Einwilligung von Verbrauchern in telefonische Werbung

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

04. 03. 2009


Aktenzeichen

5 U 62/08


Leitsatz des Gerichts

  1. vorformulierte Einwilligungserklärung eingeholt werden.

  2. Eine Klausel auf der Teilnehmerkarte für ein einer Zeitschrift beigefügtes Gewinnspiel, welche sich unter der Rubrik „Tel.” befindet und lautet: „z.B. zur Gewinnbenachrichtigung u. für weitere interessante telef. Angebote der Z GmbH” verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie weit über den erkennbaren Zweck des Gewinnspiels hinausgeht. Die aufgrund dieser Klausel eingeholte Einwilligung des Verbrauchers ist daher nicht wirksam erteilt.

  3. Die Klausel verstößt außerdem gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da sowohl der Gegenstand als auch der Kreis der potentiellen Anrufer unklar bleibt.

Tenor


Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg – Zivilkammer 15 – vom 14.2.2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I. Die Antragstellerin ist eine qualifizierte Einrichtung i.S.d. § 4 UKlaG, die Antragsgegnerin bewirbt Zeitschriftenabonnements im Wege des Telefonmarketings. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Verbraucher auf ihrem privaten Telefonanschluss anzurufen, um für Zeitschriftenabonnements zu werben, wenn nicht die Verbraucher zuvor einer solchen telefonischen Kontaktaufnahme zugestimmt haben.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Zeugin H nahm im ersten Halbjahr 2007 an einem Preisausschreiben in der Zeitschrift „Bild der Frau” teil, in dem der Gewinn eines VW Eos oder eine gewisse Anzahl Gutscheine über je 100 in Aussicht gestellt wurden. Die Zeugin füllte zu diesem Zweck eine Gewinnspielkarte aus, die an die Antragsgegnerin adressiert ist (Anlage Ast. 4). Auf der Karte sind mehrere Zeilen zum Ausfüllen durch den Spielteilnehmer vorgesehen, unter denen sich jeweils vorgedruckt die Angaben befinden, die auf der betreffenden Zeile einzutragen sind (Name, Vorname usw.). Unter einer Zeile befindet sich die Angabe. „Tel. (z.B. zur Gewinnbenachrichtigung u. für weitere interessante telef. Angebote der Z GmbH)”. Hier trug die Zeugin H ihre private Telefonnummer ein. Eine Kopie der von der Zeugin ausgefüllten Karte ist nachfolgend eingeblendet:

Etwa Ende Juni 2007 meldete sich eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin bei der Zeugin H unter der auf der Karte angegebenen Telefonnummer. Sie teilte ihr mit, dass sie aufgrund der Teilnahme der Zeugin an dem Preisausschreiben anrufe und dass die Zeugin demnächst einen Gutschein per Post erhalten würde. Im Anschluss daran bot die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin der Zeugin an, die Zeitschrift „Bild der Frau” zu einem Vorzugspreis zu abonnieren.

In diesem Vorgehen sieht die Antragstellerin eine unerlaubte telefonische Werbung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Insbesondere ergebe sich aus der Angabe der Telefonnummer auf der Gewinnspielkarte keine wirksame Einwilligung, zum Zwecke der Werbung für Abonnements angerufen zu werden. Sie hat die Antragsgegnerin unter dem 11.9.2007 mit Fristsetzung zum 20.9.2007 erfolglos abgemahnt. Unter dem 26.9.2007 ging ihr Verfügungsantrag mit dem einleitend bereits genannten Antrag beim LG Hamburg ein, dem unter dem 27.9.2007 stattgegeben worden ist.

Nach Einlegung des Widerspruchs durch die Antragsgegnerin hat das LG die einsteilige Verfügung mit Urteil vom 14.2.2008 bestätigt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen eingelegten Berufung verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung und Abweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen weiter. Die Antragstellerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das LG hat zu Recht einen Verfügungsanspruch gemäß den §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG bejaht. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung haben keinen Erfolg. Auch ein Verfügungsgrund liegt vor. Im Einzelnen:

1. Ohne Erfolg beanstandet die Berufung erneut den Verfügungsantrag als zu weit. Gegenstand der Verfügungsantrags ist das Verbot, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Verbraucher auf ihrem privaten Telefonanschluss anzurufen, um für Zeitschriftenabonnements zu werben, wenn nicht die Verbraucher zuvor einer solchen telefonischen Kontaktaufnahme zugestimmt haben. Gegenstand des Verfügungsantrags ist also nicht das Verbot, für die Teilnahme an einem derartigen Gewinnspiel eine Gewinnspielkarte wie diejenige gemäß Anlage Ast. 4 mit der darin befindlichen vorformulierten Einwilligungsklausel zu verwenden. Der Inhalt dieser Karte spielt zwar inzident für die Frage eine Rolle, ob mit ihr eine Einwilligung der Zeugin H in den Werbeanruf begründet werden kann; sie selbst ist jedoch nicht Gegenstand des Verbots, sondern nur Teil des Lebenssachverhalts, aus dem das Verbot abgeleitet wird. Wenn die Einwilligung nicht wirksam erteilt worden ist, war der Telefonanruf zu Werbezwecken unzulässig und die Antragstellerin hat Anspruch auf ein uneingeschränktes Verbot. Es spielt für den Unterlassungsantrag keine Rolle, aus welchem Grunde keine wirksame Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorlag, ob also die Antragsgegnerin überhaupt zunächst versucht hat, eine Einwilligung zu erhalten – so der vorliegende Fall – oder ob sie von vornherein ohne eine – wenn auch unwirksame – Einwilligung bei der Zeugin H angerufen hat. Der „wettbewerbliche Unwert” mag im ersten Fall zwar geringer sein, eine Einschränkung des Unterlassungsantrags folgt hieraus jedoch nicht.

