Anzeigenredakteure in Presseunternehmen sind oft Tendenzträger

Gericht

LAG Köln


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

24. 06. 2008


Aktenzeichen

9 TaBV 74/07


Leitsatz des Gerichts

  1. Anzeigenredakteure in Presseunternehmen sind Tendenzträger im Sinne des § 118 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 BetrVG.

  2. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl von Anzeigenredakteuren für Berufsbildungsmaßnahmen.

Tenor


Tenor:

  1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Oktober 2007 – 7 BV 122/07 – abgeändert: Die Anträge werden zurückgewiesen.

  2. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

  3. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht bei der Entsendung von Anzeigenredakteuren zu betrieblichen Bildungsveranstaltungen.

Die Arbeitgeberin (Antragsgegnerin) betreibt einen Zeitungsverlag. Mit Schreiben vom 20. März 2007 teilte sie dem bei ihr bestehenden Betriebsrat mit, sie beabsichtigte, 4 Anzeigenredakteure an einer betrieblichen Bildungsmaßnahme "Adobe Photoshop CS2 – Firmenseminar" teilnehmen zu lassen. Mit Schreiben vom 27. März 2007 lehnte der Betriebsrat die zunächst nach § 98 BetrVG beantragte Zustimmung mit der Begründung ab, er könne nicht erkennen, dass die Anzeigenredakteure diese Unterrichtung in einem Bildbearbeitungsprogramm für ihre Tätigkeit benötigten.

Nachdem es auch nach einer Zusicherung der Arbeitgeberin, die Weiterbildung der Anzeigenredakteure werde nicht zu einer Änderung der Tätigkeit der in der Bildbearbeitung Beschäftigten führen, zu keiner Einigung gekommen war, vertrat die Arbeitgeberin erstmals mit Schreiben vom 16. April 2007 den Standpunkt, es handle sich um eine mitbestimmungsfreie Bildungsveranstaltung für Tendenzträger im Sinne des § 118 BetrVG, und ließ die Veranstaltung stattfinden.

Die Anzeigenredakteure sind der Anzeigenabteilung zugeordnet. Sie sind zuständig für das Verfassen von Berichten bei Anzeigensonderveröffentlichungen zu Sonderthemen, Messen und Sonderveranstaltungen sowie für das Verfassen von Anzeigen zu firmenbezogenen Themen wie Jubiläen und Geschäftsneueröffnungen oder Geschäftswiedereröffnungen, die als Kundenanzeigen gekennzeichnet sind. Ihre Aufgabe besteht darin, Wort- und Bildmaterial zu sammeln, sichten, ordnen und auszuwählen, Texte zu bearbeiten und zu verfassen, die Texte redaktionell und technisch auszugestalten sowie sämtliche Tätigkeiten zu koordinieren. Sie nehmen nicht an der Redaktionskonferenz teil. Der Leiter der Anzeigenredaktion und 3 weitere Anzeigenredakteure sind in den Tarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure eingruppiert.

Mit dem vorliegenden Antrag, der am 3. Juli 2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, begehrt der Betriebsrat, der Arbeitgeberin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, ohne seine Zustimmung oder eine ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle, innerbetriebliche Bildungsmaßnahmen für Mitglieder der Redaktion Verlagsbeilagen der Anzeigenabteilung durchzuführen, und der Arbeitgeberin zugleich ein Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung anzudrohen. Er ist der Ansicht, die Entsendung der 4 Anzeigenredakteure zu der Bildungsveranstaltung sei mitbestimmungspflichtig gewesen, da die bei der Arbeitgeberin tätigen Anzeigenredakteure keine Tendenzträger seien.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 17. Oktober 2007 dem Unterlassungsantrag des Betriebsrats stattgegeben und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu EUR 1.000,00 angedroht. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anzeigenredakteure seien keine Tendenzträger, da sie nicht die für einen Zeitungsverlag kennzeichnende Tendenz verwirklichten, sondern die Belange der Anzeigenkunden unterstützten. Die Arbeitgeberin lasse sie nicht an der Redaktionskonferenz teilnehmen. Zudem erschienen die von ihnen erstellten Verlagsbeilagen inhaltsgleich bei mehreren Zeitungen mit unterschiedlicher Tendenz.

Gegen den am 9. November 2007 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 29. November 2007 Beschwerde eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11. Februar 2008 – am 11. Februar 2008 begründet.

