Urheberrechtsschutzfähigkeit einzelner Textpassagen eines wissenschaftlichen Werks
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
31. 03. 2004
Aktenzeichen
5 U 144/03
Die Berufung des Kl. gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 30.08.2002 wird zurückgewiesen.
Der Kl. trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kl. kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Bekl. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kl. ist Betriebswirt und Doktor der Philosophie. Er beschäftigt sich seit Jahren in soziologischer, philosophischer und naturwissenschaftlicher Hinsicht mit dem Phänomen der „Marke“ bzw. der wissenschaftlichen Disziplin der „Markentechnik“. Der Kl. betreibt unter der Bezeichnung „Dr. O. Brand Consulting“ ein Beratungsunternehmen, welches sich u.a. mit der Entwicklung integrierter markenzentrierter Unternehmensstrategien befasst.
Der Bekl. zu 3. ist der ehemalige Doktorvater des Kl., der dessen Promotion unter dem Titel „Die Bewegungskräfte der Produktmarke“ (Anlage K15) aus dem Jahr 1991 betreute. Dieses Werk wurde später unter dem Titel „Marke als System – Ihre Eigenkräfte regeln den Markt“ in Buchform veröffentlicht (Anlage K1a).
Gemeinsam mit den Bekl. zu 3. und 4. gründete der Kl. im Jahr 1994 das „Institut für Markentechnik – B. D.O.“. Ein Jahr später gründeten diese Personen gemeinsam mit Herrn MS in der Schweiz die Bekl. zu 1. Deren Geschäftsbetrieb ist auf die internationale Wirtschaftsberatung für strategische und operative Markenführung gerichtet. In der Folgezeit kam es zwischen dem Kl. und den Bekl. zu Unstimmigkeiten. Die Parteien trennten sich.
Im Dezember 1999 erschien das streitgegenständliche „Jahrbuch Markentechnik 2000/2001“ im Verlag der Bekl. zu 2 (Anlage K1b). Die Bekl. zu 3. und 4. sind Herausgeber dieses Jahrbuchs, die Bekl. zu 1. nutzt das Jahrbuch für sich wirtschaftlich und nimmt bei ihrer Tätigkeit hierauf Bezug.
Der Kl. macht geltend, die Bekl. hätten in diesem Jahrbuch in einer Vielzahl von Fällen seine wissenschaftliche Forschungsergebnisse aus seiner Dissertation bzw. dem Buch „Marke als System – Ihre Eigenkräfte regeln den Markt“ übernommen, ohne ihn als Urheber kenntlich zu machen und die verwendeten Quellen ordnungsgemäß zu zitieren. Hierin sieht der Kl. einen Urheberrechtsverstoß, den er zur Grundlage eines umfassenden Unterlassungsantrags und hierauf rückbezogener Auskunfts-, Schadensersatzfeststellungs- und Vernichtungsanträge macht.
Der Kl. hat beantragt,
1. die Bekl. gesamtverbindlich zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000.-, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen,
das „Jahrbuch Markentechnik 2000/2001“, Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag 1999, ISSN 0948-4906, Hrsg. Klaus Brandmeyer, Alexander Deichsel, herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen wie nachstehend linksseitig zu a), b) c) ohne Quellenangabe, wie rechtsseitig aufgeführt, wiederzugeben;
Jahrbuch Markentechnik 2000 - 2001 T.O., Die Selbstähnlichkeit der Marke, Jahrbuch Markentechnik 1995, S. 43 ff, Dissertation T.O. „Die Bewegungsgesetze der Produktmarke“, Hamburg, 1991; Buch „Marke als System“ Hamburg 1993
a)
Jahrbuch Markentechnik 2000 S. 6 drittletzte Zeile
… der Wirtschaftskörper Marke muss einer Re-Ökonomisierung unterworfen werden
O., Jahrbuch Markentechnik 1995…
bewirkt in jedem der o.g. Bereiche eine Re-Ökonomisierung der unternehmerischen Bemühungen
S. 31 Z 24
… beruhte auf einer vorteilhaften Mischung von optimaler Selbstreferenz/Binnendialektik und Fremdreferenz/Außendialektik
O. Jahrbuch Markentechnik 1995 S. 47
Die Aufgabe eines Markentechnikers besteht darin, für seine Marke das jeweils richtige Maß an Erstmaligkeit und Bestätigung zu bestimmen und in der Markenarbeit umzusetzen
Auch Gedankenübernahme: O. S. 65
Die Marke hat neben dem selbstreferentiellen Aspekt der allein auf sich selbst bezogenen Konsumentenerwartung ... ein zweckorientiertes, d.h. fremd-referentielles Moment
O. S. 106 Selbstreferentialität, Auf-sich-selbst-Gerichtetheit
O. S. 115 Selbstreferentialität, Auf-sich-selbst-Bezogenheit
S. 52 Quelle 4 Vermutlich hängen Dichte und Festigkeit eines Markensystems (innere wie äußere, ökonomische wie soziale) auch mit solchen Konstellationen zusammen
O. 1991/3 S. 109 Normative Dichte gilt als ein Maß für die Konsequenz und Strenge, mit der der Ge- und Verbotszusammenhang, den die soziale Wesenheit „Marke“ errichtet hat, aufrechterhalten wird.
