Verkürzung der Schadensersatzansprüche des Pauschalreisenden durch AGB unwirksam
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
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Aktenzeichen
Xa ZR 141/07
Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die beklagte Reiseveranstalterin Ansprüche wegen mangelhafter Reiseleistungen geltend.
Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Mauritius, die später auf die Zeit vom 3. bis 18. August 2005 umgebucht wurde. In der der ursprünglichen Buchung zugrunde liegenden Reiseanmeldung vom 12. Oktober 2004 heißt es:
"Die Reise- und Zahlungsbedingungen wurden anerkannt. Sie sind Vertragsinhalt."
In Nummer 10.7 der im damaligen Katalog der Beklagten abgedruckten Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten ist bestimmt:
"Vertragliche Ansprüche des Reisenden verjähren in einem Jahr, beginnend mit dem Tag, an dem die Reise nach dem Vertrag enden sollte. Schweben Verhandlungen über die von Ihnen erhobenen Ansprüche, ist die Verjährung gehemmt, bis Sie oder wir die Fortsetzung der Verhandlungen verweigern. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. …"
Mit Schreiben vom 22. August 2005 meldete der Kläger bei der Beklagten Ansprüche an, die die Beklagte mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 zurückwies.
Mit seiner Klage hat der Kläger die teilweise Rückzahlung des Reisepreises und eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit begehrt. Insgesamt hat er die Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.766,-- € an sich und in Höhe von weiteren 1.152,-- € an seine Ehefrau jeweils nebst Zinsen verlangt. Die Klageschrift ist am 11. August 2006 bei Gericht eingegangen und am 14. Dezember 2006 der Beklagten zugestellt worden.
Das Amtsgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Etwaige Ansprüche des Klägers seien verjährt. Die Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten, mit denen sie in Nummer 10.7 von der nach § 651m Satz 2 BGB gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Verjährung zu erleichtern, seien wirksam in den Vertrag einbezogen worden. In der bei der Buchung im Reisebüro erstellten Reiseanmeldung liege das Angebot des Klägers auf Abschluss eines entsprechenden Reisevertrages. Bei Abgabe dieses Angebots sei der Kläger ausreichend deutlich darauf hingewiesen worden, dass für den abzuschließenden Vertrag die Reise- und Zahlungsbedingungen gelten sollten. In der Reiseanmeldung heiße es nämlich, dass die Reise- und Zahlungsbedingungen anerkannt worden und Vertragsinhalt seien. Der Kläger habe auch eine zumutbare Möglichkeit gehabt, von den Reise- und Zahlungsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Da die Buchung anhand des die Reise- und Zahlungsbedingungen enthaltenen Katalogs erfolgt sei, habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, in den Katalog und damit auch in die Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten Einsicht zu nehmen. Es gelte daher die einjährige Verjährungsfrist gemäß Nummer 10.7 der Reise- und Zahlungsbedingungen. Die Verjährung sei durch die Klageerhebung nicht gehemmt worden, da die Zustellung der Klageschrift erst nach Vollendung der Verjährung und infolge der vom Kläger unvollständig angegebenen Adresse der Beklagten nicht "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt sei.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass etwaige Ansprüche des Klägers auf teilweise Rückerstattung des Reisepreises unter dem Gesichtspunkt der Minderung nach §§ 651d Abs. 1, 651c Abs. 1, 638 Abs. 3 und 4 BGB und auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB verjährt seien. Nach § 651g Abs. 2 Satz 1 BGB verjähren Ansprüche des Reisenden nach den §§ 651c bis 651f in zwei Jahren. Diese Frist ist durch die Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten nicht wirksam verkürzt worden; die Verjährung in der gesetzlichen Frist ist durch die Klageerhebung gehemmt worden.
1. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen bereits nicht die Annahme, die Reise- und Zahlungsbedingungen seien in den von den Parteien geschlossenen Reisevertrag einbezogen worden.