2. Unstreitig hat die Antragsgegnerin bei einer Verbraucherin, der Zeugin H, angerufen und für ein Zeitschriftenabonnement geworben. Eine Werbung mittels eines Telefonanrufs ist bei einem Verbraucher gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nur zulässig, wenn dieser zuvor ausdrücklich oder konkludent in den Anruf eingewilligt hat (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, WettbR, 26. Aufl., § 7 Rz. 43). Durch die Angabe ihrer Privatnummer auf der Glücksspielkarte hat die Zeugin H zwar jedenfalls konkludent eine Einwilligungserklärung zu einer telefonischen Kontaktaufnahme abgegeben, d.h. die Abgabe einer wörtlichen Erklärung war entgegen der Meinung der Antragstellerin nicht notwendig. Jedoch verstößt der vorformulierte Text zur Reichweite dieser Einwilligung „Tel. (z.B. zur Gewinnbenachrichtigung u. für weitere interessante telef. Angebote der Z GmbH”) nach der zutreffenden Bewertung durch das LG gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und macht die Einwilligung damit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB insgesamt unwirksam. Selbst wenn man aber die Auffassung vertreten wollte, dass die Einwilligung jedenfalls insoweit wirksam ist, als ein Anruf der Antragsgegnerin ausschließlich zum Zwecke der Gewinnbenachrichtigung erfolgen durfte, kommt es hierauf im vorliegenden Fall nicht an, weil die Antragsgegnerin den Anruf bei der Zeugin H unstreitig jedenfalls auch zu Werbezwecken getätigt hat.

a) Wie schon das LG ausgeführt hat, ist in der Rechtsprechung des BGH die Frage, ob eine vorformulierte Einwilligung in die Telefonwerbung nicht schon schlechthin unzulässig, umstritten (s. zum Streitstand Hefermehl/Köhler/Bornkamm, WettbR, 26. Aufl., § 7 Rz. 47). Der für das Wettbewerbsrecht zuständige 1. Zivilsenat des BGH ist für die Rechtslage zum alten UWG grundsätzlich von der Möglichkeit einer vorformulierten Einwilligung ausgegangen, hat diese aber der AGB-Kontrolle nach § 9 AGBG (jetzt 307 BGB) unterzogen, da der Verwender für die Einverständniserklärung wie bei vorformulierten Vertragsbedingungen einseitig seine rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nehme und der Kunde nur darauf, ob er die Erklärung abgeben wollle, nicht aber auf ihren Inhalt Einfluss habe (BGH v. 27.1.2000 – I ZR 241/97, MDR 2000, 962 m. Anm. Vehslage = CR 2000, 596 = GRUR 2000, 818,819 – Telefonwerbung VI; s. auch BGH GRUR 2008, 1010 – Payback, Rz. 27 ff. für vorformulierte Einwilligungen in unverlangt versandte E-Mails und SMS gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, Anlage Ag 2; Hinweisbeschluss des 3. Zivilsenats des HansOLG zum Aktz. 3 U 240/07 gemäß Anlage Ag 3, S. 3; OLG Köln GRUR-RR 08, 316,317; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O.). Dieser Auffassung folgt auch der Senat.

b) Mit dem LG und entgegen der Auffassung der Berufung ist die hier verwendete Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie erheblich über den konkreten Zweck des Gewinnspiels hinausgeht. Nach der Entscheidung „Telefonwerbung VI” des BGH ist eine Einverständniserklärung in dem Eröffnungsantrag für ein Sparkonto, mit der in die telefonische Werbung „in Geldangelegenheiten” eingewilligt wird, wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG – der inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung zu § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB – unwirksam, weil sie zu weit ist, nämlich der Bank telefonische Werbung auch in anderweitigen Geldangelegenheiten ermöglichen soll, die über das Vertragsverhältnis mit der Bank hinausgehen. Das LG hat aus dieser Entscheidung für den vorliegenden Fall den Schluss gezogen, dass jede Einwilligungserklärung, die mehr als die Gewinnbenachrichtigung erlaube, zu weit gefasst sei.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Auffassung gefolgt werden kann. Dem durchschnittlich aufgeklärten und verständigen Verbraucher ist durchaus bewusst, dass Gewinnspiele der vorliegenden Art auch der Werbung dienen, insbesondere der Werbung für die Zeitschrift „Bild der Frau”. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von demjenigen des BGH in seiner Entscheidung „Telefonwerbung VI”. Daher dürfte es möglicherweise noch keine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers darstellen, wenn sich die vorformulierte Einverständniserklärung nur auf Werbung für Zeitschriften oder Zeitungen bezogen hätte.

