen. Die Beeinträchtigungen für den Kläger seien weitaus geringer als bei einer Veröffentlichung in der Tagespresse.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und Anlagen verwiesen.


II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Ob der Kläger nahezu vier Monate nach der Entdeckung der Interneteintragung noch vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen könnte, scheint zweifelhaft. Jedenfalls aber fehlt es an einem Verfügungsanspruch.

Die Auslegung oder Veröffentlichung einer Namensliste fällt - unabhängig von ihrer Einordnung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung - in den Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit (BVerfG, NJW 2000, 2413). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hängt die Zulässigkeit einer Äußerung im Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht wesentlich davon ab, ob es sich um ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung handelt. Im vorliegenden Fall geht es um eine der Wahrheit entsprechende Tatsachenbehauptung. Wahre Angaben müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind (BVerfG a. a. O.). Dass von dem Disziplinarausschuss verhängte Sanktionen nicht nur die Betroffenen und ihren jeweiligen Verein, sondern auch andere Vereine und am Spielgeschehen in den Ligen Beteiligte angehen und ihnen deshalb eine Möglichkeit gegeben werden muss, sich über aktuelle Sperren zu informieren, liegt auf der Hand. Eine Veröffentlichung auf der Homepage ist die praktikabelste Möglichkeit, über die jeweils aktuellen Sperren zu informieren. Deshalb sieht die Wettkampfordnung eine solche Veröffentlichung auf der Homepage auch ausdrücklich vor. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Veröffentlichung geeignet ist, dem Kläger einen erheblichen Persönlichkeitsschaden zuzufügen. Die Veröffentlichung auf der Homepage entfaltete -anders als eine Berichterstattung in der Presse oder gar im Fernsehen - keine besondere Breitenwirkung. Nur solche Personen erhielten die Information über den Kläger, die von sich aus aktiv wurden, die Website aufriefen und sich über mehrere Links zu den Spielsperren „durchklickten“. Der Umstand, dass der Eintrag über den Kläger auch bei Eingabe des Namens „...“ in der Suchmaschine Google erscheint, macht die Veröffentlichung auf der Website nicht rechtswidrig. Wer den Kläger nicht kennt, kann den Eintrag nicht zuordnen und hat keinerlei Interesse an ihm. Die Möglichkeit, dass sich jemand Informationen über den Kläger beschaffen will, deshalb seinen Namen in die Suchmaschine Google eingibt und so erfährt, dass er wegen eines tätlichen Angriffs auf den Trainer der Gästemannschaft für die Ausübung offizieller Tätigkeiten in den Ligen zeitweise gesperrt worden ist, erfordert es nicht, von einer Veröffentlichung im Internet abzusehen. Sich Informationen über einen Dritten zu beschaffen ist ebenso erlaubt, wie Informationen über einen Dritten zu erteilen. Der Umstand, dass Suchmaschinen die Beschaffung solcher Informationen erleichtern, ändert hieran nichts. Mit der Möglichkeit einer solchen Suche ist keinerlei öffentliche Stigmatisierung oder Prangerwirkung verbunden.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht

Normen

BGB § 823 I