Die Reise- und Zahlungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 305 Abs. 2 BGB nur dann Vertragsbestandteil werden, wenn der Verwender die andere Vertragspartei nicht nur gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 auf diese Bedingungen hinweist, sondern ihr auch die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Es kann dahinstehen, ob der Hinweis in der Reiseanmeldung § 305 Abs. 2 Nr. 1 genügt. Das erscheint deshalb nicht unzweifelhaft, weil "die" Reise- und Zahlungsbedingungen, auf die verwiesen worden ist, weder durch einen Hinweis auf den Katalog, in dem diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts abgedruckt waren, noch in sonstiger Weise identifiziert worden sind. Jedenfalls hat das Berufungsgericht aber die zweite Obliegenheit zu Unrecht für erfüllt gehalten. Entgegen seiner Auffassung ist es dem Reisenden, der im Reisebüro eine Reise bucht, nicht zuzumuten, durch Einsicht in den Katalog Kenntnis von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu nehmen, die der Reiseveranstalter dem Reisevertrag zugrunde legen will.
Bei den Reisebedingungen handelt es sich typischerweise - und so auch im Streitfall - um umfangreiche, im Kleindruck wiedergegebene Klauselwerke. Sie im Reisebüro wirklich zur Kenntnis zu nehmen, ist praktisch unmöglich und kann jedenfalls vom Reisenden nicht erwartet werden (vgl. Kappus, RRa 2003, 198, 200; Tonner in MünchKomm./BGB, 4. Aufl., § 651a Rdn. 67; § 6 BGB-InfoV Rdn. 19; Staudinger/Schlosser, BGB, Neubearb. 2006, § 305 Rdn. 145; Tempel, NJW 1996, 1625, 1630; RRa 2002, 185, 186 f.). Denn das Gesetz verlangt von dem Reiseveranstalter, dass er seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Reisenden in die Hand gibt. Nach § 6 Abs. 3 BGB-InfoV müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Reiseveranstalter dem Vertrag zugrunde legt, dem Reisenden vor Vertragsschluss vollständig übermittelt werden. Diese Verpflichtung kann der Reiseveranstalter nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV zwar auch dadurch erfüllen, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen nach Absatz 3 entsprechen. Dies setzt indessen voraus, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden den Prospekt zur Verfügung stellt. Zumindest bei einer Buchung im Reisebüro muss der Katalog dem Reisenden ausgehändigt werden; es genügt gerade nicht, dass der Katalog nur im Reisebüro einsehbar ist (BGH, Urt. v. 12.6.2007 - X ZR 87/06, NJW 2007, 2549, 2551 f.). Auch wenn § 6 Abs. 3 BGB-InfoV nicht unmittelbar die Voraussetzungen für eine wirksame Einbeziehung von Reisebedingungen in den Reisevertrag bestimmt (Basedow in MünchKomm./ BGB, 5. Aufl., § 305 Rdn. 62; Staudinger/Eckert, BGB, Neubearb. 2003, § 651a, Rdn. 85; Staudinger, RRa 2007, 245, 250 f.), genügt angesichts dieser gesetzlichen Verpflichtung des Reiseveranstalters die bloße Gelegenheit, den Katalog im Reisebüro einzusehen, nicht dem Erfordernis des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB, dem Reisenden die Möglichkeit zu verschaffen, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Reisebedingungen Kenntnis zu nehmen. Dementsprechend wird auch in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen zu § 3 Abs. 3 InfoV a.F. (§ 6 Abs. 3 BGB-InfoV n.F.) ausgeführt, dass durch die besonderen Erfordernisse des § 3 Abs. 3 dieser Verordnung die "Möglichkeit der Kenntnisnahme" im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGB-Gesetz (jetzt: § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB) verstärkt werde (BT-Drucks. 12/5354, S. 18).
