FOCUS gewinnt vor dem Harmonisierungsamt gegen multifocus

Gericht

Harmonisierungsamt


Art der Entscheidung

Entscheidung über Beschwerde


Datum

09. 02. 2009


Aktenzeichen

R 41/2007-4


Tatbestand


Sachverhalt

1 Am 22. November 2002 meldete die Beschwerdegegnerin die Wortmarke

multifocus

als Gemeinschaftsmarke an für die Waren:

Klasse 9 - Röntgensysteme, Röntgenapparate, Röntgenanlagen und Röntgenröhren für nichtmedizinische Anwendungen;
Klasse 10 - Röntgensysteme; Röntgenapparate, Röntgenanlagen und Röntgenröhren für die medizinische Diagnostik an Präparaten.

2 Die Beschwerdeführerin legte Widerspruch ein, den sie gegen alle Waren der angegriffenen Anmeldung richtete und auf die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 453 720

FOCUS

stützte, die am 17. Januar 1997 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen in den Klassen 3, 6-9, 14-16, 20, 21, 24-26, 28, 29, 32, 33, 35, 36, 38, 39, 41 und 42 angemeldet worden war.

3 Die Beschwerdeführerin stützt den Widerspruch auf alle Waren und Dienstleistungen ihrer Markenanmeldung, wobei sie in Bezug auf die Ähnlichkeit nur auf ihre Waren "wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien" in Klasse 9 abstellt.

4 Der Widerspruch beruht auf Artikel 8 (1) (a), (b) und (5) GMV.

5 Mit Entscheidung vom 31. Oktober 2006 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zur Gänze zurück und legte der Widersprechenden die Kosten auf.

6 Zum Warenvergleich führte die Widerspruchsabteilung aus, die Waren der Anmeldung "Röntgengeräte, Röntgensysteme" seien mit denen älteren Marke in Klasse 9 "wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien, mit Ausnahme von denen, die sich auf Optik beziehen" unähnlich. Die Widerspruchsmarke umfasse ausdrücklich nicht jene Apparate und Instrumente, die sich auf die Optik beziehen. Röntgenoptik stelle einen Teilbereich der Optik dar, bei der die Ausbreitung von Röntgenstrahlen und deren Wechselwirkung mit Materie im Zentrum stehe. Auch die Waren der Anmeldung in Klasse 10 seien zu denen der Widerspruchsmarke unähnlich, weil erstere in der Medizin zu Diagnosezwecken eingesetzt werden. Die Waren der Anmeldung lägen ausdrücklich außerhalb des Schutzbereichs des älteren Rechts. Das angesprochene Fachpublikum werde sofort den grundsätzlichen Unterschied in der Natur und im Zweck der zu vergleichenden fachspezifischen Waren erkennen und erfassen, da es sich bei der Anmeldung um Waren der Röntgentechnik und bei dem älteren Recht um Apparate und Instrumente zu Forschungszwecken mit Ausnahme des Optikbereiches handelt und sich die gegenüberstehenden Waren klar voneinander unterscheiden und abgrenzen. Die übrigen Waren wiesen noch weniger Berührungspunkte auf. Somit seien die Voraussetzungen des Artikels 8 (1) GMV nicht erfüllt.

7 Zum Widerspruchsgrund des Artikels 8 (5) GMV bejahte die Widerspruchsabteilung eine Ähnlichkeit der Vergleichszeichen und dass die Widersprechende eine Bekanntheit nur für "Zeitschriften und Nachrichtenmagazine" und nur für Deutschland nachgewiesen habe. Jedoch habe die Widersprechende keine Argumente oder Indizien vorgetragen, inwiefern die Kennzeichnungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausgenützt oder beeinträchtigt würde. Zwischen den Waren, für die Bekanntheit nachgewiesen wurde, "Zeitschriften und Nachrichtenmagazine" und den Röntgensystemen der Anmeldung in Klassen 9 und 10 bestünden auch nach allgemein bekannten Gesichtspunkten keinerlei Berührungspunkte.

8 Mit der am 22. Dezember 2006 eingelegten und am 23. Februar 2007 begründeten Beschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihren Widerspruch weiter und beantragt, die Entscheidung der Widerspruchsabteilung aufzuheben, die Löschung (sic) der angefochtenen Anmeldung anzuordnen und der Anmelderin die Kosten beider Instanzen aufzuerlegen.