Sie ist weiterhin der Ansicht, die Verlagsredakteure seien Tendenzträger. Sie erstellten nicht nur Beiträge im Kundenauftrag, sondern ihre Tätigkeit sei zu ca. 60 % die redaktionelle Bearbeitung allgemeiner Themen wie z. B. die Erstellung der Wirtschaftsbeilage für eine Region, der Beilagen "Bauen & Wohnen", "Autofrühling, -sommer, -herbst", "Natur und Jagd", "Campus & Co. (Hochschulmagazin)", "didacta – die Bildungsmesse", "Unser Handwerk" sowie die Berichterstattung im wöchentlichen Immobilien- und Arbeitsstellenteil. Dabei recherchierten und verfassten die Redakteure ihre Beiträge völlig kundenunabhängig. Für die Beurteilung der Tendenzträgereigenschaft sei nicht entscheidend, ob sie an der Redaktionskonferenz teilnähmen oder nicht. Ebenfalls könne nicht erheblich sein, dass inhaltsgleiche Verlagsbeilagen bei verschiedenen Tageszeitungen (K und K ) erschienen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Oktober 2007 – 7 BV 122/07 – die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

  1. die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen;

  2. im Wege der Anschlussbeschwerde unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Oktober 2007 der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 anzudrohen.

Er ist weiterhin der Ansicht, die Anzeigenredakteure seien keine Tendenzträger. Sie erstellten inhaltsgleiche Beilagen für Tageszeitungen mit unterschiedlicher Tendenz, seien der Anzeigenabteilung zugeordnet und nähmen nicht an den Redaktionskonferenzen teil, in denen die geistig ideelle Zielsetzung der Beiträge für die beteiligten Ressorts nach den Vorgaben des Herausgebers festgelegt werde. Anzeigenkunden seien nur dann bereit, in Anzeigensonderveröffentlichungen zu inserieren, wenn die sogenannten Kollektivtexte ihren Wünschen entsprächen. Die Anzeigenredakteure verwendeten nicht 60 % ihrer Arbeitszeit damit, selbst Beiträge zu verfassen. Vielmehr gebe es Anzeigensonderveröffentlichungen mit Beiträgen, die ausschließlich von Redakteuren anderer Ressorts, von freien Redakteuren oder von den inserierenden Kunden selbst, z. B. einem Fachanwalt, verfasst worden und anschließend von den Anzeigenredakteuren lediglich zusammengestellt worden seien.

Er ist der Ansicht, das angedrohte Ordnungsgeld müsse auf bis zu EUR 10.000,00 erhöht werden, um die Arbeitgeberin zur Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung auch tatsächlich anzuhalten.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Beschwerdegericht hat in der mündlichen Anhörung am 24. Juni 2006 den Leiter der Anzeigenredaktion Herrn I zur Sachverhaltsaufklärung angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24. Juni 2008 verwiesen.

II. Während die Beschwerde der Arbeitgeberin in vollem Umfang Erfolg hat, ist die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

A. Die Beschwerde der Arbeitgeberin und die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats sind zulässig.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1, 2 ArbGG i. V. m. § 87 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

Auch die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats ist statthaft und fristgerecht binnen der Erwiderungsfrist eingelegt und auch begründet worden.

B. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.

Der Betriebsrat hat keinen Anspruch gegen die Arbeitgeberin, innerbetriebliche Bildungsmaßnahmen für Anzeigenredakteure ohne seine vorherige Zustimmung oder die Entscheidung der Einigungsstelle zu unterlassen.

1. Der Antrag ist zwar zulässig. Insbesondere ist er bestimmt, da die Streitfrage, ob der Betriebsrat von der Arbeitgeberin fordern kann, es zu unterlassen, Anzeigenredakteure zu betrieblichen Bildungsveranstaltungen ohne seine vorherige Zustimmung oder die Entscheidung der Einigungsstelle zu entsenden, weil er ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung hat, genau bezeichnet ist und deshalb mit Rechtskraft entschieden werden kann (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 30. Mai 2006 – 1 ABR 17/05 -).

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Zwar hat der Betriebsrat unter den Voraussetzungen des § 98 BetrVG grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung, insbesondere auch bei der Auswahl der Arbeitnehmer, die an einer Berufsbildungsmaßnahme teilnehmen sollen (§ 98 Abs. 3 BetrVG).

