Sangeskritiker Bohlen muss sich ein Demotape zu seinen eigenen Gesangskünsten gefallen lassen

Gericht

AG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

07. 07. 2009


Aktenzeichen

36A C 164/09


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.


Dr. Steinmetz

Tatbestand


Tatbestand

Der Kläger, ein Sänger und Musikproduzent, verlangt von der Beklagten, die unter anderem die Internetseite ... betreibt, die Erstattung von ihm anlässlich einer persönlichkeitsrechtlichen Abmahnung entstandenen Anwaltskosten.

Die Beklagte hielt auf ihrer Homepage am 28. 5. 2008 für weniger als 20 Stunden einen Ausschnitt eines dem Gericht im Einzelnen nicht bekannt gewordenen Demotapes des Klägers zum Abruf bereit, auf welchem dieser seinen Studiosängern vorsang. Beschrieben wurde dieses Demotape von der Beklagten mit den Worten: "Ausschnitte vom Demotape auf dem ... (Name des Klägers) seinen Studiosängern "vorsang", wie sie ungefähr zu singen haben". Zusätzlich stellte die Beklagte auf ihrer Internetseite einen Link zu einer Veröffentlichung des Demotapes auf der Internetseite zur Verfügung. Da der Kläger der Veröffentlichung des Tonmitschnitts, der im Tonstudio aufgenommen wurde, nicht zugestimmt hatte, verlangte er noch am selben Tag mit anwaltlichem Schreiben von der Beklagten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (K 3). Ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage verpflichteten sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten in deren Namen daraufhin, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, das Demotape auf der Internetseite ... zum Abruf bereitzuhalten sowie einen ... Link auf das Demotape zu verbreiten (K 4).

Der Kläger behauptet, das Demotape sei unter Einsatz krimineller Energie aus dem Tonstudio entwendet worden.
Er ist der Ansicht, durch die Veröffentlichung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden zu sein, so dass er die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert von € 50.000,- erstattet verlangen könne.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.641,96 zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger sei eine absolute Person der Zeitgeschichte, über die jederzeit - auch ohne Anlass - berichtet werden dürfe. Zudem sei die Präsentation der gesanglichen Anweisungen des Klägers an seine Studiosänger angesichts der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit der Sozialsphäre zuzuordnen. Ferner bestehe im Hinblick auf den Beruf des Klägers ein öffentliches Interesse daran, wie der Kläger singe.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten nicht die ihm im Rahmen der Abmahnung entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten ersetzt verlangen, da er nicht hinreichend dargelegt hat, dass die Veröffentlichung des inkriminierten Demotapes und der Link zu der Internetseite ... einen Verstoß gegen sein allgemeines Persönlichrecht darstellten.

I. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen. Zu berücksichtigen sind hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und das Grundrecht der Pressefreiheit der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG. Einer Berücksichtigung der Pressefreiheit auf Seiten der Beklagten steht nicht entgegen, dass es sich um eine Veröffentlichung im Internet und nicht um eine Veröffentlichung eines Printmediums handelt. Zwar erfasst der Schutzbereich der Pressefreiheit grundsätzlich nur Druckwerke, der Schutz wird allerdings auch auf Onlineangebote ausgeweitet, soweit sie lediglich einen Annex zur Printversion darstellen. Vorliegend stellt die Interseite ... nur einen Zusatz zur Druckausgabe der Zeitschrift ... dar.

1. Durch die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter ist zu ermitteln, ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit den Eingriff nach Art und Reichweite gestattet und ob dieser in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Berichterstattung steht (BGH, NJW 2009, 757, 758 f.). Dabei gehört es zum Kern der Pressefreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses Wert halten und was nicht (BGH, NJW 2009, 1499, 1500). Die grundrechtliche Gewährleistung hängt nicht vom Niveau der Beiträge ab, sondern umfasst auch den Schutz unterhaltender Beiträge (BGH, NJW 2009, 1499, 1500; BVerfG, NJW 1973, 1226, 1228), da auch das Unterhaltungsinteresse schützenswert ist.

2. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Beiträgen einer besonderen Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Es ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier des Publikums nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (BGH, NJW 2009, 1499, 1500).

3. Weiterhin ist im Rahmen der Abwägung auf Seiten des Betroffenen zu berücksichtigen, in welche der durch das Persönlichkeitsrecht geschützten Sphären eingegriffen wurde, da der Persönlichkeitsschutz in Abhängigkeit von der betroffenen Sphäre unterschiedlich weitreichend ist (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 87). Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt weniger schwer, wenn sie einen Bereich des beruflichen Lebens betrifft, in dem der Betroffene ohnehin von anderen Menschen wahrgenommen werden kann, zu denen er keine private Beziehung hat (vgl. BGH, NJW 2009, 754, 755). In diesem Zusammenhang ist auch der Inhalt der Aufnahme zu beachten (Rixecker, in: MüKo BGB, Anh. § 12 Rn. 149). Einzubeziehen ist zudem, unter welchen Umständen die Tonaufnahme entstanden ist, ob sie etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit ohne Wissen und ohne Zustimmung des Betroffenen entstanden ist. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist allerdings für die Abwägung irrelevant, ob es sich bei der betroffenen Person um eine sog. absolute Person der Zeitgeschichte handelt, da der Bekanntheitsgrad einer Person nach der Rechtsprechung des EGMR allein kein Rechtfertigungsgrund für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt (EGMR, NJW 2004, 2647, 2651). Maßgeblich ist vielmehr der Nachrichtenwert der Veröffentlichung (Wanckel, NJW 2009,761.

II. Ausgehend von diesen Kriterien überwiegen im vorliegenden Fall die Interessen des Klägers nicht die Belange der Beklagten.

1. Grundsätzlich schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts am gesprochenen Wort zwar das Recht, selber über den Empfängerkreis einer Äußerung zu bestimmen. Dem steht vorliegend auch nicht entgegen, dass es sich bei der veröffentlichten Äußerung des Klägers um Gesang handelt, da das Recht am eigenen Wort auch nichtverbale Äußerungen schützt, soweit sie einer bestimmten Person als Urheber zugeordnet werden können und einen Informationsgehalt für Außenstehende beinhalten (OLG Köln, NJW 1998, 763, 765; Rixecker, in: MüKo, BGB, Anh. zu § 12, Rn. 85). Der Gesang kann schon durch die Beschreibung des Demotapes auf der Internetseite der Beklagten als "Ausschnitte vom Demotape auf dem ... (Name des Klägers) seinen Studiosängern "vorsang", wie sie ungefähr zu singen haben" dem Kläger zugeordnet werden. Da dem Hörer mit dem Demotape Kenntnisse über die Gesangskünste des Klägers gegeben werden sollen, enthält die Veröffentlichung auch einen Informationsgehalt für Außenstehende.

2. Der Kläger muss hier jedoch Einschränkungen seines Rechts hinnehmen, da die Beklagte mit der Veröffentlichung berechtigte Interessen wahrgenommen hat und die Allgemeinheit über die Gesangskünste des Klägers informiert hat. Schon allein im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit des Klägers als Sänger bestand ein derartiges Informationsinteresse. Zudem hat sich der Kläger im Rahmen der Casting-Show ... gegenüber zahlreichen Showteilnehmern abfällig hinsichtlich deren gesanglicher Fähigkeiten geäußert (B 2) und dadurch das Interesse an seinen eigenen stimmlichen Fähigkeiten geweckt. Dies ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung, da sich der Kläger durch die namentlich im Rahmen der Casting-Show geäußerte Kritik in Bezug auf die Frage nach gesanglichen Fähigkeiten selber in die Öffentlichkeit begeben und Berichte über seine eigenen Gesangskünste herausgefordert hat. Wer Kritik ausübt, muss auch Kritik hinnehmen (Rixecker, in: MüKo, BGB, Anh. zu § 12, Rn. 165). Zudem war die Berichterstattung in der Lage, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, da sie sachlich lediglich durch Veröffentlichung des Demotapes und allein durch die Tonwiedergabe einen Eindruck der gesanglichen Fähigkeiten des Klägers geben sollte.

