Fristversäumnis bei Anspruchsschreiben aus Reisevertrag

Gericht

AG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 11. 2008


Aktenzeichen

134 C 348/08


Tenor


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Minderungsansprüche aus einem Reisevertrag.

Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Reise von Berlin über Frankfurt am Main nach Venezuela für die Zeit vom 19. September 2007 bis zum 3. Oktober 2007 zu einem Gesamtpreis von 2.656,00 Euro. Die Kläger flogen am 19. September planmäßig von Berlin nach Frankfurt und landeten dort kurz vor Mittag. Der Anschlussflug in Frankfurt war auf 13.40 Uhr angesetzt. Als die Kläger in Frankfurt ankamen, war der Flug laut Anzeigetafel für 14.30 Uhr erwartet. Daraufhin begaben sich die Kläger in ein Restaurant und kamen erst gegen 13.40 Uhr zu dem angegebenen Gate. Sie stellten sodann fest, dass das Flugzeug des Anschlussfluges sich bereits auf dem Rollfeld befand, sodass die Kläger nicht mehr befördert wurden Zwei Tage später traten die Kläger ihre Reise von Frankfurt nach Venezuela an.

Als die Kläger am 21. September 2007 in dem gebuchten Hotel ankamen, mussten sie feststellen, dass weder Föhn, noch Telefon oder Sat-TV vorhanden waren, obwohl dies laut Katalog der Fall sein sollte. Die Kläger zeigten dies mündlich bei der örtlichen Reiseleitung an. Am 26. September wurde ein Föhn zur Verfügung gestellt.

Nach Reiseende wurden mit Anspruchsschreiben vom 08. Oktober 2007, welches am nächsten Tag in den Postlauf gelangte, die Mängel gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Dieses Schreiben ging der Beklagten nicht zu. Mit Telefax vom 01. Februar 2008 mahnte der Prozessbevollmächtigte der Kläger -bezugnehmend auf das Anspruchsschreiben vom 08. Oktober 2007- an, dass bisher keinerlei Reaktion der Beklagten erfolgte. Mit Schreiben vom 08.02.2008 setzte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Kläger davon in Kenntnis, dass das Anspruchsschreiben nicht zugegangen war. Daraufhin wurde am gleichen Tag das Anspruchsschreiben der Beklagten per Fax zugeleitet.

Die Kläger behaupten, das Hotel sei anstelle von 20 Metern 300 Meter vom Strand entfernt gewesen.

Sie sind der Ansicht, dass sie neben Aufwendungen, die in Frankfurt entstanden sind, einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises und Ersatz für zwei nicht stattgefundene Urlaubstage haben. Sie sind weiter der Ansicht, die Frist gemäß § 651g Abs. 1 BGB habe nicht zu laufen begonnen, da die Beklagte nicht wirksam auf den Fristbeginn hingewiesen habe. Zumindest liege kein Verschulden auf ihrer Seite vor, da sie unmittelbar nach Kenntnis des fehlenden Zugangs das Anspruchsschreiben vom 08. Oktober 2007 unverzüglich an die Beklagte übermittelt haben.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. an die Kläger 1.345,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Oktober 2007 zu zahlen,

  2. an die Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 223,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger können keine Ansprüche aus §§ 651c, 651f BGB geltend machen, da die Kläger nicht nachgewiesen haben, dass Ansprüche fristwahrend gemäß § 651g Abs. 1 BGB gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurden, und die Kläger nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert waren.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass das Anspruchsschreiben vom 08. Oktober, welches am nächsten Tag zur Post gegeben wurde, nicht bei der Beklagten eingegangen ist. Die Monatsfrist des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB ist daher nicht eingehalten.

Soweit die Kläger sich im nachgelassenen Schriftsatz vom 04.11.2008 darauf berufen, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gemäß § 651g Abs. 1 S. 3 BGB verhindert waren, bzw. dass die Frist mangels wirksamen Hinweises nicht zu laufen begann, ist dies im Ergebnis nicht zutreffend.