...
wegen der weiteren 273 beanstanden Textstellen des insgesamt 29 Seiten umfassenden Antrags zu 1. wird auf dessen vollständige Wiedergabe im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen;
2. die im Besitz der Bekl. befindlichen Exemplare des „Jahrbuch Markentechnik 2000/2001“ an den Stellen, wie sie im Klagantrag zu Ziffern a), b), c) linksseitig mit den im Klagantrag zu Ziffern a), b), c) rechtsseitig aufgeführten Zitaten durch ein Beilagendruckwerk zu versehen; in einer Sonderpublikation die Zitatnachtragungen im Beilagendruck entsprechend der Druckauflage in den Verkehr zu bringen;
3. festzustellen, dass die Bekl. gesamtverbindlich verpflichtet sind, dem Kl. den Schaden zu ersetzen, der aus der im Klagenantrag zu Ziffer 1. bezeichneten Handlung entstanden ist und/oder noch entstehen wird;
4. dem Kl. über den Umfang der im Klagantrag zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe der Auflagenhöhe, der bestellten und ausgelieferten Exemplare, der Verkaufsexemplare sowie des getätigten Umsatzes der Bekl. zu 1. bis 4. in den Jahren 1999 bis in die Gegenwart, und zwar aufgeschlüsselt nach DM-Werten und Kalendermonaten.
Die Bekl. zu 1. bis 4. haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 30.08.2002 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Kl.. Der Kl. verfolgt seine Klageanträge in zweiter Instanz unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags weiter. Die Bekl. verteidigen auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Klagabweisungsanträge das landgerichtliche Urteil.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sich diese zu eigen, soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts Abweichendes ergibt. Das Berufungsvorbringen des Kl. rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:
1. Das LG hat in seiner Entscheidung die Rechtsgrundsätze für die Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der von dem Kl. beanspruchten Textpassagen zutreffend angewendet und sich hierbei mit den rechtlich relevanten Ausführungen des Kl. auseinander gesetzt. Die Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hanseatischen OLG (vgl. Urteil vom 22.05.03 (3 U 192/00) - Opus Dei). Da sich die Frage der erforderlichen Schöpfungshöhe der verarbeiteten Quellen letztlich für alle im Klageantrag auf der rechten Seite zitierten Textpassagen gleichermaßen beurteilt, konnte sich das LG auch auf eine beispielhafte Erläuterung beschränken und davon absehen, jede einzelne Textstelle einer gesonderten Überprüfung zu unterziehen. Dies um so mehr, als der Kl. die Urheberrechtsschutzfähigkeit ebenfalls nicht für die Textstellen im Einzelnen dargelegt, sondern sich in seinem Schreiben vom 06.05.2001 (Anlage K18) im Wesentlichen auf einen gegenüberstellenden Vergleich mit den übernommenen Passagen beschränkt hatte.