Die Frage kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn die hier in Rede stehende Klausel geht weit über den erkennbaren Zweck des Gewinnspiels hinaus. Die Formulierung ist so allgemein gehalten, dass sie „interessante Angebote” aus jedem Waren – und Dienstleistungsbereich erfasst. Außerdem lässt die Fassung der Klausel durch das vorangestellte „z.B.” sogar Werbeanrufe anderer Firmen als der Antragsgegnerin zu, weil unklar bleibt, ob sich die beispielhafte Nennung nur auf den Gegenstand der Anrufe und/oder auch auf die Anrufer selbst bezieht.

c) Dem LG ist ferner darin zu folgen, dass die vorformulierte Einverständniserklärung wegen ihrer unklaren Reichweite gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt und auch aus diesem Grunde unwirksam ist. So hat der 3. Zivilsenat in seinem oben bereits genannten Hinweisbeschluss eine vorformulierte Einverständniserklärung, nach der neben dem Verwender auch andere „geeignete Partner” Werbeanrufe tätigen durften, für unwirksam gehalten, weil nicht hinreichend klar sei, mit wessen Werbeanrufen der Verbraucher rechnen müsse. Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – nicht nur unklar bleibt, ob neben der Antragsgegnerin weitere Personen oder Unternehmen Werbeanrufe tätigen können, sondern auch der Gegenstand dieser Anrufe. Auch die Kommentierung von Hefermehl/Köhler/Bornkamm (WettbR, 26. Aufl., § 7 Rz. 47) geht davon aus, dass vorformulierte Einwilligungsklauseln unwirksam gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind, wenn sie nicht hinreichend bestimmt sind. So liegt es hier.

d) Da die vorformulierte Einwilligungserklärung schon aus den unter Ziff. b und c erörterten Gründen unwirksam ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob sie auch in entsprechender Anwendung der in der Entscheidung „Payback” des BGH aufgestellten Grundsätze für unverlangte Werbung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lässt sich aus der Entscheidung „Payback” des BGH aber jedenfalls kein abweichendes Ergebnis herleiten.

Diese Entscheidung bezieht sich nicht auf unerlaubte Telefonanrufe, sondern auf unverlangt zugeschickte SMS und E-Mails. Gegenstand der Entscheidung war die Zulässigkeit dreier Vertragsklauseln des unter der Bezeichnung „Payback” betriebenen Kunden- und Rabattsystems. Die unter Ziff. 31 der Entscheidung erörterte und von der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren aufgegriffene Klausel, wonach der Verbraucher die Möglichkeit habe, durch Angabe der Mobiltelefonnummer und/oder der E-Mail-Adresse Informationen über „Extra-Punktechancen, Topaktionen und Neuigkeiten zu Payback” per SMS bzw. E-Mail-Newsletter zu erhalten, war selbst nicht Gegenstand der Prüfung des BGH. Der BGH hat sich nur dazu geäußert, dass diese Klausel kein Einverständnis für Werbung jeglicher Art durch elektronische Post beinhalte.

Schließlich ist diese Klausel auch inhaltlich mit der vorliegend zu beurteilenden Formulierung nicht vergleichbar, da der Gegenstand der Werbung deutlicher umrissen ist, nämlich nur im Zusammenhang mit dem Payback-System steht. Auch ist nicht ersichtlich, dass andere Unternehmen als der Vertragspartner SMS oder E-Mails zum Zwecke der Werbung verschicken dürfen.

e) Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob die von der Antragsgegnerin verwendete Klausel mit § 4a BDSG in Einklang steht. Auch insoweit ist dem LG zuzustimmen, dass § 4a BDSG und § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG einen unterschiedlichen Anwendungsbereich haben und jeweils eigenständige Regelungen darstellen. Diese Auffassung wird durch die Entscheidung „Payback” des BGH gestützt, dort für das Verhältnis zwischen § 4a BDSG und § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (Ziff. 30).

3. Der Verfügungsgrund wird gem. § 12 Abs. 2 UWG zugunsten der Antragstellerin vermutet und auch nicht von der Antragsgegnerin in Frage gestellt. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin die Dringlichkeitsvermutung selbst durch zu langes Zuwarten widerlegt hätte. Zwar erfolgte der Anruf schon Ende Juni 2007 und die Abmahnung erst am 11.9.2007. Die Kenntnis der Zeugin H wird jedoch nicht der Antragstellerin zugerechnet, denn sie ist nicht deren Wissensvertreterin (Hefermehl/Bornkamm/Köhler, WettbR, 26. Aufl., § 12 Rz. 3.15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


Richter
Betz, VorsRiOLG
Rieger, RiOLG
Lemke, RiOLG

Vorinstanzen

LG Hamburg, 315 O 829/07, 14.2.2008

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht

Normen

UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 307