Vorbehalt zur Änderung des Programmablaufs einer Reise

Gericht

LG Nürnberg-Fürth


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 07. 2008


Aktenzeichen

7 O 10969/07


Tenor

  1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro - ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, anzuwenden gegen den Geschäftsführer -, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klausel zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:

    „Änderungen des Programmablaufs vorbehalten.“

  2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189,- Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23. 10. 2007 zu bezahlen.

  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Ziff. I. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,- Euro.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.689,- Euro festgesetzt.

Tatbestand


Tatbestand

Die Klägerin verfolgt gemäß § 2 ihrer Satzung den Zweck, durch Beteiligung an der Rechtsforschung sowie durch Aufklärung und Belehrung zur Förderung des lauteren Wettbewerbs beizutragen und - ggf. im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen der Rechtspflege - unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

Die Beklagte ist Reiseveranstalterin.

Die Beklagte hat in ihrem sog. „Preis-Brecher Heft Nr. 2“, das unter anderem der Ausgabe der F Zeitung vom 29. 8. 2007 beilag, die Beschreibung der dort beworbenen Reisen jeweils mit dem Hinweis versehen „Änderungen des Programmablaufs vorbehalten“.

Mit Schreiben vom 19. 9. 2007 beanstandete die Klägerin diese Klausel gegenüber der Beklagten als unzulässig wegen Verstoßes gegen, § 308 Nr. 4 BGB und forderte die Beklagte auf, die beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 28. 9. 2007 hat die Beklagte die streitgegenständliche Klausel gegenüber der Klägerin verteidigt und die Abgabe der Unterlassungserklärung verweigert.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die beanstandete Klausel gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoße, da sie nach ihrem Wortlaut der Beklagten Änderungen der versprochenen Leistung ohne Rücksicht auf die Zumutbarkeit für den Reisenden vorbehalte.

Die Klägerin beantragt,

  1. Die Beklagte wird verurteilt, unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro oder am Geschäftsführer zu vollziehender Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klausel zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen: „Änderungen des Programmablaufs vorbehalten.“

  2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Aufwendungsersatz in Höhe von 189,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit 23. 10. 2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klausel aus den in den Entscheidungsgründen wiedergegebenen rechtlichen Überlegungen für rechtmäßig.

Das Gericht hat am 1. 7. 2008 über die Klage mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteilen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.


I.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKIaG klagebefugt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist gemäß § 6 Abs. 1 UKIaG, § 7 Nr. 2 GZVJu zuständig, da der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung im hiesigen Bezirk hat.


II.

Die Klage ist auch sachlich begründet.

1. Die Klägerin kann gemäß § 1 UKIaG die Unterlassung der beanstandeten Klausel verlangen, da diese nicht in Einklang mit § 308 Nr. 4 BGB steht.

a. Die Beklagte hat die Klausel „Änderungen des Programmablaufs vorbehalten“ als Allgemeine Geschäftsbedingung verwendet Die dagegen gerichtete Argumentation der Beklagten, dass es sich bei der in dem Werbeprospekt „Preis-Brecher Heft Nr. 2“ abgedruckten Klausel um keine AGB handele und sie dem jeweiligen Vertragspartner vor Vertragsabschluss die „tatsächliche“ AGB übersende, die eine derartige Klausel nicht oder jedenfalls in zulässiger „Langform“ enthielten, verfängt nicht. Bei der Klausel handelt es sich gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte ihren Kunden bei Abschluss eines Vertrags stellt. Damit stellt die Klausel eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Die beabsichtigte Verwendung für eine Vielzahl von Verträgen ergibt sich bereits aus der durchgängigen Verwendung für alle in dem Prospekt „Preis-Brecher Heft Nr. 2“ beworbenen Reisen. Die Klausel wird dem Kunden im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB „gestellt“, da die Beklagte ersichtlich die Einbeziehung dieser Klausel in den Vertrag verlangt. Ansonsten wäre es nicht nachvollziehbar, dass die Klausel in dem Werbeprospekt abgedruckt ist. Die streitgegenständliche Klausel soll offensichtlich rechtliche Wirkung haben ebenso wie die unmittelbar dahinter gedruckte Klausel zu den Zahlungsbedingungen. Der von der Beklagten vorgetragene Umstand, dass sie dem Kunden vor Vertragsschluss ihre „tatsächlichen“ AGB zusende, hat keinen Einfluss auf die Qualität der beanstandeten Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung.