2. Soweit der Kl. in der Berufung erneut die urheberrechtliche Schutzfähigkeit wissenschaftlicher Aussagenproblematisiert, übersieht er, dass das LG eine solche zu seinen Gunsten für das Ausgangswerk insgesamt unterstellt hat (UA 36), für die Entscheidung des Rechtsstreits aber maßgeblich darauf abgestellt hat, ob auch die „übernommenen“ Werkteile als solche einem derartigen Schutz zugänglich sind. Dies fordert die Literatur/Rechtsprechung – worauf noch einzugehen sein wird - zu Recht als wesentliche Schutzvoraussetzung. Selbst wenn die „Kernleistung“ des Kl. – die Verknüpfung der bis dahin getrennten Bereiche „Markentechnik“, „Soziologie“ und „Naturwissenschaft“ – in ihrer von dem Kl. gegebenen Gedankenformung schutzfähig ist, gilt dies nicht gleichermaßen für jeden hieraus abgeleiteten Gedanken bzw. jede Schlussfolgerung.
3. Der Kl. kann auch nicht in seiner Auffassung beigepflichtet werden, das LG habe „als neuen Subsumptionsbegrifflichkeit“ die „geschützten Werkteile“ eingeführt, die von Literatur und Rechtsprechung so nicht vorgegeben seien.
a. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass die Schutzfähigkeit eines Werkteils voraussetzt, dass sich dieser selbst als persönliche geistige Schöpfung darstellt (BGH GRUR 90, 218, 219 – Verschenktexte; BGH GRUR 89, 416 – Bauaußenkante; BGH GRUR 88, 533, 534 – Vorentwurf II). Dabei braucht sich die besondere Eigenart des Werkes als Ganzes in diesem Teil nicht zu offenbaren (BGH GRUR 61, 631, 633 – Fernsprechbuch). Diese zutreffende Rechtsprechung – von der abzuweichen der Senat aus den noch auszuführenden Gründen keine Veranlassung hat – wird auch von der Literatur geteilt. Schricker-Loewenheim, UrhG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 66 führen hierzu etwa aus: „Voraussetzung für den Schutz ist, dass der entlehnte Teil auch für sich genommen den Schutzvoraussetzungen des § 2 genügt, also eine persönliche geistige Schöpfung darstellt.“ Weiter heißt es unter Rdnr. 67: „Allerdings wird bei sehr kleinen Teilen wie einzelnen Wörtern, Sätzen oder Satzteilen Urheberrechtsschutz meist daran scheitern, dass sie nicht ausreichenden Raum für die Entwicklung von Individualität bieten“. Dieses Problems ist sich offensichtlich auch der Kl. bewusst, der - allerdings vergeblich - versucht, im Rahmen der Schutzfähigkeit insoweit seine „Gedankenführung und Formung einer Verknüpfung und Systematisierung der drei Bereiche „Markentechnik“, „Soziologie“ und „Naturwissenschaft“ in den Vordergrund zu stellen. Nach seinem Verständnis finden diese in den Werkteilen im Klageantrag zu 1. auf der rechten Seite Ausdruck. Mit diesem unzutreffenden Ansatzpunkt hat sich bereits das LG auseinander gesetzt und ihm zu Recht eine Absage erteilt. Denn eine solche Gedankenführung kann – wie die von einem Dichter ersonnene Fabel (vgl. Schricker-Loewenheim, UrhG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 57) bzw. die Handlung eines Romans – wiederum allenfalls in ihrer erkennbaren Ausdrucksform einer zusammenhängenden Darstellung, nicht jedoch in allen ihren einzelnen Satzteilen Urheberrechtsschutz beanspruchen – es sei denn, diesen kommt ihrerseits Werkcharakter zu. Hier liegt aber gerade das Problem des zur Entscheidung stehenden Falles. Denn der Kl. beanstandet nicht, dass die Bekl. seine Markentheorie als solche im Rahmen einer zusammenhängenden Darstellung übernommen haben, sondern er wendet sich gegen die (vermeintlich) urheberrechtswidrige – weil unzitierte - Anlehnung an seine Gedankenführung durch zahlreiche Bezugnahmen an unterschiedlichen Stellen des Jahrbuchs.