Zunächst können sich die Kläger nicht darauf berufen, dass ein wirksamer Hinweis auf den Fristbeginn nicht vorgelegen hat, sodass die Frist des § 651g Abs. 1 S.1 BGB nicht zu laufen begann. Aus § 651g Abs. 1 S. 3 BGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber diesen Fall explizit geregelt hat. Für den Fall einer unverschuldeten Nichteinhaltung der Frist, kann der Reisende auch nach Ablauf der Frist seine Ansprüche noch geltend machen (vgl. dazu BGH NJW 2007, 2549 ff.; Tempel NJW 1987, 2841 ff unter I. 3.). Die Frist aus § 651g Abs. 1 BGB beginnt mit der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise.

Daher können sich die Kläger allenfalls auf § 651g Abs. 1 S.3 BGB berufen. Die Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, da die Kläger nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert waren.

Die Kläger führen insoweit an, dass sie ihrem Entlastungsbeweis gemäß § 651g Abs. 1 S.3 BGB genügen, wenn sie glaubhaft machen, dass das Anspruchsschreiben so rechtzeitig abgesendet wurde, dass es normalerweise innerhalb der Monatsfrist hätte eingehen müssen. Unstreitig ist zwischen den Parteien geblieben, dass das Anspruchsschreiben am 09. Oktober 2007 abgesendet wurde, weshalb der Klägervortrag insoweit nicht beweisbedürftig war. Die von den Klägern zitierte Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/M (NJW-RR 1987, 132) ist allerdings nicht vergleichbar, als dass in der zitierten Entscheidung das Anspruchsschreiben innerhalb der Monatsfrist abgesendet, aber erst nach Ablauf der Frist zugegangen ist. Vorliegend ist das Schreiben jedoch überhaupt nicht zugegangen, was unstreitig geblieben ist; jedenfalls hätten die Kläger den Zugang auch zu beweisen (Eckert in: Staudinger, BGB, § 651g Rdnr. 50; Wendtland in Beck-OK, § 130 Rdnr. 35). Ein Beweisantritt liegt nicht vor, worauf in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen wurde.

Ein unverschuldetes Versäumen der Frist liegt auch nicht aus dem Grunde vor, dass die Beklagte die Kläger möglicherweise nicht auf die Frist hingewiesen hat. Soweit sich die Kläger auf eine Entscheidung des Landgerichts Hannover (NJW-RR 1990, 572) berufen, ist der vorliegende Fall ebenfalls nicht vergleichbar. Die zitierte Entscheidung bezieht sich darauf, dass dem Reisenden durch eine fehlende Anschrift die Geltendmachung seiner Rechte erschwert wird. Eine Erschwerung liegt zwar auch dann vor, wenn auf die Frist nicht hingewiesen wird, jedoch besteht in einem solchen Fall lediglich eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die Fristversäumung des Reisenden entschuldigt ist (BGH NJW 2007, 2549). Diese widerlegliche Vermutung sieht das Gericht bereits aus dem Vortrag der Klägerseite als widerlegt an. Die Reise endete am 03. Oktober 2007; bereits mit Schreiben vom 08. Oktober 2007 haben die Kläger durch ihre Prozessbevollmächtigten ihre Ansprüche geltend gemacht, sodass das Anspruchsschreiben innerhalb der Monatsfrist erstellt wurde. Die Kläger können sich nicht auf den fehlenden Hinweis bezüglich der Frist berufen, wenn ihnen diese Frist durch die Prozessbevollmächtigten bekannt war oder zumindest hätte bekannt gewesen sein müssen. Eine unverschuldete Verhinderung gemäß § 651g Abs. 1 S. 3 BGB kann nämlich nicht vorliegen, wenn der Reisende von der Frist auf andere Weise erfahren hat (BGH NJW 2007, 2549, 2553). Dies ist vorliegend der Fall, da die Kläger bereits am 08. Oktober anwaltlich vertreten waren, sodass die Kenntnis der Frist anzunehmen ist, insbesondere auch deshalb, da die Ansprüche tatsächlich unmittelbar nach Reiseende am 08. Oktober 2007 schriftlich durch die Prozessbevollmächtigten der Kläger geltend gemacht wurden. Dieses Wissen der Prozessbevollmächtigten ist den Klägern gemäß §§ 166 Abs. 1, 278 BGB; (85 Abs. 2 ZPO) zuzurechnen.