Da es sich aber bei den Anzeigenredakteuren um Tendenzträger handelt, findet § 98 Abs. 3, 4 BetrVG nach § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG keine Anwendung.

a. Bei der stattgefundenen Bildungsmaßnahme "Adobe Photoshop CS" handelt es sich um eine Berufsbildungsmaßnahme im Sinne des § 98 BetrVG. Sie vermitteln den Anzeigenredakteuren berufsspezifische Fähigkeiten für ihre tägliche Arbeit bei der Bearbeitung von Bildmaterial und der Abstimmung mit den Anzeigenkunden.

b. Nach § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dienen, keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht.

aa. Die Arbeitgeberin ist ein Tendenzunternehmen. Ihr Geschäftszweck ist die Berichterstattung und Meinungsäußerung im Sinne der gesetzlichen Regelung.

Bei personenbezogenen Maßnahmen kommt deshalb eine Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Betracht, wenn sie sog. Tendenzträger betreffen (vgl. BAG, Beschluss vom 30. Mai 2006 – 1 ABR 17/05 -).

bb. Ein Beschäftigter ist Tendenzträger, wenn die Bestimmungen und Zwecke des betreffenden Unternehmens oder Betriebes für seine Tätigkeit prägend sind (vgl. BAG, Beschluss vom 30. Mai 2006 – 1 ABR 17/05 –).

Dies wird überwiegend bei Redakteuren in Presseunternehmen bejaht, soweit sie den Ressorts der Berichterstattung zugeordnet sind.

aaa. Ob dies generell auch für Anzeigenredakteure in Presseunternehmen gilt, ist dagegen umstritten (vgl. für Tendenzträgereigenschaft: Mayer-Maly in AfP 1976, S. 3, 4; Hess-Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai, BetrVG, 7. Aufl., § 118 Rdn. 31 a; Richardi-Thüsing, BetrVG, 11. Aufl., § 118 Rdn. 125 unter Hinweis auf den Schutz nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch für diesen Bereich der Presse; gegen Tendenzträgereigenschaft: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 10. Aufl., § 118 Rdn. 39 für eine generelle Beschränkung bei Redakteuren auf nur die verantwortlich Tätigen; Noll, Arbeitsrecht im Tendenzbetrieb, S. 50).

bbb. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage noch nicht entschieden. Es hat in den bisher ergangenen Entscheidungen, die Redakteure aus den Ressorts der Berichterstattung betrafen, u. a. auch Lokalredakteure und Sportredakteure einer Tageszeitung, hervorgehoben, allein entscheidend sei die meinungsbildende und berichterstattende Tätigkeit, auch wenn der Redakteur im Einzelfall nach gewissen vorgegebenen allgemeinen Richtlinien oder Weisungen zu arbeiten habe. Auch durch den Lokal- und Sportteil einer Zeitung werde die geistig-ideelle Zielrichtung einer Zeitung mitbeeinflusst (vgl. BAG, Beschlüsse vom 7. November 1975 – 1 ABR 78/74 -und vom 9. Dezember 1975 – 1 ABR 37/74 –). Diese Beeinflussung könne entweder durch eigene Veröffentlichungen oder durch Auswahl und Redigierung der Beiträge anderer erfolgen (vgl. BAG, Beschluss vom 7. November 1975 – 1 ABR 78/74 –).

ccc. Ausgangspunkt muss der Grundrechtsbezug der Norm sein. Ausdrücklich wird in § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG die durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantierte Pressefreiheit genannt. Die Norm enthält eine grundrechtsausgestaltende Regelung, so dass es bei ihrer Anwendung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf das Gewicht der durch das Mitbestimmungsrecht geschützten Interessen der Arbeitnehmer ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1999 – 1 BvR 694/90 -; Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 118 Rdn. 24). Die Pressefreiheit umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber auch den Anzeigenteil. Dabei weist es darauf hin, dass sich die Presse in ihrem redaktionellen Teil in weitem Umfang damit beschränkt, reine Nachrichten weiterzugeben, und sich dabei der Stellungnahme zu der Richtigkeit der verbreiteten Nachricht und erst recht der Verwertung dieser Nachricht als einer Grundlage für eine eigene Meinungsäußerung enthält. Auch eine Anzeige stelle eine Nachricht dar. Es komme vor, dass Anzeigende ihre eigene Meinung verbreiten wollten, wie dies z. B. bei Anzeigen von politischen Parteien und wirtschaftlichen und kulturellen Vereinigungen, aber auch bei Einzelpersonen, der Fall vor. Zudem sei der Anzeigenteil allgemein geeignet, die Anliegen der inserierenden Stellen zu offenbaren, was einen gewissen Schluss auf die kulturelle, politische und wirtschaftliche Lage im Bereich des Verbreitungsgebietes der Zeitung zulasse (BVerfGE 21, 271, 278; vgl. auch: Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., Art. 5 Rdn. 3).