b. Selbst wenn man – anders als es der Senat für zutreffend hält - diesem Ausgangspunkt folgen wollte, fehlte es deshalb in jedem Fall an einer (nahezu) identischen Übernahme gerade dieser konkreten „Gedankenführung“, wie sie in den Textpassagen als – unterstellten - Werkteilen sprachlich-schöpferische Gestalt gefunden hat. Denn durch die Veränderung, die die dem Werk des Kl. entlehnten Passagen in der Formulierung der Bekl. erfahren haben, stellen sich diese lediglich als freie Benutzung des Werks i.S.v. § 24 UrhG dar, weil das Werk selbst (und nicht nur die abstrakte Begrifflichkeit!) demgegenüber „verblasst“ und nicht mehr i.S. der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH GRUR Int. 99, 884, 885 – Lara’s Tochter) in ihnen durchscheint.
aa. Dafür wäre erforderlich, dass die konkrete eigenschöpferische Gestaltung nicht des Werks als Ganzes, sondern des übernommenen Werkteils in seiner urheberrechtlich geschützten Eigenheit nach wie vor zu erkennen ist. Davon kann bei keiner der geltend gemachten Textpassagen die Rede sein. Erkennbar ist zwar die von dem Kl. entwickelte wissenschaftliche Theorie, möglicherweise auch deren abstrakte Gedankenführung. Dies reicht hingegen für die Annahme einer zitierpflichtigen Übernahme i.S.v. § 63 UrhG nicht aus. Denn das Urheberrecht gewährt grundsätzlich keinen Ideenschutz, sondern privilegiert nur deren konkrete eigenschöpferische Ausformung. Fehlt einem Werkteil bereits die eigenpersönliche Prägung, so ist seine Entlehnung nach urheberrechtlichen Grundsätzen zulässig (BGH GRUR 61, 631, 633 – Fernsprechbuch). Die von dem Kl. als Schutzobjekt beanspruchte „inhaltliche Gedankenführung“ kann nur in dem Umfang Schutz beanspruchen, den sie mittels Sprache in der zum Vergleich stehenden Einzelformulierung gefunden hat. Insoweit halten die Bekl. in den angegriffenen Passagen selbst dann den für eine freie Werkbenutzung erforderlichen Abstand ein, wenn denn die verarbeiteten Werkteile als solche – was hingegen nicht der Fall ist – isoliert schutzfähig sein sollten. Denn auf Grund der Kürze sowie des fehlenden Sinnzusammenhangs der Originalstellen könnte die Gestaltungshöhe in ihrer Vereinzelung – unbeschadet der Gestaltungshöhe des Gesamtwerks – nicht sehr wesentlich sein. Dieser Umstand wirkt sich auch bei der Beurteilung einer freien Benutzung gem. § 24 UrhG aus. Besitzt der als Vorlage benutzte Werkteil selbst nur einen geringen schöpferischen Gehalt, können auch keine großen Anforderungen an den „Abstand“ gestellt werden, den die (freie) Benutzung durch Dritte einzuhalten hat. Denn ein Werk(teil) geringerer Eigenart geht eher in dem nachgeschaffenen Werk auf als ein Werk besonderer Eigenprägung (BGH GRUR 81, 267, 269 – Dirlada). Deshalb erweisen sich die Angriffe des Kl. gegen das landgerichtliche Urteil im Ergebnis als unbegründet.
bb. Das von den Bekl.-Vertretern in ihrem Schriftsatz vom 24.04.01 hierzu gebildete Beispiel verdeutlicht dies recht anschaulich. Obwohl Rudolf von Ihering die Lehre von der „culpa in contrahendo“ – und damit unzweifelhaft die diesem Rechtsinstitut zugrunde liegende „Gedankenführung“ – entwickelt hat und spätere Autoren (Ballerstedt, Medicus, Canaris, Stoll usw.) dieses Rechtsinstitut weiter ausgeformt haben, bedarf die Beschreibung der Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts - in den eigenen Worten des Autors – jedenfalls aus Sicht des Urheberrechts nicht des Zitats der „Erfinder“. Denn übernommen wird eben nur deren wissenschaftliche Gedankenführung, aber kein als solches schutzfähiges „Werk“ i.S.v. § 2 UrhG. Etwas anderes gilt allenfalls (aber nicht notwendigerweise) dann, wenn aus der Abhandlung von Ihering unmittelbar „abgeschrieben“ und deshalb mit seinen – fremden - Worten ausgeführt wird. Deshalb kommt bei wissenschaftlichen Werken eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit nur für die Art der Darstellung in Betracht, nur insoweit kann die schöpferische Eigenheit die Individualität des Werks prägen (Fromm-Nordemann-Vinck, UrhR, § 2 Rdnr. 20), das wissenschaftliche Forschungsergebnis ist als solches urheberrechtlich nicht schutzfähig (BGH GRUR 91, 130 – Themenkatalog; Fromm-Nordemann-Vinck, a.a.O., Rdnr. 22).