9 Sie meint, es bestehe Verwechslungsgefahr gemäß Artikel 8 (1) (b) GMV, da nahezu von Warenidentität auszugehen sei und zumindest durchschnittliche Zeichenähnlichkeit vorliege. Zum Widerspruchsgrund des Artikels 8 (5) GMV macht sie keine Ausführungen.

10 Zum Warenvergleich meint sie, mit der Einschränkung der Waren "wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien" auf solche "ausgenommen solche mit Bezug auf Optik" würden lediglich solche Apparate und Instrumente ausgeschlossen, bei denen die Optik im Mittelpunkt steht. Die "Röntgengeräte" der Anmeldung seien nicht der Optik zuzurechnen. Die Röntgentechnologie werde nur dann der Optik zugerechnet, wenn optische Methoden auf Röntgenstrahlen angewendet werden. Bei den Waren der Anmeldung handele es sich um Röntgengeräte und Röntgensysteme allgemeiner Art. Die Röntgentechnik sei ein Gebiet der Radiologie. Damit seien die Waren der Anmeldung nach wie vor von den Oberbegriffen der Waren der älteren Marke umfasst.

11 Die Beschwerdegegnerin beantragt kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, da weder Waren- noch Zeichenähnlichkeit vorliege.

12 Die Beschwerdeführerin übersehe, dass die Waren der Anmeldung in Klasse 9 keinen Bezug zur Medizin aufwiesen; dies sei nur für die Waren der Klasse 10 der Fall. Die Beschwerdegegnerin trägt vor, zutreffend habe die angefochtene Entscheidung Röntgengeräte als in den Bereich der Optik fallend behandelt. Zu den optischen Geräten gehörten auch Mikroskope, unter die Röntgenmikroskope fielen. Die Waren der Klasse 10 dienten medizinischen Zwecken und seien schon deshalb unähnlich zu den wissenschaftlichen Apparaten der Widersprechenden die nicht medizinischen Zwecken dienten.

13 Mit Zwischenentscheidung vom 29. November 2007 wurde das Beschwerdeverfahren bis zur Eintragung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung, auf die der Widerspruch gestützt war, ausgesetzt.

14 Durch Urteil des Gerichts erster Instanz, T-491/04 vom 16. Mai 2007, bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofes, C-344/07 vom 11. April 2008, wurde die Gemeinschaftsmarkenanmeldung teilweise für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 41 und 42 rechtskräftig zurückgewiesen. Für die folgenden, verbleibenden Waren und Dienstleistungen wurde die Gemeinschaftsmarkenanmeldung am 26. August 2008 eingetragen:

Klasse 3 - Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Schminken, Kosmetika, Haarwässer, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Rasierwässer und -cremes, Deodorants; Toilettenartikel; Zahnputzmittel.
Klasse 6 - Waren aus unedlen Metallen; Schilder aus Metall.
Klasse 7 - Motorgetriebene Werkzeugmaschinen, insbesondere motorgetriebene Werkzeuge für Handwerker- und Hobbyzwecke.
Klasse 8 - Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel; handbetätigte Werkzeuge und Geräte.
Klasse 9 - Ton-, Bild- und Videodatenträger, insbesondere zur Präsentation von Informationen, einschließlich Kultur-, Sport-, wissenschaftliche, industrielle oder technische Informationen; Chipkarten; wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien, Schifffahrts- und Vermessungsapparate, ausgenommen solche in Bezug auf Optik; Apparate und Instrumente für die Schwachstromtechnik, nämlich für Nachrichten, Hochfrequenz und Regelungstechnik; fotografische, Film-, optische. Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, ausgenommen solche in Bezug auf Optik; Waren für Aufzeichnungs- und Wiedergabezwecke; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Lautsprecher, elektronische Verstärker; alle vorstehend genannten Waren, soweit sie in Klasse 9 enthalten sind, ausgenommen im Bereich Fotogrammetrie.
Klasse: 14 - Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren; Juwelierwaren, Schmuckwaren; Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Modeschmuck, insbesondere Manschettenknöpfe, Krawattennadeln, Armbänder, Broschen, Anstecknadeln und Ohrringe; Aschenbecher.
Klasse 15 - Musikinstrumente.
Klasse 16 - Schreibwaren, Klebstoffe (für Papier- und Schreibwaren).
Klasse 20 - Schilder aus Kunststoff.
Klasse 21 - Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall); Bürsten; Glaswaren, Porzellan und Tonwaren.
Klasse 24 - Gewirkte und gestrickte Stoffe; Bett- und Tischdecken; Textilwaren; Handtücher; Frottiergewebe.
Klasse 25 - Bekleidungsstücke, einschließlich Stiefel und Schuhe; Kopfbedeckungen, Mützenschirme als Bekleidungszubehör, Stirn- und Körperbänder; Strickwaren, T-Shirts, Bademäntel, Jeans, Strümpfe, Sportbekleidung, Sportschuhe; Ledergürtel und Riemen.
Klasse 26 - Modische Accessoires, nämlich Schnallen, Schlösser bzw. Schließen aus Metall.
Klasse 28 - Turn- und Sportartikel, ausgenommen Bekleidungsstücke, Spielwaren, nämlich Spielzeugautos, Modellautos; Spiele, Computer-Spiele.
Klasse 29 - Getränke aus der Basis von Milch.
Klasse 32 - Biere; Fruchtgetränke; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke.
Klasse 33 - Spirituosen.
Klasse 35 - Vermittlung von Karten für Veranstaltungen.
Klasse 36 - Vermittlung von codierten Kreditkarten.
Klasse 38 - Telekommunikation und Dienstleistungen einer Informationsbank, Bereitstellung von Informationen für Dritte, Ausstrahlung von Informationen über drahtlose oder Kabelnetze, Organisation und Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen; Online-Dienste und -Ausstrahlung.
Klasse 39 - Vermittlung von Reisen, Vermittlung von Mietwagen.
Klasse 41 - Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger; Bereitstellung von Turnhallen, Fitnesszentren, Freizeitzentren und Kasinos; Fanklubdienste; Durchführung von Veranstaltungen.
Klasse 42 - Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen; Vermittlung von Unterkünften, einschließlich Hotels.

15 Am 18. November 2008 teilte die Kammer den Parteien mit, dass die Widerspruchsmarke nunmehr eingetragen und der Fall entscheidungsreif ist.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

16 Nachdem das einzige geltend gemachte ältere Recht, die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 453 720, inzwischen eingetragen ist, ist die Sache gemäß Artikel 8 (2) (b) GMV, Regel 20 (7) (a) DV entscheidungsreif. Die Aussetzung des Verfahrens wird hiermit aufgehoben.


Zu Artikel 8 (1) (b) GMV

Vergleich der Waren

17 Die von der Anmeldung beanspruchten Waren sind im Wesentlichen Röntgenapparate für die nichtmedizinische Anwendung (Klasse 9) und für die medizinische Diagnostik an Präparaten (Klasse 10).

18 Die Widerspruchsmarke ist unter anderem für die Waren "wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien, ausgenommen solche in Bezug auf Optik" in Klasse 9 eingetragen. Der in dieser Klasse ebenfalls aufscheinende Oberbegriff "optische Apparate und Instrumente" ist jedoch durch den Zusatz "ausgenommen solche in Bezug auf Optik" in sich widersprüchlich und als Warenangabe unverständlich.

19 Die Beschwerde greift vor allem die Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung an, die Einschränkung des Warenverzeichnisses der Widerspruchsmarke auf solche Apparate und Instrumente, die sich nicht auf Optik beziehen, habe zur Folge, dass von der Widerspruchsmarke keine mit Röntgengeräten vergleichbaren Waren umfasst seien, da Röntgengeräte der Optik zuzurechnen seien.

20 Im allgemeinen Verständnis (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Optik) ist die Optik ein Bereich der Physik, der sich mit der Ausbreitung von Licht und dessen Wechselwirkung mit Materie insbesondere im Zusammenhang mit optischen Abbildungen beschäftigt. Optik wird daher auch als die Lehre vom Licht bezeichnet. Unter Licht versteht man in der Regel den sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums. Viele Gesetzmäßigkeiten und Methoden der klassischen Optik gelten allerdings auch außerhalb des Bereichs des sichtbaren Lichts. Dies erlaubt eine Übertragung der Erkenntnisse der Optik auf andere Spektralbereiche von Röntgenstrahlung ("Röntgenoptik") bis hin zu Mikrowellen oder Funkwellen. Auch Strahlen geladener Teilchen bewegen sich in elektrischen oder magnetischen Feldern oft nach den Gesetzen der Optik ("Elektronenoptik").

