Höhe der Reisepreis-Minderung richtet sich auch nach der Möglichkeit, der Lärmquelle auszuweichen

Gericht

LG Duisburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 03. 2008


Aktenzeichen

12 S 70/07


Tenor


Tenor:

Das Versäumnisurteil vom 29.11.2007 bleibt aufrecht erhalten. Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 130 - 137 d. A.). Im übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.


II.

Der Einspruch des Klägers gegen das Urteil der Kammer vom 29.11.2007 ist zulässig, insbesondere ist die Einspruchfrist gem. § 339 Abs. 1 ZPO gewahrt, da das Urteil am 21.12.2007 zugestellt und der Einspruch am 24.12.2007 eingelegt worden sind.

Die Berufung ist allerdings unbegründet.

1. Die vom Amtsgericht zugrunde gelegte Minderungsquote von 15 % für den als Reisemangel anzusehenden Baulärm vor dem Bungalow ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den von der Kammer und anderen Gerichten in vergleichbaren Fällen angenommenen Minderungssätzen.

Bei der Bewertung dieses Reisemangels sind insbesondere die Intensität und Dauer der Lärmbelästigung zu berücksichtigen.

Insofern hat das Amtsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger und seine Mitreisenden die Möglichkeit hatten, dem Baulärm vor ihrem Bungalow durch ein Ausweichen auf andere Teile der Anlage zu entrinnen. Die Kammer folgt dem Amtsgericht auch darin, dass es insoweit grundsätzlich auf die Gewohnheiten eines Durchschnittsreisenden ankommt, der sich in einem Urlaub am Meer bei sommerlichen Temperaturen typischerweise tagsüber nur kurzfristig im Zimmer aufhält. Gründe, weshalb sich der Kläger und seine Mitreisenden entgegen diesen Gepflogenheiten ganztätig in dem Bungalow aufhalten wollten (vgl. Bl. 24 d. A.), hat der Kläger nicht dargelegt. Selbstverständlich kann jeder Reisende selbst bestimmen, wo er seine Urlaubszeit verbringen möchte, er muss sich aber gleichwohl eine an objektivierbaren Kriterien ausgerichtete Bemessung der Minderung gefallen lassen. Hiervon geht – anders, als die Berufung suggerieren möchte – auch die unter der in der Berufungsbegründung angegebenen Fundstelle (NJW-RR 1987, 496) abgedruckte Entscheidung des LG Frankfurt am Main aus, welches die Ausweichmöglichkeit an den Strand zum Anlass genommen hat, das Maß der Minderung um 1/3 zu kürzen.

2. Zu Recht hat das Amtsgericht die Minderung erst ab dem Zeitpunkt der Mängelanzeige zugesprochen. Entgegen der Meinung des Klägers war eine Mängelanzeige nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil die Beklagte Kenntnis von den Bauarbeiten hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. z. B. LG Duisburg, RRa 2003, 114), an der sie auch im vorliegenden Fall festhält, ist eine unverzügliche Mängelanzeige auch für dem Reiseveranstalter bekannte Mängel erforderlich. Da nicht jeder objektive Mangel von jedem Reisenden gleichermaßen als Beeinträchtigung seiner Reise empfunden wird, besteht ein berechtigtes Interesse des Reiseveranstalters, auch hinsichtlich bekannter Mängel eine Mängelanzeige zu erhalten. Ohne Beanstandung seitens des Reisenden hat der Reiseveranstalter keine Veranlassung, Abhilfe anzubieten.

Die Mängelanzeige war auch nicht deshalb entbehrlich, weil eine Beseitigung des Mangels objektiv unmöglich war. Dass letzteres der Fall gewesen sei, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Die Beweislast des Klägers ergibt sich daraus, dass jede Partei die für sie günstigen Umstände darzulegen und zu beweisen hat. Da die Entbehrlichkeit der Anzeige gerade eine Ausnahme vom allgemeinen Rügeerfordernis begründet, hat der Kläger diesen für ihn günstigen speziellen Umstand zu beweisen.

Der bloße Vortrag des Klägers, eine Abhilfe sei nicht möglich gewesen, reicht insoweit nicht aus. Insbesondere kann aus dem von der Zeugin bekundeten Umstand, dass dem Kläger auf die Mängelanzeige vom 20.02.2006 ein Umzug erst für den 22.02.2006 angeboten worden sei – mithin für einen Zeitpunkt, zu dem dem Kläger und seinen Mitreisenden ein Umzug nicht mehr zumutbar war –, nicht geschlossen werden, dass auch im Falle einer früheren Mängelanzeige ein Ersatzbungalow nicht zu einem früheren Zeitpunkt zur Verfügung gestanden hätte.

Eine Mängelanzeige konnte das Amtsgericht nach den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen, deren Würdigung die Berufung nicht angreift, erstmals am 20.02. 2006 feststellen. Auch die klägerseits benannte Zeugin hat die Beweisfrage zu 5., ob sich der Kläger erstmals am 20.02.2006 fernmündlich an das Büro der Beklagten gewandt und Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten gerügt habe, ausdrücklich und eindeutig bejaht. Daher scheidet eine Erstreckung der Minderung auf den davor liegenden Zeitraum aus.

3. Gewährleistungsansprüche wegen der erstmals im Schriftsatz vom 28.08.2006 vorgetragenen weiteren Mängel hat das Amtsgericht zu Recht abgelehnt, weil der Kläger diese nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 BGB geltend gemacht hat. In dem insoweit maßgeblichen anwaltlichen Anspruchsschreiben vom 28.02.2006 werden Gewährleistungsansprüche ausschließlich wegen des Baulärms geltend gemacht; weitere Mängel sind dort ebenso wenig erwähnt wie in der Klageschrift vom 02.05.2006. Insoweit verhilft der Berufung auch nicht der Vortrag zum Erfolg, diese Mängel seien ebenfalls schriftlich am 20.02.2006 bei der Reiseleitung gerügt worden. Denn das Beanstandungsschreiben vom 20.02.2006, auf dessen Rückseite die weiteren Mängel in der Tat aufgeführt sind, erfüllt zwar die Voraussetzungen einer Mängelanzeige im Sinne des § 651 d Abs. 2 BGB, lässt aber die Geltendmachung von Ansprüchen nicht erkennen.

4. Schließlich steht weder dem Kläger noch seinen Mitreisenden eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651 f Abs. 2 BGB zu. Wie das Amtsgericht geht die Kammer in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne dieser Vorschrift nur vorliegt, wenn die Reise in einem Maße mangelhaft war, das eine Minderung des Gesamtreisepreises um mindestens 25 % rechtfertigt. Da es nach dem oben Gesagten bei der vom Amtsgericht festgestellten Minderung in Höhe von 137,57 € bleibt, welche bezogen auf den Gesamtreisepreis von 1.605,00 € einer Quote von weniger als 9 % entspricht, ist die Erheblichkeitsschwelle vorliegend noch nicht überschritten.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.


IV.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 1.839,- € festgesetzt.

Vorinstanzen

AG Duisburg, 74 C 3324/07

Rechtsgebiete

Reiserecht