Die Veröffentlichung des Demotapes trifft den Kläger auch nicht in einem Lebensbereich, welcher der Öffentlichkeit regelmäßig verschlossen bleibt. Vielmehr betrifft der Mitschnitt die Sozialsphäre des Klägers, da er ihn während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Sänger darstellt. Dass der Tonmitschnitt darüber hinausgehende persönliche, intime oder sonstige Inhalte enthält, die in der Lage sind, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit herabzusetzen, hat der beweisbelastete Kläger nicht vorgetragen.

3. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann auch nicht auf die Art der Herstellung des Tonmitschnitts gestützt werden, da der Mitschnitt nicht heimlich und ohne Wissen des Klägers aufgenommen wurde. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich bereits nach eigenen Angaben des Klägers um ein "Demotape" und damit um eine bewusste Aufzeichnung des Gesangs handelte. Dem steht auch nicht der Vortrag des Klägers entgegen, das Demotape sei in "privater Atmosphäre" aufgenommen worden. Ein Tonstudio stellt einen Ort dar, an dem ein Sänger seine berufliche Tätigkeit ausübt. Selbst wenn er sich dort beispielsweise aufgrund langjähriger Zusammenarbeit mit den dort anwesenden Personen in "privater Atmosphäre" fühlt, ändert dies nichts daran, dass er sich in einem beruflichen Raum bewegt, in dem er auch auf ihm nicht privat bekannte Personen trifft. Einen gegenteiligen Beweis hat der hierfür beweisbelastete Kläger nicht erbracht. Die Intensität einer möglichen Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung wird zudem dadurch gemindert, dass die Beklagte das Demotape mit weniger als 20 Stunden nur für eine relativ kurze Zeit veröffentlicht hat.

4. Eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung kann schließlich auch nicht auf eine (behauptet) rechtswidrige Entwendung des Demotapes und die damit einhergehende zustimmungslose Veröffentlichung gestützt werden. Es kann vorliegend dahinstehen, ob eine rechtswidrige Entwendung des Mitschnitts zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers geführt hätte, da der Kläger dies nicht substantiiert dargelegt hat. Allein durch die Behauptung, "das Demotape sei unter Einsatz krimineller Energie aus dem Tonstudio entwendet worden", ist er seiner Beweislast nicht hinreichend nachgekommen. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze, dass derjenige, der aus einem bestimmten Sachverhalt einen Anspruch herleiten will, den Sachverhalt darzulegen und zu beweisen hat.
Es handelt sich insoweit auch nicht etwa um ehrkränkende Äußerungen nach § 823 Abs 2 BGB i.V.m. §§ 186 ff StGB, bei denen der Anspruchsteller lediglich darzulegen und glaubhaft zu machen hat, dass der Anspruchsgegner die den Vorwurf der Ehrkränkung begründende Äußerung gemacht hat und letzterer sodann die Wahrheit der Äußerung glaubhaft zu machen hat (vgl. BGH, NJW 1996, 1131; NJW, 1994, 2614).

5. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der inhaltlichen Beschreibung der Tonberichterstattung ("Ausschnitte vom Demotape auf dem ... (Name des Klägers) seinen Studiosängern "vorsang", wie sie ungefähr zu singen haben"). Insbesondere kann die Tatsache, dass die Beklagte das Wort "vorsang" in Anführungszeichen setzte, keine Persönlichkeitsverletzung begründen. Ein solches Stilmittel mag allenfalls suggerieren, dass der aufgenommene Gesang nicht in der Art erfolgte, die bei einem Berufssänger gemeinhin zu erwarten war. Hierdurch wurde der Berichterstattung jedoch nicht ihre Sachlichkeit genommen, denn ein den Kläger in seinem persönlichen Geltungsanspruch herabsetzender Charakter lässt sich der Veröffentlichung ohne jegliche Schilderung des Inhalts des Demotapes an sich nicht entnehmen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


Dr. Steinmetz

Rechtsgebiete

Presserecht