Auch die Erwägung des Berufungsgerichts, dem Reisenden, der sich mit der Lektüre der Geschäftsbedingungen im Reisebüro überfordert fühle, bleibe es unbenommen, den Katalog mit nach Hause zu nehmen, dort die Bedingungen in Ruhe zu studieren, um danach wieder im Reisebüro zur Buchung der Reise zu erscheinen, führt nicht weiter. Dies läuft darauf hinaus, dass der Kläger um die (vorübergehende) Aushändigung des Katalogs hätte bitten können. Es ist jedoch nicht die andere Vertragspartei, sondern der Verwender, der die Möglichkeit schaffen muss, in zumutbarer Weise die Geschäftsbedingungen zur Kenntnis zu nehmen (BGHZ 109, 192, 196).
2. Darüber hinaus ist die Verjährungsfrist im Streitfall auch deshalb nicht verkürzt worden, weil die einschlägige Reisebedingung unwirksam ist.
a) Die Bestimmung in Nummer 10.7 Satz 1 der Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten verstößt gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB.
Nach § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Eine Begrenzung der Haftung in diesem Sinn ist auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen (BGHZ 170, 31, 37; BGH, Urt. v. 29.5.2008 - III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129, 1134). Hiergegen verstößt Nummer 10.7 Satz 1 der Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten (vgl. LG Frankfurt am Main RRa 2008, 243, 244; A. Staudinger, RRa 2007, 245, 249). Denn die Reisebedingung schließt nach Verjährungseintritt die Haftung für Schadensersatzansprüche des Reisenden wegen eines Mangels der Reise nach § 651f Abs. 1 BGB generell aus, ohne Schäden durch die Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder Fälle eines groben Verschuldens des Reiseveranstalters oder seiner Erfüllungsgehilfen auszunehmen.
§ 651m Satz 2 BGB lässt es zwar ausdrücklich zu, vor Mitteilung eines Mangels die Verjährungsfrist auf mindestens ein Jahr zu verkürzen. Nach der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts steht die dem Reiseveranstalter in § 651m Satz 2 BGB eingeräumte Möglichkeit zur Verkürzung der Verjährung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch ausdrücklich in den Grenzen des § 309 Nr. 7 BGB (BT-Drucks. 14/6040, S. 269).
b) Die verbotswidrige Begrenzung der Haftung hat zur Folge, dass Nummer 10.7 Satz 1 der Reise- und Zahlungsbedingungen unwirksam ist. Verstößt eine Formularbestimmung gegen ein Klauselverbot, so kann sie nur unter der Voraussetzung teilweise aufrechterhalten bleiben, dass sie sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (BGHZ 170, 31, 38). Dies ist hier nicht möglich. Die Klausel enthält in Nummer 10.7 Satz 1 eine einzige Regelung, mit der für sämtliche vertragliche Ansprüche des Reisenden die Verjährung auf ein Jahr abgekürzt wird. Um zu einem inhaltlich zulässigen Inhalt zu gelangen, müsste die Klausel um eine Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB aufgeführten Schadensersatzansprüche ergänzt werden. Hierbei würde es sich indessen um eine geltungserhaltende Reduktion auf den erlaubten Inhalt handeln, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht kommt (vgl. BGHZ 170, 31, 38; BGH, Urt. v. 3.6.2004 - X ZR 28/03, NJW 2004, 2965, 2966; BGHZ 100, 157, 184 f.).
c) Mit dem VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 170, 31, 39) sieht auch der Senat im Hinblick auf die vom Bundesarbeitsgericht in zwei jüngeren Entscheidungen vertretene Auffassung, es sei keine Haftungsbegrenzung im Sinne des § 309 Nr. 7 BGB, wenn eine Ausschlussklausel die schriftliche oder klageweise Geltendmachung von Ansprüchen vorsieht (BAG, NJW 2006, 795, 797; NJW 2005, 3305, 3306), keinen Anlass zur Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, weil die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts nicht auf der abweichenden Rechtsauffassung beruhen (vgl. BGHZ 141, 351, 357; GmS-OGB BGHZ 88, 353, 356). In beiden Fällen waren die betreffenden Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders aufgrund unangemessen kurzer Ausschlussfristen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
III.
Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben. Zur Prüfung des geltend gemachten Reisemangels ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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