Des Weiteren war der fehlende Hinweis der Beklagten für die Fristversäumung auch nicht ursächlich. Die Fristversäumung beruhte vielmehr darauf, dass das Anspruchsschreiben der Beklagten nicht zugegangen ist, bzw. der Zugang nicht nachgewiesen werden konnte, was in keinerlei Zusammenhang mit einem etwaig nicht erfolgtem Hinweis auf die Frist des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB steht.

Auch die Zusendung des Anspruchsschreibens vom 08. Oktober 2007 am 08. Februar 2008 reicht nicht aus, um die Fristversäumung zu entschuldigen. Die Zusendung erfolgte zwar unmittelbar, nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass ein Anspruchsschreiben vom 08. Oktober sie nicht erreicht hat, jedoch erst vier Monate nach dem ersten Anspruchsschreiben.

Die Nachfrage der Prozessbevollmächtigten und die erneute Zusendung des ersten Anspruchsschreibens etwa vier Monate später kann nicht mehr als unverschuldete Fristversäumung angesehen werden. Zunächst hätten sich die Prozessbevollmächtigten der Kläger eines Weges bezüglich des ersten Schreibens bedienen können, der geeignet gewesen wäre, sicherzustellen, dass -beziehungsweise ob- das Schreiben bei der Beklagten zugegangen ist. In diesem Falle hätten die Kläger unverzüglich danach erneut ihre Ansprüche anmelden können. Auch wenn ein solcher Weg von den Klägern nicht gewählt wurde, kann dies im vorliegenden Falle nicht zulasten der Beklagten gehen. Ansonsten hätte es der Reisende in der Hand, die Frist des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB beliebig zu verlängern. Den Klägern ist bei der einfachen Zusendung des Anspruchsschreibens zwar eine Frist zuzubilligen, in der sie ihre Ansprüche erneut anmelden können, ohne dass ihnen ein Verschulden zulasten gelegt werden kann. Diese Frist beträgt aber jedenfalls nicht mehr als 3 Monate nach der ersten Anspruchsstellung. Die Kläger hatten es hier in der Hand, zeitnah bei der Beklagten nachzufragen, ob das Anspruchsschreiben eingegangen ist. Des Weiteren hätten sie erneut das Anspruchsschreiben der Beklagten zuleiten können und müssen, sobald die Möglichkeit nahe liegt, dass ein erstes Anspruchsschreiben nicht zugegangen sein könnte. Dies muss auch aus dem Grunde erfolgen, dass der Reiseveranstalter durch die Frist des § 651g Abs. 1 BGB in dem Sinn geschützt werden soll, dass er Klarheit haben soll, ob etwaige Ansprüche auf ihn zukommen. Dies belastet den Reisenden auch nicht unverhältnismäßig, da es für ihn ohne weiteres möglich ist, sich eines sicheren Weges bezüglich des Zugangs zu bedienen, beziehungsweise wenn ein solcher nicht gewählt wurde, zeitnah erneut ein Anspruchsschreiben zu zusenden. Der Begriff "zeitnah", sodass ein Verschulden im Sinne von § 651g Abs. 1 S. 3 BGB nicht anzunehmen ist, muss nicht abschließend bestimmt werden, da im zu entscheidenden Fall mehr als 17 Wochen nach Reiseende, mehr als 16 Wochen nach dem ersten Anspruchsschreiben und mehr als 12 Wochen nach Ablauf der Frist des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB verstrichen waren.

Somit war das erneute Zusenden des Anspruchsschreibens am 08. Februar 2008 verspätet und damit nicht unverschuldet im Sinne von § 651g Abs. 1 S. 3 BGB. Die Kläger sind mit Ansprüchen gemäß §§ 651c ff. BGB somit ausgeschlossen.

Ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten besteht aus den genannten Gründen ebenfalls nicht.


II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708, 709, 711 ZPO.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.345,00 Euro festgesetzt.

Rechtsgebiete

Reiserecht