Vermittler von Reiseveranstaltungen im Internet nicht unterlassungspflichtig bezüglich Reiseveranstalter-AGB
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
23. 10. 2007
Aktenzeichen
15 O 974/06
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der klagende Verein nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung unwirksamer Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch.
Die Beklagte betrieb mindestens bis zum 1.10.2006 die Internetseite I.-Reisen, die Expeditionsreisen und Kreuzfahrten verschiedener Reiseveranstalter vermittelte. ...
Mit Kaufvertrag vom 22.9.2006 verkaufte die Beklagte mit Wirkung zum 1.10.2006 die genannte Adresse an die Firma I. Internet Services GmbH & Co KG mit Sitz in Caputh, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Firma I. Handels- und Beteiligungs-GmbH ist, deren Gesellschafterin die Beklagte ist.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.10.2006 vergeblich unter Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Fristsetzung ab. ...
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 4 Nr. 11, 3 UWG in Verbindung mit § 307 BGB zu. Die Beklagte ist bereits nicht passivlegitimiert.
1. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Verkauf der streitgegenständlichen Seite. Soweit die Beklagte vorträgt, sie sei schon deswegen nicht passivlegitimiert, weil sie die streitgegenständliche Internetadresse mit Wirkung zum 1.10.2006 verkauft habe, so ist ihr Vorbringen unerheblich. Denn unabhängig von dem Verkauf haftet sie für den Inhalt der Seite, solange sie im Impressum genannt ist. Dass sie dies am 9.10.2007 noch war, hat die Klägerin vorgetragen, durch Vorlage des entsprechenden "screenshot" substantiiert und unter Beweis gestellt.
2. Jedoch haftet die Beklagte, die unstreitig selbst keine Reisen veranstaltet, sondern diese lediglich vermittelt hat, nicht für den Inhalt der streitgegenständlichen Reisebedingungen. Da die Beklagte unstreitig nicht die Verwender in der beanstandeten Klauseln ist, kommt eine Haftung allein aufgrund der Veröffentlichung auf ihrer Vermittlungsplattform nicht in Betracht. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit der Einstellung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters die Absicht verfolgt hätte, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern und damit zum Zwecke des Wettbewerbs zu handeln (so auch BGH, GRUR 2001, 1038, 1039 - ambiente.de). Eine solche Störerhaftung besteht nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nur dann, wenn sie ohne Verschulden mit der Einstellung der AGB des Reiseveranstalters eine zurechenbare Ursache für eine Verletzung von Rechten der Wettbewerber durch den Reiseveranstalter gesetzt hätte (BGH, GRUR 2001, 1038, 1039 - ambiente.de).
Denn der Störer handelt nur dann wettbewerbswidrig im Sinne des § 3 UWG, wenn er durch seine Handlungen dazu beiträgt, dass Dritte wettbewerbswidrige Handlungen vornehmen können (BGH, NJW-RR 2003, 1288 - Sanfte Schönheitschirurgie). Eine solche Störerhaftung kann nur bestehen, wenn der Beklagten Prüfungspflichten oblägen (BGH, GRUR 2001, 1038, 1039 - ambiente.de). Als Störer kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zwar grundsätzlich jeder auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden willentlich und adäquat-kausal an der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, [9. Aufl.], Kapitel 14, Rn. 4 mit weiteren Nennungen). Als Mitwirkung kann bereits die bloße, auch gutgläubige Unterstützung des eigenverantwortlichen Dritten mit Hilfe des eigenen Unternehmens genügen, solange die rechtliche Möglichkeit besteht, die Störungshandlung des Dritten zu verhindern (Teplitzky, a.a.O.). Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, GRUR 1997, 313 - Architektenwettbewerb, zum UWG; GRUR 1994, 841 - Suchwort, zum Kennzeichenrecht; GRUR 1999, 418 - Möbelklassiker, jeweils m.w.N.).
Die Prüfungspflicht der Beklagten kann sich grundsätzlich allein auf offenkundige, aus ihrer Sicht eindeutige Rechtsverstöße beziehen, denn es ist der Beklagten unzumutbar, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verschiedener Reiseveranstalter umfassend auf Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften im Reiserecht und sonstige Verstöße gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Das ergibt sich bereits aus dem Tätigkeitsfeld und den vertraglichen Beziehungen der beklagten Reisevermittlerin zu diversen Reiseveranstaltern und den Kunden. Der BGH hat stets differenziert zwischen den Aufgaben des Reisevermittlers und denen des Reiseveranstalters und ersteren nicht für Pflichtverstöße von letzteren haften lassen (so für die Beratungspflicht des Reiseveranstalters bezüglich Pass und Visum unter Differenzierung zwischen Vermittlungs- und Veranstaltungspflichten BGH, RRa 2006, 170 = NJW 2006, 2321 m.w.N.). Wie weit die Prüfungspflichten eines möglichen Störers reichen, hat der Senat unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie im Blick auf die Eigenverantwortung des unmittelbar handelnden Dritten beurteilt (vgl. BGH, GRUR 1995,62,64 – Betonerhaltung; GRUR 1993, 561, 562; GRUR 1994, 819). Um die Arbeit der Betroffenen nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, wurde beispielsweise nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht angenommen, wenn der Störungszustand für den als Störer in Anspruch Genommenen nicht ohne weiteres oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erkennbar ist (vgl. BGH, GRUR 1990, 1012 - Pressehaftung I und II; GRUR 1994, 841 – Suchwort; GRUR 1997, 990 - Branchenbuch-Nomenklatur).
Solange die Beklagte keinerlei Anhaltspunkte für die Wettbewerbswidrigkeit der Reisebedingungen einzelner Anbieter vorlagen, wofür hier nichts spricht, hatte sie keinen Anlass diese zu überprüfen. ...
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