21 Die Röntgenoptik (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Röntgenoptik) beschäftigt sich mit der Ausbreitung von Röntgenstrahlen und deren Wechselwirkung mit Materie. Die Röntgenoptik findet nicht nur im Wellenlängenbereich der eigentlichen Röntgenstrahlung (0,1 pm-10 nm) Anwendung, sondern auch bei Wellenlängen bis hin zu 100 nm (VUV-Strahlung). Eine Anwendung von Röntgenstrahlung ist zum Beispiel bei der Röntgenmikroskopie gegeben, einem Mikroskopierverfahren. das statt sichtbarem Licht Röntgenstrahlung nutzt. Das bietet den Vorteil der kürzeren Wellenlänge, was eine höhere Auflösung ermöglicht. Darüber hinaus unterscheidet sich die Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie von der des sichtbaren Lichts (z. B. Durchdringungsvermögen, immanenter Elementkontrast, Brechzahlen), womit ergänzende Informationen über den untersuchten Gegenstand gewonnen werden können.

22 Deshalb fallen Röntgenapparate unter den weiten Begriff der Optik und unter jene Apparate, die von dem Schutzbereich der Widerspruchsmarke ausdrücklich ausgenommen sind. Dies schließt aber nur das Vorliegen einer Identität der kollidierenden Waren aus.

23 Jedoch sind "wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien" und "Röntgenapparate, sowohl für die nichtmedizinische als auch medizinische Anwendung" ähnlich. Röntgenapparate sind wissenschaftliche Apparate, die auch in Laboratorien zur Untersuchung von Proben und damit zu Forschungszwecken Verwendung finden. Sowohl wissenschaftliche Apparate und Instrumente für Laboratorien als auch Röntgenapparate richten sich an dasselbe Fachpublikum und werden von diesem Publikum über spezifische Vertriebskanäle von Lieferanten erworben, die auf die Ausstattung von Laboratorien, Forschungsstätten und Universitätskliniken spezialisiert sind. Besonders deutlich ist dieser Zusammenhang bei der Mikroskopie, die in jedem Laboratorium durchgeführt werden kann und je nach Untersuchungszweck und Grad der erwünschten Genauigkeit verschiedene optische Mikroskopiergeräte, Röntgenmikroskope und Elektronenmikroskope verwendet. Es liegt somit eine hochgradige Warenähnlichkeit mit allen Waren der Anmeldung in den Klassen 9 und 10 vor.


Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke

24 Die Widerspruchsmarke hat für Apparate und Geräte, die nicht in den Bereich der Optik fallen, eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Für optische Apparate und Geräte liegt eine geschwächte Kennzeichnungskraft vor, da der Begriff "FOCUS" von den betroffenen Fachkreisen im gesamten europäischen Bereich als Hinweis auf "Fokussieren" verstanden wird.

25 Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist für die Waren der Klasse 9 nicht durch Benutzung erhöht. Die Bekanntheit für Waren der Klasse 16 ist hier ohne Belang.


Vergleich der Zeichen

26 Die Beurteilung der Markenähnlichkeit umfasst die Prüfung, ob die beiden betroffenen Zeichen visuell, phonetisch oder ihrer Bedeutung nach ähnlich sind, wobei auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen ist und insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2005, C-120/04, "Thomson Life", Rdn.28, Slg. 2005 I-8551).

27 Der Zeichenvergleich ist unabhängig von der Prioritätslage anhand der Wiedergaben der zu vergleichenden Marken durchzuführen. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 16. Mai 2007 T-491/04 (bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs C-344/07 vom 11. April 2008), mit dem eine Ähnlichkeit zwischen der (der Widersprechenden des vorliegenden Verfahrens gehörenden) Widerspruchsmarke MICRO FOCUS mit der (einer Fa. Merant GmbH gehörenden) angefochtenen Anmeldung FOCUS bejaht wurde, ist unmittelbar einschlägig.