c. Der Senat kann sich deshalb – ebenso wie das LG – darauf beschränken, die Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Werkteilen an zwei Beispielen aus dem Klageantrag zu 1. exemplarisch zu erörtern. Dabei wird die erforderliche vergleichende Beurteilung in aller Regel erst durch die Prüfung ermöglicht, durch welche objektiven Merkmale die eigenschöpferische Eigentümlichkeit des Werk(teils) bestimmt wird (BGH GRUR 81, 267, 269 - Dirlada).
aa. Mit der im Klageantrag zu 1. an erster Stelle angeführten Textpassage macht der Kl. an der Formulierung „bewirkt in jedem der o.g. Bereiche eine Re-Okönomisierung der unternehmerischen Bemühungen“ Urheberrechtsschutz geltend. Hierfür bedürfte es zunächst der Feststellung, dass dieser Werkteil als solcher (unabhängig von dem Gesamtwerk) überhaupt die erforderliche Schöpfungshöhe für ein Sprachwerk i.S.v. § 2 I Nr. 1, II UrhG erreicht und auf Grund welcher konkreten Elemente dies der Fall ist. Bereits hierzu fehlen jedwede Darlegungen des Kl., obwohl er spätestens auf Grund der abweisenden Entscheidung des LG („… weil die einen Schutz allenfalls begründende Gedankenführung und Formung...nicht erkennbar wird..“, UA 54) auch ohne Hinweis des Senats keinen Zweifel (mehr) daran haben konnte, dass insoweit detaillierte Ausführungen von ihm verlangt waren. Diese hat der Kl. hingegen auch mit der Berufungsbegründung nicht nachgeholt. Dies überrascht allerdings nicht, denn auch für den Senat erscheint es als nicht darstellbar, worin die die Schutzfähigkeit bewirkende Schöpfungshöhe gerade dieses konkreten Textteils begründet liegen könnte. Hierfür käme allenfalls das Wort „Re-Ökonomisierung“ in Betracht, da die übrigen Textteile eher belanglos sind. Das Wort als solches erreicht – selbst wenn es durch die Voranstellung von „Re-“ eine Neuschöpfung des Kl. wäre – jedenfalls nicht ein solches Maß an schöpferischer Kreativität, dass es in seiner Vereinzelung als „Sprachwerk“ Schutz beanspruchen könnte. In einem weiteren Schritt wäre sodann die angegriffene Textpassage „…der Wirtschaftskörper Marke muss einer Re-Ökonomisierung unterworfen werden.“ darauf zu untersuchen, ob sich diese als unmittelbare Übernahme bzw. als (unfreie) Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG darstellt. Hierfür reicht es nicht aus, dass sich dort ähnliche Gedanken wieder finden oder für sich genommen schutzunfähige Bestandteile – wie das Wort Re-Ökonomisierung – übernommen worden sind. Vielmehr „scheint“ das geschützte Werk in einer derartigen Situation nur dann durch, wenn gerade diejenigen Elemente übernommen worden sind, die der Vorlage ihre schöpferische Eigenheit verleihen. Auch hierzu fehlt es an jedwedem konkreten Vortrag des Kl.. Allein die Übernahme der abstrakten Führung eines einzelnen, aus dem Zusammenhang gelösten Gedankens reicht in derartigen Fällen nicht aus. Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das konkrete Bezugsobjekt in der Aussage der übernommenen Textstelle, der Wirtschaftskörper „Marke“, in der Vorlage noch nicht einmal ausdrücklich auftaucht, sondern offenbar in den dort genannten „o.g. Bereiche“ enthalten ist. Damit stellt sich noch nicht einmal die Zielrichtung beider Aussagen als kongruent dar.
