Gefährliche Unterschriften
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
22. 01. 2009
Aktenzeichen
V ZB 165/08
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 19. September 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 8.000 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Herausgabe eines Kraftfahrzeugs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die von Rechtsanwalt Dr. M. als Vertreter der Klägerin für diese rechtzeitig eingelegte Berufung als unzulässig verworfen, weil es an der nach §§ 519 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO notwendigen Unterzeichnung der Berufungsschrift fehle. Der anzutreffende Schriftzug beschränke sich auf Fragmente zweier Buchstaben und erlaube keine Abgrenzung zu einer Paraphe.
II.
Die gegen den Beschluss des Berufungsgerichts gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin ist statthaft, zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
Die zur Wirksamkeit eines bestimmenden Schriftsatzes notwendige Unterschrift verlangt einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug, der individuelle, charakteristische Merkmale, die die Nachahmung erschweren, aufweist, sich ohne lesbar sein zu müssen, als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 9. November 1988, I ZR 149/87, NJW 1989, 588; Urt. v. 10. Juli 1997, XI ZR 24/97, NJW 1997, 3380, 3381; Beschl. v. 28. September 1998, II ZB 19/98, NJW 1999, 60, 61; Beschl. v. 27. September 2005, VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775, 3776; Urt. v. 23. September 2008, XI ZR 253/07, WM 2008, 2158, 2159).
Diesen Anforderungen genügt der Schriftzug von Dr. M. unter der Berufungsschrift. An der Urheberschaft von Dr. M. gibt es keinen Zweifel. Sie ergibt sich aus dem unter dem Schriftzug befindlichen maschinenschriftlichen Zusatz "Dr. O. M. , Rechtsanwalt (für RA C. M. )". Dem Schriftzug fehlt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht an der erforderlichen Individualität und der erkennbaren Absicht einer vollen Unterschriftsleistung. Die Unterschrift besteht aus zwei kurzen, aber markanten Zeichen: Das erste Zeichen beginnt mit einem mageren Aufstrich und endet mit einem fetten, nach rechts gekrümmten Abstrich; das zweite durch einen Zwischenraum von dem ersten getrennte Zeichen besteht in einem fetten Abstrich, der in die Unterlänge reicht. Der Schriftzug weist keine willkürlichen Striche, Linien oder Punkte auf, sondern lässt Andeutungen des ersten und des letzten Buchstabens des aus nur drei Buchstaben bestehenden Familiennamens von Dr. M. erkennen. Die Linienführung und die Plazierung der Schriftzeichen sind individuell, ermöglichen ohne weiteres die Unterscheidung von anderen Unterschriften und entsprechen der Art, in der Rechtsanwalt Dr. M. von ihm gefertigte Schriftsätze üblicherweise unterschreibt.
Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
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