28 Die identische Übereinstimmung des zweiten Bestandteils der angemeldeten Marke "multifocus" mit dem einzigen Bestandteil der Widerspruchsmarke "FOCUS" führt bei einem auf einer Gesamtbetrachtung basierenden Vergleich zu einer visuellen, phonetischen und begrifflichen Ähnlichkeit.

29 Hinsichtlich der begrifflichen Ähnlichkeit ist nachzutragen, dass das relevante englisch- oder deutschsprachige Publikum den Bedeutungsgehalt des Wortes "FOCUS" (vgl. im Deutschen "FOKUS" sowie das Verb "fokussieren") erkennt und versteht. Die Übereinstimmung dieses Begriffs mit einem der beiden Bestandteil der jüngeren Marke führt nicht zur begrifflichen Identität, wohl aber zur Ähnlichkeit.

30 Die Übereinstimmung der älteren Einwortmarke mit dem ersten Bestandteil einer aus zwei Bestandteilen bestehenden jüngeren Marke begründet regelmäßig die Zeichenähnlichkeit. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz

(außer T-491/04 unter anderem:
- Jello Schuhpark/ Schuhpark, Urteil des Gerichts vom 8.3.2005, T-32/03;
- Westlife/ West, Urteil des Gerichts vom 4.5.2005, T-22/04;
- Miles/ Biker Miles, Urteil des Gerichts vom 7.7.2005, T-385/03;
- Kiap Mou/Mou, Urteil des Gerichts vom 25.11.2003, T-286/02;
- NL Sport /NL, Urteil des Gerichts vom 6.10.2004, T-177/03;
- Barbara Becker/Becker, Urteil des Gerichts vom 2.12.2008, T-212/07, Rdn. 30)

und ständiger Entscheidungspraxis der erkennenden Kammer

(unter anderem:
- Entscheidung vom 9.10.2006, R 823/2005-4, SINNLEFFERS/SINN;
- Entscheidung vom 8.5.2008, R 1051/2007-4, SOHO LAB/LAB;
- Entscheidung vom 2.11.2006, R 387/2005-4, FOCUS RADIO/ FOCUS)

ist in solchen Fällen regelmäßig die Zeichenähnlichkeit (und bei Warenidentität auch die Verwechslungsgefahr) bejaht worden.

31 In der Tat liegt es in solchen Fällen, so auch hier, regelmäßig so, dass der übereinstimmende Bestandteil nicht in der Weise allein dominiert, dass der hinzugefügte Bestandteil völlig in den Hintergrund tritt. Auch in solchen Fällen ist aber von Zeichenähnlichkeit auszugehen. Prägen beide Bestandteile das jüngere Zeichen gleichermaßen, so reicht die Mit-Prägung für den Erfolg des Widerspruchs aus, solange der übereinstimmende Bestandteil noch selbständig kennzeichnend erkennbar bleibt (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2005, C-120/04, "Thomson life", Rdn. 30, 32).

32 Dies gilt erst recht im vorliegenden Fan, wo der übereinstimmende Bestandteil "FOCUS" geringfügig stärker prägt als der hinzugefügte rein beschreibende Bestandteil "MULTI" (siehe oben, Rdn. 24). Insoweit erscheint das jüngere Zeichen als Abwandlung des älteren Zeichens "FOCUS" (siehe Urteil des Gerichts erster Instanz vom 23. Oktober 2002, T -104/01, "Fifties/Miss fifties", Rdn. 49)


Gesamtabwägung

33 Nach Artikel 8 (1) (b) GMV ist auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt, wobei die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr einschließt, dass die Anmeldung mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

30 Eine Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH, Urteil vom 22. Juni 1999, C 342/97, "Lloyd Schuhfabrik", Rdn. 19, Slg. 1999 I-3819).

31 Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Diese Beurteilung impliziert eine bestimmte Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit diesen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH, Urteil "Lloyd Schuhfabrik", Rdn. 18, 19). Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, je größer sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt (EuGH, Urteil vom 11. November 1997, C-251/95, "Sabèl/Puma", Rdn. 24).