bb. Entsprechendes gilt für die zweite Textstelle im Klageantrag zu 1. Hier macht der Kl. u.a. für folgende Passagen Urheberrechtsschutz geltend: „Die Aufgabe eines Markentechnikers besteht darin, für seine Marke das jeweils richtige Maß an Erstmaligkeit und Bestätigung zu bestimmen und in der Markenarbeit umzusetzen“ und „Die Marke hat neben dem selbstreferentiellen Aspekt der allein auf sich selbst bezogenen Konsumentenvermehrung .. ein zweckorientiertes, d.h. fremd-referentielles Moment“ und „Selbstreferentialität“. Die erste Aussage versteht sich – jedenfalls bei unbefangener Betrachtung – in erster Linie als eher unspektakuläre Handlungsanweisung für einen Markentechniker. Worin bei diesem Satz die Schöpfungshöhe eines Sprachwerks verwirklicht sein soll, vermag der Senat nicht erkennen. Auch der Kl. führt hierzu nichts aus. Die zweite Aussage mag eine solche Schöpfungshöhe enthalten. Zumindest ist die Aussage für den in die Begrifflichkeit Markentechnik nicht eingeweihten Leser – zu dem auch die Senatsmitlgieder gehören, die sich mit Markenrecht beschäftigen – aus sich heraus nicht ohne weiteres verständlich. Weder hierzu noch zu der Frage, worin bei der Wortschöpfung „Selbstreferentialität“ – ihre Erschaffung durch den Kl. unterstellt – das konkrete Schöpfungsergebnis in urheberrechtlicher Hinsicht liegen soll, macht der Kl. schriftsätzliche Ausführungen, obwohl diese zur Begründung seines Antrags unverzichtbar gewesen wären. Allerdings erscheint es dem Senat auch insoweit kaum aussichtsreich, den Schutz eines Werkteils erfolgreich darlegen zu können. Selbst wenn man für die weitere Betrachtung davon ausgehen wollte, dem Kl. wäre dies gelungen, so wäre nunmehr der geschützte Werkteil der übernommenen Textpassage „…beruhte auf einer vorteilhaften Mischung von optimaler Selbstreferenz/Binnendialektik und Fremdreferenz/Außendialektik“ gegenüber zu stellen und auf werkteilschöpfungsspezifische Übereinstimmungen zu untersuchen. Auch diese legt der Kl. nicht dar und vermag auch der Senat nicht zu erkennen. Sie ist jedenfalls nicht schon dadurch verwirklicht, dass mit „Selbstreferenz“ ein Wort auftaucht, das „Selbstreferentialität“ ähnlich ist. In ihrer inhaltlichen Zielrichtung unterscheiden sich beide Aussagen zudem darin maßgeblich, dass diejenige des Kl. rein quantitative Elemente umfasst („...neben...“), während die angegriffene Aussage darüber hinausgehend eine qualitative Feststellung trifft („..Mischung von optimaler…“).
cc. Entsprechend verhält es sich auch bei allen übrigen Textpassagen, wobei das Schwergewicht der relevanten Beurteilungskomponenten von Fall zu Fall unterschiedlich ausgeprägt ist. Teilweise ist bereits eine relevante Schöpfungshöhe der Quelle nicht erkennbar, teilweise ist der Abstand zwischen Quelle und Übernahme zu groß, teilweise bezieht sich die Übernahme nicht auf Elemente, die gerade den Schutz des Werkteils begründen usw.. Der Senat hat keine Veranlassung, dem Ansinnen den Kl. nachzukommen, die insoweit wesentlichen Argumente zu allen 276 Textpassagen im Einzelnen darzulegen. Denn zunächst einmal wäre es Voraussetzung schlüssigen Klagvortrags des Kl. gewesen, die hierfür – rechtlich – maßgeblichen Aspekte herauszuarbeiten. Bereits hieran fehlt es, so dass die Klage schon deshalb nicht ausreichend substantiiert, im übrigen aber auch sachlich unbegründet ist.