ddd. Danach sind auch die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Anzeigenredakteure Tendenzträger. Sie sind überwiegend für die Berichterstattung und/oder Meinungsäußerung unmittelbar tätig und können inhaltlich darauf Einfluss nehmen, entweder durch eigene Veröffentlichungen oder durch Auswahl und Redigierung der Beiträge anderer.

Dies steht für die Kammer nach der Anhörung des Leiters der Anzeigenredaktion fest. Er hat anhand von Anzeigen-Sonderveröffentlichungen das Arbeitsgebiet der Anzeigenredakteure bei der Arbeitgeberin wie folgt beschrieben:

Die Sonderveröffentlichungen bestehen aus den Anzeigen und redaktionellen Texten. Die Anzeigen werden von den Kunden selbst erstellt, wobei sie von Anzeigensachberatern der Arbeitgeberin unterstützt werden.

Sofern Anzeigenredakteure es übernehmen, längere Anzeigentexte für Kunden z. B. aus Anlass von Firmenjubiläen zu verfassen, haben grundsätzlich weder sie noch die Arbeitgeberin Einwirkungsmöglichkeit auf den Inhalt der Anzeigen und deren Erscheinen. Eine Ausnahme gilt für Anzeigen, durch deren Inhalt gegen Gesetze oder behördliche Bestimmungen verstoßen wird. Ansonsten entscheiden gemäß dem Anzeigenvertrag die Kunden. Diese Anzeigentexte werden, auch wenn sie in Berichtform abgefasst sind, ausdrücklich als Kundenanzeigen veröffentlicht. Ob die Anzeigenredakteure bei dieser Tätigkeit als Tendenzträger der Arbeitgeberin auftreten, oder ob dies jedenfalls dann gilt, wenn die Anzeigen einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt haben (dazu: BVerfGE, Beschluss vom 19. November 1985 – 1 BvR 934/82 – und vom 12. Dezember 2000 – 1 BvR 1762,1787/95 – Benetton-Werbung) , kann dahinstehen.

Denn die überwiegende Tätigkeit der Anzeigenredakteure besteht darin, die redaktionellen Texte und die Bilder für die Sonderveröffentlichungen zu speziellen Themen, die einen Bezug zu den Anzeigen haben, also die Kollektive, auszuwählen, und die Texte selbst zu schreiben oder schreiben zu lassen. Zunächst erfolgt die Auswahl der Themen, wobei weitgehend auf von anderen (eigenen und fremden) Redakteuren verfasste Texte zurückgegriffen wird. Diese Texte werden überarbeitet durch Kürzungen und Hervorhebungen (redigiert), entweder durch die Anzeigenredakteure selbst oder nach deren Vorgaben durch beauftragte fremde Redakteure. Die Anzeigenkunden können zwar ihr Fachwissen einbringen und z. B. für das Finanzjournal oder für eine berufsspezifische Sonderveröffentlichung von Fachanwälten Texte und Bilder einreichen. Sie haben aber weder Einfluss auf die Auswahl der Texte und Bilder noch auf deren Bearbeitung. Es ist auch keine Genehmigung bei den Anzeigenkunden einzuholen.

Damit wirken die Anzeigenredakteure bei der Tendenzverwirklichung mit und haben Einfluss auf die geistig-ideelle Zielsetzung der Arbeitgeberin. Es geht darum, lokale oder regionale Wirtschaftsbezirke oder Berufsgruppen (z. B. Handwerker, Rechtsanwälte, Restaurantbesitzer) oder Sonderveranstaltungen (z. B. Kirchentag) vorzustellen, oder bestimmte Kundenkreise (z. B. Studenten, Arbeitssuchende, Finanzkunden) anzusprechen. Dies beinhaltet stets Berichterstattung. Zudem haben die Texte regelmäßig auch meinungsbildenden Inhalt, weil sie (regelmäßig positive) Wertungen über die Bedeutung der Anbieter oder der Sonderveranstaltungen enthalten, und beratend auf Anliegen der Kundenkreise eingehen. Die Texte sind eben nicht ein vorgegebener weiterer Werbetext der inserierenden Kunden. Vielmehr wird mit ihnen ein besonderes Informationsbedürfnis der Leser erfüllt, nicht anders dies in den anderen Teilen der Zeitung erfolgt z. B. über Politik, Wirtschaft, Lokales, Sport und Kultur (so auch LAG München, Urteil vom 11. April 1991 – 6 Sa 712/90 – AfP 1992, S. 321).