34 Die kollidierenden Waren richten sich ausschließlich an ein Fachpublikum, das wegen der langfristigen Nutzungsdauer und der hohen Investitionskosten der Apparate und Geräte mit einer erhöhten Aufmerksamkeit handeln wird.

35 Insgesamt lassen sich unter Zugrundelegung der gebotenen Gesamtbetrachtung der Vergleichsmarken eine visuelle und eine merkliche klangliche Ähnlichkeit feststellen. Da auch die Waren hochgradig ähnlich sind, besteht unter Zugrundelegung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr, auch wenn auf Seiten des relevanten Fachpublikums mit einer erhöhten Aufmerksamkeit zu rechnen ist.

36 Daran ändert auch nichts, dass der übereinstimmende Bestandteil "FOCUS" insoweit Kennzeichnungsschwäche aufweist, als Mikroskope "fokussiert" werden können (siehe oben, Rdn. 24). Der hinzugefügte Bestandteil "MULTI" ist allemal noch schwächer, so dass die jüngere Marke durch den Bestandteil "FOCUS" dominiert wird, der durch "MULTI-" eine Qualifikation im Sinne einer "mehrfach, multipel" einsetzbaren Ware erhält, was die Verwechslungsgefahr nicht ausschließt (siehe Urteil des Gerichts erster Instanz vom 16. Mai 2007, T-491/04, "Focus/ Micro Focus", Rdn. 50, 51, 64).

37 Es besteht Verwechslungsgefahr seitens des Publikums, zumindest in Großbritannien und Deutschland, das annehmen kann, die Waren der jüngeren Marke stammten vom Anbieter der Waren unter der Marke "FOCUS" und stellten eine Abwandlung letzterer dar, etwa in der Weise, dass es sich um spezielle Geräte mit "multi- Funktionen" handele.

38 Der Widerspruch ist nach Artikel 8 (1) (b) GMV gegen alle Waren der angefochtenen Anmeldung in den Klassen 9 und 10 begründet. Unter Aufhebung der Widerspruchsentscheidung muss die Markenanmeldung zurückgewiesen werden.


Zu Artikel 8 (5) GMV

39 Da der Widerspruch vollständig nach Artikel 8 (I) (b) GMV begründet ist, erübrigt sich eine Prüfung des Widerspruchsgrundes des Artikel 8 (5) GMV (vgl. Urteil des Gerichts erster Instanz vom 16. September 2004, T -342/02 "Moser Grupo Media", Rdn. 34, 36, ABl. HABM 2004, 1356).


Kosten

40 Die Beschwerdegegnerin als unterlegene Partei trägt gemäß Artikel 81 (1) GMV die der Beschwerdeführerin entstandenen Kosten im Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren.


Kostenfestsetzung

41 Gemäß Artikels 81 (6) GMV setzt die Beschwerdekammer in der Entscheidung die Kosten bereits fest, sofern sich die Kosten auf die an das Amt gezahlten Gebühren und die Vertretungskosten beschränken. Gemäß Regel 94 (7) (d) (v) DV werden daher die Kosten für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 550 EUR festgesetzt. Für das Widerspruchsverfahren werden diese Kosten gemäß Regel 94 (7) (d) (i) DV auf 300 EUR festgesetzt. Gemäß Regel 94 (6) DV hat die Beschwerdegegnerin auch die von der Beschwerdeführerin entrichteten Gebühren von 350 EUR für den Widerspruch und 800 EUR für die Beschwerde zu tragen. Der Gesamtbetrag der von der Beschwerdegegnerin an die Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten ist 2000 EUR.


Tenor der Entscheidung

Aus diesen Gründen entscheidet


DIE KAMMER

wie folgt:

  1. Die Aussetzungsentscheidung vom 29 November 2007 wird aufgehoben.

  2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

  3. Die angegriffene Gemeinschaftsmarkenanmeldung wird zurückgewiesen.

  4. Die Beschwerdegegnerin trägt die der Beschwerdeführerin im Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten und Gebühren.

  5. Der Betrag der von der Beschwerdegegnerin an die Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten und Gebühren wird auf 2000 EUR festgesetzt.


D. Schennen

I. Mayer

F. López de Rego

Geschäftsstellenbeamter:
J. Pinkowski

Rechtsgebiete

Markenrecht