Es könnten sich zwar im Einzelfall Zweifel ergeben, ob die Klausel überhaupt in den konkreten Vertrag einbezogen wurde, da für den Vertragspartner nicht ersichtlich ist, ob die AGB aus dem Werbeprospekt oder die gesondert übersandten AGB gelten bzw. ob alle AGB nebeneinander gelten oder welche AGB bei Kollision den Vorrang haben sollen. Dies braucht jedoch im vorliegenden Kontext nicht vertieft zu werden.

b. Die verwendete AGB-Klausel „Änderungen des Programmablaufs vorbehalten“ ist wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Denn gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist in AGB die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Ein Änderungsvorbehalt, der - wie im vorliegenden Fall - das Zumutbarkeitskriterium ersatzlos wegfallen lässt, ist unzulässig (Palandt/Grüneberg, 67. Aufl., § 308 BGB, Rz. 23).

Die Kammer kann der Argumentation der Beklagten nicht folgen, dass das Zumutbarkeitskriterium des § 308 Nr. 4 BGB in der beanstandeten Klausel entbehrlich sei, da es nicht um Änderungen des Programminhalts, sondern um Änderungen des Programmablaufs gehe, womit lediglich die zeitliche Abfolge des Reiseprogramms, das inhaltlich vollständig durchgeführt wird, gemeint sei. Die Klausel soll der Beklagten nach ihrem Vortrag ermöglichen, aus organisatorischen Gründen beispielsweise im Rahmen einer mehrtägigen Reise an den Gardasee den Tagesausflug nach Venedig nicht am dritten, sondern am vierten Reisetag stattfinden zu lassen und stattdessen am dritten Reisetag den ursprünglich für den vierten Reisetag geplanten Halbtagesausflug entlang der Oliven-Riviera durchzuführen.

Die Kammer hat bereits Zweifel; ob die Klausel nach der gebotenen „kundenunfreundlichsten“ Auslegung wirklich auf eine Änderung der zeitlichen Abfolge der vertraglich vereinbarten Programmpunkte reduziert werden kann. Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass ein juristischer Laie die Begriffe „Ablauf“ und „Inhalt“ nicht klar auseinanderhalten kann und daher im Hinblick auf die Klausel auch bei gänzlichem Wegfall eines Programmpunkts - und damit eindeutig einer Änderung des Programminhalts - davon ausgehen könnte, dass ihm insoweit keine Rechte zustehen, obwohl es sich sicherlich um eine relevante Änderung im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB handeln würde.

Hierauf kommt es jedoch nicht an, da selbst bei der von der Beklagten vertretenen Auslegung, wonach die Klausel lediglich die zeitliche Abfolge des Reiseprogramms betreffen soll, auch diesbezügliche Änderungen entgegen der Auffassung der Beklagten für den Reisenden unzumutbar sein und eine nicht nur unerhebliche Abweichung darstellen können. Als Beispiel sei eine zehntägige Reise genannt, in deren Verlauf in den ersten fünf Tagen ein anstrengendes Besichtigungsprogramm und in den letzten fünf Tagen ein Aufenthalt in einem Hotel am Meer geplant ist. Der zeitliche Austausch dieser beiden Komponenten kann für den Reiseteilnehmer durchaus unzumutbar sein, da er sich etwa darauf eingestellt hat, sich nach dem anstrengenden Besichtigungsprogramm während der darauffolgenden fünf Tage am Meer erholen zu können und dadurch am Ende der Reise ausgeruht nach Hause zu kommen. Der Erholungszweck der Reise kann daher auch durch den bloß zeitlichen Austausch von einzelnen Programmpunkten massiv beeinträchtigt werden. Nach richtiger Auffassung ist § 308 Nr. 4 BGB auch anwendbar, wenn der Änderungsvorbehalt Leistungsmodalitäten wie die Zeit der Leistung betrifft (vgl. (Palandt/Grüneberg, a. a. O., Rz. 22). Das obige Beispiel zeigt, dass kein Anlass besteht, hiervon im Bereich der Reiseverträge abzuweichen.

Die Klausel kann auch nicht dadurch „gerettet“ werden, dass die Beklagte vorträgt, dass sie im konkreten Fall, nur Änderungen des zeitlichen Ablaufs vornehmen würde, die objektiv unwesentlich seien, denn bereits nach dem - nicht durch ein Zumutbarkeitskriterium beschränkten - Wortlaut der Klausel sind auch gravierende Änderungen des zeitlichen Ablaufs in der oben beispielhaft beschriebenen Form umfasst. Nach der gebotenen „künden unfreundlichsten“ Auslegung gilt dies erst recht.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 5 UKIaG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Anspruch auf Zahlung von 189,- Euro, da die Abmahnung berechtigt war und die Beklagte daher Ersatz der erforderlichen Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe zu leisten hat.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.


III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 5 UKIaG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.689,- Euro festgesetzt. Dabei wird der Streitwert des Unterlassungsanspruchs mit 2.500,- Euro bemessen, zu dem der Wert des Zahlungsantrags hinzuzurechnen ist.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 5 UKlaG i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 ZPO.

Rechtsgebiete

Reiserecht; Vertragsrecht

Normen

BGB § 308 Nr. 4