Dagegen ist nicht erheblich, dass die Anzeigenredakteure nicht an der Redaktionskonferenz teilnehmen. Die Arbeitgeberin kann auf vielfältige Weise sicherstellen, dass ihre Tendenz von den Tendenzträgern auch in den Anzeigen-Sonderveröffentlichungen verwirklicht wird. So sind die Einstellung und Versetzung von Redakteuren, aber auch die Auswahl für Berufsbildungsmaßnahmen, ebenso geeignete Maßnahmen (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 30. Mai 2006 – 1 ABR 17/05 -) wie die Einbeziehung in die Redaktionskonferenz.

Dagegen spricht auch nicht, dass die Sonderveröffentlichungen als Teil oder Beilage von mehreren Tageszeitungen mit verschiedenen Herausgebern (K , K ) erscheinen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und damit der Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG verbietet jede Differenzierung nach Meinungsinhalten. Abgesehen davon ist auch die (bloße) Berichterstattung geschützt (vgl. dazu: Maunz-Dürig, GG, Art. 5 Rdn. 144 a; Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., Art. 5 Rdn. 3). Danach kann nicht entscheidend sein, ob die Texte nur in einer oder mehreren Zeitungen eines Verlegers oder ob sie in mehreren Zeitungen verschiedener Verleger publiziert werden.

Mit welchem Anteil an der Arbeitszeit der Anzeigenredakteure diese Tätigkeit überwiegt, kann dahinstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss die Tendenztätigkeit nicht einmal überwiegen, da bereits ein nicht völlig unbedeutender Anteil, beispielsweise 30 %, ausreicht (vgl. BAG, Beschluss vom 20. November 1990 - 1 ABR 87/89 -). Ein solcher Arbeitszeitanteil wird im vorliegenden Fall auch nicht von dem Betriebsrat bestritten.

cc. Bei der Auswahl der Anzeigenredakteure für die Bildungsveranstaltung handelt es sich schließlich um eine tendenzbezogene Maßnahme. Gegenstand des durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Freiheitsrechts der Arbeitgeberin ist es, zu bestimmen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse ihre Tendenzträger zur Wahrung ihrer beruflichen Aufgaben besitzen sollen. Dazu gehört es auch, die Redakteure auszuwählen, die an Maßnahmen der Berufsbildung nach § 98 Abs. 3 BetrVG teilnehmen (vgl. BAG, Beschluss vom 30. Mai 2006 – 1 ABR 17/05 -).

Da nach alledem der Betriebsrat bei der Entscheidung der Arbeitgeberin, ob und welche Redakteure sie zu der Bildungsveranstaltung "Adobe Photoshop CS 2" entsandte, nicht mitzubestimmen hatte, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verstoßes gegen § 98 Abs. 3 BetrVG nicht gegeben.

Dem Informationsanspruch, dem der Tendenzcharakter der Auswahlentscheidung nicht entgegensteht (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 30. Mai 2006 – 1 ABR 17/05 -), hatte die Arbeitgeberin genügt. Ein Ordnungsgeld ist nicht anzudrohen.

C. Die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Der Arbeitgeberin ist mangels Unterlassungsanspruchs auch kein erhöhtes Ordnungsgeld für den Fall des Verstoßes anzudrohen.

Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung hinsichtlich der Tendenzträgereigenschaft von Anzeigenredakteuren zuzulassen.


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss kann von dem Antragsteller

RECHTSBESCHWERDE

eingelegt werden.

Für die Antragsgegnerin ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.

Die Rechtsbeschwerde muss

innerhalb einer Notfrist* von einem Monat

nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Fax: 0361 2636 2000

eingelegt werden.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

  1. Rechtsanwälte,

  2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

  3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.

Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.


Schwartz Spicker Friedhofen

Vorinstanzen

ArbG Köln, 7 BV 122/07

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

§ 98 BetrVG, § 118 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 BetrVG