4. Soweit der Kl. sich darauf beruft, die konkreten Bedürfnisse der wissenschaftlichen Kommunikation setze eine Transparenz aller wissenschaftlich veröffentlichten Arbeiten voraus, so ist dieser Standpunkt ebenso richtig wie für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits unerheblich. Denn dieses zutreffende Argument betrifft allein Fragen der wissenschaftlichen Ethik. Diese bewegt sich aber außerhalb des Schutzbereichs des Urheberrechts. Letztlich geht es dem Kl. darum, dass sich im Interesse der Lauterkeit der Wissenschaft kein Forscher unerkannt mit „fremden Federn“ schmücken und diese als Ergebnis eigenen Schaffens ausgeben dürfen soll. Dem kann sicher ohne Vorbehalte zugestimmt werden. Dieses anerkennenswerte Ziel wird aber nicht durch das Urheberrecht geschützt, das in erster Linie vermögens- und persönlichkeitsrechtliche Interessen des einzelnen Urhebers im Blick hat. Das wissenschaftliche Zitiergebot ist mit der urheberrechtlichen Zitierpflicht nicht deckungsgleich. Beide gehen von unterschiedlichen Interessenlagen aus. Das von den Bekl.-Vertretern zutreffend so benannte wissenschaftliche „Erwähnungsbedürfnis“ ist im Regelfall auch viel zu konturenlos, um Grundlage eines konkreten Verbotsanspruchs zu werden. Denn (anders als im vorliegenden Fall) weiß der Zitierende häufig noch nicht einmal, auf welche konkrete Person bestimmte wissenschaftliche Formulierungen oder Gedanken zurückgehen, mit denen er sich in einen Text mit eigenen Worten beschäftigen möchte. Ihm hier umfangreiche und risikoträchtige Nachforschungen abzuverlangen, in wessen „Erwähnungsbedürfnis“ er mit seiner Publikation er möglicherweise eingreift, ist häufig selbst im Rahmen eines zweckorientierten wissenschaftlichen Diskurses unzumutbar. Es ist aber in jedem Fall weit außerhalb des urheberrechtlichen Schutzgedankens angesiedelt.
Selbst wenn die Annahme des Kl. zutrifft, die Bekl. hätten sich absichtlich an seine Gedanken angelehnt, führt dies in der rechtlichen Beurteilung zu keinem abweichenden Ergebnis.
5. Angesichts dieser Sachlage bedarf die von den Bekl. ausdrücklich gerügte Zulässigkeit des Klageantrags zu 1. keiner weiteren Erörterung. Insbesondere erfordert es die Unbegründetheit der Klage nicht, diesen Klageantrag noch inhaltlich anzupassen bzw. zu konkretisieren. Der Bekl. weisen allerdings im Ergebnis zu Recht darauf hin, dass der Kl. von ihnen allenfalls verlangen könnte, dass sie einer etwaigen Zitierpflicht Genüge tun. Er kann ihnen aber nicht vorgeben, wie dies konkret zu geschehen hat. Keinesfalls sind die Bekl. verpflichtet, über den Fundstellenachweis hinaus die von dem Kl. gewünschten Kommentare bzw. Erläuterungen abzudrucken. Da der Klageantrag zu 1. zu den konkreten Verletzungstatbeständen unbegründet ist, entfallen auch die auf ihn bezogenen Folgeanträge zu 2. bis 4.. Der Senat hat deshalb keine Veranlassung, sich näher mit der Frage zu befassen, ob dem Kl. im Hinblick auf den Zeitablauf und das Erscheinen von Folgejahrgängen des „Handbuchs für Markentechnik“ noch ein Rechtsschutzbedürfnis insbesondere für den Klageantrag zu 2., gegebenenfalls aber auch für den konkreten Wortlaut des Einleitungssatzes des Klageantrags zu 1. zur Seite steht.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 II ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des RevGer. bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Betz Rieger Betz
Dr. Löffler ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen